ELASTISCHE EIGENSCHAFTEN VON FESTKÖRPERN. A. Grundlagen der Elastizitätstheorie. 1. Hookesches Gesetz und Verallgemeinerung
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1 XII. ELASTISCHE EIGENSCHAFTEN VON FESTKÖRPERN A. Grundlagen der Elastizitätstheorie 1. Hookesches Gesetz und Verallgemeinerung Man unterscheidet zwischen reversiblen elastischen und irreversiblen plastischen Verformungen. Wir betrachten hier die elastischen Verformungen, für die das Hookesche Gesetz σ = Cɛ (1) gilt, d. h. es besteht eine Proportionalität zwischen der Spannung σ und der Dehnung ɛ. Wie in Abb. 1 dargestellt, bezieht sich Gl. (1)auf einen prismatischen Körper mit der Grundfläche A, auf den eine Schubkraft F wirkt. Als Reaktion folgt eine Kompression um l verbunden mit einer Abbildung 1: Prismatischer Festkörper mit Schubkraft F. Reaktionskraft F f = k l mit einer angenommenen Federkonstante k. Im Gleichgewicht gilt F = F f = k l. (2) Hieraus folgt Gl. (1) nach Division durch A, wobei die Spannung definiert ist als σ = F/A, und die Dehnung als relative Längenänderung ɛ = l/l. Sie Proportionalitätskonstante C = kl/a ist der Dehnungs- oder auch Spannungsmodul. Das Hookesche Gesetz gilt nur für kleine Spannungen. Außerhalb dieses Bereiches treten komplizierte nichtlineare Effekte auf. Im Allgemeinen sind die in einem Festkörper auftretenden inneren Kräfte, d. h. Spannungen und Deformationen jedoch sehr viel komplexer. So führt die auf den betrachteten prismatischen Festkörper ausgeübte eindimensionale Belastung bereits zu einer mehrdimensionalen Verzerrung, da sich auch der Durchmesser des Stabs ändert (Querexpansion). Deshalb ist selbst in den einfachsten Fällen eine dreidimensionale, tensorielle Beschreibung von Verzerrungen erforderlich. In einer Verallgemeinerung von (1) schreiben wir σ αα = βγ C αα βγɛ βγ. (3) wobei die griechischen Indizes die Werte x, y, z annegmen. Hierbei ist ˆσ der Spannungstensor, ˆɛ der Deformationstensor und Ĉ der elastische Tensor. Die Gültigkeit einer solchen Verallgemeinerung lässt sich im Rahmen der behandelten harmonischen Gittertheorie belegen.
2 A Grundlagen der Elastizitätstheorie 2 2. Verzerrungstensor Eine Verzerrung oder Deformation führt zu einer Veränderung der gegenseitigen Lagebeziehungen der Materieelemente. Zur quantitativen Erfassung betrachten wir ein bei t = 0 am Orte R gelegenes Materieelement, welches sich darauffolgend entlang der Trajektorie r(t) = R + s( R, t) mit s( R, t = 0) = 0 (4) bewegt (s. Abb. 2). Hier ist s( R, t = 0) das Verschiebungsfeld. Abbildung 2: Trajektorien zweier benachbarter Materielemente bei Deformation. Ein benachbartes Element bei t = 0 am Orte R + d R bewege sich entlang Subtraktion von Gl. (4) führt auf r + d r = R + d R + s( R + d R). (5) d r = d R + s( R + d R) s( R) d R + ( s)d R, (6) wobei im letzten Schritt eine kleine Deformation vorausgesetzt wurde (wir lassen den Parameter t fort). Die Veränderung der Lagedifferenz der beiden benachbarten Punkte ist in Komponentenschreibweise dr α dr α = α s α dr α. (7) R α Ein konstantes Feld s( R) = c entspricht einer Translation des Festkörpers; ein Feld s( r) = Â r (mit einer orthogonalen Matrix Â) entspricht einer Drehung. Solche Verschiebungen bewirken keine innere Verzerrung. Eine Verzerrung tritt nur dann auf, wenn benachbarte Materieelemente in unterschiedlicher Weise verschoben werden; wenn sich also s( r) und s( r + d r) voneinander unterscheiden. Die Verformung des einzelnen Materieelements kann deshalb durch die partiellen Ableitungen der Komponenten von s nach den Komponenten von r beschrieben werden. Wir führen nun die Matrixzerlegung ein mit dem symmetrischen Spannungstensor s α Rα = ɛ αα + D αα (8) ɛ αα = 1 2 ( sα + s ) α (9)
3 A Grundlagen der Elastizitätstheorie 3 und der antsymmetrischen Drehmatrix (s. TL) D αα = 1 ( sα 2 und erhalten s ) α. (10) dr α dr α = α ɛ αα dr α + α D αα dr α (11) Hier entspricht der zweite Summand Beiträgen zur verschiebung, die auf einer reinen Drehung beruhen und daher zu keiner deformation führen. 3. Spannungstensor In einer gedachten Schnittfläche durch die Materie übt der in Gedanken weggeschnittene Teil auf das verbliebene Material eine Spannung aus (Spannung = Kraft / Fläche). An einem gegebenen Ort (X, Y, Z) der Schnittfläche mit dem Normalenvektors n 1 = e 1 ergibt sich daher ein Spannungsvektor Σ = (σ 11, τ 21, τ 31 ) Σ 1. (12) mit der Zugspannungskomponente σ 11 in Richtung des Normalenvektors und zwei Schubspannungskomponenten τ 21 und τ 31 in Richtung der Tangenzialeinheitsvektoren e 2 und e 3. zusammensetzt (s. Abb. 3), wobei e 1, e 2 und e 3 ein orthogonales Dreibein bilden. Am gegebnen Ort Abbildung 3: Schnittfläche mit Normalenvektor n 1 = e 1 und Tangenzialeinheitsvektoren e 2 und e 3. (X, Y, Z) schneiden sich drei solche gedachten Schnittflächen, mit den Normalvektoren n 1 = e 1 und dem Spannungsvektor Σ 1 = (σ 11, τ 21, τ 31 ), mit dem Normalvektor n 2 = e 2 und dem Spannungsvektor Σ 2 = (τ 12, σ 22, τ 32 ) und mit dem Normalvektor n 2 = e 2 und dem Spannungsvektor Σ 3 = (τ 13, τ 23, σ 33 ). Die drei Spannungsvektoren werden zum Spannungstensor zusammengefasst: mit 3 σ = σ ij e i e j, (13) i,j=1 ˆσ = σ 11 τ 12 τ 13 τ 21 σ 22 τ 23. (14) τ 31 τ 32 σ 33
4 A Grundlagen der Elastizitätstheorie 4 Wir können dann für den Spannungsvektor für eine beliebig orientierte Schnittfläche mit dem Normalenvektor n am gegebenen Schnittpunkt schreiben Σ = ˆσ n (15) (s. Abb. 4). Um den Anschluss an die harmonische Gittertheorie zu erhalten, berechnen wir die Abbildung 4: Drei rechtwinklige ebene Schnittflächen mit kartesischen Normaleneinheitsvektoren n 1 = e x, n 2 = e y und n 3 = e z. Die Schnittflächen treffen sich im rechten hinteren Punkt des Quaders auf den sich Gl. (15). Gesamtkraft auf den in Abb. (4) dargestellten Quader zwischen den Koordinaten X und X + X, Y und Y + Y und Z und Z + Z die von den Teilchen außerhalb des Quaders ausgeübt wird. Diese ist fie Summe der Teilkräfte auf dessen Seitenflächen: Fx f = σ 11 (X + X, Y, Z) Y Z σ 11 (X, Y, Z) Y Z + σ 12 (X, Y + Y, Z) X Z σ 12 (X, Y, Z) X Z + σ 13 (X, Y + Y, Z) X Z σ 13 (X, Y, Z + Z) X Z = + lim V 0 σ 11 (X + X, Y, Z) σ 11 (X, Y, Z) X σ 13 (X, Y Y, Z) σ 13 (X, Y, Z) V ( Z σ11 X + σ 12 Y + σ 13 Z V + σ 12(X, Y + Y, Z) σ 12 (X, Y, Z) V Y ) dv (16) Wir erhalten im Grenzübergang V 0 für die α-komponente der Kraftdichte f α f = df α dv = σ αα ( R) α (17) Wir setzen an, dass Kraftdichte und Auslenkung s im Quader mit der Masse dm konstant ist und erhalten mit ρ = dm/dv bei Abwesenheit von äußeren Kräften für die Auslenkung im einbasigen Kristall die Newtonsche Bewegungsgleichung dm s α = f f αdv ρ s α ( r) = α σ αα ( R) R α. (18)
5 B Harmonische Theorie (aus MAD) 5 B. Harmonische Theorie (aus MAD) Wir betrachten akustische Gitterschwingungen im Grenzfall großer Wellenlängen. Es schwingen dann alle Atome einer Basis gleichsinnig. Für große Wellenlängen ändern sich auch die Schwingungsamplituden von Elementarzelle zu Elementarzelle wenig. Dann spielt die atomare Struktur keine Rolle und der Übergang zum Kontinuum ist möglich. Diesen vollziehen wir wie folgt: Zunächst können wir uns die Atome der Basis im Schwerpunkt vereinigt denken (Gesamtmasse M). Wir brauchen dann nur ein Bravais-Gitter zu betrachten. Die relevanten Bewegungsgleichungen sind M s lα = V lα;l α s l α. (19) l α Wir definieren nun ein langsam veränderliches Verschiebungsfeld s( R, t), das an den Gitterpunkten mit den diskreten Auslenkungen s l (t) identisch sein soll, s( R 0 l, t) = s l (t). (20) Dieses entspricht Gl. (4), wenn wir die dortigen Materieelementpositionen R mit den R l 0 identifizieren und beit t = 0 ein unverspanntes Gitter voraussetzen, d. h. s( R l 0, 0) = 0. Mit diesem Verschiebungsfeld gehen wir in Gl. (19) ein. Das Feld s an der Stelle R l 0 entwickeln wir um die Stelle R l 0 = 0 und nehmen an, das Beiträge zur Summe in (19) nur aus Bereichen kommen, in denen s( R l ) sich von s(0) wenig unterscheidet. Man kann dann die Entwicklung nach dem ersten nicht-verschwindenden Glied abbrechen: s l α = s α ( R 0 l ) = s α (0) + β s α Rl 0 R β s α Rl 0 β 2 R β R βr l 0 γ. (21) γ βγ Beim Einsetzen dieser Entwicklung in Gl. (19) verschwindet das erste Glied wegen (s. TL vorheriges Kapitel) V lα,l α = 0. (22) l Das zweite Glied aufgrund V lα,0α = V lα,0α und R 0 lγ = R 0 lγ (s. TL). Es bleibt dann M s 0α = M s α (0) = M s α = 1 2 l α βγ V 0α;l α 2 s α R β R γ R 0 l βr 0 l γ. (23) Division dieser Gleichung durch as Volumen der primitiven Einheitszelle V EZ, Definition der Massendichte ρ = M/V EZ, und Einführung der Bezeichnung führt auf C αα βγ = 1 2V EZ l V 0α;l α R0 l βr 0 l γ (24) ρ s α = 2 s α C αα βγ. (25) R β R γ α βγ Die C αα βγ weisen eine Reihe von Symmetrien auf, insbesondere gilt für einen Zentralkraftansatz V = ll v( R l R l ) (26) die Symmetrie C αα βγ = C βγαα (27)
6 B Harmonische Theorie (aus MAD) 6 (s. TL). Dann kannm man Gl. (25) auch schreiben als ρ s α = C αα βγ α βγ 1 2 ( sβ R γ + s γ R β ). (28) Dires ist aber genau die Bewegungsgleichung eines elastischen Kontinuums. Dort wird der Deformationstensor definiert als ɛ βγ = 1 ( sβ + s ) γ. (29) 2 R γ R β Durch das Hookesche Gesetz ist dieser mit dem Spannungstensor σ αα verbunden: σ αα = βγ C αα βγɛ βγ. (30) Daher können wir C αα βγ mit dem elastischen Tensor im Hookeschen Gesetz identifizieren. Aus (25) erhalten wir erneut die Bewegungsgleichung (18) ρ s α = σ αα ( R). (31) α
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