Wissenschaftliche Kommentierung von IAS 16 ( Sachanlagen ): Anwendungsvoraussetzungen, Sinn und Zweck, Norminhalt und Literaturüberblick
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- Kirsten Geier
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1 Wirtschaftsprüfungsseminar im Sommersemester 2006 Rechnungslegung nach IFRS: Wissenschaftliche Kommentierung einschlägiger Standards und sachgerechte Einzelfalllösungen Wissenschaftliche Kommentierung von IAS 16 ( Sachanlagen ): Anwendungsvoraussetzungen, Sinn und Zweck, Norminhalt und Literaturüberblick Kai Hasenbusch, Sarah Trunk, Martin Wiethüchter
2 Gliederung -2- I. Definition II. Anwendungsbereich III. Sinn und Zweck IV. Norminhalt 1. Ansatzkriterien 2. Bewertung von Sachanlagen 2.1. Zugangsbewertung Anschaffungs- und Herstellungskosten a) Anschaffungskosten b) Herstellungskosten c) Nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten d) Anschaffungskosten bei Tausch 2.2. Folgebewertung Cost Model a) Planmäßige Abschreibung unter Berücksichtung des Komponentenansatzes b) Abschreibungsvolumen c) Nutzungsdauer d) Abschreibungsmethode Revaluation Model a) Ergebnisauswirkungen der Neubewertung 2.3. Außerordentliche Wertminderungen 2.4. Stilllegung und Abgänge 2.5. Ausweis und Anhangsangaben V. Kritische Würdigung VI. Thesenförmige Zusammenfassung
3 I. Definition -3- Sachanlagen umfassen materielle Vermögenswerte, die für Zwecke der Herstellung oder der Lieferung von Gütern und Dienstleistungen, zur Vermietung an Dritte oder für Verwaltungszwecke gehalten werden und die erwartungsgemäß länger als eine Periode genutzt werden. (IAS 16.6) Beispiele: - Grundstücke und Gebäude - Maschinen und technische Anlagen - Schiffe - Betriebs- und Büroausstattung
4 II. Anwendungsbereich -4- Vermögensobjekte des Anlagevermögens - dienen dem Unternehmenszweck und sind nicht zur sofortigen Veräußerung, zum sofortigen Verbrauch oder zur Weiterveräußerung bestimmt. materielle Vermögenswerte - haben im Vergleich zu immateriellen Vermögenswerten und Finanzanlagen körperliche und physische Substanz Nutzung über mehrere Perioden - i.d.r. ein Geschäftsjahr (12 Monate) - aber auch kürzere Dauer möglich, wenn Nutzung über Bilanzstichtag hinausgeht
5 II. Anwendungsbereich -5- IAS 16 ist nicht anzuwenden, wenn ein anderer Standard eine andere Behandlung erfordert oder zulässt. (IAS 16.2) Beispiele: -IAS 17 (Leasing) - IAS 40 (Als Finanzinvestition gehaltene Immobilien) - IAS 41 (Landwirtschaft) - IFRS 5 (Zur Veräußerung gehaltene langfristige Vermögenswerte und aufgegebene Geschäftsbereiche) - IFRS 6 (Vermögenswerte aus Exploration und Evaluierung) Ausnahme: Ansatz der Sachanlagen, die für Vermögenswerte aus IAS 41 und IFRS 6 eine Aufrechterhaltung gewährleisten
6 III. Sinn und Zweck -6- Übergeordnete Regel: - Vermittlung von entscheidungsnützlichen Informationen IAS 16 - Die Zugangsbewertung zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten verfolgt das Ziel der erfolgsneutralen Erfassung des Anschaffungsoder Herstellungsvorgangs einer Sachanlage. - Planmäßige Abschreibungen sind Ausdruck periodengerechter Erfolgsermittlung durch Zuordnung der Aufwendungen zu den korrespondierenden Erträgen. - Die Neubewertungsmethode soll zu inflationsfreiem Bild der Vermögenslage führen und die übergeordnete Regel unterstützen. - Die erfolgsneutrale Erfassung und die Möglichkeit der Neubewertung sind Indiz dafür, dass die Vermittlung von Informationen über die Vermögenslage im Vordergrund stehen soll.
7 -7-1. Ansatzkriterien Ein Gegenstand der Sachanlagen wird als Vermögenswert angesetzt, wenn es wahrscheinlich ist, dass ein mit ihm verbundener künftiger wirtschaftlicher Nutzen dem Unternehmen zufließen wird und wenn seine Anschaffungs- oder Herstellungskosten verlässlich ermittelt werden können. (IAS 16.7)
8 -8- a) Kriterium des wahrscheinlichen Nutzenzuflusses Wirtschaftlicher Nutzen äußert sich im indirekten/direkten Zufluss von Zahlungsmitteln oder -äquivalenten, respektive reduzierten Ausschusskosten. Wirtschaftlicher Nutzen muss dem Unternehmen zufließen. Wirtschaftliches Eigentum ist ausreichend; rechtliches Eigentum nicht notwendig. b) Kriterium der zuverlässigen Bemessung von Anschaffungs- und Herstellungskosten Beim Kauf liegen Anschaffungskosten vor. Bei Selbsterstellung sind Herstellungskosten ermittelbar. Anwendung der Kriterien erfolgt für jede einzelne Sachanlage. Eine Betrachtung der unternehmensspezifischen Umstände ist erforderlich und erfordert ggf. eine Zusammenfassung unbedeutender Vermögenswerte. Anwendung der Kriterien erfolgt dann einheitlich auf die zusammengefasste Gruppe
9 -9-2. Bewertung von Sachanlagen 2.1. Zugangsbewertung Anschaffungs- und Herstellungskosten Eine Sachanlage, die die Ansatzkriterien erfüllt, ist bei erstmaligen Ansatz mit ihren Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu bewerten. (IAS 16.15) a) Anschaffungskosten Kaufpreis (zzgl. Einfuhrzölle und Steuern) Anschaffungsnebenkosten direkt zurechenbare Kosten, die anfallen, um den Vermögenswert zu dem Standort und in den erforderlichen, vom Management beabsichtigten betriebsbereiten Zustand zu bringen. abzügl. Anschaffungspreisminderungen (Skonti, Rabatte etc.) Geschätzte Kosten für den Abbruch und das Abräumen der Sachanlage und Wiederherstellung des Standortes, soweit hierfür Rückstellungen nach IAS 37 zu bilden sind, werden hinzugerechnet.
10 -10- b) Herstellungskosten Ermittlung der Herstellungskosten folgt denselben Grundsätzen, die auch beim Erwerb von Vermögenswerten angewendet werden. Verweis auf IAS 2: produktionsbezogener Vollkostenansatz Ansatz zum Barpreisäquivalent bei Überschreitung der üblichen Zahlungsfristen Erfassung von Anschaffungs- und Herstellungskosten im Buchwert einer Sachanlage endet, wenn sie sich an dem Standort und in dem vom Management beabsichtigten betriebsbereiten Zustand befindet.
11 -11- c) Anschaffungskosten bei Tausch Ansatz grundsätzlich zum beizulegenden Zeitwert der erhaltenen Sache, es sei denn - dem Tauschgeschäft fehlt es an wirtschaftlicher Substanz, oder - weder der beizulegende Zeitwert des erhaltenen Vermögenswertes noch des hingegebenen Vermögenswertes ist verlässlich messbar. (IAS 16.24) Können beide Fair Values verlässlich bestimmt werden, so ist als Anschaffungskosten der Sachanlage grundsätzlich der Fair Value des hingegebenen Vermögenswertes zu wählen. (IAS 16.26) Differenzen werden erfolgswirksam berücksichtigt.
12 -12- d) Nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die nach dem Ablauf des Aktivierungszeitraumes anfallen, werden nach IAS 16.7 als nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten angesetzt, wenn sie das wirtschaftliche Nutzenpotential einer Sachanlage erhöhen. Abgrenzung von aktivierungspflichtigen Wartungs- und Inspektionskosten von allgemeinen Reparatur- und Wartungskosten - Generalinspektionen und Ersatzinvestitionen werden als nachträgliche Erwerbskosten aktiviert. (IAS 16.13) - Allgemeine Reparatur- und Wartungskosten, die lediglich der Werterhaltung dienen, werden erfolgswirksam erfasst. (IAS 16.12)
13 Folgebewertung Wahlmöglichkeit zwischen Bewertung zu fortgeführtren Anschaffungsund Herstellungskosten (cost model) und Neubewertungsmethode (revaluation model). (IAS 16.29) Wahlrecht ist einheitlich für jede Gruppe von Sachanlagen auszuüben. (IAS 16.29) Cost Model Ansatz zu Anschaffungskosten abzüglich der kumulierten planmäßigen Abschreibungen und aller kumulierter Wertminderungsverluste (IAS 16.30)
14 -14- a) Planmäßige Abschreibung unter Berücksichtung des Komponentenansatzes Ein Vermögenswert besteht aus verschiedenen Komponenten mit unterschiedlichen Nutzungsdauern, so dass einzelne Komponenten im Rahmen der Gesamtnutzungsdauer mehrmals, ggf. auch regelmäßig, ersetzt werden müssen. (IAS , 16.43) Eine Sachanlage ist im Zeitpunkt ihres Zugangs in Komponenten zu zerlegen, die nachfolgend separat über ihre Nutzungsdauer abgeschrieben werden. Eine Rückausnahme besteht für Komponenten mit gleicher Nutzungsdauer. Voraussetzungen: signifikanter Anteil der einzelnen Komponenten an den Gesamtkosten unterschiedliche Nutzungsdauern bzw. Abschreibungsmethoden Beispiel: Flugzeug (Zerlegung in Flugwerk und Triebwerke) Ziel: verlässliche und tatsachengetreue Darstellung der Nutzungsdauern und Nutzungsverläufe wesentlicher Komponenten einer Sachanlage; eine gewogene Durchschnittsbetrachtung kann dies häufig nicht gewährleisten.
15 -15- b) Abschreibungsvolumen Differenz zwischen Anschaffungs- und Herstellungskosten und geschätztem Restwert zum Zugangszeitpunkt (IAS 16.53) c) Nutzungsdauer Bemessung der planmäßigen Abschreibung auf Grundlage der voraussichtlichen, unternehmensspezifischen Nutzungsdauer (IAS 16.50) d) Abschreibungsmethode Systematische Methode, die den Nutzenverbrauch am besten darstellt Der Standard nennt beispielhaft die lineare/degressiv/leistungsabhängige Abschreibungsmethode. (IAS 16.62) Dies ist jedoch keine abschließende Aufzählung. Methode ist faktisch frei wählbar. Restwert, Nutzungsdauer und Abschreibungsmethode sind zumindest am Ende eines jeden Geschäftsjahres zu überprüfen. Bei Schätzungsänderungen erfolgt eine prospektive Anpassung nach IAS 8.38
16 Revaluation Model Ansatz zum beizulegenden Zeitwert zum Zeitpunkt der Neubewertung (IAS 16.31) Beizulegender Zeitwert entspricht dem Marktwert einer Sachanlage. Bei fehlendem Marktpreis erfolgt Schätzung anhand anerkannter Bewertungsverfahren (z.b. Discounted-Cashflow-Verfahren, Ertragswertverfahren) Häufigkeit der Neubewertung ist abhängig von der Volatilität des beizulegenden Zeitwerts, i.d.r. alle 3-5 Jahre. (IAS 16.36)
17 -17- a) Ergebnisauswirkungen der Neubewertung Erfassung der Wertänderungen Wird aufgrund einer Neubewertung der Buchwert erhöht, so wird die Erhöhung 1. erfolgsneutral dem Eigenkapital als Neubewertungsrücklage zugebucht und sonst 2. Ertrag, soweit sie eine in der Vergangenheit als Aufwand erfasste Abwertung aufgrund einer Neubewertung desselben Vermögenswerts rückgängig macht. (IAS 16.39) Wird aufgrund einer Neubewertung der Buchwert vermindert,so ist die Abwertung 1. direkt als Aufwand zu erfassen und sonst 2. direkt mit einer zugehörigen Neubewertungsrücklage zu verrechnen, soweit sie den Betrag der entsprechenden Neubewertungsrücklage nicht übersteigt. (IAS 16.40) Auflösung der Neubewertungsrücklage erfolgt immer erfolgsneutral.
18 Außerordentliche Wertminderungen Außerplanmäßige Abschreibung der Sachanlagen richtet sich nach IAS 36. Übersteigt der Buchwert der Sachanlage den erzielbaren Betrag, erfolgt eine Abschreibung auf den erzielbaren Betrag. (IAS 36.40) Der erzielbare Betrag ergibt sich als der höhere Wert aus einem Vergleich von Nettoveräußerungswert und Nutzungswert. (IAS 36.6) 2.4. Stilllegung und Abgänge Ausbuchung erfolgt bei Abgang oder fehlendem künftigen wirtschaftlichen Nutzen. (IAS 16.67)
19 Ausweis und Anhangsangaben Sachanlagen sind in einer eigenen Position in der Bilanz darzustellen. (IAS 1.68) Aufgrund der Vielzahl eingeräumter Wahlrechte sieht IAS ff. umfangreiche Angabepflichten im Anhang vor. Beispiele: - Angabe der Bewertungsgrundlagen für die AHK - Angabe der Abschreibungsmethoden - Zeitpunkt der Neubewertung - Methoden und Annahmen zur Bestimmung der beizulegenden Zeitwerte Jedoch können diese Angaben nicht alle Informationsdefizite von Vermögensausweis und Gewinn heilen.
20 V. Kritische Würdigung -20- Ansatzkriterien: Wahrscheinlichkeitsbegriff eröffnet Ermessensspielräume. Bewertung: Gestaltungsspielräume durch fehlende eindeutige Grenze zwischen aktivierungspflichtigen Ersatzinvestitionen und Erhaltungsaufwand Komponentenansatz: Fehlendes Signifikanzkriterium für die Abgrenzung der einzelnen Komponenten und subjektive Schätzung der Nutzungsdauern führt zu Entobjektivierung des Bilanzbildes. Extensive Interpretation des Komponentenansatzes ist unpraktikabel und unterläuft ohne entsprechende Maßstäbe den Objektivierungszweck Daher wird für eine sinnvolle Interpretation nach individuellen Verhältnissen und somit für eine Begrenzung auf praktikable Fälle durch entsprechende Ausübung des Wahlrechts zur Gruppenbildung plädiert. (Hoffmann/Lüdenbach)
21 V. Kritische Würdigung -21- Neubewertungsmethode: Ermittlungsproblematik des Fair Values: Aufgrund fehlender aktiver Absatzmärkte und technischer und ökonomischer Identität sind aktuelle Marktwerte nicht ermittelbar. Deshalb muss auf anerkannte Bewertungsverfahren zurückgegriffen werden. Barwertkalküle verlangen die Zahlungsstromzuordnung und schätzung zu dem einzelnen Objekt und ihre Diskontierung. Hierbei bestehen Prognoseschwierigkeiten und Freiräume. Auf- und Abwertungen werden ungleich behandelt. Bildung und Auflösung der Neubewertungsrücklage geschieht stets erfolgsneutral, resultierende erhöhte planmäßige Abschreibungen werden in voller Höhe ergebniswirksam erfasst. Es kommt zu einer Vermengung von ergebniswirksamen und ergebnisneutralen Komponenten und zu einem Bruch des Kongruenzprinzips, da die erhöhten Abschreibungen nicht durch entsprechende Erträge ausgeglichen werden. (Schmidt/Seidel; Hommel) Bilanzadressaten erhalten falsches Bild der Ertragslage.
22 VI. Thesenförmige Zusammenfassung IAS 16 regelt Ansatz und Bewertung von Sachanlagen. 2. Es erfolgt ein Ansatz zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten. 3. Bezüglich der Folgebewertung besteht ein Wahlrecht zwischen cost model und revaluation model. 4. Im Rahmen des cost model erfolgt eine planmäßige Abschreibung unter Berücksichtigung des Komponentenansatzes. Hierbei führt die fehlende Konkretisierung der Signifikanzgrenzen zu Ermessensspielräumen. 5. Bei der Neubewertungsmethode erfolgt ein Ansatz zum beizulegenden Zeitwert der Sachanlage. Hierbei muss oftmals auf Schätzungen zurückgegriffen werden, was Bilanzpolitik ermöglicht. Mithin kommt es zu einem Bruch des Kongruenzprinzips. 6. Aufgrund der Vielzahl eingeräumter Wahlrechte sieht IAS ff. umfangreiche Angabepflichten im Anhang vor, die jedoch nicht alle Informationsdefizite heilen können.
Buchwert: Wert, zu dem der Vermögensgegenstand in der Bilanz erfasst wird (abzüglich aller planmäßigen und außerplanmäßigen Abschreibungen).
Inhaltsverzeichnis 1. Ziele des Standards im Überblick... 1 2. Definitionen... 1 3. Anwendungsbereich... 1 4. Negativabgrenzung..... 5. Wesentliche Inhalte... 2 5.1 Erstbewertung... 2 5.2 Folgebwertung...
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