Familienrecht. Begründung der Ehe 9. Prof. Dr. Roland Fankhauser, LL.M., Advokat. Juristische Fakultät Universität Basel
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1 Familienrecht Begründung der Ehe 9, LL.M., Advokat Juristische Fakultät Universität Basel
2 I. Verlöbnis 1. Abschluss des Verlöbnisses Formfreie gegenseitige Erklärung, die Ehe eingehen zu wollen Auch konkludente Erklärung möglich (Verlobungsring) Höchstpersönlich, vertretungsfeindlich 2
3 2. Wirkungen des Verlöbnisses Kein Anspruch auf Eheschliessung Keine klagbaren Pflichten im Innenverhältnis Im Aussenverhältnis sind Wirkungen möglich, weil Verlobte nahe verbundene Personen sind (vgl. z.b. Art. 249 OR, Art. 30 I OR, Art. 477 Ziff. 1 ZGB). Ein explizites Zeugnisverweigerungsrecht für Verlobte gibt es nicht mehr, aber zugunsten von Partnern einer faktischen Lebensgemeinschaft, was Verlobte regelmässig sein dürften; vgl. Art. 168 f. StPO. 3
4 3. Beendigung des Verlöbnisses Tod Eingehung der Ehe Beidseitige Auflösungsvereinbarung (cotrarius actus) Einseitige Auflösung (voraussetzungslos), auch konkludent (z.b. Heirat mit einer anderen Person) Eintritt einer auflösenden Bedingung Eintritt eines Ehehindernisses 4
5 4. Wirkungen der Auflösung Rückgabe der Geschenke (Ausnahme gewöhnliche Gelegenheitsgeschenke, Art. 91 ZGB) Beitrag für Auslagen (angemessener Beitrag, in guten Treuen, nicht unbillig nach den gesamten Umständen), Art. 92 ZGB Keine Ansprüche Dritter aufgrund dieser Bestimmungen (z.b. Schwiegereltern) Verjährung innert 1 Jahr nach Auflösung (Art. 93 ZGB) 5
6 II. Ehevoraussetzungen 1. Ehefähigkeit (Art. 94 ZGB) a) Volljährigkeit 18. Altersjahr (Art. 14 ZGB) b) Urteilsfähigkeit Anforderungen? 6
7 2. Keine Ehehindernisse (Art. 95 und 96 ZGB) a) Verwandtschaft Verwandtschaft in gerader Linie Geschwister und Halbgeschwister Stiefverhältnis ist kein Ehehindernis mehr (seit ), vgl. noch BGE 128 III 113 b) Bestehende Ehe c) Bestehende eingetragene Partnerschaft Nicht im ZGB geregelt, vgl. aber Art. 4 II PartG 7
8 d) Gleichgeschlechtlichkeit BGE 119 II 264: Nichtanerkennung einer in Dänemark geschlossenen Ehe zwischen zwei Personen gleichen (Register)Geschlechts, d.h., die Ehefrau war registermässig immer noch ein Mann, obwohl eine Geschlechtsumwandlung stattgefunden hatte). FamPra.ch 2006, S. 112 ff.: Heirat 1990, 2002 Geschlechtsumwandlung der EF in EM und Gericht stellte dies fest und wies die Ämter an, das neue Geschlecht einzutragen. Ein zuständiges Amt verlangte für den Eintrag, dass vorab die Nichtigkeit der Ehe festgestellt werde, was abgelehnt wurde. Fazit: Eine nachträglich eingetretene Gleichgeschlechtlichkeit ist kein Ungültigkeitsgrund der Ehe und die Ehe wird auch nicht automatisch nichtig. Nachträglich eingetretene Gleichgeschlechtlichkeit schadet der Ehe nicht (eine gegenteilige nationalstaatliche Regelung verstösst aber nicht gegen Art. 8 EMRK, EGMR Nr /09). 8
9 e) Keine offensichtliche Ausländerrechtsehe Art. 97a ZGB ermächtigt den Zivilstandsbeamten, die Trauung zu verweigern, wenn damit offensichtlich die Bestimmungen über den Aufenthalt umgangen werden. Zivilstandsbeamte können zu diesem Zweck Auskünfte bei Dritten einholen. 9
10 III. Trauung 1. Vorbereitungsverfahren (Art. 98 ff. ZGB) Dient der Prüfung der Ehevoraussetzungen und Identitäten Neu werden auch ausländerrechtliche Ziele verfolgt: Art. 98 IV ZGB verlangt von Nicht-CH-Bürgern den Nachweis des rechtmässigen Aufenthalts und die Notifikation an die Ausländerbehörde, wenn dies nicht gelingt (Art. 99 IV ZGB). Ehegatten müssen i.d.r. persönlich erscheinen. Trauung frühestens 10 Tage und spätestens 3 Monate nach Abschluss des Vorbereitungsverfahrens 10
11 2. Trauung (Art. 101 f. ZGB) Im Trauungslokal (also nicht im Swimmingpool oder auf dem Schloss) Öffentlich (Art. 102 I ZGB) Vor dem Zivilstandsbeamten und zwei Zeugen (rechtlich ohne jede Bedeutung, sog. Solenitätszeugen) Beidseitiges Ja-Wort (Zustimmung) vor der Zivilstandsbeamtin begründet die Ehe. Die Erklärung der Zivilstandesbeamtin ist nur noch deklaratorisch, vgl. auch Art. 71 III ZStV. Keine Trauungen an Sonntagen oder allg. Feiertagen (Art. 72 III ZStV) 11
12 IV. Eheungültigkeit 1. Nichtehe Sog. matrimonium non existens Besonders schwerwiegende Mängel (anfängliche Gleichgeschlechtlichkeit, Ferntrauung, Trauung vor einem Nichtzivilstandsbeamten, andere Person anwesend, z.b. Zwillingsschwester) Entwickelt von Anfang an keinerlei Rechtswirkungen Geltendmachung durch Feststellungsklage 12
13 2. Allgemeines zu den Eheungültigkeitsgründen Keine Ungültigkeitsgründe ohne gesetzliche Grundlage, vgl. Art. 104 ZGB Ungültigkeitsgründe sind stets Mängel, die bereits bei Eingehung der Ehe bestanden haben. 13
14 3. Unbefristete Ungültigkeit (Art. 105 ZGB) a) Gründe Besonders schwerwiegende Gründe, die im öffentlichen Interesse liegen Bestehende Ehe Fehlende Urteilsfähigkeit Verwandtschaft 14
15 Ausländerrechtsehe Zwangsehe Minderjährigenehe (extraterritoriale Wirkung des CH- Rechts) Heilung bei den ersten beiden, aber auch bei der Minderjährigenehe möglich, offenbar nicht bei Ausländerrechtsehe! 15
16 b) Aktivlegitimation Jedermann mit Interesse und kantonale Behörde von Amtes wegen Meldepflicht der kantonalen und Bundesbehörden (!) c) Fristen Keinerlei Fristen Klage auch möglich nach Auflösung der Ehe, aber nicht mehr von Amtes wegen 16
17 4. Befristete Ungültigkeit (Art. 107 ZGB) a) Gründe Weniger schwerwiegende, die Willensbildung der Ehegatten betreffende Gründe Vorübergehende Urteilsunfähigkeit bei Trauung Irrtum (über Identität oder Ehe) Absichtliche Täuschung über wesentliche persönliche (nicht finanzielle) Eigenschaften ( Grundlagenirrtum ) z.b. Krankheiten, die beim Ehegatten oder Nachkommen zu erheblichen gesundheitlichen Gefährdungen führen können (HIV, schwere Erbkrankheiten, Perversionen, Unfruchtbarkeit?); eher restriktiv anzuwenden. 17
18 b) Aktivlegitimation Nur Ehegatten (Art. 107 ZGB 1. Satz), aber bereits anhängig gemachte Klage kann von Erben weiter geführt werden (Art. 108 II ZGB). c) Fristen Relative Frist: 6 Monate ab Kenntnis des Ungültigkeitsgrundes Absolute Frist: 5 Jahre seit Eheschliessung 18
19 5. Ungültigkeitsverfahren und -wirkungen (Art. 109 ZGB) Das Verfahren richtet sich sinngemäss nach den Vorschriften über die Scheidungsklage (Art. 294 I ZPO). Folgen der Ungültigkeit wie bei Scheidung (insb. Kinder, Unterhalt, etc.) Ex nunc, ausser: Erbrecht (ex tunc) und neu bei Ausländerrechtsehe entfällt Vaterschaft aufgrund der Ehe mit der Mutter (Art. 109 III ZGB)! 19
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