Revolution in der Montageautomation virtuell abgesichert

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1 Das Wirtschaftsfachmagazin für Ingenieure Deutschland / Österreich 21,00 Schweiz CHF 23,50 ISSN , November / Dezember Revolution in der Montageautomation virtuell abgesichert FASZINATION CNC-Maschinenhersteller und seine Leidenschaft für die Formel 1 Gespräch mit Rennstallleiter GROSSREINEMACHEN Führender Hersteller von Reinigungstechnik lässt sich bei Umsetzung einer PLM- Strategie von Prostep beraten digitalplant: Neues zu BIM +++ E/E-Trends in der Automobilindustrie +++ Wahl der IoT-Plattform leicht gemacht

2 T I T E L Mechatronik 3 nennt Schunk seine Strategie zur Elektrifizierung von Handhabungssystemen und fasst darunter intelligente, adaptierbare sowie alternative mechatronische Greifsystemkomponenten zusammen. Vor allem letztere haben das Zeug dazu, den pneumatikgeprägten Markt der Hochleistungsmontage gehörig durcheinanderzuwirbeln, denn hinter dem unscheinbaren Wörtchen alternativ steckt weit mehr als ein bloßer Pneumatik-Ersatz. Die smarten, energieeffizienten Achsen und Greifer enthalten jede Menge kluger Features, die den Aufbau mechatronischer Montagesysteme zum Kinderspiel machen und Anwendern erhebliche Kostenvorteile bringen. Auch der nächste Meilenstein auf der Elektrifizierungsagenda des Kompetenzführers für Greifsysteme und Spanntechnik steht bereits fest: In Zusammenarbeit mit Siemens PLM Software will man die Digitalisierung der elektrisch gesteuerten Greifsystemkomponenten forcieren. 18 ECONOMIC ENGINEERING 5/2016

3 S M A R T H A N D L I N G Digital Twin in der Realität Intelligenter Funktionsreichtum revolutioniert Montageautomation ELP-Linearachsen und EGP-Kleinteilegreifer sowie EGS-Greif- Schwenk-Module lassen sich zu hocheffizienten 24-V-Montagesystemen kombinieren Bilder: Schunk Als die Schunk GmbH & Co. KG mit Sitz in Lauffen am Neckar Ende 2015 erste Prototypen der Linearmodulbaureihe ELP vorstellte, staunten selbst erfahrene Automationsspezialisten. Erstmals war es nämlich gelungen, kompakte Linearmodule mit wartungsarmem 24-V-Lineardirektantrieb zu realisieren, die ihr Bewegungsprofil vollautomatisch an das jeweilige Teilegewicht anpassen und von jedermann mühelos bedient werden können. Dies freilich ist nur ein Beispiel, wie Schunk den Weg mit seinen mechatronischen Alternativmodulen zur Mechatronisierung von Handhabungssystemen beschreitet. Keep it simple lautet dabei die oberste Prämisse. Das gilt für die Inbetriebnahme und die Regelung der Module ebenso wie für die Spannungsversorgung. Konsequent setzt man bei dem mechatronischen Alternativbaukasten auf die niedrige Spannung von 24 V und erspart Anwendern damit aufwendige und teure Schutzvorkehrungen. Erstmals lassen sich mit den EGP-Greifern und EGS-Greif-Schwenk-Modulen sowie den ELP-Linearachsen komplette Montagesysteme durchgängig auf 24-V-Basis verwirklichen. Radikale Senkung der Betriebskosten Primäres Ziel ist eine deutliche Senkung der laufenden Kosten. Dabei stehen drei Aspekte im Fokus: die Minimierung von Verschleiß, die Reduzierung der Energiekosten und die Verkürzung der Inbetriebnahme. Verschleißfreie Servomotoren und Lineardirektantriebe sowie verschleißarme Führungen senken den Wartungsaufwand auf nahezu null und erhöhen die Prozesssicherheit. Ausfälle durch überbeanspruchte Stoßdämpfer oder falsch eingestellte Drosseln gehören ein für alle Mal der Vergangenheit an. Zugleich sorgt die Eliminierung der Pneumatik für deutliche Einsparungen beim Kostenfaktor Energie. Last but not least wird die Inbetriebnahme der mechatronischen Systeme vereinfacht. So genügt es bei der kompakten ELP-Linearachse, die Normstecker (M8/M12) anzuschließen, die Endlage mechanisch mit einem Sechskantschlüssel einzustellen und die Einbeziehungsweise Ausfahrgeschwindigkeit an zwei Drehcodierschaltern unmittelbar am Modul einzustellen. Bereits nach zwei bis fünf Hüben ist die Programmierung mithilfe der integrierten Autolearn-Technologie vollautomatisch abgeschlossen, ohne dass der Bediener den gekapselten Lernprozess beeinflussen müsste oder könnte. Mehr noch: Ändert sich das Teilegewicht im laufenden Prozess, passt die Achse ihr Bewegungsprofil innerhalb weniger Hübe automatisch an, ohne dass, wie bei pneumatischen Modulen, ECONOMIC ENGINEERING 5/

4 T I T E L Der digitale Zwilling öffnet die Tür zum integrierten Engineering und schafft die Grundlage zur Vernetzung aller beteiligten Disziplinen. Ralf Steinmann Bilder: Schunk Drosseln eingestellt oder, wie bei elektrisch gesteuerten Modulen, neue Verfahrsätze aufgespielt werden müssen. Ähnlich clever aufgebaut ist die elektrische Greif-Schwenk-Einheit EGS, die elektrisches Greifen und Schwenken in einem einzigen Gehäuse vereint kaum größer als eine Zigarettenschachtel. Eine vom Hersteller patentierte Kopplung des Greif- und Schwenkgetriebes ermöglicht bei dem Modul Endlosdrehungen, ohne dass eine elektrische Schleifdurchführung, bewegte Kabel oder Stoßdämpfer erforderlich sind. Spielfrei vorgespannte Kreuzrollenführungen gewährleisten ein präzises Greifen und nahezu konstante Greifkräfte über die gesamte Fingerlänge. Sowohl die Drehgeschwindigkeit als auch die Greifkraft lassen sich unabhängig voneinander direkt am Modul einstellen. Eine Abfrage ist über induktive Näherungsschalter möglich. Da die Ansteuerung der einzelnen Schunk-Module über digitale I/O erfolgt, sind diese mit allen gängigen Steuerungen kompatibel. Auf Ventilinseln in der Anlage und Antriebsregler im Schaltschrank kann also komplett verzichtet werden. Das spart Platz und was nicht unterschätzt werden sollte auch jede Menge Zeit bei der Projektierung, Beschaffung und Inbetriebnahme. Digitaler Zwilling bahnt den Weg zum 3D-Modell Beim Hersteller selbst gibt man sich damit nicht zufrieden. Mit dem Aufbau des mechatronischen 24-V-Baukastens für die Hochleistungsmontage ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht, unterstreicht Ralf Steinmann, Geschäftsbereichsleiter Greifsysteme bei Schunk, und fügt hinzu: Unser Ziel ist es, dass der gesamte Baukasten mithilfe der entsprechenden Software virtuell in 3D simuliert und der Engineering-Prozess vom Konzept über Mechanik, Elektrik und Software bis hin zur virtuellen Inbetriebnahme möglichst parallel abgebildet werden kann. Unterm Strich verspricht man sich davon für Anlagenbauer und Anwender eine signifikante Verkürzung der Projektlaufzeit, eine schnellere Inbetriebnahme und deutliche Effizienzeffekte, wenn immer wieder ähnliche Anlagen gebaut werden. An die Stelle der reinen 3D-Geometrie tritt künftig ein detailreiches digitales Abbild der einzelnen Komponenten, das deren vollständige Funktionalität enthält. Der digitale Zwilling öffnet die Tür zum integrierten Engineering und schafft die Grundlage zur Vernetzung aller beteiligten Disziplinen, betont Steinmann. Was bislang durch Software-Insellösungen und bisweilen sogar noch manuell gemacht wurde, soll künftig in Engineering-Systemen wie dem Mechatronics Concept Designer 1 von Siemens PLM Software abgebildet werden und zwar deutlich umfassender, als es bisweilen möglich ist. Hierfür werden die reinen geometrischen Informationen angereichert um physikalische Größen wie Geschwindigkeiten oder Beschleunigungen und andere Metadaten. Von der Digitalisierung verspricht man sich eine deutlich effizientere Inbetriebnahme der Anlage und die Eliminierung von Fehlerquellen in der Projektierung insgesamt: 20 ECONOMIC ENGINEERING 5/2016

5 S M A R T H A N D L I N G Angereicherte 3D-Modelle sollen die Projektlaufzeiten künftig deutlich verkürzen. Mit ihnen können komplette Montageprozesse im Vorfeld der Projektierung umfassend simuliert und optimiert werden Indem alle Informationen in einem System zusammengeführt und komplette Anwendungen simuliert werden, lassen sich sämtliche Einzelprozesse aufeinander abstimmen und optimieren. Zudem erkennt das System unmittelbar, wenn beispielsweise einzelne Bewegungen vergessen wurden. Damit nicht genug: Mit dem virtuellen Modell werden alle bislang vorhandenen Medienbrüche überbrückt. Es bildet die Grundlage für die Programmierung der einzelnen Komponenten sowie für die Nachverfolgbarkeit und Echtzeitsteuerung in der laufenden Produktion, erläutert der erfahrene Handhabungsspezialist. Prozessoptimierung im virtuellen Raum Dass all dies bereits heute möglich ist, zeigt eine durch Siemens modellierte Pilotanlage aus Mechatronik-Komponenten von Schunk, die die Leistungsfähigkeit des Mechatronics Concept Designer verdeutlicht. Bei ihr wurden sämtliche Schunk-Module mit virtueller Intelligenz in Form eines kinematischen Modells angereichert. Statt wie bislang üblich enthalten die digitalen Zwillinge nicht nur geometrische Daten der äußeren Kontur, sondern auch Informationen zu Gewicht und Hub, Informationen über bewegliche Teile wie beispielsweise die Schlitten von Linearmodulen oder die Grundbacken von Greifern sowie kinematische Informationen zu deren Beschleunigung, Geschwindigkeit und zum Erreichen der Endlage. So kann bereits im virtuellen Abbild die Abfolge der Einzelbewegungen in Form von Wenn-dann-Regeln optimiert werden. Jede einzelne Komponente erhält darüber hinaus einen Funktionsbaustein zur Ansteuerung über die SPS sowie einen elektrischen Anschlussplan. All dies entsteht parallel in der Engineering-Software. Auch wenn der virtuell generierte Ablauf heute noch nicht eins zu eins in die echte Anlage überspielt werden kann, sind bereits rund 70 bis 80 Prozent der Ablaufprogrammierung darin enthalten, versichert Steinmann. Neben einer Ablaufsequenz liefert die Software ein Gantt-Diagramm, in dem sämtliche Phasen und Abhängigkeiten dargestellt werden. Bereits in der Planungsphase lässt sich also berücksichtigen, wo sequenzielle Bewegungen nötig beziehungsweise parallele Bewegungen möglich sind. All diese Informationen waren bislang in einer mechanischen Zeichnung nicht enthalten, stellt Steinmann begeistert fest und sieht Schunk in der Pflicht: Wir sehen es als unsere Aufgabe, hier mit unserem mechatronischen Baukasten ganz vorne mit dabei zu sein und den Prozess der Digitalisierung aktiv voranzutreiben. Dabei wird es entscheidend sein, den digitalen Zwilling so zu modellieren, dass er seine Funktion für den Konstrukteur optimal erfüllt. INFOCORNER Mit der Strategie Mechatronik 3 bietet Schunk ein umfangreiches, standardisiertes mechatronische Produktportfolio. Mehr hierzu unter ECONOMIC ENGINEERING 5/