ALTERSVERANDERUNGEN AM GESAMTSTICKSTOFF UND AN DEN LIPOIDEN IM KINDERHIRN.

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1 The Journal of Biochemistry, Vol. 24, No. 2. ALTERSVERANDERUNGEN AM GESAMTSTICKSTOFF UND AN DEN LIPOIDEN IM KINDERHIRN. VON J. A. SMORODINZEW UND K. W. BEBESCHIN. (Aus dem biochemischen Laboratorium des Instituts fur Gesundheitsschutz der Kinder und Jugcndlichen zu Moskou. Dircktor: E. J. Schurre.) (Eingegangen am 11. August 1936.) Unter samtlichen anderen Organen zeichnet sich das Gehirn durch seinen hohen Lipoidengellaltt ans. Das ist der Grund, weshalb wir beim Studium der Altersveranderungen unser Augen merk auf das Verhaltnis des Gesamtstickstoffs zu den Lipoiden wahrend der Wachstumsperiode der Kinder richteten. UNTERSUCHUNGSMETHODIK. Zwecks Bestimmung des Gesamtstickstoffs nach Kjedahl und des Lipoidengehalts nach Atherextraktion im Soxhletapparat, wurden je vier Einwagen von der weissen und grauen Substanz des Grosshirns, des Kleinhirns und vom verlangertem Mark, 24 St. nach Ableben des Kindes, entnommen. Die Analysenergebnisse sind in % zur rohen Einwage umgesetzt. EXPERIMENTELLER TEIL. Der Stickstoffgehalt in der grauen Grosshirnsubstanz schwankt bei Kindern von 1,18% bis 2,17% (die Zahlen 1,03%-1,04e%, sind durch Zufall entstanden), steigt allmahlich im 5. Lebensjahr an raid zeigt sein Maximum (2,17%) im 10. Jahr. Der Gesamtstickstoff ist in der weissen Substanz etwas hoher, als in der grauen und zeigt eine Wachstulntendenz mit dem steigen den Alter u.zw. im 5. (1,72%) und 10. Lebensjahr (2,24%) treten zwei Maxima auf. Der Stickstoffgehalt ist im Kleinhirn hoher, als in der weissen 245

2 246 Smorodinzew und Bebeschin: TABELLE I. Gesamtstickstoff im Kinderhirn each Alter. 1) cit. n. Oppenheimer, Handb. d. Biochemie2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 83, 423, ) Zeitschr. f. physiol. Chem 89, 349, 1914

3 Altersveranderungen im Kinderhirn. 247 und grauen Grosshirnsubstanz, steigt im 4. Jahr an und erreicht sein Maximum im 8. Jahr. Der Stiekstoffanstieg geht zeitlich deco des Grosshirns voran, folglich setzt die Entwicklung der Stickstoffverbinchuigen im Kleinhirn fruher als inn Grosshirn ein. Im verlangerten Mark tritt, im Gegensatz zu anderen Gehirnabschnitten, das erste Stickstoffmasimum im 2. und dlas zweite im 10. J. (2,17%) in Erscheinung. Die zunehmende Ent wicklung von aktiven Stickstoffverbindungen setzt im verlangerten Mark (2. J.) und Kleinhirn (4. J.) fruher als im Grosshirn ein. Das 2. Maximum fallt in sihntlichen vier Abselinitten auf das 10. Jahr. Der Lipoidendurchschnittsgehalt der grauen Grosshirnsub stanz ist etwa 4-5%; zuweilen erreicht er mehr als das Doppelte. Das erste -Maximum (5,09%) wurde von uns im 4. J., das sehr betrachtliche zweite (10,47%) im 6. J. und das dritte (8,75%c) im 12. J. vermerkt. Der durchschnittliche Lipoidengehalt der weissen Grosshirusubstanz ubertrifft den der grauen Substanz beinah um das Dreifache. Die Lipoidenvermehrung steigt steil um das 4. J. (von 6,45% bis 14.15%) an; worauf ein zweites (16,04%) im 6. J. und ein drittes Maximum (17,98%) im 12. J. folgt. Der Lipoidengehalt des Kleinhirns macht beinah die Halfte des der weissen Grosshirnsubstanz aus. Der erste Anstieg erfolgt im 2. J. (6,52%), der zweite im 6. J. (7,9%), der dritte im 12. J. (7,13%). Der Lipoidengehalt des verlangerten Marks ist, entsprechend seinem Reiehtum an Leitungsbahnen, annahrend so gross, wie der der weissen Grosshirnsubstanz. Das erste Maximum tritt im 4. Jahr (12,64%), das zweite im 6. J. (14,12%) und das dritte im 12. J. in Erseheinung. Die Evolution der Lipoide im Kinderhirn macht ini Vergleich zur Evolution der Stickstoffverbindungen eine gewisse Termin verschiebung durch, u.zw. geht die Anhaufung von Stickstoffver bindungen der der Lipoide voraus; das 5. und 10. J. inbezug auf Stickstoffverbindungen, das 6. und 12 inbezug auf Lipoide. Das 4. J. gilt fur samtliche Falle als das kritische Jahr.

4 248 Smorodinzew und Bebeschin: TABELLE II. Der Gcsamtgchalt an Lipoiden im Kinderhirn nach Alter. 1). Ann. d. Chem. u. Pharmazie. 36,

5 Altersveranderungen im Kinderhirn. 249 TABELLE III. Trockener Ruckstand, Eiweisskorper und Lipoide der grauen Grosshirnsubstanz in %.

6 250 Smorodinzew und Bebeschin: Der Gesamtstickstoff auf Eiweiss1) bezogen, stellt folgendes Entwicklungsbild dieses wichtigsten chemischen Gehirningredien ten dar: Bei Kindern entfallen im Durchschnitt auf 100g grauer Grosshirnsubstanz 9,2g Eiweiss und 4,9g Lipoide. Auf diese Weise bestelit fast 1/3 Trockensubstanz aus Lipoiden und 2/3 aus Eiweiss. Allein dieser Wert wird erst im 4-5 Lebensjahr erreicht. In den ersten 3-4 J. geht ein fortschreitender Anstieg der Lipoiden nienge (+14%) und ganz besonders der Eiweisskorper (+16%) vor sich. Des weiteren kommt es zum Stillstand, wobei die Eiweiss korper im 9-11 J. und die Lipoide im 8-11 J. ihre Gipfel aufzeigen. Die Verhaltniszahl der Lipoide zum Eiweiss ist gleich 0,5-0,6 und die der Lipoide zum Gesamtstickstoff bleibt etwa 3,5 (Tab. III) hoch. Auch in der weissen Substanz bemerken wir mit dem Alter ein allmahlielies Aufsteigen der Eiweisskorper und Lipoide bis zum 5. Lebensjahr. Allein die Verhaltnisse bleiben hier umgekehrt: eine Steigerung der Eiweissmenge um 22% und eine Vermehrung der Lipoide uni das Dreifache eben im 1. Lebensjahr. Das Verhaltnis der Lipoide zum Eiweiss erreiclit sein Maximum im J. Der Lipoidengehalt ubersteigt hereits vom 3. J. den Gesamtstickstoff annahernd urn das Zehnfache (Tab. IV). Als Kuriosum mag erwahnt sein, dass im Kleinhirn, wo wir keine Trennung der weissen von der grauen Substanz durch fuhrten, der Eiwesis- und Lipoidengehalt fast genau so hoch ist, wie in der grauen Grosshirnsubstanz. Die Eiweisskorper nehmen langsam his zurn 4. Lebensjahr (+8%) und die Lipoide schnell bis zum 6. J. zu (+7,7%). Das Verlraltnis der Lipoide, zum Eiweiss und Gesamtstickstoff bleibt ungefahr dasselbe wie bei der grauen Substanz (Tab. V). Im verlangerten Mark bleibt das Verhaltnis der Lipoide zum Eiweiss zwei, vielleicht gelegentliche Anstiege im 6. und 12. J. ausgenommen gleich 1 (Tab. VI). +) Dabei erhalten wir eine erhohte Eiweissunenge, weil der Gesaintstick stoff nicht nur allein auf die Eiweisskorper sich bezieht.

7 Altersveranderungen im Kinderhirn. 251 TABELLE IV. Huckstaud, Eiweisskorpcr und Lipoide der weissen Grosshirnsubsanz in %.

8 252 Smorodinzew und Bebeschin: TABELLE V. RuNckstand, Lipoide und Eiwcisskorper des verlangerten Marks in %.

9 Altersveranderungen im Kinderhirn. 253 TABELLE VI. Ruckstand, Lipoide und Eiweisskorper des verlangerten Marks in %

10 254 Smorodinzew und Bebeschin: Wahrend in samtlichen Gehirnabschnitten der Eiweissgehalt am haufigsten sich von 10-11% halt, ist der Lipoidengehalt weiten Schwankungen von 4,46% bis 21,36% zur rohen Einwage unter worfen. ZUSAMMENFASSUNG. In der grauen Substanz des Grosshirns, wo vorzugsweise eine Konzentration der Zellen stattfindet, finden wir doppelt so viel Eiweisskorper wie Lipoide vor, und in der weissen Substanz, wo wir mit einem Ubermass von Leitungsbahnen, die zwecks Isolation mit Lipoiden umgeben sind, zu tun haben, konstatieren wir ein Ubergewicht der Lipoide, die die Eiweisskorper um das 11/2 bis Doppelte ubertreffen. Im Kleinhirn, wo mit unbewaffnetem Auge ein Uberwiegen der graven Substanz zu ersehen ist, wo gleichermassen Leitungs bahnen verlaufen, bleiben die Lipoide hinter der Eiweissmenge zuruck. Tin verlangerten Mark, wo die Leitungsbahnen massenhaft heruntersteigen, wo aber gleichfalls Kerne gehauft auftreten, tritt ein Ausgleich zwischen Lipoiden- und Eiweissmengein, Die Altersveranderungen kommen am deutlichston in den ersten 4-5 J. zur Ausserung, und finden ihren Ausdruck sowohl in einer Zunahme der Stickstoffverbindumgen wie auch vorzugs weise im Ansteigen der Lipoide. Hieraus sind wir den Schluss zu ziehen bereehtigt, class bereits im embrionalen Zustand und ganz besonders nach der Geburt, in samtlichen Hirnabschnitten eine starkere Zunahme der Zahl der Assotiationsfasern, und ganz besonders in der weissen Substanz des Gross- und Kleinhirns, stattfindet. SCHLUSSFOLGERUNG. 1. Starkere Altersveranderungen im chemischen Bestande des Kinderhirns kommen in den ersten 4 Lebensjahren zur Beobach tung. 2. In der grauen Substanz des Grosshirns tritt eine Ver mehrung der Eiweisskorper starker als der Lipoide hervor. 3. Im 5. Lebensjahr nimmt die Lipoidenmenge der weissen

11 Altersveranderungen im Kinderhirn. 255 Substanz des Grosshirns bis aufs 3-fache zu, der Eiweissgehalt aber um nur 22%. 4. Hinsichtlich der Wachstumintensivitat, ist die weisse Sub stanz des Grosshirns der grauen, sowohl in bezug auf Lipoide, wie auch Eiweisskorper, uberlegen. 5. In der grauen Substanz des Grosshirns ubertrifft die Eiweissmenge die der Lipoide um das Doppelte und die Ver haltniszahl der Lipoide zum Eiweiss bleibt dauernd konstant. 6. In der weissen Substanz des Grosshirns bleibt die Lipoiden menge nur im 1. Jahr hinter der Eiweissmenge zuruek; bereits vom 3. Jahr ubertrifft sie die Eiweissmenge um das 1/2-2-fache. 7. Im Kleinhirn ist das Verhaltnis der Lipoidenmenge zum Eiweissgehalt ebenr dasselbe, wie in der grauen Substanz des Grosshirns. 8. Im verlangerten Mark ist die Eiweissmenge gleich gross. wie die Lipoidenmenge. 9. Im Kinderhirn, entsprechend der viel schnelleren Zunahme der Grosshirnleitungsbahnen, uberragt die Anreicherung an Lipoiden die der Eiweisskorper. 10. In samtlichen Hirnabschnitten verbleibt der Eiweiss gehalt am haufigsten in Grenzen von 10-11%, der Lipoidengehalt ist weiten Schwankungen von 4,46% bis 21,36% unterworfen.

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