1/11 Bibeltexte und Predigt am 3. Sonntag nach Trinitatis 2011
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- Dorothea Fleischer
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1 AT: 1/11 Bibeltexte und Predigt am 3. Sonntag nach Trinitatis 2011 Hesekiel 18 (Zürcher Bibel 2007): Und das Wort des HERRN erging an mich: Was soll das bei euch, dass ihr diese Redensart braucht auf Israels Boden: Die Vorfahren essen unreife Früchte, den Kindern aber werden die Zähne stumpf! So wahr ich lebe, Spruch G_ttes des HERRN, diese Redensart werdet ihr nicht mehr verwenden in Israel! Seht, alle Menschenleben gehören mir! Das Leben des Vaters wie das Leben des Sohns - mir gehören sie! Derjenige, der sündigt, der muss sterben! Wenn aber einer gerecht ist und nach Recht und Gerechtigkeit handelt, auf den Bergen nicht isst und nicht aufblickt zu den Mistgötzen des Hauses Israel und die Frau seines Nächsten nicht unrein macht und sich keiner Frau nähert, die ihre Monatsblutung hat, und niemanden unterdrückt, der, was er gepfändet hat, schuldpflichtig zurückgibt, keinen Raub begeht, sein Brot dem Hungrigen gibt und den Nackten bekleidet, nichts gegen Zins gibt und keinen Aufschlag nimmt, seine Hand von Unrecht fernhält, rechte Urteile fällt zwischen allen, nach meinen Satzungen lebt und meine Rechtssätze hält und treu danach handelt - der ist gerecht, er wird am Leben bleiben! Spruch G_ttes des HERRN. Zeugt er aber einen gewalttätigen Sohn, der Blut vergiesst und - ach! - eins von diesen Dingen tut - obwohl er selbst all diese Dinge nicht getan hat -, wenn dieser sogar auf den Bergen isst und die Frau seines Nächsten unrein macht, den Elenden und Armen unterdrückt, Raub begeht, Gepfändetes nicht zurückgibt und aufblickt zu den Mistgötzen, Abscheuliches tut, gegen Zins gibt und Aufschlag nimmt - sollte der am Leben bleiben? Er wird nicht am Leben bleiben! Er hat all diese Abscheulichkeiten begangen, er muss sterben! Blutschuld lastet auf ihm! Und seht, hat er einen Sohn gezeugt, und dieser hat all die Sünden gesehen, die sein Vater begangen hat, und er hat es gesehen und handelt nicht so: Er isst nicht auf den Bergen und blickt nicht auf zu den Mistgötzen des Hauses Israel, die Frau seines Nächsten macht er nicht unrein, und er unterdrückt niemanden, er pfändet nichts und begeht keinen Raub, er gibt sein Brot dem Hungrigen und bekleidet den Nackten, vom Armen hält er seine Hand fern, er nimmt weder Zins noch Aufschlag, hält meine Rechtssätze, lebt nach meinen Satzungen - er muss nicht sterben für die Schuld seines
2 2/11 Vaters, er wird am Leben bleiben! Sein Vater, wenn er Erpressung verübt, den Bruder beraubt und unter seinen Verwandten getan hat, was nicht gut ist - seht, er stirbt für seine eigene Schuld! Ihr aber werdet sagen: Warum trägt nicht auch der Sohn die Schuld des Vaters? - Der Sohn hat nach Recht und Gerechtigkeit gehandelt, hat alle meine Satzungen gehalten und danach gehandelt; er wird am Leben bleiben! Der Mensch, der sündigt, der muss sterben! Ein Sohn trägt nicht die Schuld des Vaters, und ein Vater trägt nicht die Schuld des Sohns. Die Gerechtigkeit des Gerechten kommt nur ihm selbst zugute, und die Ungerechtigkeit eines Ungerechten lastet nur auf ihm selbst. Wenn aber der Ungerechte sich abkehrt von all seinen Sünden, die er begangen hat, und alle meine Satzungen hält und nach Recht und Gerechtigkeit handelt, wird er am Leben bleiben, er muss nicht sterben. Alle seine Vergehen, die er begangen hat, werden ihm nicht angerechnet; der Gerechtigkeit wegen, die er geübt hat, wird er am Leben bleiben. Habe ich etwa Gefallen am Tod eines Ungerechten?, Spruch G_ttes des HERRN. Nicht vielmehr daran, dass er zurückkehrt von seinen Wegen und am Leben bleibt? Wenn aber ein Gerechter sich abkehrt von seiner Gerechtigkeit und Unrecht begeht, alle möglichen Abscheulichkeiten, wie der Ungerechte sie begeht - kann er sie begehen und am Leben bleiben? -, wird all seiner gerechten Taten, die er getan hat, nicht gedacht; seines Treuebruchs wegen, den er begangen hat, und seiner Sünde wegen, die er begangen hat, ihretwegen muss er sterben. Ihr aber werdet sagen: Der Weg des Herrn ist nicht gerecht! Hört doch, Haus Israel: Mein Weg ist nicht gerecht? Sind nicht eure Wege nicht gerecht? Wenn ein Gerechter sich abkehrt von seiner Gerechtigkeit und Unrecht begeht, muss er deswegen sterben; wegen seines Unrechts, das er begangen hat, muss er sterben. Und wenn ein Ungerechter sich abkehrt von seiner Ungerechtigkeit, die er begangen hat, und nach Recht und Gerechtigkeit handelt, erhält er sich sein Leben. Und hat er es eingesehen und sich abgekehrt von all seinen Vergehen, die er begangen hat, wird er am Leben bleiben, er muss nicht sterben. Das Haus Israel aber wird sagen: Der Weg des Herrn ist nicht gerecht! - Meine Wege sind nicht gerecht, Haus Israel? Sind nicht eure Wege nicht gerecht? Darum werde ich einen jeden von euch nach seinen Wegen richten, Haus Israel! Spruch G_ttes des HERRN. Kehrt um und wendet euch ab von all euren
3 3/11 Vergehen, dann werden sie euch nicht Anstoss zur Verschuldung! Werft all eure Vergehen von euch, mit denen ihr euch vergangen habt, und schafft euch ein neues Herz und einen neuen Geist! Warum denn wollt ihr sterben, Haus Israel? Ich habe kein Gefallen am Tod dessen, der sterben muss! Spruch G_ttes des HERRN. Kehrt um und bleibt am Leben!
4 Epistel: 4/11 1. Tim. 1, (Zürcher Bibel 2007) <Paulus schreibt:> Ich danke dem, der mich ermächtigt hat, Christus Jesus, unserem Herrn, dafür, dass er mir sein Vertrauen geschenkt und mich in seinen Dienst gestellt hat, mich, der ich zuvor ein G_tteslästerer war und andere verfolgte und misshandelte. Doch ich habe Erbarmen gefunden, weil mir, da ich noch im Unglauben war, nicht bewusst war, was ich tat. Überreich aber zeigte sich die Gnade unseres Herrn und mit ihr Glaube und Liebe in Christus Jesus. Zuverlässig ist das Wort und würdig, vorbehaltlos angenommen zu werden: Christus Jesus ist in die Welt gekommen, um Sünder zu retten - unter ihnen bin ich der erste. Doch eben darum habe ich Erbarmen gefunden: An mir als Erstem sollte Christus Jesus die ganze Fülle seiner Geduld zeigen, beispielhaft für alle, die künftig an ihn glauben und so ewiges Leben finden. Ehre und Herrlichkeit sei dem König der Ewigkeit, dem unvergänglichen, unsichtbaren und einzigen G_tt, in alle Ewigkeit, Amen.
5 Evangelium: 5/11 Lukas 15, (Zürcher Bibel 2007) Alle Zöllner und Sünder suchten seine Nähe, um ihm zuzuhören. Und die Pharisäer und Schriftgelehrten murrten: Der nimmt Sünder auf und isst mit ihnen. Er aber erzählte ihnen das folgende Gleichnis: Wer von euch, der hundert Schafe hat und eines von ihnen verliert, lässt nicht die neunundneunzig in der Wüste zurück und geht dem verlorenen nach, bis er es findet? Und wenn er es findet, nimmt er es voller Freude auf seine Schultern und geht nach Hause, ruft die Freunde und die Nachbarn zusammen und sagt zu ihnen: Freut euch mit mir, denn ich habe mein verlorenes Schaf gefunden. Ich sage euch: So wird man sich auch im Himmel mehr freuen über einen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die keiner Umkehr bedürfen. Oder welche Frau, die zehn Drachmen besitzt und eine davon verloren hat, zündet nicht ein Licht an, kehrt das Haus und sucht eifrig, bis sie sie findet? Und wenn sie sie gefunden hat, ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen zusammen und sagt: Freut euch mit mir, denn ich habe die Drachme gefunden, die ich verloren hatte. So, sage ich euch, wird man sich freuen im Beisein der Engel G_ttes über einen Sünder, der umkehrt. Und er sprach: Ein Mann hatte zwei Söhne. Und der jüngere von ihnen sagte zum Vater: Vater, gib mir den Teil des Vermögens, der mir zusteht. Da teilte er alles, was er hatte, unter ihnen. Wenige Tage danach machte der jüngere Sohn alles zu Geld und zog in ein fernes Land. Dort lebte er in Saus und Braus und verschleuderte sein Vermögen. Als er aber alles aufgebraucht hatte, kam eine schwere Hungersnot über jenes Land, und er geriet in Not. Da ging er und hängte sich an einen der Bürger jenes Landes, der schickte ihn auf seine Felder, die Schweine zu hüten. Und er wäre zufrieden gewesen, sich den Bauch zu füllen mit den Schoten, die die Schweine frassen, doch niemand gab ihm davon. Da ging er in sich und sagte: Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben Brot in Hülle und Fülle, ich aber komme hier vor Hunger um. Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Ich bin es nicht mehr wert, dein Sohn zu heissen; stelle mich wie einen deiner Tagelöhner. Und er machte sich auf und ging zu seinem Vater. Er war noch weit weg, da sah ihn sein Vater schon und
6 6/11 fühlte Mitleid, und er eilte ihm entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Der Sohn aber sagte zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Ich bin es nicht mehr wert, dein Sohn zu heissen. Da sagte der Vater zu seinen Knechten: Schnell, bringt das beste Gewand und zieht es ihm an! Und gebt ihm einen Ring an die Hand und Schuhe für die Füsse. Holt das Mastkalb, schlachtet es, und wir wollen essen und fröhlich sein! Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist gefunden worden. Und sie fingen an zu feiern. Sein älterer Sohn aber war auf dem Feld. Und als er kam und sich dem Haus näherte, hörte er Musik und Tanz. Und er rief einen von den Knechten herbei und erkundigte sich, was das sei. Der sagte zu ihm: Dein Bruder ist gekommen, und dein Vater hat das Mastkalb geschlachtet, weil er ihn gesund wiederbekommen hat. Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Sein Vater aber kam heraus und redete ihm zu. Er aber entgegnete seinem Vater: All die Jahre diene ich dir nun, und nie habe ich ein Gebot von dir übertreten. Doch mir hast du nie einen Ziegenbock gegeben, dass ich mit meinen Freunden hätte feiern können. Aber nun, da dein Sohn heimgekommen ist, der da, der dein Vermögen mit Huren verprasst hat, hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet. Er aber sagte zu ihm: Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist dein. Feiern muss man jetzt und sich freuen, denn dieser dein Bruder war tot und ist lebendig geworden, war verloren und ist gefunden worden.
7 Predigt: 7/11 Kanzelgruß: Gnade sei mit Euch und Friede, von G_tt unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus, Amen. Kanzelgebet: Herr, tue meine Lippen auf, daß mein Mund Deinen Ruhm verkündige, Amen. Auslegung: Liebe Gemeinde! Die Geschichte vom Verlorenen Sohn, obwohl unter den Synoptikern nur bei Lukas berichtet, ist eine der im Christentum bekanntesten biblischen Geschichten, über die Ihr alle sicher schon so manche Predigt gehört habt: Der jüngste von zwei Söhnen eines Vaters läßt sich sein Erbe ausbezahlen, verläßt seine Familie, versucht auf eigenen Beinen zu stehen und sein Glück selbst zu machen, scheitert dabei, besinnt sich auf seine Herkunft, denkt nach über sich und seine Fehler, gesteht sich sein Scheitern ein, kehrt, um doch wenigstens zu überleben, nach Hause zurück und bittet dort demütig um ein einfaches Auskommen, stellt keinerlei Ansprüche und wird von seinem erfreuten Vater als verlorener und wiedergefundener Sohn in allen Ehren aufgenommen. Der älteste Sohn, der die ganze Zeit brav zu Hause geblieben ist und dort für den väterlichen Familienbetrieb gearbeitet, geschuftet hat, reagiert verbittert, als er diesen Empfang des vermeintlichen Tunichtgutes erlebt. Der Vater erklärt sich seinem ersten Sohn. Damit endet das Gleichnis. Es endet eigentlich genau dann, wann das Familiendrama beginnt, über dessen Verlauf und Ausgang wir gar nichts erfahren. Diese Geschichte ist oft in der Bildenden Kunst dargestellt worden und hat in zahlreichen Variationen Eingang in die Volkserzählungen in vielen Ländern gefunden. Wenn man dieses Gleichnis vom Verlorenen Sohn nicht isoliert sieht, sondern es im Spiegel des Wochenspruches und der drei Bibeltexte für diesen Sonntag betrachtet, dann ergeben sich eine Reihe gedanklicher roter Fäden, die miteinander verwoben sind. Um die Bedeutung der Texte zu verstehen, kann es gut sein, wenn wir von der konkreten Schilderung ein wenig Abstand nehmen und uns auf ein etwas höheres
8 8/11 Abstraktionsniveau begeben, um der Gefahr, den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen, zu entgehen. Worum handelt es sich? Es dreht sich um einige fundamentale Gegensätze! Da stehen Arroganz gegen Demut, Eifersucht gegen Liebe, Eigensinn gegen G_ttes Willen, schließlich Tod gegen Leben. Laßt uns diesen Gegensätzen ein wenig nachgehen. Da ist zuerst einmal die Arroganz des jüngeren Sohnes, der offenbar die Nase voll hat von dem alten Trott zu Hause und sich sein Leben anders vorstellt als: Bleib im Lande und nähr Dich redlich! Nicht ein Zwang treibt ihn von zuhause fort, wie etwa die Emigranten aus Irland oder Norwegen, die aus schierer Nahrungsmittelknappheit nach verheerenden Mißernten millionenweise nach Amerika auswandern mußten. Nein, dieser jüngere Sohn könnte im Prinzip ja sein Leben komfortabel in dem gemachten Nest zubringen, redlich arbeiten, den Betrieb zusammen mit seinem älteren Bruder weiterführen, eine attraktive Frau heiraten, Kinder haben und zufrieden sein. Das ist aber nicht nach dem Gusto des Herrn Sohn. Leichtsinnig, unbekümmert, sicher gegen den Rat und den Wunsch der Eltern obwohl das der Text gar nicht einmal so sagt verlangt der den Teil seines Erbes und macht sich auf und davon. Aus der Perspektive der Alten mag man geneigt sein zu sagen: Es kommt, wie es kommen muß. Der ältere Sohn ist da offenbar viel vorsichtiger. Über die Motive seines Gehorsams dem Vater gegenüber wird nichts gesagt, aber wir dürfen aus dem Textzusammenhang heraus davon ausgehen, daß der ältere Sohn keine arglistigen Spekulationen hatte, sozusagen nur auf das Scheitern des jüngeren Bruders wartete. So weit ist offenbar der jüngere Sohn der Arrogante, der ältere der Demütige. Als der jüngere Sohn dann zurückkehrt, da scheinen sich plötzlich die Eigenschaften umzukehren. Jetzt ist der jüngere Sohn, geprägt von seinen Erfahrungen und
9 9/11 getrieben von seiner Not, der Demütige, der ältere Sohn aber wird uns jetzt ein wenig unsympathisch, da er doch rechthaberisch auf seinen Ansprüchen zu bestehen scheint und die ungebrochene Liebe seines Vaters zum jüngeren Bruder nicht nur nicht versteht, sondern sogar ablehnt. Nun ist es also der ältere Sohn, der arrogant ist. Im Gleichnis ist es der jüngere Sohn, der ausbüchst. Ist er vielleicht von Eifersucht getrieben? Nur der jüngere, der Kleine, der voraussichtlich niemals der Chef des väterlichen Betriebes sein wird? Ist es da der Ältere, der seinen Eltern Liebe schenkt und die Ehre erweist? Und ändern sich auch hier die Rollen am Ende des Gleichnisses? Kann der jüngere Sohn plötzlich aus seiner Not heraus lieben, der ältere aber nur eifersüchtig sein? Zuerst ist es der jüngere Sohn, der starr auf seinem Eigensinn beharrt, während der ältere sich dem Willen des Vaters unterordnet, wobei der Vater hier für G_tt steht. Am Ende aber sind auch unter diesem Aspekt die Rollen gerade vertauscht! Der Kleine ist bereit, sich ganz unterzuordnen, der Große kann nur seinem eigenen Gerechtigkeitssinn folgen und den Vater nicht mehr verstehen. Wir haben vorhin schon festgestellt, liebe Gemeinde, daß wir über den Ausgang des sich abzeichnenden Familienstreites gar nichts erfahren. Das Gleichnis endet abrupt und ohne eine Lösung des Konfliktes. Sicher, der jüngere Sohn ist wohlbehalten nach seiner Irrfahrt zuhause angekommen. Aber wie geht es weiter? Verliert der Vater jetzt seinen älteren Sohn, wo er gerade den jüngeren zurückerhalten hat? Ist es nicht so: Dadurch, daß Jesus uns das Ende der Geschichte vorenthält, kann das Gleichnis an uns einen Anspruch stellen. Liebe Gemeinde, ist es wohl möglich, daß der Verlorene Sohn und der Verbliebene Sohn ein und dieselbe Person sind? Daß Verlorenheit und Beständigkeit Eindrücke sind, die wir allesamt aus persönlich Erlebtem und Erfahrenem in uns aufgenommen haben? Sind wir alle zugleich jüngerer Sohn und älterer Sohn? Hat uns nicht unser Eigensinn oft von G_ttes Willen weggeführt? Vielleicht immer und immer wieder in dieselbe Richtung? Haben wir nicht oft bereut,
10 10/11 vielleicht viele Male dasselbe Vergehen, von dem wir uns mehr oder weniger bereitwillig in dieselbe Irre führen ließen, manchmal auch neue Übertretungen und Abwege? Der Geist ist willig, das Fleisch schwach! Das können ganz einfache Sachen sein, wie die Pralinenpackung, die dann bis zum letzten Stück aufgegessen wird, obwohl die Waage ein striktes Nein! dazu sagt. Oder das Verhalten im Straßenverkehr in der Rushhour, wenn wir gerade noch über die schon rote Ampel huschen. Es können auch sehr subtile Erfahrungen sein, wenn wir uns etwa auf gedankliche Abwege bringen lassen, die unser Leben in die Irre führen, ehe wir im Gebet dann wieder zurückfinden. Ist dann der jüngere Bruder in uns die Unbekümmertheit, der Leichtsinn, der ältere Bruder das schlechte Gewissen? Stellen wir uns auch noch diese Frage, liebe Gemeinde: Bringt uns unser Abweichen von G_ttes Wegen nicht immer in Richtung Tod. Und wenn wir dann um Vergebung bitten, ist dann nicht auch der große Bruder in uns, der uns sagen will: Das kann nicht vergeben werden!, wo uns doch die Schrift im 1. Johannesbrief sagt, daß G_tt größer ist als unser Herz, wenn uns unser Herz verdammen will? Hören wir noch einmal auf diese Worte aus der alttestamentlichen Lesung von heute:... Der Mensch, der sündigt, der muss sterben! Ein Sohn trägt nicht die Schuld des Vaters, und ein Vater trägt nicht die Schuld des Sohns. Die Gerechtigkeit des Gerechten kommt nur ihm selbst zugute, und die Ungerechtigkeit eines Ungerechten lastet nur auf ihm selbst. Wenn aber der Ungerechte sich abkehrt von all seinen Sünden, die er begangen hat, und alle meine Satzungen hält und nach Recht und Gerechtigkeit handelt, wird er am Leben bleiben, er muss nicht sterben. Alle seine Vergehen, die er begangen hat, werden ihm nicht angerechnet; der Gerechtigkeit wegen, die er geübt hat, wird er am Leben bleiben. Habe ich etwa Gefallen am Tod eines Ungerechten?, Spruch G_ttes des HERRN. Nicht vielmehr daran, dass er zurückkehrt von seinen Wegen und am Leben bleibt? Wenn aber ein Gerechter sich abkehrt von seiner Gerechtigkeit und Unrecht begeht, alle möglichen Abscheulichkeiten, wie der Ungerechte sie begeht - kann er sie begehen und am Leben bleiben? -, wird all seiner gerechten Taten, die er getan hat, nicht gedacht;
11 11/11 seines Treuebruchs wegen, den er begangen hat, und seiner Sünde wegen, die er begangen hat, ihretwegen muss er sterben. Ihr aber werdet sagen: Der Weg des Herrn ist nicht gerecht! Hört doch, Haus Israel: Mein Weg ist nicht gerecht? Sind nicht eure Wege nicht gerecht? Wenn ein Gerechter sich abkehrt von seiner Gerechtigkeit und Unrecht begeht, muss er deswegen sterben; wegen seines Unrechts, das er begangen hat, muss er sterben. Und wenn ein Ungerechter sich abkehrt von seiner Ungerechtigkeit, die er begangen hat, und nach Recht und Gerechtigkeit handelt, erhält er sich sein Leben. Und hat er es eingesehen und sich abgekehrt von all seinen Vergehen, die er begangen hat, wird er am Leben bleiben, er muss nicht sterben. In diesen Worten ist dieses Gleichnis vom Verlorenen Sohn für uns aufgeschlüsselt. Was an Bösem gewesen ist, dafür können wir Vergebung erlangen. Auf dem Guten, das durch uns geschehen ist, können wir uns nicht ausruhen. Umkehren sollen wir und Buße tun, damit wir leben. Denn, und das ist das Wichtigste an dem ganzen Gleichnis, der Vater will, daß seine beiden Söhne bei ihm leben. Einer, der dies erfahren hat, ist, um auch noch den Episteltext in diese Predigt aufzunehmen, Paulus. Er, der die Gemeinde G_ttes verfolgt hat, er kehrte um und wurde zu einem großen Segen. So haben wir denn hier einen Predigttext, der uns mehr Fragen stellt, als er Antworten gibt. Bitten wir den Herrn, daß wir die rechten Antworten finden. Und der Friede G_ttes, der höher ist als alle menschliche Vernunft, der bewahre Eure Herzen und Sinne in Christo Jesu, Amen!
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