Rechtspsychologie. Dr. Hans-Werner Reinfried Rechtspsychologisches Institut. Hans-Werner Reinfried. Berufsfelder der Rechtspsychologie
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- Henriette Graf
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1 Rechtspsychologie Dr. Rechtspsychologisches Institut Berufsfelder der Rechtspsychologie Begutachtung Im Zivilrecht Im Strafrecht Im Jugendstrafrecht Im Versicherungsrecht Im Militärrecht 1
2 Berufsfelder der Rechtspsychologie II Forensische Behandlung: Psychotherapie Beratung von Institutionen Polizeipsychologie, Notfallinterventionen Prävention: Früherfassung und Massnahmen Forschung Lehre und Ausbildung Ausbildung zum Fachpsychologen für Rechtspsychologie FSP Studium der Psychologie Praktische Berufserfahrung Zusatzausbildung in Rechtspsychologie Theorieteil Praxis Gesamtdauer ca. 5 Jahre 2
3 Weiterführende Informationen (Schweizerische Gesellschaft für Rechtspsychologie) (Rechtspsychologisches Institut Dr. Reinfried) (Abt. für Rechtspsychologie) (Kompetenzzentrum für Rechtspsychologie) Rechtspsychologie am Beispiel der Begutachtung im Familienrecht 3
4 Fragestellungen im Familienrecht Zuteilung der Obhut Ausgestaltung des Sorgerechts Besuchsrechtsregelung Erziehungsfähigkeit Vorgehensweise in der Begutachtung Was muss ich untersuchen, damit ich die Fragestellungen des Gerichtes oder der Vormundschaftsbehörde beantworten kann? Die Planung der Vorgehensweise wird in jedem Fall neu gestaltet. Die Planung konzentriert sich auf psychologisch wesentliche Punkte. 4
5 Elemente der Untersuchung I Interviews mit allen Beteiligten (Eltern und Kinder) einzeln. Aktuelle Situation Gestaltung der Beziehungen untereinander Lebensgeschichtliche Ereignisse Ehegeschichte Trennungsgeschichte Einschätzungen über Partner und Kinder Elemente der Untersuchung II Psychologische Testverfahren Neuropsychologische Verfahren Untersuchung der intellektuellen Leistungsfähigkeit Psychologische Tests zur Persönlichkeit Psychologische Tests zu den innerfamiliären Beziehungen Psychologische Tests zum aggressiven Verhalten 5
6 Elemente der Untersuchung III Informationen von Drittpersonen: Lehrerinnen und Lehrer Pädagogische oder psychologische Fachpersonen Beiständinnen und Beistände Hausärztinnen und Hausärzte Verwandte, die engen Kontakt mit der Familie haben (Grosseltern, Tanten, Onkel) Elemente der Untersuchung IV Aktenstudium Vorgutachten Berichte von Fachpersonen oder Behörden Bisherige Abläufe der Gerichtsprozesse Stellungnahmen der Rechtsanwälte Geldfragen 6
7 Besonderheiten I Zuteilung der Obhut Eignung von Vater und Mutter, die Kinder aufzunehmen Möglichkeiten von Vater und Mutter, die Kinder aufzunehmen (Zeit, Wohnung etc.) Bindung der Kinder an Vater und Mutter Beziehungen der Geschwister Präferenzen der Kinder Besonderheiten II Komplikationen bei der Beurteilung der Obhut Ein Elternteil ist psychisch krank Ein Elternteil ist suchtkrank Ein Elternteil ist gewalttätig Ein Elternteil hat sexuelle Übergriffe begangen Kinder stehen unter dem Einfluss eines Elternteils Loyalitätskonflikt der Kinder Suggestibilität der Kinder 7
8 Besonderheiten III Falldarstellung: Mutter, Vater, ein 10jähriger Junge Nach der Scheidung wohnt der Junge bei der Mutter und besucht den Vater regelmässig. Der Vater hört nach einem Jahr, dass sein Sohn in der Schule schlechte Leistungen hat. Der Vater macht eine Gefährdungsmeldung bei der Vormundschaftsbehörde und fordert die Obhut über seinen Sohn. Der Vater hält bei einem Besuch seinen Sohn bei sich zurück. Der Sohn entwickelt Angstzustände und verweigert den Kontakt zur Mutter. Für das Gericht stellt sich erneut die Frage der Obhut und des Besuchsrechts. Ein Gutachten wird verlangt. Der Vater ist ein verantwortungsbewusster Geschäftsmann, der sich selbständig gemacht hat, um jederzeit für seinen Sohn da sein zu können. 8
9 Die Mutter ist eine liebevolle, afrikanische Geschäftsfrau, die die Eigenarten des Jungen erkennt und berücksichtigt. In der Erziehung ist sie deutlich konsequenter. Der Junge hat ausgeprägte neuropsychologische Ausfälle. Er benötigt Förderung in einer Sonderschule. Seine Lernprobleme sind nicht Folgen der Scheidungsproblematik, werden jedoch durch diese verstärkt. Er will beim Vater bleiben und hat Angst vor der Mutter. Durch die intellektuelle Beeinträchtigung ist der Junge erhöht suggestibel. Der Vater erzählt seinem Jungen, die Mutter wolle ihn nach Afrika entführen. Der Junge glaubt, dass er ein guter Schüler wird, wenn er beim Vater wohnt. Durch die Begutachtung muss die Lehrperson klar Stellung nehmen. 9
10 Der Vater realisiert, dass er viel Arbeit auf sich nehmen muss und dass er kein Glanzresultat fertig bringt, sein Interesse am Sohn sinkt. Der Kontakt zur Mutter kann wieder hergestellt werden. Der Junge wird in eine Sonderschule eingeteilt. Das Gericht überträgt die Obhut erneut der Mutter. Der Vater hat ein Besuchsrecht mit der Auflage, nicht weiter negativ über die Mutter zu sprechen. Ein Beistand wird eingesetzt. Besonderheiten IV Ausgestaltung des Sorgerechts Gemeinsames Sorgerecht oder Sorgerecht bei einem Elternteil Zusammenarbeit der Eltern nach der Scheidung Im gemeinsamen Sorgerecht bleiben die Eltern verbunden und sind für die Kinder zuständig. 10
11 Besonderheiten V Besuchsrechtsstreit Die Eltern setzen den Ehestreit fort. Die Kinder sind stark in die Auseinandersetzung involviert. Eltern kreieren Vorwürfe gegen den anderen Elternteil und versuchen das Besuchsrecht zu verhindern. Besonderheiten VI Erziehungsfähigkeit Mass für Erziehungsfähigkeit? Wer kann welches Kind erziehen? Erziehungsfähigkeit bezieht sich immer auf die anvertrauten Kinder Erziehungsfähigkeit ist nur in wenigen Fällen generell nicht vorhanden 11
12 Erziehungsunfähigkeit ist festzustellen bei: Akuter Psychose Bei behandlungsresistenter Schizophrenie Bei schwerer, andauernder Depression Bei extremen Zwangserkrankungen Bei schweren Suchterkrankungen (Drogen, Alkohol) Bei Debilität Eingeschränkte Erziehungsfähigkeit infolge: Sucht Ideologien, einengende religiöse Vorstellungen Persönlichkeitsstörungen 12
13 Falldarstellung zur Erziehungsfähigkeit Die Eltern waren nie verheiratet und lebten nur zwei Jahre zusammen. Der Junge wohnt bei der Mutter und hat eine Beiständin. Die Mutter schlägt ihren 9jährigen Jungen so, dass er ins Spital gebracht werden muss. Die Vormundschaft platziert den Jungen in ein Heim. Die Beschreibungen der Mutter weisen auf eine Borderline - Störung hin. Zeitweise konsumiert die Mutter Kokain. Der Vater fordert jetzt die Obhut über seinen Sohn. Der Vater führt eine eigene Firma, die keinen Gewinn ausweist. Er macht Gelegenheitsarbeiten und lässt sich bar bezahlen. Der Vater war schon zweimal im Gefängnis: Einmal wegen Raufhandel, einmal wegen Cannabishandel. 13
14 Ein Gutachten wird angefordert Der Vater ist sofort bereit. Die Mutter verweigert die Mitarbeit, legt jedoch keinen Einspruch gegen die Platzierung des Sohnes im Heim ein. Der Vater kommt gerne und spricht endlos über sich. Im Gespräch entsteht kein Aufbau, er kann sich kaum etwas merken. Die neuropsychologische Untersuchung des Vaters findet ausgeprägte Hirnabbauphänomene. Insbesondere das Frischgedächtnis ist stark geschädigt. Der Vater ist kaum arbeitsfähig Er kifft immer noch täglich am Abend und trinkt ab und zu. Rauschtrinken ist nur noch selten. Der Vater hätte zwar Zeit und liebt seinen Jungen, seine erzieherischen Fähigkeiten sind jedoch ungenügend. Ich empfehle, ihn bei seinen Besuchen im Heim mit zu betreuen und ihn anzuleiten, wie er mit dem Sohn umgehen kann. Er geht auf den Vorschlag ein und geniesst die Zuwendung, die er selbst benötigt. 14
15 Der Junge zeigt starke Anzeichen einer Verwahrlosung. Er ist gerne im Heim, weil dort immer jemand für ihn da ist. Seine Mutter möchte er nicht mehr sehen, weil sie ihn oft extrem geschlagen oder lange Zeit eingesperrt hat. Er zeigt Angst vor ihr. Mit dem Vater möchte er etwas unternehmen und freut sich auf die Besuche. 15
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