In den ersten Lebensjahren finden wichtige Entwicklungsschritte statt.
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- Laura Vogel
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1 Kap. 12 Sprache In den ersten Lebensjahren finden wichtige Entwicklungsschritte statt Komponenten der Sprachentwicklung Syntax Regelsystem der Sprache Entwicklung grammatischer Grundstrukturen Semantik Bedeutung der Sprache (Inhalte) Entwicklung von Wort- und Satzbedeutungen Pragmatik Wissen über Verwendung von Sprache zur Kommunikation Entwicklung kommunikativer Kompetenzen Phonologie Lautsystem der Sprache Entwicklung des Verständnisses und der Produktion des Lautsystems einer Sprache Morpheme = die kleinsten bedeutungstragenden Einheiten Phoneme = die kleinsten lautlichen Einheiten Metalinguistisches Wissen = das Wissen eines Menschen über das System der Sprache 12.2 Sprache und Gehirnentwicklung Das Wernicke-Areal (Sprachverständnis) und das Broca-Areal (Sprachproduktion) sind wesentlich. Bereits pränatal zeigen sich Hinweise auf eine Spezialisierung der Hirnhälften, die sich in den Folgejahren fortsetzt. Die Kindheit kann als eine sensible Phase für den Spracherwerb angesehen werden, in der der Erwerb einer Sprache besonders leicht von statten geht. Der Erwerb einer Primärsprache ist nach Eintritt der Pubertät nur noch eingeschränkt möglich (Fall Genie ). Immigranten In frühen Entwicklungsabschnitten fällt es Kindern leicht, auch mehrere Sprachen parallel zu erwerben. 1
2 12.3 Voraussetzungen für den Spracherwerb Am Anfang der Entwicklung spielen Sprachwahrnehmungskompetenzen eine entscheidende Rolle. Kategoriale Wahrnehmung von Sprachlauten - Säuglinge nehmen die Grenzen zwischen Sprachlauten analog zu Erwachsenen wahr (Habituations-Dishabituations-Verfahren) - Bereits Säuglinge unterschieden viele Lautkategorien genau wie Erwachsene wahrnehmen (Habituationstechnik) Eingrenzung der unterscheidbaren Sprachlaute - Anfangs unterscheiden Säuglinge sogar mehr Lautkategorien als Erwachsene. - Später beschränkt sich die Unterscheidungsfähigkeit auf auf das Lautpotenzial der jeweiligen Sprachumgebung. - Die Eingrenzung des Lautpotentials zeigt sich nicht nur bei der Sprachwahrnehmung, sondern auch bei der Sprachproduktion. Abgrenzung von Spracheinheiten - Säuglinge nehmen schon früh sprachliche Einheiten (bestimmte Silben) im Sprachfluss der Umgebung wahr und können Lauteinheiten identifizieren. - Säuglinge nutzen Wortpausen und Merkmale der Prosodie (Betonung, Rhythmus, Sprechmelodie), um Wörter und Silben zu segmentieren Bildung von Begriffskategorien - Kategorisierungsprozesse sind erforderlich, um Ordnung in die Vielfalt der Informationen zu bringen, die Kinder aus ihrer Umgebung erhalten. - Die Wissensbestände, die im Laufe der Entwicklung generiert werden, entstehen nicht allein durch Informationsaufnahme und Informationsverknüpfung. Eine wesentliche Bedeutung kommt zusätzlich Kategorisierungsprozessen zu, die Ordnung in die Vielfalt der Informationen bringen. - Die Kategorien bilden zusätzlich eine bedeutende Basis für die Sprachentwicklung 2
3 Zuordnung von Sprache zu Begriffskategorien - Kinder lassen sich von einer Reihe von Vorannahmen leiten, wenn sie mit neuen sprachlichen Begriffen konfrontiert werden und versuchen, eine Beziehung zu dem damit bezeichneten herzustellen. - Kinder lassen sich dabei durch die Ganzheits-, die Taxonomie- und die Disjunktionsannahme leiten, wenn es darum geht, bestimmten Objektkategorien eine sprachlicher Bezeichnung zuzuordnen. Ganzheitsannahme Taxonomieannahme Disjunktionsannahme Worte beziehen sich auf ganze Objekte Worte beziehen sich auf Objekte desselben Typs Jedes Objekt hat nur eine Bezeichnung - Neben den Vorannahmen spielen auch Unterstützung aus der sozialen Umgebung und der sprachliche Kontext, in dem ein Wort verwendet wird, eine Rolle bei der Entwicklung von Wortbedeutungen. - Grundsätzlich entwickelt sich das Sprachverständnis schneller als die Sprachproduktion. Der passive Wortschatz ist daher größer als der aktive Sprachproduktion Vor der Produktion von Sprache beginnen Säuglinge (zwischen 6. und 10. Lebensmonat) mit dem Plappern, das bereits in vielerlei Hinsicht den Sprachmerkmalen der Umgebungssprache entspricht. Einzelne Silben und Silbenkombinationen werden aneinandergereiht. Das Plappern nähert sich zunehmend hinsichtlich der Lautgebung und Rhythmik den Charakteristika der Muttersprache an. Die Phase der Einwortsätze wird auch als holografische Phase bezeichnet, da mit einem Wort bereits komplexe Aussagen ausgedrückt werden sollen. Im Verlauf der Einwortphase kommt es zu einer Veränderung vom Gebrauch isolierter Einzelworte zur Aneinanderkettung von Worten. Gerade am Anfang der Entwicklung bestehen noch viele sprachliche Lücken, die Kinder mit verschiedenen Strategien zu überbrücken versuchen. Eine Strategie ist die sprachliche Überdehnung. 3
4 In der zweiten Hälfte des 2. Lebensjahres setzt bei den Kindern eine Wortschatzexplosion (Vokabelspurt) ein. Dabei kommt es zu einem rapiden Anstieg des Wortschatzes. Wenn der aktive Wortschatz mit 24 Monaten noch unterhalb von 50 Worten liegt, gehört ein Kind zu den late talkern, mit einem überdurchschnittlichen Risiko für eine spätere Störung der Sprachentwicklung. Eine wichtige Bedeutung kommt dem phonologischen Arbeitsgedächtnis bei der Sprachentwicklung zu, das für die Ablegung sprachlichen Materials im Kurzzeitspeicher zuständig ist. Zusammenstellung von Sätzen und Wörtern Mit der Zunahme des Wortschatzes kommt es vermehrt auch zur Zusammenstellung mehrerer Einzelworte zu semantischen Einheiten. Universell lässt sich dies nicht nur in der Zweiwort-, sondern auch in der Mehrwortphase beobachten. Wenn Kinder Worte zu Sätzen zusammenstellen, lassen sie charakteristischer Weise Satzelemente (Artikel, Präpositionen, Hilfsverben ) aus. Es kommt zu einer telegrafischen Phase. Interessant ist, dass bereits die telegrafische Sprache bestimmten Regeln folgt, z.b. typische Satzstellung der jeweiligen Sprache. Unterstützende Maßnahmen durch die soziale Umgebung Die soziale Umgebung bietet vielfache didaktische Unterstützungen bei der Sprachentwicklung von Kindern: - Abstimmung Blickverhalten - Ammensprache - Spracherweiterungen - Hinweisfunktionen - Spracherweiterungsfunktionen - Korrekturfunktionen Bei der Wortbedeutungsentwicklung sind dies v.a. didaktische Hinweisfunktionen. Die Bezugsperson folgt der Blickrichtung des Kindes und erläutert dabei, was es gerade sieht. Später lernt umkehrt auch das Kind, der Blickrichtung von Bezugspersonen zu folgen und auf diese Weise mit geteilter Aufmerksamkeit ein Objekt anzublicken. Die Bezugspersonen orientieren sich am Entwicklungsstand des Kindes. Charakteristisch ist dabei v.a. die Ammensprache ( Baby Talk ). 4
5 Auch in der telegrafischen Phase haben Bezugspersonen einen wichtigen Anteil am Erwerb von Sprachstrukturen. Hilfreich sind v.a. Spracherweiterungen durch Erwachsene, durch die das Kind die korrekte Sprachverwendung lernt. Entwicklung der syntaktischen Struktur Eine wichtige Unterscheidung im Bereich der Syntaxentwicklung ist die Differenzierung zwischen Tiefen- und Oberflächenstruktur von Sätzen. Die Tiefenstruktur bezieht sich auf die semantische Bedeutung eines Satzes. Die Oberflächenstruktur ist das, was artikuliert wird. Trotz gleicher Tiefenstruktur lässt sich der Satzinhalt in verschiedene Oberflächenstrukturen übersetzen. Ein jüngeres Kind wird einen Satz mit einfacher Oberflächenstruktur leichter verstehen und auch selbst eher produzieren. Die Erwerbsfolge bei der Syntaxbildung entspricht der Komplexität der zugrunde liegenden Regeln. Ähnlich wie bei der Semantikentwicklung kommt es auch bei der Syntaxentwicklung zu Übergeneralisierungen. In diesem Fall geht es um die Übergeneralisierung grammatischer Regeln ( Er gehte ). Entwicklung der Sprachpragmatik An Anfang der Entwicklung erfolgt der Sprachgebrauch überwiegend egozentrisch. Die bedeutet, dass Wissensstand und Perspektive des Gesprächspartners wenig berücksichtigt werden. Der Egozentrismus zeigt sich beispielsweise darin, dass die Gesprächsbeiträge von Kindern häufig nicht aufeinander bezogen sind. Die Fähigkeit zur Perspektivübernahme des Gesprächspartners ist ein bedeutsamer Aspekt der Kommunikationsfähigkeit. Hinzu kommen weitere soziale Kompetenzen im Bereich des Sprachgebrauchs - Auf kompetente Art ein Gespräch zu beginnen -.. aufrechtzuerhalten - zu beenden Auch bei diesen Kompetenzen zeigen sich deutliche Verbesserungen im Entwicklungsverlauf, wobei hier ebenfalls die Perspektivübernahmefähigkeit dazu beiträgt. 5
6 12.5 Spezielle Probleme bei der Sprachentwicklung Bilinguale Entwicklung Vielfach zeigen sich Vorteile für bilingual aufgewachsene Kinder. Die kognitiven Kompetenzen und metalinguistischen Fähigkeiten sind ausgeprägert. Zweisprachig aufgewachsene Kinder erlernen die Zweitsprache ohne bewusste Anstrengung. Dies spricht dafür, das frühe Zeitfenster zu nutzen, um die Sprachkometenzen von Kindern zu fördern. Überforderungen sind dann zu erwarten, wenn die kognitiven Kompetenzen eines Kindes eher gering sind. Problematisch kann bilinguales Aufwachsen auch dann sein, wenn die Gefahr besteht, dass als Entwicklungsergebnis keine der beiden Sprachen korrekt erlernt wird,w eil keine hinreichende Förderung erfolgt. Gehörlosigkeit Auch eine Gebärdensprache kann frühzeitig ohne bewusste Anstrengung erlernt werden. Wenn auch die Eltern gehörlos sind, wachsen gehörlose Kinder in der Regel in einem Kontext auf, in dem die Gebärdensprache zur Kommunikation genutzt wird. Genau wie hörende Kinder den Sprachfluss analysieren, nutzen diese Kinder die Abfolge der Gebärden als Informationsgrundlage, aus der sie natürlich und ohne bewusste Anstrengung die Gebärdensprache erlernen, Auch gehörlose Kinder beginnen mit Gebärden zu plappern. Wenn jedoch in der sozialen Umgebung nicht in der Gebärdensprache kommuniziert wird, z.b. weil die Eltern nicht gehörlos sind, müssen auch gehörlose Kinder die Gebärdensprache bewusst und systematisch erlernen. Hier ist umfangreiche Unterstützung durch Frühförderung nötig. 6
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