zusammen mit uralten Netzen verrotteten. Der Dieb war von kleiner Statur, weniger als mittelgroß, und hatte bemerkenswert schmale Schultern.
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- Babette Hertz
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2 zusammen mit uralten Netzen verrotteten. Der Dieb war von kleiner Statur, weniger als mittelgroß, und hatte bemerkenswert schmale Schultern. Als triebe ihn ausschließlich das Verlangen, seinen Durst zu stillen, betrat er die Dorfschenke, die auf den wenig einfallsreichen Namen Der Krug getauft worden war. Sicherlich die Hälfte aller Dorfschenken an der Alten Küste hieß so. Der Krug bot auch im Inneren wenige Überraschungen. Es gab beinahe nichts, was der Dieb nicht schon Dutzende Male anderswo gesehen hatte. Die wenigen Einheimischen drängten sich wie üblich um einen einzigen Tisch in der einen Hälfte der Gaststube und bildeten eine Phalanx aus Rücken, während die Fremden, so unterschiedlich sie auch waren die Händler, die Handwerker, die Neusiedler und
3 abenteuerlustigen Naturen, sich in der anderen Hälfte ausgebreitet hatten. Beide Gruppen trennte ein unsichtbarer Graben. Keine Seite wollte mit der anderen mehr als unbedingt nötig zu tun haben. Dabei waren die Bewohner der Alten Küste eigentlich gar kein unfreundlicher Menschenschlag, wie der Dieb wusste. Doch die Fremden, die durch ihre Dörfer zogen, machten ihnen Angst. Sie empfanden sie offensichtlich als etwas Ähnliches wie Sand in einer Sanduhr, die gewendet worden war, als ihre Urgroßeltern noch Kinder gewesen waren. Seit damals rieselte der Sand von einem Kolben in den anderen, und wenn das letzte Körnchen in nicht mehr allzu ferner Zeit durch die enge Öffnung fiel, so wäre das Ende ihrer jahrhundertealten Lebensart gekommen. Der Dieb kannte zwar die Schwächen
4 seines Gleichnisses, war aber überzeugt, dass es das innerste Wesen der Einheimischen einigermaßen gut beschrieb. Auch er hatte heute mit einer Art Sanduhr zu tun. In seinem Fall hatte sie die Gestalt eines Geschichtenerzählers angenommen, der die Aufmerksamkeit sämtlicher Reisender auf sich gezogen hatte. Keine Bedrohung ging von dieser Sanduhr aus, im Gegenteil, die Ablenkung würde seine Arbeit erleichtern und ihn überdies auf dem Laufenden halten, wie viel Zeit ihm noch für die halbwegs ungestörte Erledigung seines Tagewerks blieb. Denn der Dieb kannte die Geschichte, die der Erzähler vortrug. Auch die Reisenden kannten sie genauestens. Wahrscheinlich gab es im gesamten Aldermannland keine lebende Seele, die sie noch niemals gehört hatte. Aber es war eben etwas ganz anderes, ob man sie weit entfernt erzählt bekam oder in
5 Sichtweite dieser einzigartigen Steilklippe, die sich Hunderte von Meilen nahezu ununterbrochen mitten durch das Land zog und wie die Stufe einer Treppe für Riesen wirkte. Der Dieb bemerkte das Unheil, das ihm auflauerte, beinahe umgehend, als er ein Kitzeln in der Nase spürte und die ersten Tränen in seine Augen traten. Irgendwo musste entweder eine Katze herumstreichen, oder einer der Gäste trug ein Katzenfell. Vielleicht dampfte auch auf einem Tisch eine Tasse mit Kamillentee, oder jemand hatte sich die Haare mit einem Aufguss der Pflanze gewaschen! Kamille und Katzen das waren zwei alte Erzfeinde des Diebes, unter denen er seit seiner Kindheit litt. Sie trieben ihm das Wasser in die Augen und zwangen ihn zu niesen, als litte er an der schlimmsten Erkältung. Alles in dem Dieb strebte danach,
6 die Schenke umgehend wieder zu verlassen. Doch sogleich meldete sich die Stimme der Vernunft: Seit zwei Tagen folgte er dieser Gruppe von Reisenden. Heute war seine letzte Gelegenheit, die Ernte einzufahren, denn morgen wären sie bereits im Hellenland, und dorthin wollte er ihnen lieber nicht folgen, wenn es sich vermeiden ließ. Aus Rücksicht auf seinen Zustand beschloss der Dieb, sein ursprünglich auserkorenes Opfer gegen ein leichteres auszuwechseln. Mit verschwommenem Blick sah er sich um, traf seine Wahl und trat zu einer der Sitzbänke.»Setz dich, Junge«, sagte das neue Opfer freundlich und rutschte ein Stück zur Seite. Gimpel, wohlverdient!, dachte der Dieb geringschätzig und wartete gerade so lange, bis sein Opfer ein Bäcker oder Zimmermann, so weit er mitbekommen hatte
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