Professor Dr. Rainer Schröder Sommersemester Universitätsrepetitorium Rechtsgeschäftslehre. Fall 11: (Lösung)
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1 Professor Dr. Rainer Schröder Sommersemester 2006 Universitätsrepetitorium Rechtsgeschäftslehre Fall 11: (Lösung) Zur Vertiefung: BGH, NJW 1998, 531; BGH, NJW 1998, 302; BGH, NJW 1995, 43 A. Ausgangsfall: Anspruch M B, Herausgabe des Rades, 985 BGB I. M = Eigentümer? 1. Eigentumserwerb des M gem. 929 S. 1 BGB (+) 181 BGB?: teleologische Reduktion der Norm, da lediglich rechtlich vorteilhaft kein Interessenkonflikt 2. Eigentumsverlust M F, Übereignung gem. 929 S. 1 BGB? a) Einigung über den Eigentumsübergang? dinglicher Vertrag (1) WE des M? (+) 1
2 (2) WE für F durch A, 164 Abs. 1 S. 1 BGB? (a) WE des A (+) (b) im Namen des F? hier: unternehmensbezogenes Geschäft ( Fahrradhandel ) (+) Einigung (+) b) Einigung wirksam? (1) Unwirksamkeit gem. 177 I BGB? 56 HGB? (-), da dieser nicht für Ankäufe gilt aber wohl aus Anstellung des A im Ladenbereich eines Geschäftes, das Fahrräder ankauft (2) Unwirksamkeit gem. 108 I BGB M ist gem. 106 BGB beschränkt geschäftsfähig und würde durch Übereignung einen rechtlichen Nachteil erleiden Einwilligung gem. 183 BGB (-) Genehmigung ( 184 BGB) (-) ausdrücklich verweigert Einigung gem. 108 I BGB unwirksam, M = Eigentümer 3. Eigentumsverlust M B gem. 929 S. 1, 932 BGB? 2
3 a) Einigung? zwischen F, vertreten durch A, und B (+) b) Übergabe? Besitzverschaffung unter Aufgabe eigenen Besitzes c) Berechtigung? Fehlte F redlicher Erwerb gem. 932 BGB? (-), wenn B nicht in gutem Glauben (1) guter Glaube: muss sich bei 932 BGB zunächst auf das Eigentum des Veräußerers beziehen; Kenntnis und grobfahrlässige Unkenntnis schaden ( 932 II BGB) hier: B kannte die Minderjährigkeit nicht, hielt das Geschäft nur für angreifbar (2) a.a.: Tw. wird der gute Glaube bereits verneint, wenn der Erwerber hinsichtlich eines möglichen Grundes der Nichtberechtigung bösgläubig ist Argument: kein schützenswertes Vertrauen (3) Kritik: Ansicht entfernt sich zu weit von Wortlaut und Systematik der 932, 142 BGB: es kommt auf das gegenwärtige Gehören an, den bösen Glauben hinsichtlich der Anfechtbarkeit regelt 142 II BGB (4) Übereignung wirksam angefochten und Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis der Anfechtbarkeit? 3
4 (a) Ausschluss der Anfechtung durch die Unwirksamkeit gem. 108 I BGB? Kann ein nichtiges Rechtsgeschäft noch angefochten werden? aber: mglw. knüpfen sich an die Anfechtung andere Rechtswirkungen als an die bisher bestehende Nichtigkeit überwiegende Meinung (begründet von Th. Kipp): auch das nichtige Rechtsgeschäft ist anfechtbar BGH hat für Scheidung und Eheaufhebung einen anderen Weg gewählt: keine Aufhebung der geschiedenen Ehe, aber möglicherweise Anwendung der Rechtsfolgen der Aufhebung, wenn die Voraussetzungen vorliegen. (b) Wirksame Anfechtung der Übereignung M F? (aa) Anfechtungserklärung, 143 I, II BGB? durch die Eltern des M (+) (bb) Anfechtungsgrund, 123 I Täuschung?, hier: A spiegelt dem M vor, das Fahrrad diene nur noch als Ersatzteillager Widerrechtlichkeit? (+) kein Recht zur Lüge Arglist? (zumindest bedingter) Vorsatz (+) Kausalität (+) für Übereignung muss sich F die Täuschung des A zurechnen lassen 123 II 1 BGB? da Dritter nur ist, wer nicht im Lager des Anfechtungsgegners steht? 4
5 aber: Täuschung von Vertretern und Verhandlungsgehilfen sind immer zuzurechnen Anfechtungsgrund (+) (cc) Anfechtungsfrist, 124 I BGB (+) (c) Bösgläubigkeit des B? hier: B hätte aufgrund der Andeutungen ohne weiteres die Anfechtbarkeit erkennen müssen grob fahrlässige Unkenntnis (+) kein gutgläubiger Erwerb des B M = Eigentümer II. B = Besitzer III. B ohne Recht zum Besitz 1. Kaufvertrag zw. F und B? keine RzB ggü. M 2. Kaufvertrag zw. M und F? (-) gem. 108 I, 142 I BGB unwirksam Anspruch (+) M kann von B die Herausgabe des Rades verlangen 5
6 B. Abwandlung: Anspruch O K, Herausgabe des Rades O = Eigentümer? Ursprünglich (+), an M nur verliehen ( 598 BGB) Eigentumsverlust an K gem. 929 S. 1, 932 BGB I. Einigung zw. M und K? (+) II. Einigung gem. 108 I BGB unwirksam? 1. M. ist gem. 2, 106 BGB beschränkt geschäftsfähig 2. Einwilligung gem. 107 BGB erforderlich? Erklärung für M lediglich rechtlich vorteilhaft? (+) jedenfalls kein unmittelbar rechtsgeschäftlicher Nachteil: neutrales Geschäft, daher Einwilligung nicht notwendig Einigung wirksam III. Übergabe (+) IV. Berechtigung? Fehlte M redlicher Erwerb gem. 932 BGB? K hält M für den Eigentümer. Auswirkungen der Minderjährigkeit auf den Erwerb? 1. Ansicht 1: Erwerber ist so zu stellen, als treffe seine Vorstellung von der Eigentumslage zu 6
7 Ergebnis hier: Zustimmungsbedürftigkeit (+) 2. hm: wirksame Einigung und Übergabe unabhängig neben gutem Glauben gem. 932 BGB stehende Voraussetzung; guter Glaube muss sich nur auf das Eigentum beziehen Minderjährigkeit hierfür belanglos, anderer Schutzzweck bei anderer Betrachtung droht Vermengung zweier getrennter Regelungssysteme Schutz des redlichen K trotz beschränkter Geschäftsfähigkeit des M K hat Eigentum erworben Anspruch (-) 7
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