Straßenbahnremisen in Wien im Wandel

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1 TU TECHNISCHE UNIVERSITÄT WIEN Interdisziplinäre Seminararbeit Interdisciplinary Seminar Thesis Straßenbahnremisen in Wien im Wandel der Zeit unter der Leitung von Herr Prof. Thomas Macoun, Institut für Verkehrswissenschaften, eingereicht an der Technischen Universität Wien, Fakultät für Bauingenieurwesen, von Max Witek Salurner Gasse Mödling

2 INHALTSVERZEICHNIS TU I 1. EINLEITUNG ENTWICKLUNG DER STRAßENBAHNREMISEN IN WIEN: Geschichtliche Entwicklung: Gesellschaftlicher Stellenwert der Straßenbahn: LITERATURVERZEICHNIS ABBILDUNGSVERZEICHNIS

3 1. EINLEITUNG Im Zuge des Planungsseminars Public Transport in Zusammenarbeit mit den Wiener Linien konnten sich die Studenten und Studentinnen mit dem Thema Straßenbahnremisen auseinandersetzen. Dabei kamen viele neue und interessante Aspekte zu Tage, die mich veranlasst haben, mich näher mit dem Thema Straßenbahnremisen zu beschäftigen und auch die Beziehung der Wiener zu ihrer Straßenbahn zu hinterfragen. Die Straßenbahn existiert in Wien seit über 100 Jahren, und gehört in Wien zum Stadtbild. Die Gleisanlagen durchziehen viele Straßen in Wien, aber genauso wichtig sind für den reibungslosen Betrieb jene Einrichtungen, die für den Fahrgast zumeist unbemerkt bleiben. In den Remisen werden die Fahrzeuge sicher abgestellt, inspiziert und kleine Instandsetzungsmaßnahmen durchgeführt. Der heutige Bestand an Straßenbahnremisen ist historisch gewachsen, und muss ständig wechselnden Erfordernissen gerecht werden. Die Standorte der Straßenbahnremisen und ihr Bezug zum öffentlichen Raum sind aber auch gute Indikatoren für die Veränderungen im öffentlichen Raum der Stadt Wien und die Veränderungen in der raumplanerischen Auslegung der Stadt Wien. Max Witek, Seite 2

4 2. ENTWICKLUNG DER STRAßENBAHNREMISEN IN WIEN: 2.1 Geschichtliche Entwicklung: Die Geschichte der Straßenbahn in Wien begann schon mit der Phase der Wiener Tramwaygesellschaft von 1868 bis 1898, einer Aktiengesellschaft. Damals wurde zur Traktion noch Pferde eingesetzt. Das Streckennetz wurde teilweise von privaten Bahngesellschaften übernommen, teilweise wurde um neue Konzessionen angesucht. Das Netz und die Anzahl der Pferde und Betriebsmittel wurden kontinuierlich erweitert gab es bereits rund 3800 Pferde, eine Netzlänge von fast 81km, und rund 730 Wagen. Die Remisen waren auf die Pferdetramway abgestimmt, und umfassten vor allem Stallungen und Quartiere für das Personal, das zu dieser Zeit für heutige Verhältnisse ausgebeutet wurden. Dieser Umstand führte auch einen Streik der sogenannten weißen Sklaven herbei, der ihnen eine Verkürzung der Arbeitszeit von 19 auf 12 Stunden, und 50% mehr Lohn einbrachte. Während nahezu der gesamten Phase der Pferdeeisenbahn gab es Versuche, die Traktion auf Dampflokomotiven umzustellen, der Durchbruch gelang aber erst mit Vorstellung des elektrodynamischen Prinzips durch Werner von Siemens und der Nutzung in entsprechenden Elektrolokomotiven. Die erste reguläre elektrische Straßenbahn gab es dann in Wien ab dem 28. Jänner Die Strecke dieser knapp 10km Langen Linie endete in einer damals neu errichteten Remise für Pferde in der Vorgartenstraße, es wurde zusätzlich ein Betriebsbahnhof für 96 Triebwagen und eine Betriebswerkstätte errichtet. Hierbei handelte es sich um die erste Straßenbahnremise im heutigen Sinne. In den folgenden Jahren erfolgte der Generationswechsel bei den Straßenbahnen, und im Jahr 1902 wurde der Betrieb aller Straßenbahnen in Wien von dem neu gegründeten Straßenbahnunternehmen der Gemeinde Wien übernommen. Von nun an stieg die Netzlänge kontinuierlich an, was mehr Personenwagen und mehr beförderte Passagiere bedeutete. Bis zum Jahr 1915 wurden kontinuierlich neue Straßenbahnremisen gebaut, bei denen die Betriebsmittel teils in Hallen, teils im Freien, untergebracht waren. Die Standorte waren gleichmäßig über die äußeren Stadtbezirke verteilt, sodass Einschubfahrten und dergleichen mit minimalem Aufwand möglich waren. Im Jahr 1915 gab es in Wien 18 Betriebsbahnhöfe mit insgesamt über 3300 Wagenplätzen. Max Witek, Seite 3

5 Abbildung 1: Straßenbahnremisen in Jahr 1915 Max Witek, Seite 4

6 Abbildung 2: Lage der Straßenbahnremisen im Jahr 1915 Damals waren die Remisen gut auf das Netz verteilt und hatten in den Anfangszeiten eine eher abgelegene Lage in den äußeren Bezirken. Durch das kontinuierliche Flächenwachstum der Stadt Wien wuchsen die Straßenbahnremisen immer mehr in die Wohngebiete ein. Mitte der 60er Jahre war noch ein Großteil der Straßenbahnremisen aus dem Jahr 1915 vorhanden. Mittlerweile jedoch lagen diese Anlagen mitten im Stadtgebiet, rundherum verbaut mit Wohnhausanlagen. Max Witek, Seite 5

7 Abbildung 3: Liste der Straßenbahnremisen im Jahr 1965 Max Witek, Seite 6

8 Bis zu Jahr 1965 waren die Straßenbahnremisen Meidling und Wienzeile aufgelassen worden und im Gegenzug wurde die Garage Raxstraße errichtet. Später wurden dann kontinuierlich weitere Standorte aufgelassen. Dies zollte dem immer größeren Platzbedarf in Wien Tribut, und die verbleibenden Standorte wurden in ihrer Kapazität immer weiter ausgereizt. Des Weiteren wurden im Laufe der Zeit viele Straßenbahnlinien durch Buslinien ersetzt, weil auf diesen Linien teilweise zu wenig Auslastung vorhanden war und der Betrieb mit Autobussen wirtschaftlicher war. Derzeit verfügen die Wiener Linien noch über 10 Straßenbahnremisen und das Straßenbahnmuseum in Erdberg. Brigittenau (Erdberg nur als Museum) Favoriten Floridsdorf Gürtel Kagran (Erweiterungspläne) Ottakring (Neubau - überbaut) Rudolfsheim (umgebaut) Simmering Speising Mit dieser deutlich verringerten Zahl an Straßenbahnremisen ist die Auslastung in den einzelnen Remisen maximiert worden. Weitere Ausbaupläne in Bezug auf neue Straßenbahnlinien bedürfen daher neuer Straßenbahnremisen, was sich problematisch gestaltet, da Platz im Stadtgebiet mittlerweile kaum mehr vorhanden ist, und die Grundstücke der alten Standorte mittlerweile großteils verkauft wurden. Eine Anordnung außerhalb der Stadt hat aber auch große Nachteile, da hier die Kosten und der Aufwand für die Einführungsfahrten oder im Fall eines Defekts und eines Ausgliederns eines Fahrzeuges ungleich höher sind. Ein möglicher Kompromiss ist die Vorgehensweise wie bei der Straßenbahnremise Ottakring, die mit einem Wohnhaus überbaut wurde. Natürlich entstehen dadurch wieder andere Probleme, wie zum Beispiel Anrainer, die sich durch Lärm belästigt fühlen können. Diese Probleme gilt es jedoch abzuwiegen, um auch in Zukunft Kapazitäten für die Straßenbahnen bereithalten zu können. An den meisten Standorten ist ein größerer Eingriff in die bestehende Infrastruktur zwecks der Optimierung betrieblicher Abläufe aus Platzgründen und wegen der denkmalgeschützten Bausubstanz nur schwer möglich, sodass langfristig neue innerstädtische Standorte für Straßenbahnremisen gefunden werden müssen, wenn sich der Marktanteil weiter erhöht und somit das Angebot erweitert werden kann. Max Witek, Seite 7

9 2.2 Gesellschaftlicher Stellenwert der Straßenbahn: Am Anfang des 20. Jahrhunderts hatte die Straßenbahn einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert. Man fuhr mit der Straßenbahn bis ins Wirtshaus (zum Beispiel Remise Zögernitz, die in einem Gastgarten untergebracht war, siehe Abbildung 4) oder auf den Zentralbahnhof, wo es mehrere Abstellgleise gab. Auch zur Pferderennbahnin der Freudenau, wo die Straßenbahnen am Ende eines Renntages auf mehreren Gleisen auf die Fahrgäste warteten, oder anderen gesellschaftlichen Anlässen wurde großteils die Straßenbahn genutzt. Auch bei Sonderveranstaltungen wie die Kaiserhuldigung 1908 anlässlich des 60. Regierungsjubiläums von Kaiser Franz Josef (siehe Abbildung 6) wurden die Menschen in Massen transportiert, und auch der Ausflugsverkehr in die umliegenden Erholungsgebiete rund um Wien war sehr beliebt, und es gab am Wochenende Sonderfahrpläne zu Ausflugszielen. Dementsprechend prunkvoll waren auch die Straßenbahnremisen gestaltet, wie die vielen bis heute erhaltenen, architektonisch wertvollen Abstellhallen, wie zum Beispiel bei der Straßenbahnremise Favoriten, unter Beweis stellen. Mit dem Aufschwung des motorisierten Individualverkehrs verlor die Straßenbahn an Stellenwert in den Köpfen der Menschen. Ein Auto war ein Statussysmbol, und die Werbung suggerierte den Menschen, dass die Fahrt im eigenen Auto ein Stück persönliche Freiheit bedeutet. Des Weiteren kam es durch günstige Grundstücke und das Konzept des Wohnen im Grünen zu einer ausufernden Zersiedelung im Umland von Wien, die bis heute anhält. Im Zuge dessen entwickelten sich Wohnstrukturen, die nicht gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erschließbar sind. Das Auto rückte in der Vordergrund, und wer es sich leisten konnte, fuhr nach Möglichkeit mit dem Auto. Heute erlebt der öffentliche Verkehr in Wien einen großen Aufschwung, weil die Treibstoffpreise das Autofahren mittlerweile so teuer gemacht haben, wie volkswirtschaftlich sinnvoll wäre. Daher wechseln immer mehr Menschen auf den öffentlichen Verkehr zurück, was wiederum höhere Transportkapazitäten bedingt. Für diese Kapazitäten stoßen Autobusse an ihrer Leistungsgrenzen, und müssen wieder durch Straßenbahnlinien ersetzt werden. Das prominenteste Beispiel ist die Autobuslinie 13A, über die seit Jahren diskutiert wird, und die über kurz oder lang voraussichtlich mit einer Straßenbahnlinie ersetzt werden muss. Diese notwendigen neuen Linien stellen neue Herausforderungen an die Kapazität der Straßenbahnremisen dar, die letztenendes wahrscheinlich nur über entsprechende Neubaumaßnahmen abgedeckt werden können, da die bestehenden Remisen ausgereizt sind, und die einzige Erweiterungsmöglichkeit an den bestehenden Standorten am Betriebsbahnhof Kagran gegeben sind. Max Witek, Seite 8

10 Diese Platzprobleme für neue Straßenbahnremisen spiegeln auch die allgemeine Haltung der Gesellschaft zu öffentlichem Verkehr und Individualverkehr wider. Es wird im innerstädtischen Bereich zwar sehr viel Platz für den Individualverkehr bereitstellt, die notwendige Infrastruktur für den eigentlich dominanten öffentlichen Verkehr soll allerdings möglichst aus dem städtischen Umfeld verbannt sein. Daraus ergeben sich Widersprüche bezüglich des optimalen Betriebsablaufes und der guten Erreichbarkeit der Straßenbahnremisen durch die Fahrer. Außerdem wäre eine bessere Integration der Straßenbahnremisen ins Stadtbild gut für das öffentliche Bild des Verkehrsbetriebes, international gibt es einige gelungene Beispiele für eine ansprechende Einbindung einer Straßenbahnremise ins Stadtbild, bei denen auch ein attraktives Umfeld geschaffen wurde, in dem sich die Menschen gerne aufhalten, wie beispielsweise bei der Straßenbahnremise in Nizza, Frankreich (siehe Abbildung 7). Max Witek, Seite 9

11 Abbildung 4: Remise Zögernitz Max Witek, Seite 10

12 Interdisziplinäre Seminararbeit Abbildung 5: Pferderennbahn Freudenau Bereitstellungsgleise Max Witek, Seite 11

13 Abbildung 6: Kaiserhuldigung im Jahr 1908 Abbildung 7: Gelungene Integration ins Stadtbild von Nizza, Frankreich Max Witek, Seite 12

14 3. LITERATURVERZEICHNIS Krobok, S. S. (1972). Straßenbahnen in Wien - vorgestern und übermorgen. Wien: Josef Otto Slezak. Spängler, I. L. (1913). Die Entwicklung der städtischen Straßenbahnen im zehnjährigen Eigenbetriebe der Gemeinde Wien. Wien: Gerlach und Wiedling. Studiengesellschaft für unterirdische Verkehrsanlagen e.v., K. (2010). Nachhaltiger Nahverkehr. Düsseldorf: Alba Fachverlag GmbH und Co.KG. Weitere Quellen: Wiener Linien Archiv Harald Jahn tramway.at Max Witek, Seite 13

15 4. ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1: Straßenbahnremisen in Jahr Abbildung 2: Lage der Straßenbahnremisen im Jahr Abbildung 3: Liste der Straßenbahnremisen im Jahr Abbildung 4: Remise Zögernitz Abbildung 5: Pferderennbahn Freudenau Bereitstellungsgleise Abbildung 6: Kaiserhuldigung im Jahr Abbildung 7: Gelungene Integration ins Stadtbild von Nizza, Frankreich Vielen Dank an Harald Jahn von tramway.at für die Bereitstellung der meisten Bilder. Max Witek, Seite 14