Beitrag: Legal auf Droge Gefahren durch eine Gesetzeslücke

Transkript

1 Manuskript Beitrag: Legal auf Droge Gefahren durch eine Gesetzeslücke Sendung vom 04. November 2014 von Tonja Pölitz Anmoderation: Wenn Ihr Nachwuchs im Online-Shop Badesalz" bestellt, dann sollten bei Ihnen als Eltern die Alarmglocken läuten. Denn hinter dem harmlos klingenden Namen könnte sich ein Pulver verbergen, das nicht der Körperpflege dient, im Gegenteil, es schädigt ihn. Eine Designerdroge, der neue Trend zum höchst gefährlichen Trip. Immer neue Mischungen, einfach zu besorgen und das auch noch legal. Und wenn eine Rezeptur doch einmal verboten wird, verändern die Drogenköche nur ein Molekül und schon haben sie in der Grauzone des Betäubungsmittelgesetzes ein neues, legales Teufelszeug kreiert. Mit verheerender Wirkung, wie Tonja Pölitz berichtet. Text: Ein Party-Wochenende im Thüringer Wald. Wir sind verabredet mit einem 27-Jährigen aus Hamburg, der sich gern zudröhnt, aber dabei nicht strafbar machen will. Der Angestellte einer Anwaltskanzlei weiß genau, was nach dem Betäubungsmittelrecht erlaubt ist: sogenannte Legal Highs. Wer allerdings wissen will, was in den Tüten ist, sollte sich mit Chemie gut auskennen. Und woher sind Sie sich sicher, dass das jetzt noch nicht im Betäubungsmittelgesetz steht? O-Ton Drogenkonsument: Ich weiß um die aktuelle Diskussion zur 28. Betäubungsmittelgesetzänderungsverordnung. Also, ich bin da absolut up to date. So kann er in Deutschland völlig legal Drogen nehmen. Denn was nicht auf der Betäubungsmittelliste steht, darf straffrei konsumiert werden. Mit Legal Highs riskiert er noch nicht mal einen

2 Führerscheinentzug. Denn selbst wenn er das ganze Wochenende unter Drogeneinfluss steht, die Fahruntüchtigkeit ist für die Polizei kaum nachweisbar. O-Ton Drogenkonsument: Wenn ich vom Festival nach Hause fahre, dann haben die ja einen Drogenschnelltest, der auf sechs, sieben Standardsubstanzen anschlägt. Und die werden dann alle negativ ausfallen. Legal Highs - das sind synthetische Drogen. Sie imitieren die Wirkung von illegalen Rauschgiften wie Cannabis oder Kokain. Mit einem entscheidenden Unterschied: Die künstlichen Substanzen aus dem Chemielabor sind nicht verboten, solange sie nicht im aktuellen Betäubungsmittelkatalog stehen. Wir bestellen online und legal in einem deutschen Shop, mit angeblichem Firmensitz in Tschechien. Auf unserer Einkaufsliste stehen "Kräutermischungen und "Badesalze". Bezeichnungen, die vom wahren Inhalt ablenken sollen. Der Preis - so niedrig, dass gerade junge Käufer angelockt werden. Laut einer Umfrage experimentieren neun Prozent aller Jugendlichen mit Legal Highs. Über die Langzeitwirkungen wissen Ärzte so gut wie nichts. Doch wie gefährlich sie sind, zeigt sich bereits bei der Dosierung. O-Ton Drogenkonsument: Das wären schon drei bis vier Dosen. Wenn ich das auf einmal nehmen würde, würde ich mich anfangs sehr breit fühlen. Nach 10, 15 Minuten würde ich anfangen, mich sehr unwohl zu fühlen, Panikattacken zu schieben, Angstzustände zu kriegen und letztlich danach zu streben, diesen Zustand zu beenden - ohne zu wissen, wie das geht. Die Suchtklinik in München. Hier werden bis zu acht neue Legal- Highs-Patienten pro Monat eingeliefert. Mit Wahnvorstellungen, Schlafstörungen, Herz- und Kreislaufversagen. Weil die Rauschmittel oft nicht bekannt sind, versagen auch die Gegenmittel. Wie bei der Badesalz-Konsumentin, deren Arme und Beine unaufhörlich zuckten. O-Ton Sybille Hornung-Knobel, Klinikum München-Ost, Station Psychose und Sucht: Das war jetzt aber nicht nur zehn Minuten, das war stundenlang. Da mussten wir und Medikamente haben auch nicht geholfen - da mussten wir wirklich kurzzeitig mechanisch fixieren, bis das abgeklungen ist. Also, wir haben versucht mit Medikamenten, wenn wir das nicht gemacht hätten, wäre die an der körperlichen Erschöpfung, wäre die zusammengebrochen. Wie gefährlich die synthetischen Drogen sind, soll ein Video aus

3 den USA belegen. Es zeigt einen jungen Mann nach einem Autounfall. Er soll unter Einfluss von Badesalzen gefahren sein. In Deutschland gab das Gesundheitsministerium bereits 2011 ein Gutachten zur Rechtslage in Auftrag. Professor Rössner wies schon damals auf die Lücke im Strafrecht hin und empfahl nicht länger Einzelsubstanzen sondern gleich ganze Stoffgruppen zu verbieten. Doch Gesundheits- und Justizressort konnten sich auf kein Gesetz einigen. O-Ton Prof. em. Dieter Rössner, Strafrechtsexperte: Ich war, ehrlich gesagt, sehr verblüfft, denn es war ein sehr, sehr drängendes Problem. Und die Lösungen sind hier von uns klar und eindeutig vorgelegt. Handwerklich kann man das sauber machen. Und dann geht es nur um die Frage, will man Designerdrogen verbieten oder will man den bisher völlig unbefriedigenden Zustand lassen. - Ich verstehe es nicht. Die Untätigkeit des Gesetzgebers erschwert inzwischen auch die Arbeit der Drogenfahnder, wie hier in München. Denn weil das Betäubungsmittelgesetz regelmäßig versagte, musste die Polizei nach dem Arzneimittelgesetzes vorgehen. Ein juristischer Winkelzug, denn Legal Highs sind keine Arzneimittel. Das entschied jetzt auch der Europäische Gerichtshof. O-Ton Hubert Halemba, Stellvertretender Leiter Drogendezernat München: Wir können also nicht mehr gegen diese Head & Grow-Shops vorgehen, wenn sie Stoffe verkaufen, die ausschließlich früher unter das Arzneimittelrecht gefallen sind. Für uns in der täglichen Praxis bedeutet das keine Erleichterung, wir müssen nach wie vor alle Stoffe letztlich dann auch untersuchen, um festzustellen, ist man jetzt im Betäubungsmittelrecht oder sind einem leider die Hände gebunden diesbezüglich. Der Bundesgerichtshof musste bereits einen Angeklagten freisprechen. Und das Landgericht Bonn das Strafverfahren gegen vier Händler einstellen. Sie hatten mit Legal Highs einen Umsatz von 13 Millionen Euro erzielt. Ein Shop in München, den die Polizei immer wieder mit Razzien überzog, wenn er mit gefährlichen Kräutermischungen auffiel. O-Ton Hubert Halemba, Stellvertretender Leiter Drogendezernat München: Keine Kräutermischungen, oder? Und Kräuter? Auch keine Kräuter! Der Drogenfahnder kann hier nur noch höflich nach gefährlichen Substanzen fragen, durchsuchen darf er nicht mehr. Den

4 gefährlichen Substanzen und dem gut organisierten Verkauf übers Internet hat die Polizei nicht viel mehr als einen Betäubungsmittelkatalog entgegenzusetzen. O-Ton Hubert Halemba, Stellvertretender Leiter Drogendezernat München: Diese Bezugsmöglichkeit selbst für einen 14-Jährigen, das ist das, was mir am meisten Sorge bereitet. Weil hier auf der anderen Seite die Griffnähe für den Konsumenten gegeben ist, und die Zugriffsnähe aber für die Polizei deutlich erschwert ist. Unsere bestellten Legal Highs kommen pünktlich, aber nicht aus Tschechien wie ursprünglich angegeben. Unsere Recherche ergibt: Die Adresse in Prag ist nur vorgetäuscht hier findet sich kein Shop für synthetische Drogen. Tatsächlich kommt das Paket auch aus Görlitz in Sachsen. Den Inhalt lassen wir vom Toxikologen untersuchen. Der Forscher hat erste Hinweise auf erbgutverändernde Wirkung bei Legal Highs. Viele hält er für weitaus gefährlicher als klassische Drogen wie Cannabis, das verboten ist. O-Ton Prof. Volker Auwärter, Toxikologe, Uniklinikum Freiburg: Also, wenn das drin ist, was ich jetzt mal vermute, so aus der Erfahrung heraus, dann ist es so, dass man von diesen Räuchermischungen, wenn man die jetzt raucht - im Joint zum Beispiel im niedrigeren Dosisbereich tatsächlich ein ähnliches Gefühl erleben wird, wie wenn man eben Cannabis konsumiert hat. Wenn man ein bisschen mehr raucht - sagen wir mal - zu viel davon erwischt, dann wir es sich aber schon deutlich unterscheiden, von dem was man bei Cannabis kennt, da kann es dann sogar richtig gefährlich werden. Und zwar wie gefährlich? O-Ton Prof. Volker Auwärter, Toxikologe, Uniklinikum Freiburg: Ja, das ist einfach ein deutlicher Unterschied zu Cannabis, dass im oberen Dosierungsbereich hier wirklich auch lebensbedrohliche Nebenwirkungen auftreten können. Allein mit Verboten einzelner Substanzen im Betäubungsmittelrecht kommt die Bundesregierung aber nicht hinterher. Damit das so bleibt, bringen Drogenköche ständig neue Substanzen auf den Markt. Eine winzige Änderung eines Moleküls genügt, schon ist der Stoff wieder legal. Wird eine Substanz im Betäubungsmittelkatalog verboten, haben die Chemielabore längst neue für den Handel parat.

5 O-Ton Prof. Volker Auwärter, Toxikologe, Uniklinikum Freiburg: Die sind längst schon in der Schublade zu dem Zeitpunkt, die Substanzen. Die müssen dann nur noch in den Vertrieb gehen, sozusagen. Also, da ist auch ständig für Nachschub gesorgt, weil es gibt s da noch sehr, sehr viele Möglichkeiten der Veränderung, die man vornehmen kann. Da ist also, wenn das Spiel so weitergehen sollte, noch für Jahre für Nachschub gesorgt. Experten sagen, wer klassische Drogen verbietet, kann bei Legal Highs nicht einfach nur zusehen. O-Ton Prof. em. Dieter Rössner, Strafrechtsexperte: Wer Heroin vertreibt oder Heroin einnimmt, wird streng bestraft. Und derjenige, der diese Designer-Drogen nimmt gefährlich, wirksamer und so weiter - der kauft sie einfach an jeder Tankstelle oder im Supermarkt. Wer diese Situation hinnehmen will, handelt meines Erachtens völlig unverantwortlich. Auf dem Suchtkongress in Berlin. Auf unsere Fragen wollten weder das Justiz- noch das Gesundheitsministerium antworten. Zweimal hatten wir auch Deutschlands Drogenbeauftragte um ein Interview gebeten. Sie lehnte ab. Guten Tag, Frau Mortler. Tonja Pölitz, Frontal21. Wir würden uns gerne mit Ihnen über die Rechtslage zu den Legal Highs in Deutschland unterhalten. Das ist der denkbar ungünstigste Zeitpunkt, weil alle auf mich warten, und ich muss pünktlich den Kongress eröffnen. Dann vielleicht danach? Auch da hab ich ein Gespräch im Ministerium, sorry! Muss denn eine Drogenbeauftragte keine Stellung beziehen zu dem Problem? Wir haben eine fehlende Rechtsgrundlage. Ich hab meine Rede, das heißt: Alle warten auf mich und das mit Ihnen war nicht ausgemacht! Wir finden einen Termin. Und ich habe mich auch schon geäußert dazu. Aber ich

6 würde das gerne solide und ohne Zeitnot machen. Ich habe schriftlich angefragt und auch meine Fragen schriftlich geschickt. Sie wollten nicht antworten, heißt es. Mir ist nichts bekannt, also bitte. Fragen Sie Herrn Deffner, ihren Referenten. Später teilt man uns mit: Justiz- und Gesundheitsministerium hätten nun doch die Überlegungen zu einem neuen Gesetz wieder aufgenommen. Unser Händler aus Prag erklärt in einer das Paket aus Görlitz übrigens so: Der komfortablen Rechtlage wegen habe er seinen Standort nun nach Deutschland verlegt, denn so könne er noch schneller liefern. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.