Leseprobe. Günter Cerbe, Gernot Wilhelms. Technische Thermodynamik. Theoretische Grundlagen und praktische Anwendungen. ISBN (Buch):
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1 Leseprobe Günter Cerbe, Gernot Wilhelms Technische Thermodynamik Theoretische Grundlagen und praktische Anwendungen ISBN (Buch): ISBN (E-Book): Weitere Informationen oder Bestellungen unter sowie im Buchhandel. Carl Hanser Verlag, München
2 5 Erster Hauptsatz der Thermodynamik. Energieerhaltung, Energiebilanz Der erste Hauptsatz verallgemeinert den Energiebegriff und postuliert das Naturgesetz von der Erhaltung der Energie. Erist Grundlage fur die Bilanzierung von Energien. Fur ein System und seine Grenzen lassen sich gespeicherte Energie und transportierte Energie unterscheiden. Die in einem System gespeicherte Energie ist eine wichtige Zustandsgroße des Systems. Sie ist eine extensive Zustandsgroße, d.h., beim Zusammenfugen von mehreren Systemen addieren sich deren Energien. Man unterscheidet verschiedeneformen von gespeicherter Energie, z.b.potenzielle Energie, kinetische Energie, innere Energie. Steht das System in Wechselwirkung mit einem anderen System oder mit seiner Umgebung, wird z. B. das Volumen des Systems verandert, so uberschreitet Energie die Systemgrenze. Formen solcher transportierter Energie sind Arbeit und Warme. Wird Energie in Form von Arbeit uber die Systemgrenze transportiert, sagt man, dass Arbeit verrichtet wird. Wird Energie in Form von Warme uber die Systemgrenze transportiert, sagt man, dass Warme ubertragen wird. Bei offenen Systemen uberschreitet mit dem Stoff auch die darin gespeicherte Energie die Systemgrenze. Wird keine Energie uber die Systemgrenze transportiert (abgeschlossenes System), so bleibt die im System gespeicherte Energie erhalten (Energieerhaltungssatz). Wird Energie uber die Systemgrenze transportiert, so andert sich die gespeicherte Energie um den gleichen Betrag (Energiebilanz). Nachfolgend werden die in der Thermodynamik vorkommenden Energieformen naher behandelt.. Arbeit am geschlossenen System Volumenänderungsarbeit. Wir fuhren einem Gas in einem geschlossenen System durch einen Kolben Arbeit zu, indem wir das Gas reversibel verdichten (B. a). Das Gas nimmt im Ausgangszustand, den wir in der Regel durch den Index kennzeichnen wollen, das Zylindervolumen V ein und befindet sich unter dem Druck p. Nach der Arbeitszufuhr hat sich das Zylindervolumen auf V verkleinert, wahrend der Druck auf p gestiegen ist. Den Endpunkt nach einer Zustandsanderung wollen wir normalerweise durch den Index kennzeichnen. Wir tragen den Ausgangs- und Endzustand in ein Koordinatensystem mit den Achsen p und V ein und verbinden diese Punkte durch die dazwischen liegenden Zustandspunkte (B. b). Die aufzuwendende Arbeit ist nach den Gesetzen der Mechanik Arbeit ¼ Kraft Weg Fur eine beliebige Zwischenstellung des Kolbens gilt, mit der senkrecht auf den Kolben wirkenden Kraft F und dem Wegds: dw¼fds Die Kolbenkraft F halt der entgegengerichteten Kraft des auf die Kolbenflache A wirkenden Gasdruckes p das Gleichgewicht F ¼ pa
3 . Arbeit am geschlossenen System 53 B. Volumenänderungsarbeit Oben eingesetzt ergibt sich dw ¼ pads Das Produkt A ds stellt die Volumenanderung dv dar. dw rev v ¼ pdv Wir legen eine quasistatische Zustandsanderung zugrunde und vernachlassigen damit kleine Ungleichgewichte im Inneren. Dann ist dwv rev ¼ dw v,integriert: W v ¼ Ð pdv geschlossenes System (Gl.) Neben den inneren Irreversibilitaten konnen von außen verursachte Dissipationseffekte auftreten. Wir definieren als Volumenanderungsarbeit W v (sprich: wv eins zwei) die einem geschlossenen System reversibel uber die Systemgrenze zu- oder abgefuhrte Arbeit. Die Systemgrenze kann adiabat oder nichtadiabat sein. Das Vorzeichen der Volumenanderungsarbeit W v ist aufgrund des oben gemachten Ansatzes bei zugefuhrter Arbeit positiv, da Ð pdvbei Volumenverringerung negativ wird. Wird die Volumenanderungsarbeit vom System an die Umgebung abgegeben, so sind die Zustandspunkte und gegenuber der Darstellung in B. b vertauscht, wodurch Ð p dv positiv und damit die Arbeit W v negativ werden. Diese Regel, nach der zugefuhrte Energie positiv, abgefuhrte Energie negativ ist, gilt fur alle Energiearten. Der Betrag der Volumenanderungsarbeit hangt von dem Wert des Integrals Ð p dv ab. Zur Durchfuhrung der Integration muss ein formelmaßiger Zusammenhang zwischen p
4 54 Erster Hauptsatz der Thermodynamik und V, d. h. der Verlauf der Zustandsanderung, bekannt sein. Die Volumenanderungsarbeit ist demnach vom Verlauf der Zustandsanderung abhangig, sie ist eine Prozess- große, keine Zustandsgroße. Das Produkt p dv kann im p,v-diagramm durch den schraffierten Flachenstreifen grafisch dargestellt werden (B. b). Das Integral uber p dv und damit die gesamte Volumenanderungsarbeit sind durch die Flache unter der Zustandsanderung zur V-Achse darstellbar. Bezogen auf die Masse ergibt sich die spezifische Volumenanderungsarbeit w v ¼ W v m ¼ Ð pdv Dissipationsenergie. Durch Reibung und andere Vorgange wird Energie im System dissipiert. Diese Energie bezeichnen wir als Dissipationsenergie W diss. Die gesamte am geschlossenen System verrichtete Arbeit W g kann somit aus Volumenanderungsarbeit und Dissipationsenergie (z. B. nach B.4 b) bestehen. W g ¼ W v þw diss geschlossenes System (Gl.) W g ¼ Ð pdvþw diss geschlossenes System (Gl.3) Die Dissipationsenergie kann dem System nur zugefuhrt werden, sie ist somit immer positiv. Auf die Masse m bezogen ergeben sich die spezifischen Großen: w g ¼ w v þw diss ¼ Ð pdvþw diss B. Zustandsänderung und Volumenänderungsarbeit mit und ohne Dissipation bei adiabatem, geschlossenem System
5 . Arbeit am geschlossenen System 55 Bei Kompression oder Expansion auftretende Dissipation kann den Verlauf der Zustandsanderung und damit auch die Volumenanderungsarbeit W v beeinflussen. So wird z. B. bei adiabater Systemgrenze infolge von Dissipation der Enddruck bei gleicher Volumenanderung großer, sodass auch der Betrag des Integrals Ð pdv und damit die Volumenanderungsarbeit großer werden (B.). Obwohl bei der Expansion die Volumenanderungsarbeit großer ist (neg.), ist infolge der im Inneren auftretenden Dissipationsenergie (pos.) die nach außen abgegebene Arbeit W g (Gl..) kleiner als bei der Expansion ohne Dissipation. Nutzarbeit an der Kolbenstange. Die Volumenanderungsarbeit wird zwischen dem System und dem Kolben (B.) ubertragen. Wird durch die Volumenanderung auch das Volumen einer unter konstantem Druck befindlichen Umgebung (z. B. auf der Erde) geandert, so ist die Verschiebearbeit W u zu berucksichtigen. W u ¼ p b ðv V Þ (Gl.4) Die Volumenanderungsarbeit W v teilt sich auf diese Verschiebearbeit und die an der Kolbenstange ubertragenen Nutzarbeit W n auf (B.3): W v ¼ W u þw n p W =W +W v u n W n p b W u V B.3 Nutzarbeit an der Kolbenstange W n und Verschiebearbeit W u am geschlossenen System Die Nutzarbeit an der Kolbenstange ist: W n ¼ W v W u geschlossenes System (Gl.5) W n ¼ Ð pdvþp b ðv V Þ W n ¼ Ð ðp p b ÞdV geschlossenes System (Gl.6) In W n ist außere Irreversibilitat nicht berucksichtigt. Diese wird durch den mechanischen Wirkungsgrad erfasst, den wir bei den Maschinen einfuhren (z. B. Abschn und 4.5.).
6 56 Erster Hauptsatz der Thermodynamik.3 Innere Energie Wir fuhren einem adiabat eingeschlossenen Gas Volumenanderungsarbeit W v zu (B.4 a). DaEnergie nicht verloren gehen kann, muss die als Volumenanderungsarbeit zugefuhrte Energie im Gas gespeichert werden. Eine gleich großeenergie wirdeinemahnlichensystem (B.4b)durch einenruhrer zugefuhrt(wellenarbeit W w ). ) Dieser Prozess istirreversibel, diearbeitdissipiertimsystem, es handelt sich umdissipationsenergie W diss.dann wird die gleiche Energie wie vorher im Gas gespeichert,davom System keinerlei Energie an die Umgebung abgegeben wird. Die in einem System gespeicherte Energie nennen wir innere Energie U. Wird einem adiabaten, geschlossenen System Arbeit zugefuhrt, so muss die innere Energie steigen: Ð B.4 Arbeitszufuhr an ein adiabates, geschlossenes System dw g ¼ Ð du W g ¼ U U adiabates, geschlossenes System (Gl.7) Wir erkennen: Es tritt trotz verschiedener Arten von zugefuhrter Arbeit die gleiche Erhohung der inneren Energie des Systems ein. Auch bei Verteilung der Arbeit auf gleichzeitig auftretende Kompression und Dissipation wurde die Erhohung der inneren Energie gleich groß sein. Wir folgern daraus: Die einem adiabaten, geschlossenen System zugefuhrte Arbeit erhoht die innere Energie U des Systems. Dadiese Erhohung nur von dem Betrag, nicht von der Art der Arbeit abhangt, ist die innere Energie eine Zustandsgroße. Sie gehort zur Gruppe der kalorischen Zustandsgroßen. Die innere Energie Ustellt den Energievorrat eines Systems dar. ) U Bezogen auf die Masse ergibt sich die spezifische innere Energie u ¼ und die spezifische Arbeit m w g ¼ W g m ¼ u u adiabates, geschlossenes System Der absolute Wert der inneren Energie ist hoch, er umfasst z. B. auch die in den Elektronen und Atomkernen gespeicherte Energie. Dieser Wert ist fur technische Berechnungen bedeutungslos, esgenugt daher, mit Energiedifferenzen zu rechnen oder einen Nullpunkt zu vereinbaren. ) Definition s. Gl.3. Die Dissipation von Wellenarbeit ist naturlich nicht sinnvoll. Sie wird hier lediglich zur Veranschaulichung der Begriffe herangezogen. ) Ferner gehoren potenzielle und kinetische Energie zur Energie eines Systems. Wir beschranken unsere Betrachtungen aber auf ruhende Systeme, indenen sich kinetische und potenzielle Energie nicht andern.
7 .3 Innere Energie 57 Hohere innere Energie wirkt sich als vergroßerte kinetische und potenzielle Energie der Molekule des Systems aus. Gehen in dem untersuchten System chemische Umwandlungen vor sich, so ist die chemisch gebundene Energie als Teil der inneren Energie zu berucksichtigen. Beispiel.: In einem adiabaten Zylinder von 500 l (B.5) befindet sich ein Gas, dessen Druck durch einen konstant belasteten Kolben auf 00kPa (abs.) gehalten wird. Dem Gas wird die Wellenarbeit W w ¼ 0, kw hzugefuhrt, die im Inneren vollstandig dissipiert, wobei sich die Temperatur von 8 C auf600 Cerhoht. DerUmgebungsdruckbetragt 98 kpa. DieVolumenanderung soll quasistatischverlaufen. Fur die Berechnung der Volumenvergroßerung soll naherungsweise ideales Gas zugrunde gelegt werden. a) Wie groß ist die abgefuhrte Volumenanderungsarbeit? b) Um welchen Wert andert sich die innere Energie des Systems? c) Wie groß ist die an die Umgebung abgegebene Verschiebearbeit? d) Wie groß ist die an die Kolbenstange abgegebene Nutzarbeit? Lösung: Zu a): Volumenanderungsarbeit (Gl.) bei konstantem Druck: W v ¼ Ð Hierin V (Gl.8): pdv ¼ pðv V Þ V ¼ V T T ¼ 500 l 873,5 K 9,5 K ¼ 500 l W v ¼ N Pa Pa m ð Þ l m 3 kj 0 3 l 0 3 Nm W v ¼ 00 kj ðneg:; d: h: abgefuhrtþ Zu b): Fur adiabate Systeme gilt Gl.7, in die wir Gl. einfuhren: U U ¼ W g ¼ W v þw diss ¼ 00 kj þ 0, kw h3,6 0 3 U U ¼ þ50 kj Zu c): Verschiebearbeit (Gl.4) W u ¼ p b ðv V Þ ðpos:,d:h:; die innere Energie steigtþ W u ¼ N Pa Pa m ð Þ l m 3 kj 0 3 l 0 3 Nm W u ¼ 98 kj ðneg:,d:h:abgeführtþ kj kw h B.5 Dissipation von Wellenarbeit in einem adiabaten, geschlossenen System Zu d): Nutzarbeit an der Kolbenstange (Gl.5): W n ¼ W v W u ¼ 00 kj ð 98 kjþ W n ¼ 0 kj ðneg:,d:h:abgefuhrtþ Man erkennt die mehrfache Energieumwandlung: Wellenarbeit (W w ¼ 70 kj) wird in Dissipationsenergie (W diss ¼ 70 kj), diese in erhohte innere Energie (U U ¼ 50 kj) und Volumenanderungsarbeit ( W v ¼ 00 kj), letztere in Verschiebearbeit ( W u ¼ 98 kj) und Nutzarbeit an der Kolbenstange ( W n ¼ 0 kj) umgewandelt. Man erkennt ferner, dass die im System dissipierte Energie (W diss ¼ 70 kj) nicht vollig wertlos
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