Marcellus Bonato BBE-Newsletter 15/2009
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- Rüdiger Fürst
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1 Marcellus Bonato BBE-Newsletter 15/2009 SROI Social Return of Investment Die Begleitung eines Projektes zur Messung der Rendite sozialer Investitionen im Bereich der Arbeitsmarktqualifikation von Migranten Was ist SROI? Mit SROI (Social Return on Investment) wird eine Messmethode bezeichnet, die zur Einschätzung oder Messung der Rendite sozialer Investitionen eingesetzt werden kann. Unter sozialer Investition wird dabei jeder Beitrag eines Subventionsgebers, einer Stiftung oder der öffentlichen Hand für ein soziales Projekt verstanden. Die SROI-Methodik fokussiert auf die (psycho-)sozialen Erträge (Psychosozialer Mehrwert), neben den üblicherweise im Vordergrund stehenden rein betriebswirtschaftlichen Erträgen. Die (psycho-)sozialen Erträge werden dazu durch sogenannte Monetarisierungsmethoden in eine für die betriebswirtschaftlichen Erträge übliche Währung überführt. Die SROI-Messmethode richtet sich an zwei Zielgruppen: Zum einen an Projektleiter, Unternehmer, Manager und alle anderen, die ein Interesse daran haben, die sozialen Auswirkungen ihres Unternehmens oder ihres Projekts sichtbar zu machen, zum anderen an Investoren, Stiftungen, Behörden, Kredit- und Subventionsgeber für soziale Projekte, die die wirtschaftliche und soziale Rendite ihrer Investitionen wertschätzen möchten. Projekthintergrund Ausgangspunkt war die Frage, ob sich die SROI-Messmethodik eignet, den Einsatz von Kapital im Bereich der Arbeitsmarktqualifikation von Migranten einzuschätzen. In dem 18-monatigen (Jan Jun. 2008) EUREGIO-Projekt Integration von Zuwanderern Arbeitsmarktqualifikation SROI-Controlling 1 wurde die SROI- Methodik in Teilprojekten durch die Stadt Münster (Nordrhein-Westfalen), die Gemeinde Belm (Niedersachsen) sowie die Gemeente Almelo in Kooperation mit dem 1 Die Projektleitung lag bei der Stadt Münster in Zusammenarbeit mit der EUREGIO, mit Unterstützung durch die Europäische Union im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative INTERREG IIIA aus Mitteln des Europäischen Strukturfonds für regionale Entwicklung, durch die Wirtschaftsministerien der deutschen Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sowie durch die Provinz Overijssel (NL). 1
2 ROC van Twente, einem Regionalen Bildungszentrum in den Niederlanden, erprobt. Spezifische Inhalte der drei Teilprojekte waren: Stadt Münster: Betriebsnahes Qualifizierungsprojekt der Handwerkskammer Münster für arbeitslose Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler ohne Arbeitslosengeldbezug mit gewerblich/technischer Vorbildung ab 25 Jahre. Gemeinde Belm: Integrationsmaßnahmen der Belmer Integrationswerkstatt, einer Institution zur Fortbildung von jungen Menschen, die durch andere Angebote nicht erreicht werden. Zielgruppe 1: Jugendliche, die Leistungsbezug nach SGB-II erhalten und aufgrund zahlreicher Vermittlungshemmnisse nicht sofort auf dem ersten Arbeitsmarkt vermittelbar sind. Zielgruppe 2: Schulschwänzer und Schulverweigerer, die in den Schulen der Region auffällig geworden sind. Gemeente Almelo in Kooperation mit dem ROC van Twente: Integrationskurse für Frauen aus ethnischen Minderheiten (Pavem-Projekt Participatie Vrouwen uit Etnische Minderheden). Weitere Ausführungen: SROI-Vorgehen Die operative Arbeit in den Teilprojekten wurde von Peter Scholten (Scholten & Franssen, Amsterdam) begleitet, der seit ca. fünf Jahren die SROI-Methode in unterschiedlichen Projekten eingesetzt hat. Nach folgenden zehn Schritten wurden in den drei Teilprojekten gearbeitet (in den eckigen Klammern die wesentliche methodische Vorgehensweise): 1. Analyseziele verstehen [Analyseziele festlegen] 2. Feststellen, wer die Teilhaber der Organisation sind [Stakeholderanalyse] 3. Den Umfang der Analyse bestimmen [Stakeholderanalyse] 4. Einnahmen und Ausgaben analysieren [Input-Output-Analyse] 5. Die impact value chain feststellen [Impact-Map] 6. Indikatoren bestimmen und Daten sammeln [Operationalisierung der Outputs innerhalb der Impact-Map] 7. Prognosen erstellen [Prognosezeiträume festlegen] 8. Sozialen Nutzen errechnen [Monetarisierung; Sensitivitätsanalyse; Hypothesentestung] 9. Berichterstattung 10. Beobachtung Umfassend wird die SROI-Methode dargestellt in Franssen & Scholten (2008). 2
3 Kritische Würdigung des SROI-Prozesses Das IPE (Institut für Praxisentwicklung und Evaluation) an der Fachhochschule Münster hat nach Start des Projektes die wissenschaftliche Begleitung im Sinne einer kritischen Würdigung des SROI-Prozesses übernommen. Dazu nahmen IPE- Mitglieder mittels teilnehmender Beobachtung und/oder fachlicher Beratung an den SROI-Prozessen in den Teilprojekten teil und reflektierten den Prozess formativ und summativ. Die kritische Würdigung des SROI-Prozesses wurde anhand der Evaluationsstandards vorgenommen, wie sie die DeGEval Gesellschaft für Evaluation e.v. ( verabschiedet hat. Dabei wird die SROI-Methodik als Evaluationsmethode interpretiert, wie das Ziel der SROI-Methodik es auch nahe legt. Die Nützlichkeitsstandards [hier insbesondere N1 (Identifizierung der Beteiligten und Betroffenen), N2 (Klärung der Evaluationszwecke), N4 (Auswahl und Umfang der Informationen), N5 (Transparenz von Werten) und N6 (Vollständigkeit und Klarheit der Berichterstattung)] sind durch einzelne SROI-Schritte gut abgedeckt. Die Durchführbarkeitsstandards und die Fairnessstandards liegen weniger auf der operativen Durchführungsebene und konnten daher weniger beobachtet werden. Dagegen wurden die Genauigkeitsstandards [hier insbesondere G1 (Beschreibung des Evaluationsgegenstandes), G2 (Kontextanalyse, G3 (Beschreiben von Zwecken und Vorgehen) und G4 (Angabe von Informationsquellen)] durch einzelne SROI-Schritte gut verwirklicht. Für weitere Ausführungen wird verwiesen auf Bonato, M., Hansbauer, P, Jarre, J. & Ostermann, R. (2008). Eine weitere Herangehensweise der kritischen Würdigung ist ein Abwägen der Argumente von Kritikern und Befürwortern der SROI-Methodik. Die einen sehen in der propagierten ökonomischen Rationalität die große Gefahr, den eigentlichen Gegenstand sozialer Arbeit das Soziale aus den Augen zu verlieren und sprechen von entseelter Rechenhaftigkeit. Die anderen begrüßen SROI als längst überfälligen Einzug rationaler Denk-, Planungs- und Handlungsstrukturen in den Alltag sozialer Arbeit; dort, wo die Gegner von SROI ihren Befürwortern Rechenhaftigkeit vorwerfen, entgegnen diese, dass Rechenhaftigkeit zumindest zu einem überprüfbaren Entscheidungskriterium führt. Für eine ausführlichere Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Standpunkten sei verwiesen auf Bonato, M., Hansbauer, P, Jarre, J. & Ostermann, R. (2008). SROI-Anwender in Belm, Münster und Almelo verwiesen nachdrücklich auf den sogenannten Prozessnutzen dieser Methode: SROI wurde im Verlauf der Anwendung selbst zu einem Teil der untersuchten Maßnahmen. Ihr Interventionscharakter ermöglichte einen frischen Blick auf interne Abläufe und vorläufige Ergebnisse. Die durch diese Methode an die Maßnahmen herangetragene Zieldiskussion und die Diskussion um die verschiedenen Erfolgskriterien sowie Bewertungsmaßstäbe schärften den Blick für Erklärungs- und Begründungsnotwendig- 3
4 keiten. Die Reflexions- und die Selbstbeobachtungsanteile innerhalb der Maßnahmen wuchsen. SROI bewährt sich hier also als internes Informations-, Zielklärungs- und Priorisierungsinstrument mit erkennbar positiven Wirkungen für das interne Projektmanagement. Die Autoren des IPE sehen in der SROI-Methodik ein Konsensmodell zur Ermittlung des Wertes sozialer Arbeit. Sie halten es für erstrebenswert, dass bisherige wie nachfolgende SROI-Anstrengungen, Erfahrungen und methodische Monetarisierungserkenntnisse zu einer Art Methodenkonvention zusammengeführt werden. Eine Methodenkonvention zeichnet sich dadurch aus, dass durch sie einheitliche und verbindliche Maßstäbe für die fachliche Bewertungsarbeit sozialer Tätigkeiten und Maßnahmen festgelegt werden. So kann erreicht werden, dass in bestimmten Anwendungsfällen z.b. durch die Einigung auf bestimmte Indikatorensets sogar vergleichende Bewertungen sozialer Investitionen mittels der SROI-Analyse vorgenommen werden können. In der formativen Evaluation wurde deutlich, dass die Abarbeitung der einzelnen SROI-Schritte durch eine höhere Methodenkompetenz der Projektmitarbeiterinnen und Projektmitarbeiter wesentlich effizienter erfolgen könnte. In den Teilprojekten haben einige empirische Arbeiten (Stakeholderanalyse, Erstellen der Impact-Map, Entwickeln von Indikatoren, Datenerhebung für die Indikatoren etc.) wesentlich länger als geplant gedauert, was auf die mangelnde methodische Ausbildung/Erfahrung der Mitarbeiter zurückzuführen war; außerdem war gerade während dieser empirischen Arbeiten ein höherer Beratungsaufwand notwendig. Das hat die Autoren des IPE zu der ausdrücklichen Empfehlung bewogen, angehende SROI-Praxisprojektmitarbeiter mit nur rudimentärer Erfahrung in der Anwendung empirischer Methoden vor Beginn eines SROI-Projektes entsprechend zu schulen. Dazu wurde vom IPE eine SROI-Methodenschulung entwickelt, die mittlerweile als FH-Münster-zertifizierte Fortbildung angeboten wird. Inhalte sind hier z.b. die Einführung in SROI inkl. Stakeholderanalyse und Aufbau einer Impact-Map; Grundlagen des Forschungsprozesses; Grundlagen der Evaluationsarbeit; Fragebogenentwicklung; Indikatorenentwicklung; Auswertungsmethodik; Ethische, Politische und ökonomische Aspekte von SROI; Monetarisierungsmethoden; Berichterstellung. Neben der Teilnahme ist die Erarbeitung einer Hausarbeit in Form einer selbständig durchgeführten SROI-(Teil-)Analyse zur Zertifikatserreichung notwendig. Literatur Franssen, B. & Scholten P. (2008). Handbuch für Sozialunternehmertum. Assen: Koninklijke Van Gorcum. Bonato, M., Hansbauer, P, Jarre, J. & Ostermann, R. (2008). INTERREG-Projekt SROI-Controlling im Feld Integration und Arbeitsmarktqualifikation : Die wissen- 4
5 schaftliche Begleitung durch das IPE an der Fachhochschule Münster Wahrnehmungen, Schlussfolgerungen und mögliche Konsequenzen. Marcellus Bonato ist Professor an der Fachhochschule Münster am Fachbereich Pflege und Gesundheit. Seine Lehrgebiete sind Evaluation und Forschungsmethoden, Qualitätsmanagement und Psychologie. Er ist zur Zeit Leiter des Instituts für Praxisentwicklung und Evaluation (IPE). Das IPE engagiert sich als Zusammenschluss von Expertinnen und Experten aus dem Sozialwesen, der pflegerischen Versorgung und des Gesundheitswesens, der Oecotrophologie sowie der Verbraucherschutzarbeit in der Forschung, Entwicklung, Beratung, Evaluation und Begutachtung im Bereich sozialer Dienstleistungen. Es wurde am 28. November 2006 als In-Institut der Fachhochschule Münster gegründet. Kontakt: 5
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