B e g r ü n d u n g :
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- Ewald Solberg
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1 1 Bsw 1598/06 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Kammer I, Beschwerdesache Kopf und Liberda gg. Österreich, Urteil vom , Bsw. 1598/06. Art. 8 EMRK - Besuchsrecht für die früheren Pflegeeltern eines Kindes. Zulässigkeit der Beschwerde (einstimmig). Verletzung von Art. 8 EMRK (einstimmig). Entschädigung nach Art. 41 EMRK: 5.000,- für immateriellen Schaden, 5.000, für Kosten und Auslagen (einstimmig). B e g r ü n d u n g : Sachverhalt: Die leibliche Mutter des unehelich geborenen und damals zwei Jahre alten F. setzte im Jahr 1997 unter Drogen stehend ihre Wohnung in Brand. Am übergab das Wiener Amt für Jugend und Familie F. den Bf. in Pflegeelternschaft. Die Bf. versuchten in der Folge, das Sorgerecht für F. zu erhalten und ihn zu adoptieren. Die Mutter von F. erholte sich allerdings und bemühte sich ihrerseits um das Sorgerecht für F. Dies führte zu einem Streit zwischen ihr und den Bf. Da sich der Disput zuungunsten von F. auswirkte, wurde dieser am für acht Wochen einer Krisenpflegefamilie übergeben. Anschließend kam er zu seiner leiblichen Mutter, die aufgrund einer Entscheidung des Jugendgerichtshofs vom das vorläufige Sorgerecht für ihn erhalten hatte. Als die Bf. am ein Besuchsrecht für F. verlangten, ersuchte der Jugendgerichtshof das Amt für Jugend und Familie um eine Stellungnahme zum Antrag der
2 2 Bsw 1598/06 Bf. Laut dieser war es angesichts der langwährenden Beziehung zwischen F. und den Bf. unangemessen, den Bf. den Zugang zu F. zu versagen. Am rügten die Bf. die Länge des Verfahrens und ersuchten um die Einholung der Meinung eines Experten für Kinderpsychologie. Das nach einem Wechsel der Zuständigkeit über mehrere Stationen mittlerweile zuständige BG Mödling nahm am eine Anhörung vor, in der es darum ging, wie mit dem Fall weiter verfahren werden sollte. Der Richter entschied letztlich, das Jugendamt der BH Mödling um einen Bericht zur Frage des Besuchsrechts zu ersuchen. In dem am übermittelten Bericht wurde angeregt, den Bf. ein Besuchsrecht zu verweigern, da eine erneute Kontaktaufnahme mit dem Kind nach mehr als zweijähriger Unterbrechung dessen psychischer Stabilität schaden könne. Am befand ein Arzt des niederösterreichischen Kinder- und jugendpsychologischen Beratungsdienstes ebenfalls, dass den Bf. kein Zugang zu F. gewährt werden sollte. Am wies das BG Mödling den Antrag der Bf. auf ein Besuchsrecht ab und stellte fest, dass ein Unterbleiben des persönlichen Verkehrs zwischen den Bf. und F. dessen Wohl nicht gefährde. Hinsichtlich der Bf. könnten keine Besuchsrechte gewährt werden. F. würde sich vehement gegen ein Treffen mit den Bf. wehren und hätte eine enge und positive Beziehung zu seiner Mutter entwickelt. Die Interessen der Bf. würden in der aktuellen Situation nicht mit den Interessen des Kindes übereinstimmen. Das Gericht räumte ein, dass Besuchsrechte für die Bf. möglicherweise sinnvoll gewesen wären, kurz nachdem F. im Oktober 2001 an eine Krisenpflegefamilie abgegeben worden war. Nun sei es
3 3 Bsw 1598/06 für das Wohl des Kindes am besten, es nicht erneut in einen Loyalitätskonflikt zwischen seiner Mutter und den Bf. zu bringen. Eine Berufung der Bf. wurde am abgewiesen. Der OGH wies am einen außerordentlichen Revisionsrekurs der Bf. zurück. Rechtsausführungen: Die Bf. rügen eine Verletzung von Art. 8 EMRK (hier: Recht auf Achtung des Familienlebens). Sie rügen weiters, dass die österreichischen Gerichte nicht in einer angemessenen Frist nach Art. 6 EMRK entschieden hätten. Zur behaupteten Verletzung von Art. 8 EMRK Zulässigkeit Da die Beschwerde nicht offensichtlich unbegründet und auch aus keinem anderen Grund unzulässig ist, muss sie für zulässig erklärt werden (einstimmig). In der Sache Der GH untersucht zunächst, ob eine Beziehung zwischen den Bf. und F. bestand, die Privat- oder Familienleben isd. Art. 8 EMRK darstellt. Im vorliegenden Fall kam F. im Alter von zwei Jahren in den Haushalt der Bf. und lebte mit ihnen für einen Zeitraum von annähernd 46 Monaten zusammen. Die österreichischen Gerichte anerkannten, dass die Bf. ein aufrichtiges Interesse an F. s Wohl hatten und sich zwischen F. und den Bf. während dieser Zeit eine emotionale Verbindung ähnlich jener zwischen Eltern und Kindern entwickelt hatte. Eine solche Beziehung fällt unter den Begriff des Familienlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK. Art. 8 EMRK ist auf den vorliegenden Fall anwendbar. Der GH bemerkt, dass Art. 8 EMRK zwar keine ausdrücklichen verfahrensrechtlichen Erfordernisse enthält,
4 4 Bsw 1598/06 der Entscheidungsfindungsprozess hinsichtlich Eingriffsmaßnahmen jedoch dennoch fair und so ausgestaltet sein muss, dass er die durch Art. 8 EMRK geschützten Interessen entsprechend achtet. Der GH hat wiederholt festgestellt, dass in Fällen, die die Beziehung einer Person zu ihrem Kind betreffen, eine Pflicht besteht, außergewöhnliche Sorgfalt anzuwenden, da die Gefahr besteht, dass der Ablauf der Zeit zu einer de facto-entscheidung der Sache führen kann. Diese Pflicht ist entscheidend bei der Beurteilung, ob ein Fall, der den Zugang zu Kindern betrifft, wie von Art. 6 Abs. 1 EMRK gefordert innerhalb einer angemessenen Frist gehört wurde und ist Teil der Art. 8 EMRK impliziten verfahrensrechtlichen Erfordernisse. Im vorliegenden Fall ist die entscheidende Frage, ob die österreichischen Gerichte einen gerechten Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen der Bf., des Kindes und der leiblichen Mutter geschaffen und dabei die Art. 8 EMRK inhärenten verfahrensmäßigen Erfordernisse erfüllt haben. Der GH wird den Fall daher als die Rüge eines Versäumnisses von Seiten des belangten Staates betreffend ansehen, seinen positiven Verpflichtungen nach Art. 8 EMRK nachzukommen. Die Bf. brachten vor, dass die Gerichte ihren Antrag auf ein Besuchsrecht nicht ordnungsgemäß untersuchten, da sie sich auf die Frage konzentrierten, ob den Bf. Prozessstandschaft oder ein Berufungsrecht zukam und ihren Antrag lediglich aufgrund dessen abgewiesen hätten, dass die Verweigerung von Besuchsrechten F. s Wohl nicht gefährden würde. Das wäre nicht die Art von Abwägung, die Art. 8 EMRK verlangte. Der GH beobachtet allerdings, dass das BG Mödling den Fall in der Sache selbst betrachtet und
5 5 Bsw 1598/06 untersucht hat, ob der Kontakt zwischen den Bf. und F. im Wohl des Kindes lag. Es zog den Schluss, dass es für das Kind am besten wäre, es nicht zurück in eine Situation zu bringen, wo es zu einem Loyalitätskonflikt zwischen seiner Mutter und den Bf. kommen konnte. Die nationalen Gerichte haben daher zum Zeitpunkt, als sie ihre jeweiligen Entscheidungen getroffen haben, einen gerechten Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen geschaffen. Dem steht auch der Wortlaut des 148 Abs. 4 ABGB nicht entgegen. Die Bf. brachten weiters vor, dass die österreichischen Gerichte es verabsäumt hätten, zügig über ihren Antrag zu entscheiden und dass dies direkten Einfluss auf die getroffene Entscheidung gehabt habe, da das BG Mödling zum Ergebnis gekommen sei, dass aufgrund der seit Einbringung des Antrags verstrichenen Zeit das Gewähren eines Besuchsrechts nicht mehr in F. s Wohl liegen würde. Das Verfahren dauerte mehr als drei Jahre und sechs Monate. Vor dem BG Mödling betrug die Verfahrensdauer mehr als zwei Jahre und zehn Monate. Während dieser Zeit hatten die Bf. keinen Kontakt zu F. Es ist klar, dass der Fall ein gewisses Maß an Komplexität mit sich brachte und die von den Bf. während des Verfahrens gemachten Eingaben zu ihrer Länge beitrugen. Dennoch ging das Verfahren vor dem BG trotz wiederholter Anträge der Bf. auf Verfahrensbeschleunigung besonders langsam vor sich. Zweimal kam es überhaupt zum Stillstand, nämlich zwischen März 2002 und Dezember 2002 sowie zwischen Februar 2003 und April Das Verstreichenlassen dieser Zeit hatte einen direkten und negativen Einfluss auf die Position der Bf. Zu Beginn der Verfahren empfahl das Amt für Jugend und Familie noch, den Bf. einen Zugang zu gewähren. Das BG
6 6 Bsw 1598/06 Mödling führte in seiner Entscheidung vom an, dass es dann, wenn die Entscheidung früher getroffen worden wäre, gute Gründe gegeben hätte, dem Antrag stattzugeben. So allerdings wies das BG den Antrag der Bf. ab. Aus seiner Entscheidung geht hervor, dass das Verstreichen der Zeit entscheidend war. Unter diesen Umständen sind die nationalen Gerichte ihren Verpflichtungen unter Art. 8 EMRK, den Antrag der Bf. auf Gewährung eines Besuchsrechts sorgfältig zu behandeln, nicht nachgekommen. Die dieser Bestimmung impliziten verfahrensrechtlichen Erfordernisse wurden daher nicht erfüllt. Verletzung von Art. 8 EMRK (einstimmig). Entschädigung nach Art. 41 EMRK 5.000, für materiellen Schaden, 5.000, für Kosten und Auslagen (einstimmig). Vom GH zitierte Judikatur: Hoppe/D v Kaplan/A v = NL 2007, 17 = ÖJZ 2007, 621 Moretti und Benedetti/I v Hinweis: Das vorliegende Dokument über das Urteil des EGMR vom , Bsw. 1598/06 entstammt der Zeitschrift "Newsletter Menschenrechte" (NL 2012, 9) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt. Das Urteil im englischen Originalwortlaut (pdf- Format):
7 7 Bsw 1598/06 Das Original des Urteils ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ( abrufbar.
Entschädigung nach Art. 41 EMRK: 1.000,- für immateriellen Schaden, 3.500, für Kosten und Auslagen (einstimmig).
Bsw 30804/07 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Kammer 5, Beschwerdesache Neziraj gg. Deutschland, Urteil vom 8.11.2012, Bsw. 30804/07. Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 6 Abs. 3 EMRK - Verwerfung der
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