Kritische Lebensereignisse im Lebensverlauf
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- Klara Sauer
- vor 6 Jahren
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Transkript
1 Wege aus der Verletzlichkeit Erfahrungen aus Theorie und Praxis Forschung Kritische Lebensereignisse im Lebensverlauf Resilienz und Rahmenbedingungen für die Krisenüberwindung Pasqualina Perrig-Chiello
2 Kritische Lebensereignisse und psychische Vulnerabilität > Kritische Lebensereignisse: häufiger Grund für psychische Vulnerabilität. > Psychische Vulnerabilität: Mangel an Ressourcen auf individueller, familialer, sozialer und gesellschaftlicher Ebene. > Psychische Probleme gehören zu den häufigsten Krankheiten. Auswirkungen auf verschiedenste Lebensbereiche (persönliche Verwirklichung, Familie, Arbeit, soziale Teilhabe). > Rund 1/5 der CH-Bevölkerung leidet an einer oder mehreren psychischen Erkrankungen häufig chronisch. Damit assoziiert sind hohe Kosten etwa 7 Milliarden CHF/Jahr (BAG, SKGD, Gesundheitsförderung Schweiz 2015). 2
3 Wege in die psychische Vulnerabilität Wann sind wir psychisch am verletzlichsten und warum? In Lebensphasen mit grösserer Abhängigkeit und Unsicherheit, insbesondere: 1.Kindheit: Die frühen Jahre sind eine sensible Phase mit nachhaltigen Folgen für die weitere Entwicklung. Aufgrund der grösseren Abhängigkeit spielt der familiale und gesellschaftliche Kontext eine bedeutsame Rolle. 2.Biographische Wendepunkte sei es biographische Übergangsphasen oder kritische Lebensereignisse - erfordern eine Reorganisation des Lebens, verändern Rollen, Beziehungen und führen zu emotionalem Ungleichgewicht. Jedoch: Grosse individuelle Unterschiede im Umgang mit diesen Herausforderungen. 3
4 1. Frühkindliche Belastungen haben nachhaltige Folgen Frühkindliche Belastungen: Verluste > Tod der Eltern / eines Elternteils > Scheidung der Eltern Elterliche Verhaltensauffälligkeiten > Psychische Störung > Drogenkonsum > Kriminalität > Häusliche Gewalt Misshandlung > Körperlicher Missbrauch > Sexueller Missbrauch > Emotionaler Missbrauch > Vernachlässigung Familiäre ökonomische Not
5 Dauerbelastung in der Kindheit vermindert nachhaltig die Bedürfnis/Impulskontrolle und erhöht damit die Vulnerabilität Dauerstress > erhöhte Stresshormon-Ausschüttung > Reduktion des Hippocampus-Volumen > verminderte Impulskontrolle > negative Folgen in Schule, /Beruf, Sozialverhalten, emotionalem/sozialem Coping (Mischel, 2012). Hot emotional system: Amygdala-basiertes Go System - Emotionskontrolle > Emotionssystem Cool cognitive system: Hippocampus-zentriertes Know System Willentliche Kontrolle > Willenssystem (Phelps, 2004) (Damasio, 2000)
6 2. Biografische Wendepunkte als Herausforderung Lebensverläufe haben sich verändert: >Zunehmende Destandardisierung der Lebensläufe aufgrund des demographischen und gesellschaftlichen Wandels. >Übergänge sind heute weniger normiert und gesellschaftlich weniger sichtbar dafür aber zahlreicher (= mehr berufliche und private Übergänge). >Zunehmende Privatisierung biografischer Übergänge und kritischer Lebensereignisse. >Gestiegener Originalitätsanspruch bei der Gestaltung des Lebenslaufs (Individualisierung) und damit Gefahr der Überforderung der Selbststeuerungs-Kompetenz. 6
7 Biographische Wendepunkte mit hohem Stresspotenzial Häufigste und stressreiche kritische Lebensereignisse Tod des Partners Scheidung/Trennung Unfall, Krankheit Arbeitsplatzverlust Krankheit u. Tod eines Familienangehörigen Gefängnisaufenthalt Wohnortwechsel; Jobwechsel,... Holmes & Rahe Scale 7
8 Die mittleren Jahre Kumulation schwieriger Übergänge Schwierige Übergänge Persönliche Ebene: Körperliche Veränderungen Bilanzierungsprozesse aufgrund veränderter Zeitperspektive Familiale Ebene Scheidung, Trennung Generationelle Sandwich-Situation Berufliche Ebene Wiedereinstieg Jobwechsel 8
9 Anzahl Scheidungen Stressreiche Lebensereignisse, diagnostizierte Depressionen, Burn-out... Alter bei der Scheidungen, BFS 2013 Source: Federal Office of Statistics Alter 9
10 Krise oder chronische Belastung? Heilt Zeit Wunden? Ja... Kritische Lebensereignisse/biographische Wendepunkte wirken sich negativ auf Wohlbefinden und Gesundheit aus. Nach einer gewissen Zeit erholen sich die meisten....aber nicht immer! - Persönlichkeitsfaktoren sind für die psychische Wiederherstellung entscheidend; - Kontextfaktoren (z.b. soziale Netze, finanzielle Absicherung) sind für die soziale Teilhabe und Sicherheit wichtig. - Beim Fehlen dieser beiden Ressourcen ist eine erfolgreiche Adaptation stark erschwert. 10
11 Die gesellschaftlichen Bedingungen prägen entscheidend sind letztlich die Einstellungswerte. (in Anlehnung an Viktor Frankl) Es sind nicht die Dinge an sich, die den Menschen Sorgen bereiten, sondern unsere Einschätzung derselben (Epiktet, 1 Jhd. v. Chr.) 11
12 Distress Psychische Adaptation nach kritischen Lebensereignissen unterschiedliche Muster Chronisch Verzögert Erholung Resilienz Ereignis 1 Jahr 2 Jahre Bonanno G.A. (2004). Loss, trauma, and human resilience. American Psychologist 59:20-28.
13 Psychische Resilienz Kernelement für die erfolgreiche Bewältigung von kritischen Lebensereignissen Was ist psychische Resilienz? Psychische Widerstandfähigkeit und Fähigkeit, auf Widerwärtigkeiten des Lebens flexibel zu reagieren, erfolgreich mit Schwierigkeiten umzugehen, an ihnen zu wachsen. Resultat einer komplexen Person-Umwelt-Interaktion: Optimale Passung zwischen dispositionellen Eigenschaften und protektiven Faktoren ausserhalb der Person. Psychische Resilienz ist nicht Schicksal, sondern kann erlernt werden und durch gezielte Angebote und Strukturen gefördert werden. Achtung: Psychische Resilienz hat Grenzen! 13
14 Charakterstärken - des Rätsels Lösung? Personen mit vier und mehr Charakterstärken haben höhere Werte im positiven Erleben, haben mehr Freude an ihrem Leben, empfinden es als sinnvoller und befriedigender. Resiliente Personen besitzen bis zu 7 Charakterstärken, die besonders typisch für sie sind => Signaturstärke! 14
15 Charakterstärken, die im Leben zentral sind Überbegriffe: Mässigung Mentale Stärke Mut und Gerechtigkeit Emotionale Stärke Charakterstärken: Selbstregulation(-kontrolle), Wille Tapferkeit, Selbstverantwortlichkeit, Ausdauer, Ehrlichkeit, Tatendrang, Fairness Liebe und Menschlichkeit Fähigkeit zu lieben und geliebt zu werden: Interpersonale Stärke Freundlichkeit, Mitgefühl, soziale Intelligenz Weisheit und Wissen Kognitive Stärke Transzendenz Spirituelle Stärke Neugier, Urteilsvermögen, Aufgeschlossenheit, Weitsicht Kreativität Sinn für das Schöne, Dankbarkeit, Hoffnung, Humor, Religiosität und Spiritualität Charakterstärken können erlernt werden! 15
16 Impulskontrolle Hauptelement der Resilienz Die Belohnung des Verzichts und des Aushaltens Impulskontrolle in früher Kindheit (Wie lange kann man auf das Marshmallow verzichten?) korreliert im Erwachsenenalter u.a. mit -Schul-/Berufserfolg, emotionalem/sozialem Coping, Aggression und Delinquenz Mischel et al., 1988; -Selbstwert, Umgang mit Stress, Drogen, Sozialverhalten, Persönlichkeitsstörungen, PTSD Ayduk et al., Übergewicht Seeyave et al., 2009 Wille: Verzichten und Aushalten es ist nie zu spät es zu lernen!
17 Angebote zur Stärkung psychischer Resilienz boomen... Gemeinsame Basis der Programme: Selbsterkenntnis Was sind meine Stärken, was die Schwächen? Wo ist Entwicklungspotential? 17
18 Wege zur psychischen Resilienz Die American Psychological Association (APA) definiert 10 Wege, die zu individueller Resilienz führen: 1.Krisen nicht als unüberwindbare Probleme einstufen 2.Veränderungen als Teil des Lebens akzeptieren 3.Probleme richtig einordnen 4.Proaktiv sein und klare Entscheidungen treffen 5.Zielstrebig eigene (realistische) Ziele verfolgen 6.Netzwerke bilden; gegenseitige Unterstützung fördern 7.Möglichkeiten zur Selbstreflexion nutzen 8.Die positive Selbstwahrnehmung fördern 9. Optimistisch bleiben 10. Auf sich Acht geben für sich gut sorgen! 18
19 Wege aus der psychischen Vulnerabilität Resilienz ist nicht nur individuelles Schicksal, sondern muss auch durch gezielte Angebote und Strukturen gefördert werden. Wo? 1)Individuelle Ebene 2)Familiale Ebene 3)Kommunale Ebene 4)Gesellschaftliche Ebene je Was? Informieren, entstigmatisieren Früherkennung Belastungen reduzieren Gefährdung auffangen Bewältigungskompetenzen stärken Wie? -Ressourcenorientiert -So früh wie möglich, aber ohne obere Altersgrenze -Kulturelle Vielfalt respektierend 19
20 Unsere Aufgabe? Helfen, einen fertilen Boden zu schaffen! Viel Erfolg und Freude! 20
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