Privatversicherungsrecht
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- Maximilian Dunkle
- vor 6 Jahren
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1 Einführung in das Finanzmarktrecht, FS 2017 Privatversicherungsrecht Eva Laederach Institut für Wirtschaftsrecht Universität Bern
2 Privatversicherungen wieso? > «Ausgangspunkt der Versicherung ist das Sicherheitsbedürfnis des Menschen, das heisst sein Bedürfnis für sich oder seine Angehörigen eine wirtschaftlich sichere Zukunft zu schaffen angesichts der vielfältigen ständigen Gefahren, die ihn bedrohen.» MORITZ W. KUHN, Privatversicherungsrecht, 3. Aufl., Zürich 2010, 13. 2
3 Privatversicherungen Abgrenzung > Abgrenzung Privatversicherung vs. öffentl.-rechtliche Versicherungen > «Die Privatversicherung zeichnet sich dadurch aus, dass gegen Entgelt für den Fall des Eintritts eines definierten ungewissen Ereignisses bestimmte Leistungen erbracht werden und das übernommene Risiko auf eine möglichst hohe Zahl durch die gleiche Gefahr bedrohter Personen nach dem Gesetz der hohen Zahl verteilt wird.» PETER V. KUNZ, Kreuzfahrt durch s schweizerische Finanzmarktrecht, Bern 2014, 159 mit Hinweis auf OLIVER ARTER /CHRISTINA FEDERLE, Bank- und Versicherungsaufsicht: Gleichklang und Unterschiede, in: Peter Nobel [Hrsg.], St. Galler Bankrechtstag 2009, Bern 2009, 63. 3
4 Privatversicherungen Kriterien > Bundesgericht (BGE 114 Ib 244 E. 4.a, S. 247) nennt fünf Voraussetzungen: Risiko oder Gefahr Leistung des Versicherten (= einer Prämie) Leistung des Versicherers Selbständigkeit der Operation Kompensation der Risiken nach den Gesetzen der Statistik (planmässiger Geschäftsbetrieb) 4
5 Privatversicherungen Versicherungstypen > Typisierung nach dem Objekt der Bedrohung Personenversicherungen Schadenversicherungen Sachversicherungen Vermögensversicherungen > Typisierung nach dem Zweck der Versicherung Schadenversicherungen Summenversicherungen > Typisierung nach dem Versicherten Einzelversicherungen vs. Kollektivversicherungen Eigenversicherungen vs. Fremdversicherungen > Typisierung nach dem Träger Erstversicherungen vs. Rückversicherungen 5
6 Privatversicherungen Rechtsquellen > Bundesverfassung: Art. 98 Abs. 3 und Art. 122 Abs. 1 BV > Gesetze und Verordnungen Versicherungsvertragsgesetz (VVG) Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) Versicherungsaufsichtsverordnung (AVO) Versicherungsaufsichtsverordnung-FINMA (AVO-FINMA) Versicherungskonkursverordnung (VKV-FINMA) > FINMA-Rundschreiben > Selbstregulierungen SRO-SVV Swiss Code of Best Practice Selbstregulierungen der Börsen 6
7 Privatversicherungen VVG vs. VAG > Im Versicherungsvertragsrecht werden die Beziehungen von versicherten Personen und den jeweiligen Versicherungsagenturen geregelt > Im Versicherungsaufsichtsrecht wird die rechtliche Rahmenordnung für die Aufsicht über das Privatversicherungswesen statuiert. 7
8 Privatrechtliche Aspekte Überblick > Privatautonomes Vertrags- bzw. Rechtsverhältnis, Details im VVG > Vielzahl von Informationspflichten > Grosse Bedeutung von AGB (AVB) > Beizug von Vermittlern (Maklern) Problematik: Retrozessionen 8
9 Privatrechtliche Aspekte AVB > Allgemeine Versicherungsbedingungen AVB (= AGB) > Voraussetzung zur Gültigkeit von AVB 1. Konsens- und Geltungskontrolle 2. Auslegungskontrolle 3. Ungewöhnlichkeitsregel 4. Inhaltskontrolle Nach UWG Nach Versicherungsrecht (AVO/VAG) 9
10 Privatrechtliche Aspekte Versicherungsvermittler > Definition Versicherungsvermittler/-innen sind, unabhängig von ihrer Bezeichnung, Personen, die im Interesse von Versicherungsunternehmen oder anderen Personen Versicherungsverträge anbieten oder abschliessen (Art. 40 VAG) > Aufgaben Er berät den Versicherungsnehmer bereits vor Vertragsabschluss und vermittelt in seinem Auftrag dem Kunden den bestmöglichen Versicherungsschutz zu einem günstigen Preis > Register Die FINMA führt ein Register der Versicherungsvermittler (Art. 42 ff. VAG) > Aufsicht FINMA 10
11 Privatrechtliche Aspekte Retrozessionen > Unterscheidung unabhängige Versicherungsvermittler (Art. 43 Abs. 1 VAG) abhängige Versicherungsvermittler (Art. 43 Abs.2 VAG) > Retrozessionen Entschädigung, die ein unabhängiger Versicherungsvermittler vom Versicherer für den erfolgreichen Abschluss von Versicherungsverträgen erhält. 11
12 Öffentlich-rechtliche Aspekte Gegenstand und Zweck VAG > Gegenstand Regelt die Aufsicht des Bundes über Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittler/-innen. > Zweck Bezweckt insbesondere den Schutz der Versicherten vor den Insolvenzrisiken der Versicherungsunternehmen und vor Missbräuchen. > Rahmengesetz Als sog. Rahmengesetz ausgestaltet. D.h. es enthält die Hauptregelungspunkte, während die Konkretisierung durch Verordnungen und Weisungen geschieht 12
13 Öffentlich-rechtliche Aspekte Geltungsbereich VAG > Personeller Geltungsbereich Das Versicherungsrecht ist nicht allein auf Privatversicherer, sondern zusätzlich auf Versicherungsvermittler bzw. Versicherungsbroker (Art. 2 Abs. 1 lit. c VAG) sowie auf Versicherungskonzerne (Art. 2 Abs. 1 lit. d VAG) anwendbar. > Räumlicher Geltungsbereich Erfasst werden Versicherer mit Sitz in der Schweiz (Art. 2 Abs. 1 lit. a VAG) sowie prinzipiell ebenfalls Versicherer mit Sitz im Ausland für Versicherungstätigkeiten in der Schweiz oder von der Schweiz aus (Art. 2 Abs. 1 lit. b VAG). 13
14 Öffentlich-rechtliche Aspekte Aufnahme der Versicherungstätigkeit I > Bewilligung durch die FINMA Jedes Versicherungsunternehmen, das der Aufsicht untersteht, bedarf zur Aufnahme der Versicherungstätigkeit einer Bewilligung der FINMA (Art. 3 Abs. 1 VAG) Bewilligung ist auf einzelne Versicherungszweige limitiert (Art. 6 Abs. 3 VAG) > Erteilung der Bewilligung Polizeierlaubnis, d.h. Bewilligung muss erteilt werden, wenn sämtliche Bewilligungsvoraussetzungen erfüllt sind (Art. 6 Abs. 1 VAG) 14
15 Öffentlich-rechtliche Aspekte Aufnahme der Versicherungstätigkeit II > Bewilligungsvoraussetzungen I Rechtsform Versicherungsunternehmen müssen die Rechtsform der AG oder der Genossenschaft haben (Art. 7 VAG) Mindestkapital Je nach Versicherungszweig ist ein unterschiedliches Mindestkapital gefordert (Art. 8 VAG und Art. 6 ff. AVO) Eigenkapital Versicherungsunternehmen muss über ausreichende freie und unbelastete Eigenmittel verfügen (Solvabilitätsspanne, Art. 9 VAG und Art. 21 ff. AVO) Organisationsfonds Neben dem Kapital muss das Versicherungsunternehmen über einen Organisationsfonds verfügen, der es erlaubt, die Kosten der Gründung und des Aufbaus oder einer aussergewöhnlichen Geschäftsausweitung zu decken (Art. 10 VAG und Art. 11 AVO) 15
16 Öffentlich-rechtliche Aspekte Aufnahme der Versicherungstätigkeit II > Bewilligungsvoraussetzungen II Unternehmenszweck Es dürfen neben dem Versicherungsgeschäft nur Geschäfte betrieben werden, welche damit in unmittelbarem Zusammenhang stehen (Art. 11 VAG) Gleichzeitiges Betreiben von Lebensversicherung und anderen Versicherungszweigen Nur Unfall- und Krankenversicherung nebst direkter Lebensversicherung zulässig (Art. 12 VAG) Guter Ruf und Gewähr für einwandfreie Geschäftstätigkeit Die für die Oberleitung, Aufsicht, Kontrolle sowie Geschäftsführung verantwortlichen Personen (Art. 14 VAG und Art. 12 ff. AVO). 16
17 Öffentlich-rechtliche Aspekte Ausübung der Versicherungstätigkeit I > Finanzielle Ausstattung (Art. 16 ff. VAG) Gesellschaftskapital (Mindestkapital, Art. 8 VAG) Solvabilität (Vorhandensein ausreichender Eigenmittel und Liquidität, Art.9 VAG und Art. 21 ff. AVO) versicherungstechnische Rückstellungen (Art. 16 VAG und Art. 54 ff. AVO) gebundenes Vermögen (Art. 17 ff. VAG) 17
18 Öffentlich-rechtliche Aspekte Ausübung der Versicherungstätigkeit II > Risikomanagement (Art. 22 VAG) Das Versicherungsunternehmen muss so organisiert sein, dass es insbesondere alle wesentlichen Risiken erfassen, begrenzen und überwachen kann. Details durch den Bundesrat geregelt in 96 ff. AVO und in Art. 195 f. AVO für Versicherungskonzerne > Internes Kontrollsystem (Art. 27 VAG, 1. Satz) Das Versicherungsunternehmen richtet ein wirksames IKS ein, das seine gesamte Geschäftstätigkeit umfasst. 18
19 Öffentlich-rechtliche Aspekte Ausübung der Versicherungstätigkeit III > Verantwortlicher Aktuar / verantwortliche Aktuarin Einsetzen eines Aktuars ist Pflicht (Art. 23 VAG) Geniesst guten Ruf, ist beruflich qualifiziert und in der Lage, die finanziellen Folgen der Tätigkeit des Versicherungsunternehmens richtig einzuschätzen Aufgaben (Art. 24 VAG, Art. 2 AVO-FINMA) Verantwortung für korrekte Berechnung Solvabilitätsspanne, Überprüfung Rechnungsgrundlagen und für Bildung ausreichender technischer Rückstellungen Informationspflicht an GL bei Unzulänglichkeiten Regelmässige Berichterstattung und gegebenfalls vorschlagen von Massnahmen 19
20 Öffentlich-rechtliche Aspekte Laufende Überwachung I > FINMA als Aufsichtsbehörde (Art. 46 VAG) Wacht über Einhaltung Gesetzgebung Prüft Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit Wacht über die Einhaltung des Geschäftsplans Wacht über Solvenz, Rückstellungen und ordnungsgemässe Verwaltung von Vermögenswerten Überwacht ordnungsgemässen Vollzug der Schadenregulierung gemäss SVG Schützt Versicherte gegen Missbräuche der Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittler Schreitet gegen Missbräuche ein, welche Interessen der Versicherten gefährden 20
21 Öffentlich-rechtliche Aspekte Laufende Überwachung II > FINMA kann jederzeit Prüfungen vornehmen (Art. 47 Abs. 1 VAG) > FINMA veröffentlicht regelmässig Entscheide betreffend das Versicherungsrecht (Art. 49 VAG) 21
22 Öffentlich-rechtliche Aspekte Laufende Überwachung III > Sichernde Massnahmen, Liquidation und Konkurs (Art. 51 ff.) FINMA trifft sichernde Massnahmen, die zur Wahrung der Interessen der Versicherten erforderlich erscheinen, bspw. Untersagung der freien Verfügung über Vermögenswerte des Versicherungsunternehmens Entzug Befugnisse der Organe oder Anordnung der Hinterlegung oder Sperre von Vermögenswerten FINMA kann einem Versicherungsunternehmen die Bewilligung zur Geschäftstätigkeit entziehen, was dessen Auflösung bewirkt 22
23 Öffentlich-rechtliche Aspekte Laufende Überwachung IV > Beendigung der Versicherungstätigkeit Verzicht (Art. 60 VAG) Verzichtet ein Versicherungsunternehmen auf die Bewilligung, hat es der FINMA einen Abwicklungsplan vorzulegen Entzug der Bewilligung (Art. 61 VAG) FINMA entzieht Bewilligung, wenn ein Versicherungsunternehmen seit mehr als 6 Monaten die Geschäftstätigkeit eingestellt hat Übertragung des Versicherungsbestandes (Art. 62 VAG) Überträgt ein Versicherungsunternehmen seinen schweizerischen Versicherungsbestand gestützt auf eine vertragliche Vereinbarung auf ein anderes Versicherungsunternehmen, bedarf dies der Bewilligung durch die FINMA Veröffentlichung (Art. 63 VAG) FINMA veröffentlicht Verzicht auf Bewilligung/Bestandesübertragung 23
24 Öffentlich-rechtliche Aspekte Corporate Governance > Corporate Governance im VAG Finanzielle Ausstattung (Art. 8, 9, 16 ff. VAG) Oberleitung guten Ruf geniessen und Gewähr für einwandfreie Geschäftstätigkeit bieten (Art. 14 Abs. 1 VAG) Verbot Personalunion von VRP und CEO (Art. 13 AVO) Obligatorische Einsetzung eines Aktuars (Art. 23 Abs. 1 VAG) IKS und externe Prüfgesellschaft (Art. 27 ff. VAG) Informationspflichten für Versicherungsvermittler (Art. 45 VAG) > Rundschreiben 2017/2 («Corporate Governance Versicherer») 24
25 Strafrechtliche Aspekte > VVG enthält keine Strafbestimmungen D.h. privatrechtliche bzw. vertragliche Rechtsverletzungen bleiben ohne strafrechtliche Konsequenzen > Im VAG finden sich Strafnormen in Art. 86 f. Zusätzlich finden sich generelle Strafbestimmungen in Art. 44 ff. FINMAG 25
26 Sonderthemen Rückversicherer > Rückversicherungsunternehmen bieten einem Erstversicherungsunternehmen an, ihm einen Teil oder das ganze, mit der Erstversicherung übernommene Risiko wieder abzunehmen. Dafür erhält der Rückversicherer eine Rückversicherungsprämie. > Grundprinzipien Schicksalsteilung Folgepflicht des Rückversicherers Geschäftsführungsrecht des Erstversicherers Selbstbehaltspflicht Informationsrecht 26
27 Sonderthemen Versicherungskonzerne > Versicherungsgruppe (Art. 64 VAG) zwei oder mehrere Unternehmen wobei mind. eines davon ein Versicherungsunternehmen ist und sie in ihrer Gesamtheit hauptsächlich im Versicherungsbereich tätig sind und sie eine wirtschaftliche Einheit bilden oder auf andere Weise durch Einfluss oder Kontrolle miteinander verbunden sind. > Versicherungskonglomerat (Art. 72 VAG) Voraussetzungen Versicherungsgruppe und mind. eines der Unternehmen ist eine Bank oder ein Effektenhändler von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung > Spezifische Bestimmungen (Art. 65 ff.,resp. 73 ff. VAG) 27
28 Sonderthemen Tarife im Krankenversicherungsrecht > Aufsicht Grundversicherung: BAG Zusatzversicherungen: FINMA > Aufgaben FINMA Sicherstellung Solvenz Prüfung der genehmigungspflichtigen Tarife (Art. 38 VAG) Schutz vor Missbrauch (Art. 46 Abs. 1 Bst. f VAG, Art. 117 AVO) Definition Missbrauch (Art. 117 AVO) > Problematik: Eingreifen FINMA bei eingeschränktem Wettbewerb 28
29 Einführung in das Finanzmarktrecht, FS 2017 Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Eva Laederach, MLaw, Rechtsanwältin Universität Bern Institut für Wirtschaftsrecht Schanzeneckstrasse 1 CH-3001 Bern eva.laederach@iwr.unibe.ch
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