Allgemeine Psychologie I. Vorlesung 8. Prof. Dr. Björn Rasch, Cognitive Biopsychology and Methods University of Fribourg. Allg. 1 Björn Rasch Unifr
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1 Allgemeine Psychologie I Vorlesung 8 Prof. Dr. Björn Rasch, Cognitive Biopsychology and Methods University of Fribourg 1
2 Allgemeine Psychologie I Woche Datum Thema 1 FQ Einführung, Verteilung der Termine Einführung und Grundlagen Psychophysik Visuelle Wahrnehmung I Visuelle Wahrnehmung II Auditive Wahrnehmung Fällt aus - - (Allerheiligen) Schmerz, Geruch, Geschmack Aufmerksamkeit 8 Aufmerksamkeit und exekutive Kontrolle Kurzzeitgedächtnis Langzeitgedächtnis Gedächtnis und Schlaf Wiederholung und Fragen 2
3 Take Home Messages Selektive Aufmerksamkeit Fokussieren auf relevante Objekte / Objekteigenschaften Ausblenden irrelevanter Objekte / Objekteigenschaften Daueraufmerksamkeit (Vigilanz) Auf relevante Reize über einen längeren Zeitraum zu achten und reagieren Theorien der auditiven Aufmerksamkeit Filtertheorie (Bottleneck) vs. Theorie der späten Selektion vs. Dämpfungstheorie Aspekte der visuellen Aufmerksamkeit Attentional Spotlight Endogene vs. exogene Aufmerksamkeitssteuerung Objektbasierte Aufmerksamkeit Dimensionsbasierte visuelle Aufmerksamkeit Merkmalsintegrationstheorie vs. Theorie der gesteuerten Suche Visual Neglekt und Inattentional Blindness 3
4 Limitationen der Aufmerksamkeit Inattentional Blindness Unfaufmerksamkeit führt zu eine Nicht-Wahrnehmung von Objekten Von Aufmerksamkeitsausrichtung und Erwartung beeinflusst (Top-down Kontrolle) Beispiel für Sustained inattential blindness: Gorillas in our midst Changes Blindness Veränderungen in einer Szene werden nicht wahrgenommen Bsp.: annotation_id=annotation_262395&feature=iv&src_vid=voantzb7ewe&v=v3iprbrgsjm Attentional Blink Zwei aufeinanderfolgende Zielreize werden nicht wahrgenommen, wenn sie in einem Abstand von ms präsentiert werden Möglicherweise verursacht durch Refraktärzeit von Neuronen im Aufmerksamkeitssystem Beispiel: 4
5 Aufmerksamkeit und Augenbewegungen Aufmerksamkeit häufig dort, wo man hinschaut. Aber: Aufmerksamkeit kann auch an andere Ort als Fixation der Augen verschoben werden Aufmerksamkeitslenkung durch saliente Stimulusmerkmale (exogen) Willentliche Verschiebung der Aufmerksamkeit (endogen) Aufmerksamkeitsverschiebung geht häufig Augenbewegung voraus Vorbereitung der Augenbewegung Goldstein,
6 Lenkung der Aufmerksamkeit Lenkung der Aufmerksamkeit in bestimmte Raumregion Schnelle neuronale Reaktion (70-90 msec nach Erscheinen des Stimulus) Lenkung der Aufmerksamkeit auf komplexe Objekte Z.B. Tische vs. Stühle Langsame neuronale Reaktion (200 msec.) Kontralaterale Aktivierung Stimulus Fixation Fixation Stimulus Mangun et al.,
7 Bindungsproblem (Binding Problem) Getrennte Verarbeitung von Objektmerkmalen Bsp: rollender Ball Aktivierung verschiedene Hirnareale Wie kombinieren wir diese physikalisch getrennten neuronalen Signale, um zu einer vereinigten Wahrnehmung eines Objektes zu gelangen? Goldstein,
8 Merkmalsintegrationstheorie Merkmalsintegrationstheorie (Treisman, 1986) Siehe auch visuelle Suche Präattentive Phase Getrennte perzeptuellen Verarbeitung der Merkmale eines Objektes (Farbe, Orientierung, Position, etc. Phase aufmerksamkeitsgerichteter Verarbeitung Fokussierte Aufmerksamkeit auf das Objekt kombiniert oder bindet die Objektmerkmale zu einer kohärenten Wahrnehmung des Objektes Aufmerksamkeit ist Leim, der die Information aus den Was und Wo- Strömen kombiniert und so das Binding Problem löst (Treisman) Goldstein,
9 Experiment Aufgabe: Versuchen Sie, die Zahl auf der linken und auf der rechten Seite des Bildsschirms zu erkennen. 9
10 Illusionäre Verknüpfungen Patient R.M. Schädigungen des parietalen Kortex Aufmerksamkeitslenkung Darbietung zweier Buchstaben in verschiedenen Farben z.b. ein rotes T und ein blaues O Patient gibt in in 23% der Fälle illusionäre Verknüpfungen an Z.B. blaues T an Trotz Darbietungszeit von bis zu 10 Sekunden Beleg für die Merkmalsintegrationstheorie T O 13
11 Synchronizitätshypothese Synchronizitätshypothese physiologische Erklärung für das Bindungsproblem Getrennte Verarbeitung von Bewegung, Farbe, Form, Position und Tiefe Verschiedene Hirnareale Areale sind jedoch anatomisch miteinander verbunden. Annahme: Nervenzelle, die auf das gleiche Objekt reagieren, feuern mit dem gleichen Antwortmuster Synchrones Antwortmuster Durch gleiches Antwortmuster wird erkannt, welche Merkmale zu welchem Objekt gehören Goldstein,
12 Hemisphärenspezialisierung Rechter Parietallappen Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf globale Merkmale räumliche Lokalisation und Anordnung Läsionen: Komponenten von Objekten werden erkannt, aber nicht ihre räumliche Anordnung Abbildung b Linker Parietallappen Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf lokale Aspekte von Objekten Läsionen: Anordnung von Objekten, aber nicht Details Abbildung c a b c Anderson, Allg. 1 Björn Rasch Unifr
13 Befunde aus den Neurowissenschaften Rechte parietale Region: ortsbasierter Aufmerksamkeit Patienten mit rechtsparietalen Hirnschädigungen haben Schwierigkeiten, Aufmerksamkeit ortsbezogen auszurichten. Unilateralem Neglekt: Schwierigkeiten Informationen zu entdecken, welche sich auf der linken Seite des visuellen Feldes befinden. Bei gesunden Probanden: Stärkere Aktivierung im rechten Parietalkortex bei ortsbezogener Ausrichtung der Aufmerksamkeit Linke parietale Region: objektbasierter Aufmerksamkeit Patienten mit linksparietalen Hirnschädigungen haben Schwierigkeiten, Aufmerksamkeit auf Objekte auszurichten. Unilateralem Neglekt: Schwierigkeiten die rechte Seite von Objekten wahrzunehmen unabhängig davon in welchem visuellen Feld sich das Objekt befindet. Bei gesunden Probanden: Stärkere Aktivierung im linken Parietalkortex bei objektbezogener Ausrichtung der Aufmerksamkeit 16 Allg. 1 Björn Rasch Unifr
14 Aufmerksamkeit und Handlung Ausführen von multiplen Handlungen Führt zu Einbußen der Aufmerksamkeit Kapazität der Aufmerksamkeit ist begrenzt Beispiel: Bremspedal drücken wenn rotes Licht aufleuchtet Gleichzeitig Kommunikation mit anderer Person Auslassung erhöht von 5% auf 7%, 50ms langsamerer RT 17
15 Kapazitätsbegrenzte Aufmerksamkeit Hypothese I: Alles-oder-nichts Verteilung der Aufmerksamkeit Aufmerksamkeit entweder auf Prozess A oder B fokussiert Aufmerksamkeit kann nicht auf zwei Prozesse gleichzeitig gerichtet sein Experimentelle Belege Psychologische Refraktärperiode (PRP) Aufgabe 1: Reaktion auf zwei kurz aufeinanderfolgende Töne reagieren Aufgabe 2: Reaktion auf zwei aufeinanderfolgende visuelle Reize Ergebnis RT in Aufgabe 2 um so stärker verlangsamt, je grösser die zeitliche Überlappung der Aufgabe ist Belegt dafür, das Aufmerksamkeit hin und her-geschaltet werden muss 18
16 Aufmerksamkeit als Ressource Hypothese II Graduelle Kapazitätsverteilung Aufmerksamkeit kann auf verschiedene Prozesse verteilt werden Parallele Durchführung zweier Prozesse möglich Aufmerksamkeit als Kapazität / Ressource Wenn Kapazitätsversorgung unter kritisches Niveau sinkt, verschlechtert sich die Leistung Experimentelle Belege Leistungseinbussen in Doppelaufgaben von Schwierigkeit Abhängigkeit Je schwieriger eine Aufgabe, desto höher der Bedarf an Aufmerksamkeit Beispiel Aufgabe 1: Detektion eines visuellen / auditorischen Reizes Aufgabe 2: Lernen von Paarassoziationen (2-7 Paare, unterschiedliche Schwierigkeit) Ergebnis: Detektion in Aufgabe 1 von Schwierigkeit in Aufgabe 2 abhängig 19
17 Aufmerksamkeit als Ressource Ein oder mehrere Verarbeitungsressourcen? Ähnlichkeitseffekte bei Doppelaufgaben Befund: Zwei Aufgaben stören sich um so mehr, je ähnlicher sie sind Beispiel: Verbale Gedächtnisspanne wird eher von verbalen Zweitaufgaben (Addition) gestört Visuelle Gedächtnisspanne eher von visueller Zweitaufgabe (mentale Vorstellung) 20
18 Aufmerksamkeit als Ressource Mehrkapazitätsmodel (Wickens, 1984) Annahme von verschiedene Kapazitätsmodulen Unterscheidung anhand von Dimensionen Verarbeitungsstadien (Enkodierung, Zentral, Output) Modularität des Inputs (e.g. auditorisch, visuell) Kode der Gedächtnisspur (e.g. räumlich, verbal) 21
19 Aufmerksamkeit und exekutive Kontrolle Kontrolle der Aufmerksamkeit Wie wird die Verteilung der Aufmerksamkeit kontrolliert? Einflussfaktoren: Wichtigkeit der Aufgabe; Willentliche Entscheidung Frühere Lernerfahrungen; Automatisierung Automatizität Übung verbessert Leistung in Doppelaufgaben weniger willentliche Aufmerksamkeit notwendig Kennzeichen automatischer Prozesse Reduzieren nicht die Aufmerksamkeit Schnelle Ausführung Ausführung unvermeidbar Nicht dem Bewusstsein zugänglich Kriterien treffen meist nicht alle zu Partiell automatische Prozesse 22
20 Stroop-Effekt Bitte lesen sie die unten dargestellten Wörter: 23
21 Stroop-Effekt Bitte benennen sie die unten dargestellten Farben: 24
22 Stroop-Effekt Automatische Prozesse Ausführung schwierig zu inhibieren Beispiel: Automatisches Lesen und Verarbeiten von bekannten Wörtern Stark automatisierter Prozess und schwierig zu unterdrücken Automatisierte Prozess interferiert mit der Verarbeitung anderer Information, die sich auf das Wort bezieht. Stroop-Effekt (Stroop, 1935) Probanden müssen Farbe benennen, mit der Wörter gedruckt sind Kongruente Wörter: Farbe und Wort gleich Ingongruente Wörter: Farbe und Wort im Wiederspruch Kontrollbedingung (Dunbar und MacLeod,1984) Zusätzlich neutrale Wörter (wie z.b. Lob) 25 Allg. 1 Björn Rasch Unifr
23 Stroop-Effekt (Dunbar &MacLeod, 1984) Ergebnisse Reaktionszeit in Konfliktbedingung verlangsamt Inkongruente Farbwörter Auch mehr Fehler Reaktionszeit bei kongruenten Farbwörtern beschleunigt Starke Automatisierung Anderson,
24 Aufmerksamkeit und exekutive Kontrolle Exekutive Kontrolle Unterschiedliche kognitive Mechanismen Besonders wichtig wenn Zielerreichung bei einer Handlung schwierig ist Neue Handlungen; Vermeidung von Fehlern; Kombination mehrerer Tätigkeiten Hemmung automatischer Handlung / Kontrolle von Impulsen Erreichung durch exekutive Kontrollprozesse Modell des Supervisory Attentional System (Norman & Shallice, 1986) 27
25 Aufmerksamkeit und exekutive Kontrolle Modell des Supervisory Attentional System (SAS) Norman & Shallice, 1986 Automatische Aktivierung erworbener Schemata Schemata: Im Langzeitgedächtnis abgespeicherte Handlungen, die bei einem salienten Hinweisreiz aktiviert und automatisch ausgeführt werden Beispiel: Bremsen bei einem roten Licht Automatische Kontrolle mehrerer konkurrierender Schemata Schemata werden gegenseitig gehemmt Läuft ohne zusätzliche Aufmerksamkeit ab Ausführung komplexer Routinen Übergeordnete Aufmerksamkeitskontrolle (SAS) Einsatz bei Nicht-Routine Situationen, flexible Reaktionsauswahl Kann zu verwendende Schemata auswählen Bei Nicht-Funktionieren kommt es zu Handlungsfehlern Aufmerksamkeitskontrolle bei Läsionen im Frontalhirn gestört 28
26 Exekutive Kontrolle Exekutive Kontrolle umfasst verschiedene Teilprozesse Wechsel der Aufmerksamkeit zwischen Aufgaben Task shifting Planung von Aufgaben zur Zielerreichen Planning Selektive Aufmerksamkeit und Inhibition von aufgabenirrelevanten Informationen und Reaktionen Inhibition Aktualisierung und Überwachung des Arbeitsgedächtnisses Updating Hirnregionen der exekutiven Kontrolle Frontaler Kortex Lateraler präfrontaler Kortex (lpfc) Medialer frontal Kortex (mfc, insbesondere anteriorer cingulärer Kortex, ACC) Parietaler Kortex 29
27 Exekutive Kontrolle Brodmann Areale Einteilung von Hirnarealen anhand anatomischer Unterschiede der Zellen / Neuronen 30
28 Brodmann Areale 31 Quelle: Wikipedia
29 Exekutive Kontrolle Lateraler präfrontaler Kortex (lpfc) Patienten mit Läsionen im lpfc leiden unter Störungen bei der Planung, Organisation und Realisierung zielgerichteter Handlungen Dysexekutives Syndrom Unfähigkeit zur flexiblen Handlungsänderung Bildgebende Studien finden Aktivierung im lpfc bei Flexiblem Wechsel zwischen Handlungsalternativen Inhibition (Unterdrückung) von nicht-adäquaten Reaktionen Planung und Antizipation von Verhalten / Zielen Koordination multipler Aufgaben Aufrechterhaltung von aufgabenrelevanten Repräsentationen Der laterale präfrontale Kortex ist beteiligt an der Durchführung und Ausführung der exekutiven Kontrolle 32
30 Konfliktdetektion und exekutive Kontrolle Anteriorer cingulärer Kortex (ACC) Notwendigkeit für exekutive Kontrolle muss zunächst erkannt werden Der ACC ist entscheidend für die Konfliktdetektion Beispiel: Inkongruente Trials bei der Stroop Aufgabe Sehr frühes Signal im ACC bei Detektion von Konfikten (nach 100 ms) Weiterleitung an lpfc zur Ausführung der exekutiven Kontrolle Ridderinkhof et al., 2004, Science 33
31 Take Home Messages Bindungsproblem (binding problem) Merkmalsintegrationstheorie vs. Synchronizitätshypothese Hemisphärenspezialisierung der Aufmerksamkeit Rechter parietaler Kortex für ortbezogene Aufmerksamkeit Linker parietaler Kortex für objektbezogene Aufmerksamkeit Kapazitätsbegrenzung der Aufmerksamkeit Hypothese I: Alles-oder-nichts Verteilung der Aufmerksamkeit Hypothese II: Graduelle Kapizitäts-/Ressourcenverteilung Eine oder mehrere Aufmerksamkeitsressourcen? Automatisierte vs. kontrollierte Prozesse Beispiel Stroop Effekt Exekutive Kontrolle Umfasst u.a. planning, task shifiting, inhibition und updating Durch-/Ausführung der exekutiven Kontrolle: lateraler PFC (BA 9/46) Konfliktdetektion: medialer PFC / ACC (BA 32/24) 34
32 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit 35
Allgemeine Psychologie I. Vorlesung 9. Prof. Dr. Björn Rasch, Cognitive Biopsychology and Methods University of Fribourg
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