Konzept der Flexibilität: Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes - der ArbeitgeberInnen, ArbeitnehmerInnen und der institutionellen Akteure - an
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- Hermann Ziegler
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1 Arbeitswelt: Flexibilität und Sicherheit The Labour Market: Flexibility and Security Gudrun Biffl Alpbacher Reformgespräche Datum: 22. August 2005 (Alpbach Reform Symposium) Ort: Alpbach
2 Flexicurity und die Ziele von Lissabon Ziel von Lissabon : die wettbewerbsfähigste Wissensgesellschaft der Welt bis 2010 zu werden, unter Aufrechterhaltung der sozialen Kohäsion Implikationen für den Arbeitsmarkt: Anhebung der Arbeitsproduktivität u.a. durch Ausbau verschiedener Formen der Flexibilität am Arbeitsmarkt Ausbau und Weiterentwicklung der Systeme der sozialen Sicherheit, um eine soziale Fragmentierung und Verarmung bestimmter Personengruppen zu verhindern Die Anpassung der Systeme der sozialen Sicherheit an eine flexiblere Arbeitswelt ist eine Voraussetzung dafür, dass der Wandel der Arbeitswelt von der Gesellschaft akzeptiert wird
3 Komplexität der Flexibilitäten erfordert komplexen Respons der Systeme der sozialen Sicherheit Konzept der Flexibilität: Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes - der ArbeitgeberInnen, ArbeitnehmerInnen und der institutionellen Akteure - an geänderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Flexibilität bezüglich Nutzung der technologischen Möglichkeiten, der fachlichen und sozialen Fähigkeiten von Personengruppen und Individuen und Anpassung der sozio-ökonomischen und organisatorischen Rahmenbedingungen.
4 Anpassung der Systeme der sozialen Sicherheit Systeme der sozialen Sicherheit sind derzeit an den Normen der Industriegesellschaft ausgerichtet, d.h. an der mehr oder weniger lebenslangen Vollzeitbeschäftigung der Männer und traditionellen Familienstrukturen (Familienlohn des Mannes und zuverdienende Frauen). Daraus abzuleiten ist die derzeitige ungleiche Aufteilung der Erwerbsarbeit und der unbezahlten Hausarbeit auf Mann und Frau. Flexibilisierung der Arbeitsmärkte: infolge technologischen Wandels und Fragmentierung der Produktion sowie infolge sozialer Flexibilisierung - die bürgerliche Familienform zerfällt in vielfältige Lebensformen
5 Dimensionen der Flexibilisierung der Arbeitswelt Makro-ökonomischen Flexibilität: Anpassungsfähigkeit nationaler Arbeitsmärkte an geänderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen Mikro-ökonomische Flexibilität: Anpassungsfähigkeit der Betriebe und ihrer Belegschaften an den Wandel der wirtschaftlichen, technologischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen d.h. der Märkte, der Produkte und der Produktionsprozesse. Es ist jedoch nicht nur die Nachfrageseite (der Markt), die Betriebe zur Änderung der Produktionssysteme und der Arbeitsorganisation zwingt. Es sind auch Änderungen in der Struktur des Arbeitskräfteangebots (mehr Frauen, ältere Arbeitskräfte, MigrantInnen), die vom gesellschaftlichen Wandel, der Globalisierung sowie der Alterung der Gesellschaft geprägt sind und die eine zunehmende betriebliche Arbeitsplatzflexibilität notwendig machen.
6 Makro-ökonomischen Flexibilität Institutionalisierte Arbeitsbeziehungen (Industrial Relations) beeinflussen die makro-ökonomische Flexibilität, infolge des wachstumssteigernden Effekts eines institutionalisierten Konfliktmanagements. Die Sozialpartner stellen sicher, dass sich die latente Konflikte zwischen sozialen Gruppen in einem Umstrukturierungsprozess, der Verlierer und Gewinner kennt, nicht derart ausweiten, dass es zu gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsverlusten kommt. Die Anpassungsfähigkeit der Sozialpartner an neue wirtschaftliche und soziale Rahmenbedingungen, die Einbindung neuer Interessen-Gruppen in wirtschafts- und sozialpolitische Entscheidungsprozesse ist sicherzustellen, damit etablierte Strukturen nicht zu Rigiditäten führen. Die internationale Fragmentierung der industriellen Produktion erschwert den Überblick über die fachlichen Anforderungen an die Arbeitskräfte. Der Ausbau eines Systems des lebenslangen Lernens, eine Voraussetzung für die Nachhaltigkeit des Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Produktivitätswachstums, macht die Einbindung neuer Partner, nicht zuletzt der Forschung, in Entscheidungsprozesse und ihre Umsetzung erforderlich.
7 Mikro-ökonomische Flexibilität Die Interaktion aus Angebots- und Nachfragefaktoren bewirkt, dass Arbeitszeit- und Beschäftigungsformen, die von der 'Norm' abweichen, an Bedeutung gewinnen. In einer Typologie der mikro-ökonomischen Arbeitsmarktflexibilität ist zwischen numerischer, zeitlicher, funktionaler und lohnkostenspezifischer Flexibilität zu unterscheiden. Betriebe streben auf allen 4 Ebenen eine Flexibilisierung mit dem Ziel der Produktivitätssteigerung an. Das ist aber nicht immer möglich, da die Verfolgung einer Flexibilitätsschiene häufig eine andere behindert. Trotzdem sind die verschiedenen Formen der Arbeitsplatzflexibilisierung keine Substitute. Manche sind komplementär, etwa die funktionale und die Arbeitszeitflexibilisierung.
8 Herausforderung der Flexibilisierung für die Systeme der sozialen Sicherheit Flexibilisierung hat eine Verschärfung der Beschäftigungsunsicherheit zur Folge und führt zur Ausweitung der Einkommensunterschiede. Die Flexibilisierung der Beschäftigungsformen und der Entlohnungssysteme sowie der rasche Wandel der fachlichen Anforderungen ist eine Herausforderung für Individuen, Betriebe und Institutionen des Arbeitsmarktes und der sozialen Sicherheit. Große homogene Gruppen von Arbeitskräften, die für die Industriegesellschaft typisch waren und die die Voraussetzung für den Erfolg von Kollektivverhandlungen waren, verlieren an Bedeutung. Verhandlungen über Löhne und Arbeitszeitregelungen verschieben sich von der Branchenebene auf die Betriebsebene. Ausgliederungen (Outsourcing) verstärken die Segmentierung des Arbeitsmarktes in gewerkschaftlich gut organisierte große Betriebe und kleine und mittel-große Betriebe mit schwacher Vertretung der Arbeitnehmer. Firmen mit ausgeprägter Auslandsorientierung fühlen sich nationalen Branchenvertretern weniger verpflichtet als Unternehmen mit ausschließlich einheimischen Produktionsstätten. In dem Maße, in dem nationale Erwägungen an Bedeutung verlieren, wenden sich die Unternehmen von der allgemeinen Interessenvertretung der Arbeitgeber, die ja eine Vielzahl von gegensätzlichen Standpunkten vereinbaren muss, ab, und werden zunehmend Lobbies ihrer eigenen Interessen. Die Entlohnungssysteme hängen von der Beschäftigungsform ab. Sie reichen vom Mitglied der Kernbelegschaft, das über einen Grundlohn hinaus vom Erfolg des Betriebes am Kapitalmarkt (Aktienanteile) lebt, über den Konsulenten, der neben einem Fixbetrag eine erfolgsabhängige Prämie erhält, zu den eingekauften Dienstleistungen, die als 'Produkt' definiert werden (Industrialisierung der Dienstleistungen) und den lohnabhängigen Zeitarbeitern.
9 Auflösung traditioneller Strukturen der sozio-ökonomischen Abhängigkeiten Die traditionellen Strukturen der finanziellen Abhängigkeiten - Frauen von Männern, Jugend von Menschen im Haupterwerbsalter - verlieren im Gefolge der Flexibilisierung an Bedeutung. Die zunehmende Unsicherheit einer lebenslangen Beschäftigung bzw. die Perspektive häufiger Unterbrechungen zum Zweck der Aus- und Weiterbildung (lebenslanges Lernen) impliziert, dass nicht nur in der Phase der Erwerbstätigkeit sondern auch im Pensionsalter keine ausreichende soziale Absicherung gewährleistet ist.
10 Implikationen der Individualisierung für das System der sozialen Sicherheit Die verstärkte Individualisierung der Gesellschaft, impliziert eine zunehmende Eigenverantwortlichkeit, die nur sichergestellt ist, wenn das Sozialnetz auf das Individuum und dessen Absicherung abgestimmt ist. Individualisierung im Sinne der Selbstgestaltung des eigenen Lebens ist kaum mehr eine freie Entscheidung sondern eine Notwendigkeit, insbesondere für Frauen, wenn sie wirtschaftlich nicht benachteiligt sein wollen. Arbeit, die derzeit ohne eigenständige soziale Absicherung im Haushalt erfolgt, ist entweder auf den Markt zu verlagern (Privatwirtschaft und Staat) oder mit eigenständiger sozialer Absicherung zu verknüpfen, unter Berücksichtigung der nachhaltigen Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Produktivität.
11 Institutionen vor neuen Herausforderungen Der Wandel der Arbeitsmärkte stellt die traditionellen Interessenvertretungen der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite vor Herausforderungen, die in ihrer Wirkungsbreite und -tiefe noch kaum überschaut werden können. Die internationale Dimension der Arbeitsmärkte legt nahe, dass die Interessen der ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen nicht nur von den nationalen institutionalisierten Interessenvertretungen wahrgenommen werden können, sondern dass internationale Institutionen eine wichtige Rolle spielen. Die zunehmende Heterogenität der Arbeitskräfte legt nahe, dass neue Gruppierungen in einen kollektiven Verhandlungsprozess aufzunehmen sind. Der Strukturwandel impliziert, dass zusätzlich zum traditionellen Konfliktpotential zwischen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen neue Felder hinzukommen, insbesondere eine Verschärfung der Konflikte zwischen Gruppen von Arbeitskräften, vor allem zwischen Insidern und Outsidern, allen voran zwischen Beschäftigten und Arbeitslosen. Hier und da gibt es Anzeichen dafür, dass sich neue Interessengruppen zu organisieren beginnen (einerseits Arbeitslose andererseits MigrantInnen-Vereine), ähnlich den Institutionen der Zivilgesellschaft (NGOs), die eine wichtige Ergänzung in politischen Entscheidungsprozessen geworden sind
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