Projektvorstellung Film ab! Medienseminare gegen Antisemitismus
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- Emil Michel
- vor 8 Jahren
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1 Projektvorstellung Film ab! Medienseminare gegen Antisemitismus Die Träger Die ver.di Jugendbildungsstätte Berlin-Konradshöhe e.v. ist eine Einrichtung der Berliner Jugendhilfe und führt Seminare für Jugendliche und junge Erwachsene durch. Schwerpunkte der Arbeit sind vor allem Themen rund um Ausbildung und Beruf, Gesellschaft und Politik und zu persönlichen und sozialen Kompetenzen. Die Hauptzielgruppen sind Schüler/innen ab Klassenstufe 9 und Auszubildende. Grundsatz der Bildungsarbeit ist die freiwillige Teilnahme sowie Partizipation am Seminarverlauf. Im Themenbereich der politischen und historisch-politischen Bildungsarbeit arbeitet die Bildungsstätte vorwiegend mit Methoden der Medienpädagogik. Das Projekt Film ab! ist ein Kooperationsprojekt. Der Projekt- und Kooperationspartner Bildungsbausteine gegen Antisemitismus ist ein Arbeitskreis des Bildungsteam Berlin-Brandenburg e.v. Er arbeitet seit 2002 im Bereich Bildungsarbeit gegen Antisemitismus. Ein Großteil der entwickelten Konzepte und Methoden wurde als Buch mit CD-ROM unter dem Titel Woher kommt der Judenhass was kann man dagegen tun? im Verlag an der Ruhr veröffentlicht. Die Dozent/innen der BildungsBausteine gegen Antisemitismus haben die Methoden in vielen Seminaren mit Jugendlichen und Erwachsenen erprobt und führen die medienpädagogischen Seminare in Zusammenarbeit mit den Teamenden der Jugendbildungsstätte durch. Das Konzept Beide Träger führen in Kooperation seit drei Jahren medienpädagogische Seminare gegen Antisemitismus durch. Seit letztem Jahr können diese Seminare verstärkt angeboten werden, da sie durch das Bundesprogramm Toleranz fördern Kompetenz stärken des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und durch die Senatsverwaltung des Landes Berlins unterstützt werden. Die Seminare sind fünftägig und finden als Übernachtungsseminare in der Jugendbildungsstätte Konradshöhe statt. Das Konzept für die fünftägigen Medienseminare besteht aus verschiedenen Projektmodulen mit unterschiedlichen Methoden, die sowohl für die Bearbeitung des Thema Antisemitismus als auch für die medienpädagogische Umsetzung des Themas geeignet sind. Die entwickelten inhaltlichen Methoden umfassen die Themen Antisemitismus in Geschichte und Gegenwart, den Nahostkonflikt und das Thema Religionen. Je nach Interesse der Zielgruppe werden in den ersten beiden Tagen unterschiedliche Themenschwerpunkte eingesetzt.
2 Gemeinsam mit einer Diplom - Regisseurin wurden Methoden zur Stärkung der Medienkompetenz der Jugendlichen, sowie Übungen zur Filmproduktion entwickelt. So können die Jugendlichen ihre Clips selbständig drehen und schneiden. Die Jugendlichen erhalten über dieses Medium die Möglichkeit, ihre Kompetenzen im technischen und kommunikativen Bereich zu erweitern und zu stärken. Der durch die Medienpädagogen initiierte selbstverständliche Umgang mit Kamera und Schnittprogramm ermöglicht den Jugendlichen, ihre persönlichen Gefühle und Fragen zum Thema Antisemitismus filmisch mitzuteilen und sich dadurch mit Antisemitismus in ihrer persönlichen Lebenswelt und der Gesellschaft auseinanderzusetzen. Die Erfahrungen Innerhalb des Projektes wurden in 2011 bisher vier Seminare mit Gruppen aus Berlin und Brandenburg durchgeführt. Entstanden sind dabei ganz unterschiedliche Filme: Straßeninterviews, eine Reportage zu einem koscheren Laden in Berlin-Reinickendorf, unterschiedliche szenische Clips gegen Antisemitismus und ein Film, der die Bandbreite jüdischen Lebens in Berlin präsentiert. Die Filme sind vor allem Ausdruck der persönlichen Erfahrungen der Jugendlichen mit Antisemitismus, sowie im Seminar bearbeitete Themen: So wird z. B. das Interesse daran, selbst Straßeninterviews zu führen durch einen Interviewfilm am ersten Tag geweckt. Der Nahostkonflikt, der besonders Jugendliche mit palästinensischer oder türkischer Herkunft beschäftigt, wurde in diesen Gruppen zum Ausgangspunkt eines Clips. Rechtsextreme Äußerungen, wie z.b. die Verharmlosung des Holocaust, spielen dann im Clip eine Rolle, wenn sie im Umfeld der Jugendlichen auftreten. Inhaltliche Aspekte mit der pädagogischen Medienarbeit zu kombinieren, hat sich als geeignetes pädagogisches Konzept erwiesen. Die inhaltliche Auseinandersetzung in den ersten beiden Tagen sensibilisiert die Jugendlichen zum Thema Antisemitismus, Wissenslücken werden gefüllt, Unwissen und Vorurteile abgebaut. In der zweiten Phase des Seminars werden die Erkenntnisse aus den ersten beiden Tagen aufgegriffen während der Clip entsteht. Mit den Jugendlichen werden Situationen besprochen, in denen ihnen Antisemitismus in ihrem Alltag begegnet. Das kann der als Schimpfwort gemeinte Spruch Du Jude sein, die Leugnung oder Verharmlosung des Holocaust, die Gleichsetzung der Politik Israels mit dem nationalsozialistischem Deutschland oder auch ein judenfeindlicher Spruch an der Wand Die Beispiele sind zahlreich. Gegen antisemitische Äußerungen wird gemeinsam nach Argumenten gesucht, um diesen begegnen zu können. Für die Teilnehmenden ist dies eine wichtige Erfahrung, da sie in ihrem Alltag solche Bemerkungen häufig übergehen, obwohl einige eigentlich gern etwas dagegen gesagt hätten. Häufig fehlen ihnen jedoch die Argumente. Die Vorbereitung des Clips ermöglicht den Austausch über verschiedene, gegen Antisemitismus gerichtete Argumente. Hierin liegt das Potential solcher Filme: Die filmische Arbeit ist gut
3 geeignet, mit den Teilnehmenden Formen der Zivilcourage einzuüben, während sie verbale oder tätliche Angriffe darstellen. Bei solchen Filmen liegt der Fokus auf den Zuschauenden und deren Verhalten. So lässt sich sehr gut thematisieren, welche Handlungsmöglichkeiten in der jeweiligen Situation bestehen. In einem ersten Rollenspiel wird ausprobiert, ob die Argumente schlüssig sind. Für den Clip werden dann die wirkungsvollsten ausgewählt. Dabei wird immer wieder auf den Alltag der Jugendlichen zurück gegriffen und z. B nach der Wirksamkeit von unterschiedlichen Argumenten und Handlungsweisen gefragt: In welchen Situationen trauen sich die Jugendlichen, sich hinter jemanden zu stellen, der ausgegrenzt wird oder gegen gängige Vorurteile zu argumentieren. Wichtig ist auch die Frage danach, in welchen Situationen eine Entsolidarisierung erfolgt. In der Diskussion, die die medienpädagogische Arbeit begleitet, wird betont, wie wichtig Zivilcourage ist, egal ob es sich um rassistische, sexistische oder eben antisemitische Übergriffe handelt. Da die jeweiligen Clips deutlich zum Handeln gegen Antisemitismus aufrufen sollen, müssen sich die Teilnehmenden gegen Antisemitismus positionieren. Manchen Jugendlichen, deren biografische Wurzeln zum Beispiel im Nahen Osten liegen, fällt dies oft nicht leicht. Wenn ein solcher Teilnehmer sich gegen Antisemitismus positioniert, indem zum Beispiel im Clip der neue jüdische Mitschüler in Schutz genommen wird oder etwas gegen einen antisemitischen Spruch gesagt wird, dann ist dies ein erster Erfolg. Einen Film zu erstellen, bedeutet für manchen Teilnehmenden, Fähigkeiten zu erlangen oder zu beweisen, die jenseits des kognitiven Wissenserwerbs liegen. Manch eine Teilnehmende entdeckte dabei ihre Begabung für die Kamera, das Schauspielern, Regie führen oder für den Schnitt. Die Erstellung eines Films in der Seminararbeit ermöglicht es allen Teilnehmenden an einem gemeinsamen Produkt mitzuwirken und dabei den eigenen Interessen nachzugehen. Häufig ist der Filmdreh der Grund, weshalb sich die Teilnehmenden für das Seminar angemeldet haben und auf den sie sich vorab am meisten freuen. Der Clip präsentiert über das Seminar hinaus die Auseinandersetzung mit Antisemitismus und lädt dazu ein, das Thema mit anderen zu diskutieren und nicht antisemitische Einstellungen weiterzugeben. An allen Schulen, mit denen wir bisher zusammengearbeitet haben, wurden die Filme oder / und eine Fotoshow zum Seminar gezeigt. Da auch das Projekt sich häufig öffentlichkeitswirksam präsentiert, werden die Filme immer wieder gezeigt und diskutiert. Eine der Seminargruppen wollte bisher ihre Filme nicht an der Schule präsentieren. Es wurde befürchtet, ausgegrenzt zu werden, weil man eine jüdische Schülerin gespielt hatte. Hier zeigt sich, wie schwierig es an manchen Schulen ist, sich über das Seminar hinaus gegen Antisemitismus zu positionieren. Um dennoch das Thema in die Schulöffentlichkeit zu bringen, wurde mit den Teilnehmenden neben dem Film eine Fotoshow mit Vortrag zum Seminar zusammen gestellt.
4 An diesem Beispiel wird eine wesentliche Schwierigkeit der Arbeit gegen Antisemitismus deutlich: Je fundamentaler antisemitische Einstellungen im Elternhaus, im Freundeskreis oder in der Schule vertreten werden, desto deutlicher wird ihr primär aufklärender Charakter.. Neues Wissen aufzunehmen und neue Perspektiven einzunehmen, fällt diesen Teilnehmenden sehr schwer, so dass wir mit der Abwehr des Seminars rechnen müssen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass bereits entstandene Meinungsveränderungen von den Teilnehmenden wieder zurück genommen werden, wenn diese in ihren Alltag zurück kehren. Die Seminare sind vor allem geeignet, die Teilnehmenden mit indifferenten Einstellungen im positiven Sinne zu stärken und damit mittel- und langfristig das antisemitische Klassenklima zu verändern. In diesem Fall entwickeln wir gemeinsam mit den Pädagog/innen Strategien und Methoden, diese Schüler/innen im Alltag im Klassengefüge zu stärken. Nachhaltigkeit Um Veränderungen zu verstetigen, bedarf es der Weiterarbeit. Das hat uns dazu bewogen, auch die Lehrenden fortzubilden. Nach unserer Erfahrung erhalten sie die umfassendste Fortbildung, wenn sie hospitierend an den Seminaren teilnehmen und außerhalb der Hospitationszeit die für sie relevanten Aspekte vertiefen. Sie lernen in den Seminaren unterschiedliche Methoden anzuwenden, werden selbst durch die Gespräche in der Gruppe zum Thema Antisemitismus sensibilisiert und lernen die problematischen Einstellungen in ihrer Gruppe kennen, an denen sie dann weiter arbeiten können. Zudem haben sie die Möglichkeit, eigene Wissenslücken zu schließen. Über die Hospitation hinaus sind vertiefende Gespräche und Inhalte notwendig, da auch Lehrende nicht frei von antisemitischen Ressentiments sind. So haben wir beispielsweise eine sehr israelkritische Haltung bereits kennengelernt, aber auch philosemitische Einstellungen. Bei entsprechenden Gruppen kann sich dies als sehr kontraproduktiv in der Weiterarbeit auswirken, da die Lehrkräfte dann evtl. vorhandene Vorurteile noch verstärken. Lehrkräfte wissen häufig nicht, woraus sich die antisemitischen Einstellungen ihrer Schüler/innen speisen, deshalb vermitteln wir entsprechendes Hintergrundwissen, wie zum Beispiel Antisemitismus in arabischen und türkischen Medien oder Antisemitismus in Musikclips verbreitet wird. In einem abschließenden Gespräch wird überprüft, inwieweit die im Seminar durchgeführten Methoden für den Unterricht anwendbar sind und welche Punkte mit der Gruppe weiter bearbeitet werden sollten. Diesen Prozess unterstützt eine auf jede Gruppe angepasste Handreichung mit den Methoden, verwendeten Filmen und Hintergrundwissen. Im Prozess des Seminarverlaufs wird diese mit den Pädagog/innen erweitert, um die Implementierung und Weiterarbeit zum Thema an ihren Einrichtungen zu ermöglichen.
5 Am Ende der dreijährigen Projektzeit werden die entwickelten Methoden und eine Auswahl der entstandenen Filme mit entsprechendem pädagogischem Begleitmaterial als Projektdokumentation veröffentlicht. Die Autorin Tatjana Glampke ist Koordinatorin des Projektes Film ab! Medienseminare gegen Antisemitismus in der ver.di Jugendbildungsstätte Berlin Konradshöhe e.v. Sie ist Diplompädagogin, seit 1995 in der außerschulischen politischen Bildungsarbeit tätig und Mitgründerin des Vereins Bildungsteam Berlin-Brandenburg e.v., Mitinitiatorin des Projektes BildungsBausteine gegen Antisemitismus innerhalb des Bildungsteams und Mitautorin der Publikation: Woher kommt Judenhass? Was kann man dagegen tun, Verlag an der Ruhr Kontakt: Tatjana Glampke ver.di JugendBildungsstätte Konradshöhe e. V. Stößerstraße Berlin Tel.030/
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