Wann gilt das Kündigungsschutzgesetz?
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- Kora Fiedler
- vor 8 Jahren
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1 Leider führt in Krisenzeiten in vielen auch größeren Unternehmen oft kein Weg daran vorbei: Betriebsbedingte Kündigung Voraussetzungen und Anforderungen der Rechtsprechung Arbeitnehmerin Andres Peters hätte nie daran gedacht, dass ihre Klinik innerhalb eines Jahres ein Drittel weniger Umsatz macht. Eine Trendwende scheint nicht in Sicht. Andrea Peters macht sich Sorgen um ihren Arbeitsplatz, nachdem die ersten Gerüchte umgehen, es kämen bald Kündigungen. Wen aber wird die Entlassung treffen? Kündigt ein Arbeitgeber einem Mitarbeiter, muss er immer damit rechnen, dass der Arbeitnehmer gegen die Kündigung klagt, um eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu erreichen. Arbeitnehmer, die unter den Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes fallen, haben in einem Kündigungsschutzprozess die besseren Karten, weil dann die Kündigung nicht nur darauf überprüft wird, ob sie formund fristgerecht ist, sondern auch darauf, ob sie sozial gerechtfertigt ist. Bei betriebsbedingten Kündigungen wird im Rahmen der sozialen Rechtfertigung auch geprüft, ob eine Sozialauswahl erfolgt ist und diese richtig war. Gilt das Kündigungsschutzgesetz für den Arbeitnehmer nicht, überprüfen die Arbeitsgerichte die Kündigung nur darauf, ob sie schriftlich erfolgt ist und die anzuwendende Kündigungsfrist eingehalten wurde. Wann gilt das Kündigungsschutzgesetz? Das Kündigungsschutzgesetz findet Anwendung in Betrieben mit mehr als 10 Arbeitnehmern, wobei Teilzeitbeschäftigte entsprechend ihrer wöchentlichen Arbeitszeit anteilig gezählt werden. Weitere Voraussetzung ist, dass der zu kündigende Mitarbeiter im Zeitpunkt der Kündigung länger als 6 Monate ununterbrochen beschäftigt war. Treffen diese beiden Voraussetzungen nicht zu, muss der Arbeitgeber bei einer betriebsbedingten Kündigung keine Sozialauswahl vornehmen. Er muss nur darauf achten, dass die Kündigung nachvollziehbar ist und nicht den Anschein erweckt, als hätte der Arbeitgeber den zu kündigenden Arbeitnehmer willkürlich also nicht nach sachlichen Kriterien als Opfer ausgewählt. Betriebsbedingte Kündigungsgründe Eine betriebsbedingte Kündigung im Sinne von 1 Absatz 2 KSchG setzt immer einen betriebsbedingten Kündigungsgrund voraus. Betriebsbedingte Erfordernisse für eine derartige Kündigung können sich ergeben aus innerbetrieblichen Umständen, z. B. einer Unternehmerentscheidung, die Klinik zu verkleinern, Umstrukturierung aus Kostengründen, Verlagerung von Abteilungen. außerbetrieblichen Umständen, z. B. Patientenmangel; Auftreten neuer Mitbewerber, Umsatzrückgang Die betrieblichen Erfordernisse müssen dringend sein und eine in der Regel fristgerechte Kündigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer im Interesse des Betriebes notwendig machen. Diese Voraussetzungen sind grundsätzlich erfüllt, wenn der
2 Arbeitgeber nicht durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet der betrieblichen Lage begegnen kann und die Kündigung von Arbeitsverhältnissen wegen der betrieblichen Lage für unvermeidbar hält. Sind andere Maßnahmen z. B. Abbau von Überstunden, Verzicht auf die Weiterbeschäftigung befristet eingestellter Arbeitnehmer o. ä. möglich, um auf die betriebliche Lage angemessen zu reagieren, muss der Arbeitgeber wegen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zuerst diese Maßnahmen ergreifen. Selbstbindende Unternehmerentscheidung bei außerbetrieblichen Umständen Umsatzrückgang oder Auftragsmangel alleine führen nicht zwangsläufig zu einer betriebsbedingten Kündigung. Grundlage einer Kündigung aufgrund außerbetrieblicher Umstände ist die Entscheidung des Unternehmers, wie er auf die außerbetrieblichen Umstände reagieren will. Ob und in welchem Umfang eine unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt und ob und in welchem Umfang durch die Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist, kann gerichtlich überprüft werden (BAG vom , EzA 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 12). Dabei wird die unternehmerische Entscheidung nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder Zweckmäßigkeit überprüft, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Liegen außerbetriebliche Gründe für eine Kündigung vor, ist der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte gehalten, Arbeitsplätze genau in dem Umfang abzubauen, wie dies durch die in einem Prozess über die Kündigung vorzutragenden äußeren Umstände gerechtfertigt ist. Der Arbeitgeber bindet sich im Hinblick auf die Anzahl der abzubauenden Arbeitsplätze selbst in dem Umfang, in dem er darlegen und z. B: durch Vorlage von Umsatzzahlen, Patientenstatistiken usw. beweisen kann, wie sich die äußeren Umstände auf die Anzahl der Arbeitsplätze auswirken. Kann der Arbeitgeber keinen plausiblen Zusammenhang zwischen den äußeren Umständen und der oder den betriebsbedingten Kündigungen herstellen oder erscheint die Kalkulation der abzubauenden Arbeitsplätze im Verhältnis z. B. zum Umsatzrückgang dem Arbeitsrichter unzutreffend, ist die betriebsbedingte Kündigung unwirksam, weil sie trotz berechtigter unternehmerischer Motive nicht sozial gerechtfertigt ist. Gestaltende Unternehmerentscheidung bei innerbetrieblichen Umständen Führen dringende innerbetriebliche Gründe zu Kündigungen, liegt diesen Kündigungen nach Ansicht der Arbeitsgerichte eine gestaltende Unternehmerentscheidung zu Grunde, z. B. die Entscheidung, bestimmte Behandlungen nicht mehr anbieten zu wollen oder die Klinikräume oder Praxisräume zu verkleinern. Bei einer innerbetrieblichen Ursache für die Kündigung überprüfen die Arbeitsgerichte, ob eine derartige unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt und
3 durch ihre Umsetzung das Beschäftigungsbedürfnis im behaupteten Umfang entfallen muss. Der Vortrag des Arbeitgebers im Prozess muss deutlich machen, ob das Bedürfnis für die Tätigkeit des gekündigten Arbeitnehmers entfällt. Maßgebender Zeitpunkt ist dabei der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung. In diesem Zeitpunkt muss mit dem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für den gekündigten Arbeitnehmer bis zum Ende der Kündigungsfrist zu rechnen sein. Für die vom Arbeitgeber im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung also vorzunehmende Prognose müssen die (inner-)betrieblichen Umstände schon greifbare Formen angenommen haben. Hiervon ist auszugehen, wenn bei Ausspruch der Kündigung auf Grund einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung zu erwarten ist, zum Zeitpunkt des Kündigungstermins werde mit einer Sicherheit der Eintritt eines die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes gegeben sein (BAG vom = EzA KSchG 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 99). Die vom Unternehmen im Kündigungszeitpunkt angestellte Prognose unterliegt der richterlichen Kontrolle. Die unternehmerische Entscheidung selbst wird dagegen nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit von den Richtern überprüft, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG vom , EzA KSchG 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 108). Darlegungslast des Arbeitgebers im Prozess Beruft sich der Arbeitgeber auf inner- oder außerbetriebliche Umstände, die seine Kündigung sozial rechtfertigen, darf er sich nicht auf schlagwortartige Umschreibungen beschränken. Er muss stattdessen seine tatsächlichen Angaben im Einzelnen so darlegen (substantiieren), dass sie vom Arbeitnehmer mit Gegentatsachen bestritten und vom Gericht überprüft werden können. Darüber hinaus muss der Vortrag des Arbeitgebers erkennen lassen, ob durch eine außerbetriebliche oder innerbetriebliche Ursache das Bedürfnis für die Tätigkeit des Arbeitnehmers entfällt. In beiden Fällen, müssen die Gründe, die zur Kündigung führen, dringend sein und eine Kündigung im Interesse des verbleibenden Restbetriebs notwendig machen. Bei einer Kündigung aufgrund außerbetrieblicher Umstände muss der Arbeitgeber die zum Kündigungsentschluss führende außerbetriebliche Ursache konkret benennen, vortragen, welche unternehmerische Entscheidung er getroffen hat, um auf die außerbetrieblichen Gründe zu reagieren, darlegen, wie sich die genannte außerbetriebliche Ursache unmittelbar oder mittelbar auf den Arbeitsplatz des gekündigten Arbeitnehmers auswirkt. ob und warum er den Arbeitnehmer nicht auf einem anderen Arbeitsplatz weiterbeschäftigen kann (Vorrang der Änderungskündigung!). Bei einer Kündigung aufgrund innerbetrieblicher Umstände muss der Arbeitgeber darlegen, welche gestaltende Unternehmerentscheidung er getroffen hat,
4 welche organisatorischen oder technischen Maßnahmen er angeordnet hat, um diese Entscheidung umzusetzen, wie sich die von ihm behaupteten Umstände (= die Unternehmerentscheidung und deren geplante Umsetzung) unmittelbar oder mittelbar auf die Beschäftigungsmöglichkeit für den gekündigten Arbeitnehmer auswirken. ob und warum er den Arbeitnehmer nicht auf einem anderen Arbeitsplatz weiterbeschäftigen kann (Vorrang der Änderungskündigung!). In beiden Fällen muss der Arbeitgeber durch seinen Vortrag den Zusammenhang zwischen dem dringenden betrieblichen Bedürfnis und dem Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses darlegen und beweisen können. Eine betriebsbedingte Kündigung ist nur wirksam, wenn durch das dringende betriebliche Erfordernis ein Arbeitsplatz bzw. ein Beschäftigungsbedürfnis wegfällt. Fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer Dringende betriebliche Gründe, die zum Wegfall eines Arbeitsplatzes führen, rechtfertigen nur dann nach 1 Absatz 2 KSchG eine Kündigung sozial, wenn keine Möglichkeit zu einer anderweitigen Beschäftigung des von der Kündigung betroffenen Arbeitnehmers besteht. Der Arbeitnehmer hat daher vor Ausspruch einer Beendigungskündigung immer folgende Frage zu prüfen: Besteht ggf. auch nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen auf einem freien vergleichbaren oder geringwertigeren Arbeitsplatz eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den zu kündigenden Arbeitnehmer? Wenn ja, ist der Arbeitgeber verpflichtet, eine Änderungskündigung auszusprechen, d. h. den Arbeitsvertrag bezüglich des bisherigen Arbeitsplatzes zu kündigen und gleichzeitig die Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz anzubieten. Sozialauswahl unter mehreren Arbeitnehmern In vielen Fällen sind von betriebsbedingten Kündigungen mehrere Arbeitsverhältnisse betroffen, nicht allen betroffenen Arbeitnehmern soll aber gekündigt werden. Der Arbeitgeber nimmt in der Regel eine Auswahl unter den betroffenen Arbeitnehmern vor. Nach der in 1 Absatz 3 KSchG ausdrücklich vorgesehenen Sozialauswahl ist der sozial stärkere Arbeitnehmer vor dem sozial schwächeren also schutzwürdigerem - Arbeitnehmer zu kündigen. Kriterien für die Sozialauswahl sind: Dauer der Betriebszugehörigkeit Lebensalter Unterhaltspflichten Schwerbehinderung.
5 Nicht in die Sozialauswahl, die unter vergleichbaren Arbeitnehmern durchzuführen ist, einzubeziehen sind so genannte Leistungsträger, d. h. Arbeitnehmer, deren Weiterbeschäftigung insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebs im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Auf Verlangen des Arbeitnehmers muss der Arbeitgeber ihm die Gründe nennen, die zu der getroffenen Sozialauswahl geführt haben. Der Arbeitnehmer kann dieses Verlangen vor Erhebung der Kündigungsschutzklage äußern. Im Prozess muss der Arbeitgeber darlegen, welche Gründe zur getroffenen Sozialauswahl geführt haben und warum er welche Leistungsträger von der Sozialauswahl ausgenommen hat. der Arbeitnehmer darlegen und beweisen, welche Tatsachen die Kündigung sozial ungerechtfertigt machen. Der Autor: Rechtsanwalt Ralph Jürgen Bährle Strahlenburgstraße 23/25, Mannheim Tel / Fax 0621 / Ralph.Baehrle@baehrle-partner.de
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