Prof. Dr. Jochen A. Bär. Einführung in die Sprachwissenschaft. Probeklausur
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- Peter Kerner
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1 Prof. Dr. Jochen A. Bär Einführung in die Sprachwissenschaft Probeklausur I) Bitte beantworten Sie durch Ankreuzen folgende Fragen (es ist immer nur eine Antwort richtig). Pro richtiger Antwort erhalten Sie 1 Punkt. 1) Was ist keine Eigenschaft des sprachlichen Zeichens nach Saussure? Arbitrarität Motiviertheit Konventionalität Signifikanz 2) Was versteht man unter Onomasiologie? Namenkunde Bedeutungslehre Lehre von den Beziehungen der Satzglieder Bezeichnungslehre 3) Wie nennt man die Tatsache, dass zwei Wörter die gleiche Bedeutung haben? Konsemie Synonymie Homonymie Kollokation 4) Wie nennt man die Menge der Gegenstände, die durch ein Wort bezeichnet werden? Intention Intension Extension Expression 5) Welcher Konsonant ist ein Alveolar? [f] [k] [l] [m] 6) Welcher Ausdruck verweist nicht auf eine Artikulationsstelle? nasal alveolar uvular palatal
2 7) Die Gesamtheit der Regeln, nach denen man Phoneme miteinander zu größeren Einheiten kombiniert nennt man: Phonotaktik Phoneminventar Phonokombinat Phonetik 8) Was ist keine Möglichkeit der deutschen Wortbildung? Derivation Kompression Komposition Transposition 9) Was ist ein Subjekt? ein Substantiv im Satz eine Substantivphrase ein Aktant ein Substantiv im Nominativ 10) Wie nennt man einen Satz, der nach einem bestimmten Satzmuster beginnt und nach einem anderen endet (umgangssprachlich: Satzbruch )? Anakoluth Aposiopese Anapäst Anagramm 11) Welches Beispielsyntagma kann nicht als Attributionsgefüge gedeutet werden? Lust zu leben große Trauer sehr groß um zu vergessen 12) Wann liegt Verbzweitstellung vor? wenn ein Satz kein Mittelfeld oder ein leeres Mittelfeld hat wenn ein Satz ein Vorfeld hat wenn ein Satz kein Vorfeld hat wenn ein Satz ein Vorfeld und ein Mittelfeld hat 13) Wie kann im Rahmen der Valenztheorie ein Zeichen, das von einem anderen Zeichen (in der Regel: einem Verb) notwendig erfordert wird, nicht genannt werden? Ergänzung Angabe Argument Komplement 14) Was gehört nicht zu den Gegenständen der Sprachgeschichtsschreibung nach Mattheier? Sprachbewusstseinsgeschichte Sprachsystemgeschichte Sprachwandelgeschichte Sprachgebrauchsgeschichte
3 15) Was ist keine Varietät des Deutschen? Predigt Amtsdeutsch Plattdeutsch Kanak-Sprak 16) Zu welchem Dialektgebiet gehört Heidelberg? Südfränkisch Rheinfränkisch Alemannisch Oberpfälzisch 17) Welche Rolle spielte Martin Luther für die deutsche Sprachgeschichte? Er schuf die hochdeutsche Sprache Er schuf mit Kirchenlied und Predigt neue Textsorten Er trug durch seine Bibelübersetzung zur Herausbildung der neuhochdeutschen Schriftsprache bei Er schuf die erste Bibelübersetzung 18) Wodurch bildeten sich die hochdeutschen Dialekte heraus? durch die erste Lautverschiebung durch die zweite Lautverschiebung durch die oberdeutsche Diphthongierung durch das Behaghel sche Gesetz 19) Wer gilt als Begründer der strukturalistischen Sprachbeschreibung? Ferdinand de Saussure Jacob Grimm Peter von Polenz Karl Bühler 20) Auf wen geht die Differenzhypothese zurück? Basil Bernstein Roman Jakobson William Labov Klaus J. Mattheier II) Bitte beantworten Sie kurz (!) die folgenden Fragen. (Bei Frage 22 und 24 ist jeweils nur eine Zeichnung erforderlich). Pro richtiger Antwort erhalten Sie maximal 2 Punkte. 21) Was ist der Unterschied zwischen einem Fremdwort und einem Lehnwort? Fremdwörter stellen neben assimilierten Lehnwörtern eine Unterklasse der Lehnwörter dar. Von assimilierten Lehnwörtern unterscheidet sie, dass sie ausdrucksseitig als exogen erkennbar sind.
4 22) Zeichnen Sie das Vokaldreieck. [i] [y] [u] [e] [ø] [o] [ε] [ɔ] [ø] 23) Wie bezeichnet man in der linguistischen Fachsprache a) einen Oberbegriff? Hyperonym b) die Tatsache, dass ein Wort zwei einander entgegengesetzte Bedeutungen hat? Antisemie 24) Analysieren Sie mittels eines Baumdiagramms die Konstituentenstruktur dieses Satzes: Meine Kinder gehorchen mir nicht. Art Kms Sb Kmt Vb Sprkt Prn Obj Prtkl Advl AttrnG SbGr Sbj SprknG VbGr Prkt PrknG S 25) Nennen Sie die hierarchischen Ebenen des Sprachsystems. Phoneme/Grapheme, Morpheme, Lexeme, (Komplexeme), Phrasen/Sätze, Texte 26) Nennen Sie die Funktionen der Sprache nach Reichmann. Darstellungsfunktion, Erkenntnisfunktion, Kommunikations-/Handlungsfunktion, Symptomfunktion 27) Nennen Sie die dialektalen Großgebiete des Deutschen (Fünfgliederung des hochdeutschen Sprachraums). Westoberdeutsch, Ostoberdeutsch, Nordoberdeutsch, Westmitteldeutsch, Ostmitteldeutsch
5 28) Was ist ein Radico-Uvular? Ein mit der Zungenwurzel (Radix) am Gaumenzäpfchen (Uvulum) artikulierter Konsonant 29) Schreiben Sie den folgenden Satz in Lautschrift (IPA) um: Das ist ein weites Feld! ['das 'ʔɪst ʔaɛn 'vaɛtəs 'felt] 30) Nennen und datieren Sie die historischen Sprachstufen des Deutschen. Althochdeutsch ( ), Mittelhochdeutsch ( ), Frühneuhochdeutsch ( ), Neuhochdeutsch ( /heute); ggf. Spätneuhochdeutsch (ab 1950) III) Bearbeiten Sie eine der folgenden Aufgaben in freier Erörterung. Referieren Sie Inhalte, beleuchten Sie das Thema kritisch. Sie erhalten dafür maximal 20 Punkte; Orthographie- und Grammatikfehler führen ab einer bestimmten Quantität zu Punktabzug. Da es hier um Diskussions- und Denkaufgaben geht, ist eine einheitliche Antwort nicht möglich. Es werden beispielhaft einige Hinweise gegeben, wie eine mögliche Antwort ausfallen könnte. a) Schildern Sie in Grundzügen die verschiedenen Möglichkeiten, die Bedeutung sprachlicher Zeichen theoretisch-definierend zu fassen. Wägen Sie diese Möglichkeiten gegeneinander ab und beziehen Sie Stellung. [Hinzuweisen wäre auf die Unterscheidung von realistischer, mentalistischer und lingualistischer Bedeutungsauffassung, wie in der 4. Sitzung behandelt. Das mentalistische käönnte an Saussure, das lingualistische an Rudi Keller angeknüpft werden. Es wäre zu zeigen, dass und warum das realistische und das mentalistische Modell problematisch sind. Ggf. wäre auch das lingualistische zu problematisieren.] b) Welche Möglichkeiten kennen Sie, die historischen Sprachstufen Mittelhochdeutsch und Frühneuhochdeutsch voneinander zu unterscheiden? Gewichten Sie diese Möglichkeiten nach ihrer Einschlägigkeit. [Möglicher Hinweis auf Lautwandelphänomene wie die nhd. Monophthongierung und Diphthongierung, die e-apokope, auf den tiefgreifenden Wandel des morphologischen Systems (Ausbau der analytischen Flexion), auf den Abstieg des Rittertums und den Austieg des Bürgertums als kulturtragender Schicht, auf die Einführung des Papiers, auf die große Pest und die Gründung der ersten Universitäten in Deutschland Mitte des 14. Jahrhunderts usw. Nach Mattheier wären die verschiedenen Gegenstandsbereiche der Sprachgeschichtsschreibung zu unterscheiden; es wäre festzuhalten, dass die Lautwandel- und Formenwandelprozesse sich über mehrere hundert Jahre hin vollziehen und daher als Abgrenzungskriterien kaum sinnvoll herangezogen werden können.]
6 c) Erörtern Sie Möglichkeiten einer Unterscheidung zwischen Grammatik und Semantik und umreißen Sie mögliche Arbeitsfelder beider Disziplinen. [Eine mögliche Abgrenzung zwischen Grammatik und Semantik könnte sein, dass sich erstere mit kategorialen, letztere mit individuellen Zeichen beschäftigt. Beide Disziplinen können historisch wie gegenwartsbezogen arbeiten; die Grammatik eignet sich eher als die Semantik für Normierungsbestrebungen präskriptive Sprachbeschreibung ; die Semantik eignet sich für mentalitäts- und diskurshistorische Fragestellungen.] d) Erörtern Sie aus sprachwissenschaftlicher Sicht folgendes Zitat von Ludwig Wittgenstein: Was sich überhaupt sagen läßt, läßt sich klar sagen, und worüber man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen. [Das Zitat könnte in den Zusammenhang der Diskussion um die unterschiedlichen Funktionen der Sprache gestellt werden: Es betont mit besonderer Radikalität die Darstellungsfunktion der Sprache. Demgegenüber könnte die Handlungsfunktion der Sprache betont werden; es könnte unterschiedliche Aspekte von Sprechakten im Rahmen der Pragmatik propositionale vs. illokutionäre/perlokutionäre Sprechakte unterschieden werden. Die Sichtweise Wittgensteins könnte als einseitig und verkürzend kritisiert werden.] Wohlgemerkt: Dies sind Möglichkeiten der Erörterung. Wer mit guten Argumenten etwas anderes schreibt, kann trotzdem Punkte bei intelligenter, kenntnisreicher und sprachlich- formal brauchbarer Darstellung alle bekommen.
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