Das Eigentum. Dr. iur. Thomas Ender Rechtsanwalt und Notar Fachanwalt SAV Bau- und Immobilienrecht Das Eigentum 1
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1 Das Eigentum Dr. iur. Thomas Ender Rechtsanwalt und Notar Fachanwalt SAV Bau- und Immobilienrecht Das Eigentum 1
2 1. Einleitung Das Eigentum 2
3 Gesetzliche Grundlagen (I) Das Eigentumsrecht ist Teil des Zivilgesetzbuches, geregelt im vierten Teil: Das Sachenrecht Das Sachenrecht regelt die dinglichen Rechte an Sachen Sachen sind Unpersönliche Gegenstände körperliche (körperlich greifbar, dreidimensional) Gegenstände Für sich bestehende, abgegrenzte Gegenstände rechtlich beherrschbare Gegenstände Dingliche Rechte sind absolute Rechte: Das Eigentum 3
4 Dingliche Rechte Dingliche Rechte sind absolute Rechte: Sie richten sich gegen jedermann Anders als relative Rechte (persönliche, obligatorische Rechte, Forderungen): relative Rechte richten sich nur gegen den Schuldner Dingliche Rechte sind Das Eigentumsrecht Die beschränkten dinglichen Rechte Dienstbarkeiten Pfandrechte Das Eigentum 4
5 Gesetzliche Grundlagen (II) Zivilgesetzbuch Vierter Titel: Das Sachenrecht Art. 641 ZGB: Das Eigentum 5
6 Was ist Eigentum? Umgangssprachlich: «gehören» Das Eigentum ist ein Recht an einer Sache, ein «dingliches Recht» Das Eigentum gibt dem Eigentümer das umfassende Herrschaftsrecht an einer Sache Das Eigentumsrecht wirkt gegenüber jedermann («absolutes Recht») Eigentum besteht immer nur in den Schranken der Rechtsordnung! Das Eigentum 6
7 Arten von Eigentum Fahrniseigentum Eigentum an beweglichen Gegenständen, Mobilien Grundeigentum Eigentum an Grund und Boden, an Grundstücken Grundstücke im Rechtssinne sind Liegenschaften Miteigentumsanteile / Stockwerkeigentumsanteile Selbständige und dauernde Rechte Umgangssprachlich meinen wir mit Grundstück die Liegenschaften Das Eigentum 7
8 2. Besitz und Grundbuch Das Eigentum 8
9 «Publizität» des Eigentums Bei Fahrnis: Durch den Besitz an der Sache: «haben» Besitz führt zu Vermutung des Eigentums «Probleme»: Miete, Leasing, usw. Bei Grundeigentum: Durch Eintrag resp. Konsultation des Grundbuches Der Eigentümer eines Grundstücks steht (fast) immer fest Ausnahme: Todesfall: ausserbuchlicher Erwerb durch die Erben Das Eigentum 9
10 Vermutung des Eigentums Vom Besitzer einer beweglichen Sache wird vermutet, dass er ihr Eigentümer ist (Art. 930 ZGB) Das Gesetz vermutet, dass die im Grundbuch eingetragene Person tatsächlich Eigentümerin des Grundstücks ist (Art. 937 Abs. 1 ZGB) Das Eigentum 10
11 Übertragung von Eigentum Bei Fahrniseigentum: durch Übergabe des Gegenstandes vom alten Eigentümer zum neuen Eigentümer («Traditio») Bei Grundeigentum: Durch Anmeldung des Vertrages auf Übertragung des Eigentums (Kaufvertrag, Schenkungsvertrag) an das Grundbuchamt und Eintragung des Vertrages im Grundbuch Das Eigentum 11
12 Besitz Wer die tatsächliche Gewalt über eine Sache hat, ist ihr Besitzer (Art. 919 ZGB) Besitz erfordert die tatsächliche Gewalt über die Sache (Sachherrschaft) den Willen zur Sachherrschaft Sachherrschaft muss während einer bestimmten Dauer bestehen setzt eine räumliche Beziehung einer Person zur Sache heraus (Einflusssphäre) Besitz ist nicht Eigentum! Umgangssprachlich werden beide Begriffe aber oft synonym verwendet Das Eigentum 12
13 Grundbuch Art. 942 ZGB: Das Eigentum 13
14 Das Grundbuch als öffentliches Register (I) Das Grundbuch ist ein öffentliches Register. Jedermann hat ohne Voraussetzungen ein Recht auf Auskunft über den Hauptbucheintrag von: Grundstücksbezeichnung und Beschreibung (Art. 970 Abs. 2 ZGB) Namen und die Identifikation des Eigentümers (Art. 970 Abs. 2 ZGB) Eigentumsform und das Erwerbsdatum (Art. 970 Abs. 2 ZGB) Dienstbarkeiten und Grundlasten (Art. 26 GBV) Bestimmten Anmerkungen (Art. 26 GBV) Das Eigentum 14
15 Das Grundbuch als öffentliches Register (II) Einen weitergehenden Anspruch auf Auskunft hat, wer ein Interesse glaubhaft macht. Dies gilt für: Pfandrechte Vormerkungen alle Belege Ein Beleg ist das Dokument, welches die Grundlage für den Eintrag des Rechts im Hauptbuch bildet: Der Kaufvertrag ist der Beleg für den Eigentumseintrag Der Pfandvertrag ist der Beleg für den Pfandrechtseintrag Der Dienstbarkeitsvertrag ist der Beleg für den Dienstbarkeitseintrag Das Eigentum 15
16 Aufbau des Grundbuchs Hauptbuch Grundbuchblatt und Nummer für jedes Grundstück Eintragung mit Stichwort aller rechtswirksamen und gelöschten dinglichen Rechte Ergänzt durch Pläne, Grundstückbeschreibung und Belege Tagebuch chronologisches Protokoll über die angemeldeten Geschäfte Wirkung des Hauptbucheintrags wird auf den Zeitpunkt des Tagebucheintrags zurückbezogen Das Eigentum 16
17 Eintragungen (i.w.s.) im Grundbuch Numerus clausus der eintragbaren Rechte: Es können nur jene Rechte eingetragen werden, für welche das Gesetz die Eintragung vorsieht Anmerkungen: informieren über das Grundstück betreffende Verhältnisse Vormerkungen: bestimmte persönliche Rechte, Verfügungsbeschränkungen, vorläufige Eintragungen Eintragungen i.e.s. Eigentum Dienstbarkeiten und Grundlasten Pfandrechte Das Eigentum 17
18 «Rechtskraft» des Grundbuchs Negative Rechtskraft: Soweit für die Begründung eines dinglichen Rechts die Eintragung in das Grundbuch vorgesehen ist, besteht dieses Recht nur, wenn es aus dem Grundbuch ersichtlich ist Der Grundbucheintrag ist in diesen Fällen konstitutiv Positive Rechtskraft: Wer sich in gutem Glauben auf einen Eintrag im Grundbuch verlassen hat, und gestützt darauf Eigentum oder ein dingliches Recht erworben hat, erwirbt das Eigentum oder das dingliche Recht so, wie es aus dem Grundbuch hervorgeht Das Eigentum 18
19 Einschub: Leistungsbeschrieb SIA Das Eigentum 19
20 Inhalt des Grundbuchauszuges (Grundbuchbeschrieb) Beschrieb im engeren Sinne (Grundstück-Nr., Fläche, Lagebezeichnung, Bodenbedeckung, Gebäude und Bauten) Eigentum am Grundstück Anmerkungen Dienstbarkeiten Grundlasten Grundpfandrechte Unterscheide: Eintrag im Hauptbuch / Belege Das Eigentum 20
21 Grundbuchbeschrieb i.e.s. (Beispiel) Das Eigentum 21
22 Grundbuchbeschrieb Eigentum (Beispiel) Das Eigentum 22
23 Grundbuchbeschrieb Anmerkungen (Beispiel) Das Eigentum 23
24 Grundbuchbeschrieb Dienstbarkeiten (Beispiel) Das Eigentum 24
25 Grundbuchbeschrieb Vormerkungen (Beispiel) Das Eigentum 25
26 Grundbuchbeschrieb Grundpfandrechte (Beispiel) Das Eigentum 26
27 3. Inhalt des Eigentums Facetten des Eigentumsrechts 27
28 Inhalt des Eigentums Das Eigentumsrecht verleiht dem Eigentümer: Die umfassende und ausschliessliche Sachherrschaft an einer Sache Die Ausschliessungsbefugnis (das Recht, Dritte von der Sache fernzuhalten) Die Nutzungsbefugnis (Gebrauch) Die Verfügungsbefugnis (Verkauf, Verpfändung, Zerstörung) Eigentum besteht immer nur in den Schranken der Rechtsordnung! Das Eigentum 28
29 Schranken des Eigentumsrechts Gesetzliche Schranken Im öffentlichen Recht (z.b. Bauverbote aus raumplanerischen Gründen, Baubeschränkungen in den Zonenordnungen) Im privaten Recht: (z.b. Verbot übermässiger Immissionen, Art. 679 i.v.m. Art. 684 ZGB) Gewillkürte Schranken z.b. durch beschränkte dingliche Rechte (Dienstbarkeiten und Pfandrechte) z.b. durch obligatorische Rechte (z.b. Vermietung) Das Eigentum 29
30 Rechte des Eigentümers Der Eigentümer kann Die Sache von jedem, der sie ihm vorenthält, herausverlangen (Eigentumsklage) Jede Störung der Sache durch Dritte abwehren (Eigentumsfreiheitsklage) Das Eigentum 30
31 4. Umfang des Eigentums Das Eigentum 31
32 Bestandteile Wer Eigentümer einer Sache ist, hat das Eigentum an allen ihren Bestandteilen (Art. 642 Abs. 1 ZGB) Bestandteil einer Sache ist alles, was nach der am Orte üblichen Auffassung zu ihrem Bestande gehört und ohne ihre Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung nicht abgetrennt werden kann (Art. 642 Abs. 2 ZGB) Das Eigentum 32
33 Grundeigentum: Horizontale und vertikale Ausdehnung Das Eigentum an Grund und Boden erstreckt sich nach oben und unten auf den Luftraum und das Erdreich, soweit für die Ausübung des Eigentums ein Interesse besteht (Art. 667 ZGB) Horizontal Grundbuchpläne (Art. 668 Abs. 1 ZGB) Abgrenzungen auf dem Grundstück selber (Marksteine) (Art. 668 Abs. 1 ZGB) Vertikal soweit für die Ausübung ein Interesse besteht (Art. 667 ZGB) Das Eigentum 33
34 Grundeigentum als dreidimensionaler Körper horizontal begrenzt: fest definiert nach oben begrenzt: offen definiert: Ausübungsinteresse nach unten begrenzt: offen definiert: Ausübungsinteresse Das Eigentum 34
35 Horizontale Ausdehnung: Grundbuchplan Das Eigentum 35
36 Vertikale Ausdehnung: Ausübungsinteresse ein «auf die Beherrschung des Raumes gerichtetes Nutzungsinteresse, für das die tatsächliche und rechtliche Beherrschungsmöglichkeit erforderlich ist» Technische Beherrschungsmöglichkeit Rechtliche Beherrschungsmöglichkeit: Immer nur in den zahlreichen Schranken der Rechtsordnung positiv oder negativ Ausübungs- oder Beherrschungsinteresse: Beherrschung des Raumes und Ausübung von aus dem Eigentumsrecht fliessenden Nutzungsrechten Abwehrinteresse: Abwehr der Vorkehren Dritter, welche sich für die eigene Nutzung nachteilig auswirken Das Eigentum 36
37 Vertikale Ausdehnung: Schema Das Eigentum 37
38 Umschreibung des Ausübungsinteresses in der Rechtsprechung Wie gross die räumliche Ausdehnung ist, lässt sich nicht in allgemeingültiger Weise festlegen, sondern bestimmt sich von Fall zu Fall nach den konkreten Umständen und dem schutzwürdigen Interesse des Eigentümers, diesen Raum selbst zu nutzen oder zu beherrschen und das Eindringen anderer abzuwehren (5A_639/2010, Urteil vom 7. März 2011) Das Eigentum 38
39 Vertikale Ausdehnung: nach oben Ausübungs- oder Beherrschungsinteresse : Bauordnungen geben (meistens) das eigene Ausübungsinteresse vor: wie hoch darf ich bauen? Abwehrinteresse: Ausschliessungsrecht gibt zu mehr Diskussionen Anlass: Thema «Überflug» Unterscheide: Eindringen in den Privateigentums-Luftraum «Blosse» immissionsrechtliche Lärmbelastung Das Eigentum 39
40 Vertikale Ausdehnung nach oben: Urteil Bundesgericht BGE 134 II 49 ff. Keine fixe Höhe des «Privat-Luftraums» Abhängig von Nutzung und Lage der konkret betroffenen Liegenschaft Art und Grösse der Flugzeuge Auswirkungen des Überflugs Ein Überflug eines landenden Grossraumflugzeugs über Wohnliegenschaften in 125m Höhe verletzt das Eigentum, in 400m Höhe aber nicht. Überflüge kleiner Maschinen in einer Höhe von 220 bis 250m verletzen das Eigentum nicht Das Eigentum 42
41 Vertikale Ausdehnung: nach unten Bauordnungen haben regelmässig keine Bestimmungen über den Bau im Untergrund Ausübungsinteresse wird durch Rechtsprechung konkretisiert Das Eigentum 43
42 Das Eigentum 44
43 Die Schutzwürdigkeit des Ausübungsinteresses Konkretes Interesse Lage und Beschaffenheit; Individualität des Grundstücks übungsgemässe Nutzung des Bodens, entsprechend der allgemeine Verkehrsauffassung darüber, wie weit sich die Nutzung des Bodens erstreckt natürliche, technische und rechtliche Hindernisse: technisch möglich und rechtlich zulässig Beziehung zwischen dem Interesse und dem Grundeigentum Aber: Entscheidend sind immer die konkreten Umstände des Einzelfalles! Das Eigentum 45
44 Vertikale Ausdehnung nach unten: Urteil Bundesgericht BGE 132 III 353: Keine Entfernung von abgespannten Erdankern, obwohl spätere Bauwerke mit diesen Ankern in Konflikt geraten könnten Urteil Bundesgericht A_639/2010, vom 7. März 2011: Pflicht zur Entfernung abgespannter Erdanker bejaht Das Eigentum 46
45 Fazit Ausübungsinteresse Wenig Abgrenzungsfragen bei einer Nutzung von wenigen Metern Soweit nach heutigen technischen Massgaben und nach Massgabe der Rechtsordnung eine Inanspruchnahme möglich ist, dürfte die Schutzwürdigkeit des Ausübungsinteresses zu bejahen sein «Weiter unten» ist die vorgängige Beurteilung schwierig Gerichte nehmen eine umfassende Bewertung der Interessen vor die Gewichtung für den Leser der Urteile ist nicht immer schlüssig oder vergleichbar Grosses Ermessen des Richters Das Eigentum 49
46 Konkretes Interesse in zeitlicher Sicht heutiges Interesse zukünftiges Interesse, sofern seine Verwirklichung nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge in absehbarer Zukunft wahrscheinlich ist Keine Anwartschaft des Grundeigentümers auf Grundeigentum bis in tiefste Lagen, in Erwartung technischer Entwicklung (BGE 119 Ia 390 ff.) Das Eigentum 50
47 Massgeblicher Zeitpunkt des Interesses Keine Rückwirkung Massgeblich ist der Zeitpunkt, in welchem der Untergrund rechtmässig und ohne Verletzung des Eigentumsrechts des Grundeigentümers in Anspruch genommen worden ist Eine Veränderung des Ausdehnungsinteresses wegen Veränderung technischer Möglichkeiten macht das unterirdische Bauwerk nicht nachträglich rechtswidrig Das Eigentum 51
48 Das Akzessionsprinzip Das Eigentum an Grund und Boden umfasst alle Bauten und Pflanzen sowie die Quellen (Art. 667 Abs. 2 ZGB). Somit: Alle Bauten auf einem Grundstück oberirdisch unterirdisch Alle Pflanzen Alle Quellen Will heissen: Die Baute auf einem Grundstück gehört dem, welcher im Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist. Und wer auf fremdem Grund baut, baut fremdes Eigentum! Facetten des Eigentumsrechts 55
49 Durchbrechung des Akzessionsprinzips Trennung von Eigentum am Boden vom Eigentum an einer Baute oder eines Bauteils oder einer Pflanze Baurecht Leitungen Überragende Bauten Überbaurecht Pflanzungsrecht (Art. 678 ZGB) dem Baurecht entsprechende Dienstbarkeit für Pflanzen und Anlagen von Pflanzen Facetten des Eigentumsrechts 56
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