Autorin: Janet Souter Übersetzung: Romy Fischer Redaktion der deutschen Ausgabe: Klaus H. Carl. Seite 4: Porträt von Georgia O'Keeffe

Transkript

1 O Keeffe

2 Autorin: Janet Souter Übersetzung: Romy Fischer Redaktion der deutschen Ausgabe: Klaus H. Carl Seite 4: Porträt von Georgia O'Keeffe Layout: Baseline Co. Ltd. 61A-63A Vo Van Tan Street 4. Etage Distrikt 3, Ho Chi Minh City Vietnam Confidential Concepts, worldwide, USA Parkstone Press International, New York, USA Image-Bar Estate O'Keeffe / Artists Rights Society, New York, USA Weltweit alle Rechte vorbehalten. Soweit nicht anders vermerkt, gehört das Copyright der Arbeiten den jeweiligen Fotografen, den betreffenden Künstlern selbst oder ihren Rechtsnachfolgern. Trotz intensiver Nachforschungen war es aber nicht in jedem Fall möglich, die Eigentumsrechte festzustellen. Gegebenenfalls bitten wir um Benachrichtigung. ISBN:

3 Mir wurde klar, dass ich mit Farben und Formen Dinge sagen konnte, die ich auf keinerlei andere Weise auszudrücken vermochte Dinge, für die mir die Worte fehlten. Georgia O Keeffe 3

4 MS OKeeffe 4C.qxp 3/27/ :22 AM Page 4

5 Biografie 1887 Georgia O Keeffe wird am 15. November 1887 in Sun Prairie, Wisconsin, als zweites von sieben Kindern der Eheleute Francis Calyxtus O Keeffe und Ida (Totto) O Keeffe geboren Umzug der Familie nach Virginia. Georgia nimmt fünf Jahre lang Kunstunterricht Kunststudium am Art Institute of Chicago Studium an der Art Students League of New York Auszeichnung der Art Students League mit dem William Merritt Chase-Preis für Stillleben für ihr Ölgemälde Ohne Titel bzw. Mona Shehab (Toter Hase mit Kupfertopf) Sie nimmt zeitweise Abschied von der Malerei, um sich einer Karriere als Grafikerin und damit hauptsächlich der Illustration von Werbeanzeigen zu widmen Sie unterrichtet Kunst in Amarillo (Texas) und an der University of Virginia Sie unterrichtet Kunst am Columbia College in South Carolina. Auf der Suche nach ihrem eigenen Stil beginnt sie zur selben Zeit, abstrakte Kohlezeichnungen anzufertigen Sie schickt diese Bilder an ihre Freundin Anita Pollitzer, die sie dem angesehenen Fotografen Alfred Stieglitz zeigt. Georgia kehrt nach New York zurück, um am Teachers College zu lehren Ihre allererste Ausstellung eröffnet im April in Alfred Stieglitz Galerie in New York Alfred Stieglitz bietet ihr finanzielle Unterstützung an, damit sie für ein Jahr in New York malen kann. Sie widmet sich erstmals ihren Blumen, die noch heute den bekanntesten Teil ihres Werkes ausmachen Ihr Interesse an der Ölmalerei wächst; sie schafft abstrakte Gemälde, u. a. Landschaften und Stillleben Von 1923 an scheut Alfred Stieglitz bis an sein Lebensende keine Mühen, um O Keeffe und ihre Arbeiten bekannt zu machen, und er organisiert jährliche Ausstellungen in der Anderson Gallery ( ), in der Intimate Gallery ( ) sowie in der Galerie An American Place ( ) Hochzeit von Georgia O Keeffe und Alfred Stieglitz Sie ziehen in das New Yorker Shelton Hotel, wo sie insgesamt zwölf Jahre wohnen bleiben. Das Apartment befindet sich im dreißigsten Stock und bietet eine uneingeschränkte Aussicht auf New York, die Georgia mehrfach malerisch festhält Im Brooklyn Museum wird ihr eine Ausstellung gewidmet. 5

6 6

7 1928 Sie verkauft sechs Gemälde mit Lilien und erhält dafür die Rekordsumme von Dollar, die sie ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit rückt. Nichtsdestotrotz verspürt Georgia O Keeffe den Drang, erneut zu reisen, um neue Quellen der Inspiration für sich zu entdecken Sie bricht Richtung Osten, nach Taos in New Mexico, auf. Diese Reise soll ihr Leben verändern; sie entdeckt eine Landschaft voll rauer Schönheit und unendlicher Weite. Sie begibt sich zum Malen in die Berge und in die Wüste der Region und verewigt die historische Franz von Assisi-Missionskirche in Ranchos de Taos. Bis zum Tod von Stieglitz kehrt sie jeden Sommer in ihr Land zurück Sie malt ihre ersten Skelette Sie wird in New York wegen nervöser Erschöpfung in ein Krankenhaus eingeliefert Georgia besucht erstmals die Ghost Ranch und weiß sofort, dass sie dort leben möchte Große Ausstellung ihrer Werke am Art Institute of Chicago Sie kauft ein verlassenes Farmgrundstück in dem nahe der Ghost Ranch gelegenen Dorf Abiquiú Im Museum of Modern Art in New York wird ihr eine Ausstellung gewidmet; damit ist sie die erste weibliche Künstlerin, der in diesem Museum die Ehre einer Ausstellung zuteil wird. Am 13. Juli stirbt Alfred Stieglitz Sie lässt sich in Santa Fe, New Mexico, nieder, wo sie bis zu ihrem Tod lebt Georgia wird zu einem der 50 Mitglieder der American Academy of Arts and Letters ernannt die höchste künstlerische Ehrung des Landes Sie unternimmt viele Reisen, zunächst nach Mexiko, dann nach Peru, Indien, Griechenland und Ägypten, die einen großen Einfluss auf ihre Malerei haben sollen Im Alter von 84 Jahren lässt ihre Sehkraft so sehr nach, dass sie die Malerei 1972 gezwungenermaßen einstellt In Zusammenarbeit mit ihrem Freund Juan Hamilton verfasst sie ein Buch über ihre Kunst und gestattet zudem das Filmen einer Dokumentation über ihr Leben auf der Ghost Ranch Georgia O Keeffe stirbt am 6. März im Alter von 98 Jahren in Santa Fe, New Mexico Anlässlich ihres hundertsten Geburtstags widmet man O Keeffe ein Jahr nach ihrem Tod eine wichtige Sonderausstellung, die zunächst die National Gallery of Art in Washington, D.C., dann das Art Institute of Chicago, das Dallas Museum of Art, das Metropolitan Museum of Art in New York und schließlich das Los Angeles County Museum of Art beherbergen Einrichtung der Georgia O Keeffe-Stiftung zur Erhaltung ihres Andenkens sowie zur würdigen Verwaltung ihres Nachlasses. 7

8 Georgia O Keeffe hat uns mit ihrer Fähigkeit, beim Anblick des kleinsten Details einer Blume oder der unendlichen Weite einer Landschaft im Südwesten der USA in Staunen zu geraten, in ihren Bann gezogen. Je mehr sie sich zurückzog, desto mehr fühlte sich die Weltöffentlichkeit zu ihr hingezogen. Doch was genau macht den auch heute noch starken Einfluss ihres künstlerischen Vermächtnisses aus? Spezial No Pastell auf Papier, 35,6 x 49,5 cm Schenkung der Georgia O Keeffe-Stiftung Smithsonian American Art Museum, Washington, D.C. 8

9 9

10 Natürlich erkennen wir Blumen, Knochen oder Gebäude, wenn wir sie sehen. Doch in O Keeffes Bildern geht es auch um die Art des Sehens. Wie oft machen wir einen Strandspaziergang oder beschreiten einen Wanderweg, ohne wirklich die filigrane Muschel oder die feinen Schattierungen eines Kieselsteins gewahr zu werden, oder treten eine heruntergefallene Dachschindel einfach beiseite. Und wenn wir durch die Wüste fahren, schützen wir unsere Augen gegen die Sonne, blinzeln und übersehen Blaue Linien No Aquarell, 63,5 x 48,3 cm The Metropolitan Museum of Art, New York 10

11

12 ausgerechnet in diesem Moment den Totenschädel, der die Geschichte eines ganzen, längst verblichenen Lebens erzählt. Georgia bezog all diese Dinge nicht nur mit ein, sondern richtete den Fokus auf sie und zwang uns dadurch, deren Bekanntschaft zu machen. Dann setzte sie sie zusätzlich in einen die Fantasie anregenden Kontext. Die Überreste eines über dem Wüstenhorizont schwebenden Elchschädels oder die harten Umrisse eines New Yorker Wolkenkratzers im Mondschein entführen uns für kurze Zeit in eine andere Welt. Abstraktion IX 1916 Kohle auf Papier, 61,5 x 47,5 cm The Metropolitan Museum of Art, New York 12

13

14 Ihr persönliches Leben führte anderen Frauen zunächst die Möglichkeit vor Augen, das Beste in sich zu entdecken und aus sich herauszuholen ein heutzutage leichteres, aber in Georgias Jugendjahren eher schwieriges Unterfangen. Ihre reiferen Jahre können denjenigen unter uns als Beispiel dienen, für die das Leben nach Überschreiten des 60. Lebensjahres bergab zu gehen scheint. Noch weit über neunzig und mit nachlassender Sehkraft fand sie Wege, auszudrücken, was sie sah und wie sehr sie diese Eindrücke zu stimulieren vermochten. Spezial No Öl auf Karton, 34 x 41 cm Museum of New Mexico, Santa Fe 14

15 15

16 Bis heute ist ihr Werk noch genauso leuchtend, unverbraucht und mitreißend wie vor beinahe hundert Jahren. Warum? Weil ihre Gemälde trotz der einfachen Ausführung ein Gefühl der Ordnung, des Gutüberlegtseins, von Beständigkeit vermitteln und dabei dennoch als Hilfsmittel dienen, unser aller Augen für den sinnlichen Genuss einer Blume, die Endgültigkeit eines ausgeblichenen Totenschädels und die Energie eines Sonnenuntergangs im amerikanischen Westen zu öffnen. No Spezial 1916 Öl auf Karton, 33 x 43,8 cm Georgia O Keeffe Museum, Santa Fe 16

17 17

18 Georgia Totto O Keeffe wurde am 15. November 1887 auf einer Farm in der Nähe des Dorfes Sun Prairie, Wisconsin, als erste Tochter und zweites Kind der Eheleute Francis und Ida Totto O Keeffe geboren. Georgias Kindheit war ausgesprochen ereignisarm, da sie ihre frühen Jahre sowie ihre Jugend auf dem großen Familienanwesen nahe Sun Prairie in einer von Ackerland bestimmten sanften Hügellandschaft verbrachte. An den Abenden sowie an Regentagen las die Mutter Abend 1916 Aquarell auf Papier, 22,5 x 30,4 cm Georgia O Keeffe Museum, Santa Fe 18

19 19

20 Ida O Keeffe, die an den hohen Stellenwert von Bildung glaubte, ihren Kindern aus Büchern wie James Fenimore Coopers Romanzyklus Lederstrumpf oder Wildwest- Geschichten vor. Ida hatte einen Großteil ihrer Kindheit auf einer Farm nahe dem O Keeffe schen Anwesen zugebracht. Als ihr Vater George die Familie verließ, um in sein Heimatland Ungarn zurückzukehren, zog Idas Mutter Isabel mit den Kindern nach Madison, Aktserie VIII 1917 Aquarell, 45,7 x 34,3 cm Georgia O Keeffe Museum, Santa Fe 20

21

22 Wisconsin, wo letztere Aussicht auf eine klassische Ausbildung hatten. Ida genoss es, dort ihren intellektuellen Interessen nachzugehen, und dachte als Jugendliche sogar daran, den Arztberuf zu ergreifen. Doch schließlich stattete Francis O Keeffe, der sie als attraktives Mädchen von der Nachbarsfarm in Erinnerung hatte, ihr in ihren späten Jugendjahren regelmäßig Besuche in Madison ab, bis er schließlich um ihre Hand anhielt. In den darauffolgenden Berg in Blau und Rosa 1917 Aquarell auf Papier, 22,5 x 30,4 cm Georgia O Keeffe Museum, Santa Fe 22

23 23

24 Jahren kam es nur selten vor, dass Ida nicht entweder schwanger war oder stillte. Sie war nun eine Farmersfrau, deren Bildungsweg vorzeitig abgeschnitten worden war. Sie wollte, dass es ihre Kinder besser hatten, und so klammerte sie sich in den nächsten paar Jahren an die Überzeugung, dass es ihre Kinder vor einem weiteren Abstieg in der sozialen Rangordnung bewahren könne, wenn man sie einem ausreichenden Maß an Kultur aussetzte und ihnen eine umfassende Bildung zuteil werden ließe. Rote Mesa 1917 Aquarell, 22,9 x 30,5 cm Privatsammlung 24

25 25

26 Ida erachtete es außerdem als wichtig, dass ihre Töchter die nötigen Fähigkeiten erwarben, um sich im Fall der Fälle auch allein durchschlagen zu können. Neun Jahre lang legte die kleine Georgia den kurzen Weg zur Dorfschule, die in einem einzelnen Raum des Rathauses untergebracht war, zu Fuß zurück. Vielleicht lag es an der großen Bedeutung, die ihre Mutter der Bildung beimaß, dass die schmächtige Georgia mit den dunklen Haaren und den wachen braunen Augen bei ihren Nachbarn und Lehrern den Ruf eines klugen, wissbegierigen kleinen Mädchens hatte. Licht fällt auf die Ebene II 1917 Aquarell, 30,5 x 20,3 cm Amon Carter Museum, Fort Worth 26