Die neue Strafprozessordnung eine kurze Zusammenfassung
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- Lorenz Gerhardt
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1 Die neue Strafprozessordnung eine kurze Zusammenfassung Dr. Klaus Hellwagner Einleitung: Mit ist eine grundlegende Änderung der Strafprozessordnung in Kraft getreten (Bundesgesetz mit dem die Strafprozessordnung neu gestaltet wird, BGBl 2004/19, StrafprozessreformG). Ärzte und vor allem Anästhesisten laufen in ihrer normalen Berufstätigkeit ständig in Gefahr mit dem Strafrecht in Konflikt zu kommen. Eine Komplikation, ein Narkosezwischenfall oder ein Todesfall auf dem OP Tisch und es ergeht eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft, die Ermittlungen einleitet. Die Änderung der Strafprozessordnung hat dieses strafrechtliche Ermittlungsverfahren neu gestaltet. Diese Übersichtsarbeit soll die wichtigsten Änderungen in verständlicher Form kurz zusammenfassen. Das Ermittlungsverfahren: Die alte Strafprozessordnung (StPO) kannte die staatsanwaltlich veranlasste richterliche Vorerhebung und die gerichtliche Voruntersuchung. In beiden Verfahren war der verfahrensbestimmende Teil der sog. Untersuchungsrichter, womit auch die Ermittlungen in einem Strafverfahren im wesentlichen von den Gerichten geführt wurden. Die neue StPO definiert nunmehr den einheitlichen Begriff des Ermittlungsverfahrens. Dieses beginnt sofort mit der Aufnahme von Ermittlungen durch die Kriminalpolizei oder den Staatsanwalt. Als weitere Grundlegende Änderung wird dieses Ermittlungsverfahren nicht mehr durch die Gerichte bzw. Untersuchungsrichter sondern durch die Staatsanwaltschaften durchgeführt. Der Untersuchungsrichter ist damit seit Teil der Rechtsgeschichte. 1
2 Der Staatsanwalt (StA) ist nunmehr Leiter des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens. Dieses Ermittlungsverfahren wird in Zusammenarbeit mit der Kriminalpolizei in einer sog. kooperativ-hierarchischen Handlungsgemeinschaft durchgeführt. Der ermittelnde Staatsanwalt entscheidet hierbei allein über Fortgang und Beendigung des Ermittlungsverfahrens. Gegen den Willen der Staatsanwaltschaft darf ein Ermittlungsverfahren weder eingeleitet noch fortgesetzt werden. Der Kriminalpolizei 1 obliegt es die Anordnungen der Staatsanwaltschaft umzusetzen 2. Stellung der Kriminalpolizei: Die Kriminalpolizei hat von Amts wegen oder auf Grund einer Anzeige mit Ermittlungen zu beginnen und dies der Staatsanwaltschaft zu melden. Anordnungen der Staatanwaltschaft hat sie zu befolgen. Ermittlungen sind von der Kriminalpolizei aktenmäßig festzuhalten ( 100 Abs 1 StPO) und im Wege von Anfallsberichten, Anlassberichten, Zwischenberichten und Abschlussberichten der Staatsanwaltschaft mitzuteilen. Die Kriminalpolizei kann bei Gefahr im Verzug Ermittlungsmaßnahmen auch ohne Bewilligung oder Anordnung der Staatsanwaltschaft durchführen, hat aber unverzüglich diese Anordnungen bzw. Genehmigungen einzuholen ( 99 Abs 2 ivm 102 Abs 1 StPO). Gegen den erklärten Willen der Staatsanwaltschaft darf die Kriminalpolizei nicht ermitteln bzw. ein begonnenes Ermittlungsverfahren fortsetzen ( 101 Abs 1 StPO). Beginn des Strafverfahrens: Entscheidend nach neuer StPO ist, dass das Strafverfahren bereits mit der Erhebung des Sachverhaltes beginnt. Eine Vorklärung des Verdachtes bzw. der Anschuldigung einer bestimmten Person und somit die Teilung in eine formfreie 1 18 Abs 1 StPO: Kriminalpolizei besteht in der Wahrnehmung von Aufgaben im Dienste der Strafrechtspflege (Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG), insbesondere in der Aufklärung und Verfolgung von Straftaten nach den Bestimmungen dieses Gesetzes. Abs 3 : Soweit in diesem Gesetz der Begriff Kriminalpolizei verwendet wird, werden damit die Sicherheitsbehörden und dienststellen sowie ihre Organe (Abs 2) in Ausübung der Kriminalpolizei bezeichnet Abs 1 StPO: Die Kriminalpolizei ermittelt von Amts wegen oder auf Grund einer Anzeige; Anordnungen der Staatsanwaltschaft hat sie zu befolgen. 2
3 Aufklärungsphase und ein förmliches Verfahren gibt es in der neuen StPO nicht mehr. Eine entscheidenden Änderung im neuen Verfahren bezieht sich auf die Stellung der Person die bereits bei den ersten kriminalpolizeilichen Ermittlungsschritten als beschuldigte Person (materielle Beschuldigung im Gegensatz zur formellen Beschuldigung) gilt. Somit stehen jedem Beschuldigten ab dem ersten Ermittlungsschritt alle Verteidigungsrechte (Antragsrecht, Beschwerderecht) zu. Stellung der Gerichte: Die neue StPO kennt keinen Untersuchungsrichter mehr und auch keine gerichtliche Voruntersuchung. Die Rolle der Richter wird als Haft- und Rechtsschutzrichter neu definiert. Weiterhin durch das Gericht durchzuführen ist die Tatrekonstruktion, die kontradiktorische Vernehmung von Zeugen und Beschuldigten und die Aufnahme von Beweisen. Die Aufnahme von Beweisen kann von Amts wegen erfolgen oder auf Antrag. Vom Gericht genehmigt werden müssen weiterhin die Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft sowie bestimmte andere Zwangsmittel ( 105 Abs 1) 3. Wenn es zur Entscheidung über einen Antrag nach Abs 1 ( 105 Untersuchungshaft) aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen erforderlich ist, kann das Gericht auch weitere Ermittlungen durch die Kriminalpolizei anordnen oder selbst von Amtswegen vornehmen. Allein das Gericht entscheidet über die Zulässigkeit freiheitsentziehender Zwangsmaßnahmen und andere Eingriffe in verfassungsrechtlich geschützte subjektive Rechte, wie Beschlagnahme ( 115 Abs 2), Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft ( 174ff) sowie Sicherstellung von schriftlichen Aufzeichnungen oder Datenträgern aufgrund eines Widerspruches (1) StPO: Das Gericht hat über Anträge auf Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft sowie auf Bewilligung bestimmter anderer Zwangsmittel zu entscheiden. Für die Durchführung einer von ihm bewilligten Maßnahme ( 101 Abs. 3) hat das Gericht eine Frist zu setzen, bei deren ungenütztem Ablauf die Bewilligung außer Kraft tritt. 3
4 Die Staatsanwaltschaft ist berechtigt Zwangsmittel anzuordnen, bedarf aber einer gerichtlichen Bewilligung bei Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte ( 116 Abs 2), Durchsuchung einer Person oder einer Wohnung ( 120 Abs 1), körperliche Untersuchung ( 123 Abs 3), molekulargenetische Analyse ( 124 Abs 2), Überwachung von Nachrichten sowie optische und akustische Überwachung von Personen ( 137 Abs 1), automationsunterstützter Datenabgleich ( 142 Abs 1) und die Festnahme ( 171 Abs 1) 4. Conclusio: Die neue Strafprozessordnung bringt eine klare Strukturierung des Strafverfahrens und trennt die Rechtschutzinstanzen (Gerichte) von den Ermittlungsbehörden (Staatsanwalt und Kriminalpolizei). Für den einzelnen Arzt neu und zu beachten ist, dass er/sie sofort ab Einleitung eines Ermittlungsverfahrens als Beschuldigter im materiellen Sinn gilt. Dies ist einerseits nicht gefahrlos, da es der medialen Vorverurteilung massiv Vorschub leistet. Andererseits für das Verfahren aber von Vorteil, da man als Beschuldigter auch sofort eine rechtlich genau definierte und auch geschützte Stellung im Ermittlungsverfahren bekommt. Jeder Beschuldigte hat das Recht über Beweisanträge und Einsprüche das Ermittlungsverfahren mitzugestalten, was im Zuge der Vorerhebungen nach alter StPO nicht der Fall war. Bisher konnten Beweisanträge erst mit Einleitung der gerichtlichen Voruntersuchung gestellt werden, d.h. zu einem weiter fortgeschrittenen Zeitpunkt des Verfahrens. Obwohl die materielle Beschuldigung in der medialen Aufarbeitung deutliche Nachteile bringen kann, ist sie für den mit einem Ermittlungsverfahren konfrontierten Arzt von Vorteil, da bereits ab dem ersten Ermittlungsschritten Instrumente des Rechtsschutzes in Anspruch genommen werden können. 4 Die Festnahme auf Grund der StPO ist von der Festnahme und Anhaltung nach Sicherheitspolizeigesetz (SPG) zu unterscheiden. Erstere Bedarf der Genehmigung durch das Gericht und darf nur bei Gefahr im Verzug ohne diese Genehmigung vorgenommen werden. 4
5 Der beschuldigte Arzt/Ärztin und sein/ihr Rechtsvertreter sind aber damit auch gefordert bereits frühzeitig am Ermittlungsverfahren aktiv teilzunehmen und über die entsprechenden Beweisanträge seine/ihre Sicht in das Ermittlungsverfahren einzubringen. Einspruch wegen Rechtsverletzung ( 106 StPO) 5 steht im neuen Ermittlungsverfahren jeder Person zu, die behauptet durch Handeln der Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft unmittelbar in einem subjektiven Recht verletzt worden zu sein. Zu beachten ist jedoch, dass das Gericht nur über die Einhaltung der Bedingungen und Förmlichkeiten der StPO befinden kann, Maßnahmenzulässigkeit nach Sicherheitspolizeigesetz (SPG) ist weiterhin durch die unabhängigen Verwaltungssenate zu prüfen. Eine formelle Anklageerhebung als Abschluss des Ermittlungsverfahrens durch den Staatsanwalt darf nach StPO nur dann erfolgen, wenn das vorhandene Beweismaterial nach Ansicht des Staatsanwaltes für eine Verurteilung ausreichen wird. Andernfalls ist das Ermittlungsverfahren einzustellen, gegebenenfalls ist eine Diversion 6 einzuleiten. Kommentar: (1) StPO: Einspruch an das Gericht steht im Ermittlungsverfahren jeder Person zu, die behauptet, durch Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei in einem subjektiven Recht verletzt zu sein, weil 1. ihr die Ausübung eines Rechtes nach diesem Gesetz verweigert oder 2. eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme unter Verletzung von Bestimmungen dieses Gesetzes angeordnet oder durchgeführt wurde. Eine Verletzung eines subjektiven Rechts liegt nicht vor, soweit das Gesetz von einer bindenden Regelung des Verhaltens von Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei absieht und von diesem Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde. 6 Strafrechtlich gesehen versteht man unter Diversion Möglichkeiten, auf die Durchführung eines förmlichen gerichtlichen Strafverfahrens zu verzichten. Nach erfolgreicher Diversion wird ein Strafverfahren endgültig eingestellt. 5
6 Die neue StPO erfordert ein gewisses Umdenken, da man sich sofort ab Beginn der ersten Ermittlungsschritte mit der Stellung als Beschuldigter konfrontiert sieht. Andererseits ist durch die neue StPO die Vorerhebung abgeschafft worden, was allen Beteiligten ermöglicht sofort Rechtsmittel im Ermittlungsverfahren zu ergreifen. Man ist im Ermittlungsverfahren in erster Linie mit der Staatsanwaltschaft konfrontiert und nicht mehr mit dem Untersuchungsrichter, den die neue StPO nicht mehr kennt. Schön wäre es wenn durch die Änderung der StPO (StrafrechtsänderungsG) die Strafverfahren gegen Ärzte zumindest abgekürzt werden könnten. 6
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