Der Gemeinderat als Berufungsbehörde
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- Victor Kirchner
- vor 8 Jahren
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1 Der Gemeinderat als Berufungsbehörde Amtsleiterseminar 2012 St. Wolfgang
2 Parteiengehör ( 45 Abs.3 AVG) Verfahrensparteien ist Gelegenheit zu geben, vom Beweisergebnis Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Parteiengehör ist einzuräumen: - von amtswegen - ausdrücklich - in förmlicher Weise - unter Einräumung einer angemessenen Frist
3 Parteiengehör-Möglichkeiten Übersenden des Gutachtens plus angemessene Stellungnahmefrist (Regelfall) Hinweis Gutachten und Einladung zur Akteneinsicht plus Stellungnahmefrist Mitteilen des wesentlichen Inhalts des Gutachtens plus Stellungnahmefrist (Gefahr des Übersehens von wichtigen Inhalten)
4 Parteiengehör ( 45 Abs.3 AVG) Parteiengehörverletzung in der Erstinstanz kann grundsätzlich auch noch im Berufungsverfahren saniert werden (Achtung : 6 Monatsentscheidungsfrist!) Verletzung des Parteiengehörs kann bei Wesentlichkeit Bescheidaufhebung aufgrund Verfahrensmangel bewirken Name des Vortragenden
5 (herkömmliche) Gemeinderatssitzung Befangenheit ( 64 Oö. GemO) Gemeinderatsmitglieder sind von Beratung und Beschlussfassung ausgeschlossen wenn: in eigener Sache verwandte oder verschwägerte Person (Verfahrens)Parteibevollmächtigter sonstige wichtige Gründe (Freund-, Feindschaft)
6 Berufungssitzung Befangenheit ( 7 AVG; 76 BAO) 64 (7) Oö. GemO: im Behördenverfahren gilt dortige Befangenheitsvorschrift! im wesentlichen inhaltsgleiche Bestimmungen 2 Ausnahmen: - kein Befangenheitsbeschluss isd 64 (5) Oö. GemO möglich - absolute Befangenheit des Bgm im Berufungsverfahren, wenn er (persönlich) an der Erlassung des Erstbescheides mitgewirkt hat
7 Berufungssitzung Befangenheit Befangenheit ist selbst wahrzunehmen bei Missachtung liegt Verfahrensmangel, der zur Bescheidaufhebung führen kann in 2 Fällen jedenfalls wesentlich - wenn bei Abwesenheit des (der) Befangenen Beschlussfähigkeit nicht gegeben wäre (Befangene werden dabei nicht mitgezählt) - wenn ohne den (die) Befangenen die erforderliche Mehrheit nicht zustande gekommen wäre
8 Berufungssitzung Einberufung ( 45 Abs.3 Oö. GemO) Jedes! Gratsmitglied ist von der Sitzung mind. 7 Tage (in dringenden Fällen 24 h) vorher schriftlich zu verständigen Verständigung hat nachweisbar zu erfolgen, es sei denn die Sitzung ist bereits im Sitzungsplan ( 45 Abs.1) enthalten Ordentliche Einberufung wichtig izshgm Recht auf den gesetzlichen Richter
9 Ersatzmitglieder Einberufung ( 47 Abs.1 Oö. GemO). von Verständigungsvorschriften kann insoweit abgegangen werden, als es zur rechtzeitigen Verständigung der Ersatzmitglieder erforderlich ist Ersatzmitglieder sind vom Bgm! (und nicht etwa vom Fraktionsobmann oder vom Verhinderten) in der Reihenfolge der Ersatzliste ( 75 Abs.2 KWO) einzuberufen
10 Berufungssitzung Abstimmung ( 51 Oö. GemO) für Beschluss ist die Zustimmung von mehr als der Hälfte der in beschlussfähiger Anzahl anwesenden Stimmberechtigten erforderlich Stimmenthaltung = Antragsablehnung (kein neutrales Stimmverhalten möglich) kommt Mehrheit nicht zustande, so ist (nur) der betreffende Antrag abgelehnt offene, geheime, namentliche Abstimmung
11 Berufungssitzung Vorsitz ( 36,48 Oö. GemO) Vorsitzbestimmungen sind zwingend! Ist Bgm rechtlich (Befangenheit) oder faktisch verhindert hat (haben) der (die) Vizebürgermeister bzw. falls auch diese(r) verhindert ist (sind), das (lebens)älteste Gemeinderats(ersatz)mitglied der Bürgermeisterfraktion Vorsitz zu führen
12 Berufungssitzung Öffentlichkeit ( 53 Oö. GemO) Grundsätzlich kann jedermann (insb. also auch der Berufungswerber und/oder sein Anwalt) der Sitzung nach Maßgabe des vorhandenen Platzes als Zuhörer! beiwohnen mit (Hälfte)Beschluss Öffentlichkeitsausschluss (akustische und visuelle) Aufzeichnungen sind zulässig; im Einzelfall können mit (Hälfte)Beschluss diesbezügliche Einschränkungen verfügt werden
13 Berufungsverfahren Berufung bei Behörde I. einzubringen AVG : nur schriftliche Einbringung möglich BAO: auch mündliche (nicht aber telefonische) Einbringung Berufung hat Bescheidbezeichnung, Berufungsbegründung u. antrag zu enthalten bei Fehlen zunächst Verbesserungsauftrag ( 13 Abs. 3 AVG); bei dessen Erfolglosigkeit sodann Zurückweisung
14 Berufungsverfahren - Berufungsfrist AVG: zwei Wochen; keinesfalls erstreckbar BAO: ein Monat; (mehrmals) erstreckbar es reicht Postaufgabe (Poststempel) am letzten Tag der Frist; Postlauf wird nicht eingerechnet Beachte! vor Zurückweisung aufgrund Verspätung ( 66 Abs.4 AVG; 273 BAO) ist amtswegig dazu Parteiengehör einzuräumen
15 Sonstige Zurückweisungsfälle angefochtener Behördenakt ist kein Bescheid Berufungswerber hat keine Parteistellung (mehr) Berufung fehlt Schriftlichkeit Berufungsverzicht ( 63 AVG) und/oder Berufungsrücknahme entschiedene Sache (68 AVG) keine Rechts- und Handlungsfähigkeit
16 aufschiebende Wirkung rechtzeitige und zulässige Berufungen haben aufschiebende Wirkung ( 64 AVG) aufschiebende Wirkung kann ausgeschlossen werden, wenn vorzeitige Vollstreckung bei sonstiger Gefahr in Verzug dringend (!) geboten ist 254 BAO: trotz Berufung bleibt Abgabe fällig und vollstreckbar; Antrag auf Aussetzung ( 212a BAO)
17 Grundsatz: Sachentscheidung Berufungsbehörde hat in der Sache selbst (= meritorisch, reformatorisch) zu entscheiden. sehr weite Abänderungsbefugnis Berufungsbehörde ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an Stelle der der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern ( 66 Abs. 4 AVG)
18 Abänderungsbefugnis - Grenzen im Baubewilligungsverfahren bei Fehlen einer subjektiven Rechtsverletzung (zb Ortsbild) bei Eintritt von Präklusion an Verfahrensgegenstand (= Sache) des Erstbescheids gebunden Bindung an Rechtsansicht der Vorstellungsbehörde ( 102 Abs. 5 Oö. GemO)
19 Sachentscheidung Berufungsbehörde kann bei ihrer Sachentscheidung: die Berufung abweisen und Erstbescheid (EB) bestätigen der Berufung Folge geben und dabei a) den EB beheben und durch andere Sachentscheidung ersetzen (zb Baubewilligung erteilen) b) den EB abändern (zb zusätzliche Auflagen) c) den EB ersatzlos beheben
20 Sachentscheidung Berufungsbehörde kann über den Gegenstand im vollen Umfang und gegebenenfalls auch zum Nachteil des Berufungswerbers entscheiden (kein Verschlechterungs- bzw. Verböserungsverbot )
21 Ersatzlose Bescheidaufhebung ( 66 Abs.4 AVG) Ersatzlose Bescheidaufhebung bei: - Unzuständigkeit der Erstbehörde - bei ohne Rechtsgrundlage erfolgter Entscheidung der Erstbehörde - im Falle antragsbedürftiger Verwaltungsakte (zb Baubewilligung) bei späterem Wegfall des verfahrenseinleitenden Antrags
22 Änderungen der Sach- und/oder Rechtslage im Berufungsverfahren eingetretene Änderungen sind grdstzl. zu berücksichtigen Ausnahme: falls Übergangsbestimmungen anderes festlegen maßgeblich ist die zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung geltende Lage
23 Bescheidbehebung u. Zurückverweisung (kassatorische Entscheidung; 66 Abs.2 AVG) Sonder- und Ausnahmefall: nur falls Sachverhalt von der Erstinstanz so mangelhaft ermittelt wurde, dass eine mündliche Verhandlung notwendig erscheint Regelfall: ergänzende Ermittlungen im laufenden Berufungsverfahren und dortiges Parteiengehör Partei hat Rechtsanspruch auf Einhaltung
24 Beachte! die Berufungsentscheidung ist weder eine politische noch eine Gefühls-; Bauch - oder Ermessensentscheidung sondern ausschließlich eine Rechtsentscheidung dabei soll(t)en allfällig anders gelagerte Gemeinde-, Wähler- und/oder Fraktionsinteressen keine Rolle spielen bei Missachtung sind straf- und/oder zivilrechtliche Folgen nicht ausgeschlossen
25 Amtsmissbrauch - Amtshaftung Amtsmissbrauch ( 302 StGB): im Strafrecht begründet; Wissentlichkeit erfordert; Schuld wird individuell beurteilt; höchstpersönliche Verantwortung (Strafurteil), welche keine! Versicherung abnimmt. Amtshaftung (Amtshaftungsgesetz): im Zivilrecht begründet; eine Art Schadenersatz; es haftet zunächst nur der Rechtsträger (= Gemeinde) ab leichter Fahrlässigkeit; nach Ersatz sodann Regress gegen Stimmführer
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