Ammoniak in der Landwirtschaft

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1 Ammoniak in der Landwirtschaft Inputpapier der Arbeitsgruppe Landwirtschaft/Umweltschutz zuhanden IBKU, Überblick, Inhalt des Inputpapiers Dieses Inputpapier bietet einen Überblick über die AmmoniakProblematik in der Landwirtschaft. Als erstes werden Begriffe definiert (Definition/Eigenschaften) und eine Situationsanalyse vorgenommen (Quellen/Emissionen, Immissionen, Deposition, Auswirkungen). Danach werden die Ziele der IBKLänder erläutert und Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt (Massnahmen in der Landwirtschaft). Am Schluss werden mögliche Aufgaben einer neuen Arbeitsgruppe Ammoniak in der Landwirtschaft skizziert. Definition/Eigenschaften Ammoniakverluste aus der Landwirtschaft entweichen in die Atmosphäre, in Böden und Oberflächengewässer. Das gasförmige Ammoniak (NH 3 ) ist gut wasserlöslich. Man findet es deshalb nicht nur in der Luft, sondern kann es auch in oxidierter Form als Ammonium (NH + 4 ) in Regen, Nebel oder Tau nachweisen. Die Depositionsgeschwindigkeit für NH 3 ist hoch. Ammoniak deponiert trocken innert weniger Stunden in der Nähe der Quelle. Schon niedrige Konzentrationen können eine wesentliche zusätzliche Düngungswirkung haben. Im Gegensatz zu Ammoniak wird Ammonium weiter von der Quelle wegtransportiert, weil sich das Ammoniak mit sauren Luftschadstoffen (z.b. Schwefeldioxid, Stickstoffoxide) relativ schnell zu Ammoniumsalzen umwandelt und als Sekundäraerosol länger in der Atmosphäre verweilt. Quellen/Emissionen Ammoniak entsteht, wenn Eiweiss oder Harnstoff in den Exkrementen der Nutztiere zersetzt wird. Hauptemittent ist die Tierhaltung und hier speziell die Rinder und Schweinehaltung (ca. 71% der landwirtschaftlichen NH 3 Emissionen; LfU 2004). Die landwirtschaftlichen NH 3 Emissionen entstehen zum grössten Teil in den Tierställen (LfU 2004: ca. 30%, BUWAL 2005a: ca. 30% Schätzung für 2020), bei der (LfU 2004: ca. 32%, BUWAL 2005a: ca. 45%) und Lagerung (LfU 2004: ca. 16%, BUWAL 2005a: ca. 10%) von Gülle, Jauche oder Festmist (vgl. Figuren 1 und 2). Nur rund 3% der NH 3 Emissionen aus der Tierhaltung entstehen beim Weidegang. Beim Einsatz von Mineraldüngern kann es ebenfalls zu mengenmässig bedeutsamen AmmoniakEmissionen kommen (LfU 2004: ca. 18% der landwirtschaftlichen NH 3 Emissionen, BUWAL 2005a: ca. 5%), da bis zu 20% der ausgebrachten Stickstoffmenge (N) als NH 3 entweichen kann (LfU 2004). Die Emissionen hängen von der chemischen Zusammensetzung und Anwendung des Düngemittels ab (z.b. Ammoniumsulfat ca. 15%, Ammoniumnitrat und Harnstoff ca. 10%, Ammoniumphosphat ca. 5%). Auch Bodenfaktoren wie der phwert, die Durchlüftung und die Temperatur spielen eine Rolle. Der landwirtschaftliche Anteil der NH 3 Emissionen beträgt gemäss Schätzungen für Deutschland und die Schweiz rund 95% (LfU 2004, BUWAL 2005a). Die übrigen 5% stammen vorwiegend aus dem Strassenverkehr und der Industrie sowie aus natürlichen Quellen (Wälder, Wildtiere etc., < als 2%). Die NH 3 Emissionen in Deutschland betrugen 1990 insgesamt ca t und sanken bis 1999 auf ca t (LfU 2004). Die Schweiz (ca. 35 kg NH 3 N/ha) und Deutschland (ca. 27 NH 3 N/ha) zählen im Jahr 2000 im europäischen Vergleich zu den Ländern mit sehr hohen NH 3 Emissionen pro Hektare Landwirtschaftsfläche, während Österreich (ca. 16 NH 3 N/ha) sich im unteren Mittelfeld befindet (BUWAL 2005b). IBK/INFRAS/econcept AMMONIAK IN DER LANDWIRTSCHAFT Seite 1

2 AMMONIAKEMMISSIONEN IN DEUTSCHLAND Natürliche Quellen Verbrennung fossiler Brennstoffe Industrie Landwirtschaft Lagerung Mineraldünger Stall, Laufhof Weidegang Figur 1 AmmoniakEmissionen in Deutschland gesamt und aus der Landwirtschaft. Quelle: Döhler et al. 2002, in: LfU AMMONIAKEMISSIONEN IN DER SCHWEIZ Natürliche Quellen Motorisierter Verkehr Landwirtschaft Lagerung Landwirtschaftl. Nutzflächen Industrie, Gewerbe, Haushalte Stall, Laufhof Mineraldünger Weidegang Figur 2 AmmoniakEmissionen in der Schweiz: Trend für Quelle: BUWAL 2005a. Immissionen Für die Schweiz liegen für das Bezugsjahr 2000 Immissionsmodellrechnungen für NH 3 und NH + 4 vor. Ein Vergleich von Emissions und Immissionskarten zeigt deutlich, dass die AmmoniakImmissionen dort hoch sind, wo auch die Emissionen stattfinden. Die maximalen Immissionskonzentrationen treten in den Landwirtschaftszonen in der Zentralschweiz (rund um den Sempachersee) und in der Ostschweiz (Region St.GallenFrauenfeld, Kanton Appenzell Innerrhoden) auf. Diese Gebiete sind mit mehr als 56 µg/m 3 im Jahresmittel belastet. IBK/INFRAS/econcept AMMONIAK IN DER LANDWIRTSCHAFT Seite 2

3 Deposition Die Stickstoffdüngung aus der Luft ist über die letzten zehn Jahre unverändert hoch geblieben. Die Hauptbelastung tritt jeweils während der Vegetationsperiode auf. Für die gesamte Ostschweiz wurden die AmmoniakDepositionen aus der Viehhaltung und dem Düngereinsatz modelliert (Projekt OSTLUFT). So wurden in der Ostschweiz im Umfeld von Tiermastbetrieben dreimal höhere Stickstoffeinträge gemessen als auf extensiv bewirtschafteten Flächen und der Stickstoffniederschlag liegt rund 25% über dem Schweizer Durchschnitt. In Regionen mit grossen Viehdichten sind jährliche Stickstoffeinträge mit bis zu über 20 kg/ha enorm hoch. Neben den Stickoxiden, die von Verkehr, Industrie und Hausfeuerungen stammen, stellen insbesondere auch die von der Landwirtschaft verursachten Ammoniak resp. AmmoniumDepositionen ein Umweltproblem, Stickstoffdüngung aus der Luft, dar. Bis zu drei Vierteln der gesamten Stickstoffeinträge können dem Ausstoss von Ammoniak aus der Landwirtschaft zugeschrieben werden (Schätzung BUWAL 2005b: 59% im Schweizer Durchschnitt). Landwirtschaftliche Quellen haben in den vergangenen zehn Jahren einen wachsenden Anteil an der gesamten Stickstoffbelastung übernommen, im Unterschied zu den sinkenden Verkehrsemissionen. Generell erweist es sich zum heutigen Zeitpunkt als schwierig, verlässliches, transparentes Zahlenmaterial für die NH 3 Belastung der Luft zu beschaffen, weil die Ammoniakverluste auch direkt in Böden und Gewässer stattfinden. Karten für NH 3 und NH + 4 Depositionen in der Schweiz zeigen, dass Ammoniumeinträge nicht wie beim Ammoniak am Ort der Emission am höchsten sind, sondern dort, wohin sie vom Wind verfrachtet werden. Es existieren für die Schweiz auch Karten, auf denen die Überschreitungen der kritischen Stickstoffeinträge (Critical Loads) sichtbar sind. Nach Abschätzungen von OSTLUFT (OSTLUFT 2004) werden die Critical Loads in praktisch allen Waldgebieten der Ostschweiz überschritten. Empfindliche Gebiete wie Magerwiesen, Moore und Wälder in der Nähe von intensiv bewirtschafteten Wiesen und Äckern erhalten zum Teil schon durch Ammoniak einen Stickstoffeintrag, der die Critical Loads erreicht oder sogar überschreitet. In Gebieten mit hohen StickstoffEmissionen und Immissionen liegt die Überschreitung zum Teil bei mehr als 40 kg Stickstoff pro Hektare und Jahr. Dabei wird die hohe Stickstoffbelastung vorwiegend durch die Landwirtschaftsemissionen (NH 3, aber auch NH + 4 ) verursacht (BUWAL 2004 in INFRAS 2005). Auswirkungen Die Auswirkungen der hohen Ammoniakemissionen und des übermässigen Stickstoffeintrags in Ökosysteme sind zum heutigen Zeitpunkt gut bekannt. Ammoniak und sein Umwandlungsprodukt Ammonium zählen heute zu den wichtigsten Luftschadstoffen, die Ökosysteme belasten. Versauerung und Nährstoffanreicherung in Böden und Gewässern sind Folgen, die kaum oder nur sehr langfristig wieder ausgeglichen werden können. Das Ausmass dieser Belastung ist enorm: So waren 1990 in Deutschland fast 80% der natürlichen oder naturnahen Ökosysteme übersäuert und sogar 99% mit Nährstoffen überversorgt (LfU 2004). Die NH 3 Emissionen konnten in den letzten Jahren kaum verringert werden. Für die im Stall arbeitenden Menschen wirkt das Reizgas Ammoniak vor allem auf die Augen und die Schleimhäute des oberen Atemtraktes. Abhängig von Konzentration und Expositionsdauer kann es zu einem Brennen von Augen, Nase und Rachen sowie zu Atembeschwerden, Tränenfluss, Husten und einer Steigerung der Atemfrequenz kommen. In der Regel tritt bei geringen Konzentrationen eine Gewöhnung ein. Vor allem in der Nähe grosser Tierhaltungsanlagen kann Ammoniak zu Geruchsbelästigungen führen (LfU 2004). IBK/INFRAS/econcept AMMONIAK IN DER LANDWIRTSCHAFT Seite 3

4 Ziele in den IBKLändern Die EU, die Schweiz, das Fürstentum Liechtenstein und weitere Länder haben sich im Rahmen der Genfer Konvention (internationale Vereinbarung zur Emissionsreduktion für verschiedene Schadstoffe) im GöteborgProtokoll verpflichtet, längerfristig die Einhaltung der Critical Loads zum Schutz empfindlicher Ökosysteme zu gewährleisten. So sollen die NH 3 Emissionen von 1990 bis 2010 in der EU15 um 15%, in Deutschland um 28%, in Österreich um 19% und in der Schweiz um 13% gesenkt werden. Zusätzlich gibt es noch länderspezifische Emissionsziele. In Deutschland ist eine Reduktion der NH 3 Emissionen um ca. 50% gegenüber 1990 vorgesehen. Gemäss Schweizerischem Luftreinhaltekonzept sollen die NH 3 Emissionen um ca. 45% gegenüber dem Jahr 2000 gesenkt werden, damit die Grenzen des Stickstoffeintrags in die Ökosysteme (Critical Loads) eingehalten werden können (ca. 26'000 t NH 3 N/Jahr). Für einzelne Kantone gibt es keine verbindlichen, emissionsabhängigen Reduktionsziele. Auch die Unterzeichnerstaaten (inkl. Deutschland und Schweiz) der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) sehen vor, die Stickstoffeinträge in die Nordsee von 1985 um 50% zu reduzieren, wobei % aller NEinträge aus der Landwirtschaft stammten (BLW 2004). Zum Schutz der gesamten Vegetation vor direkten Einwirkungen empfiehlt die WHO einen Richtwert (Critical Level), der für NH 3 im Jahresmittel 8 µg/m 3 beträgt (BUWAL 2005b). Massnahmen in der Landwirtschaft Gezielte Massnahmen zur Verminderung des Ammoniakausstosses haben sich bis heute auf den Bereich der Vorsorge beschränkt und betrafen vor allem nicht landwirtschaftlich verursachte Emissionen. Angesichts des verlässlich ausgewiesenen grossen Handlungsbedarfs ist es angezeigt, bereits heute auf den bestehenden Grundlagen Massnahmen zu ergreifen, auch wenn die Datenbasis noch nicht dieselbe Zuverlässigkeit aufweist wie bei den Stickoxiden (BUWAL 2005a). Um die AmmoniakEmissionen aus der Landwirtschaft, dem Hauptemittenten, weiter zu reduzieren, sind z.b. folgende denkbaren Massnahmen zu diskutieren (LfU 2004, BUWAL 2005a, INFRAS 2005): Sensibilisierung der Landwirte und Landwirtinnen: In Aus und Weiterbildungskursen sollen die Landwirte und Landwirtinnen weiterhin umfassend über Massnahmen zur Reduktion von Ammoniakund Ammoniumemissionen informiert werden. Reduktion der Tierbestände: Nur möglich bei verringerter Nachfrage nach Veredelungsprodukten (z.b. Milch, Fleisch). Schaffung von Anreizen zur Erhöhung der einzelbetrieblichen StickstoffEffizienz: Festlegung von Förderkriterien/mitteln, Definition von Zielwerten nach Betriebstypen und Sanierungspflichten. Verminderung des Stickstoffaustrags auf landwirtschaftlichen Böden. Förderungsmassnahmen im Bereich emissionsarmer Gülleausbringung (Schleppschlauch oder Injektion, rasche Einarbeitung, vor Niederschlägen, Verflüssigung durch Wasserzusatz oder Vergärung) und Optimierung der Güllesysteme (Abdeckung Güllelager, geschlossene Systeme). Anpassungen in der Stallhaltung (Laufstallsanierung, Verbesserung der Stallkonstruktion, Abluftreinigung, niedrigere Stalltemperaturen z.b. mit Aussenklimaställen, Verringerung der mit Exkrementen verunreinigten Flächen). Die Herausforderung liegt darin, tierfreundliche Haltebedingungen so zu konzipieren, dass der Ausstoss an umwelt und klimaschädlichen Gasen wie Ammoniak, Methan oder Lachgas minimiert wird. Fütterungsstrategien: effizienter Einsatz der FutterEiweisse besonders bei der Schweine und Geflügelmast. Extensive Weidewirtschaft von Milchvieh. Begrenzung der einzelbetrieblichen NH 3 Emissionen bei bewilligungspflichtigen Stallbauten. IBK/INFRAS/econcept AMMONIAK IN DER LANDWIRTSCHAFT Seite 4

5 Begrenzung der Verwendung von Mineraldüngern. Umstellung auf den ökologischen Landbau. Für neue verträge sind Anforderungen zu definieren (z.b. Beschränkung von Gülle Exporten). Aufgaben einer neuen Arbeitsgruppe Ammoniak in der Landwirtschaft Austausch von Forschungsergebnissen über die Landesgrenzen hinweg (z.b. Emissionsmessungen/ modellierungen) und Erfahrungsaustausch im Bereich Kommunikation und Umsetzung. Austausch der Informationen über einzelbetriebliche einfache Instrumente zur Bestimmung der einzelbetrieblichen StickstoffEffizienz und der einzelbetrieblichen AmmoniakEmissionen. Zusammenstellung der in den Ländern und Kantonen der IBK diskutierten/beschlossenen Massnahmen zur Ammoniakreduktion in der Landwirtschaft. Gegenüberstellung/Vergleich der Massnahmen, Diskussion der (unterschiedlichen) Bewertungen. Erarbeitung einer harmonisierten Bewertung der Massnahmen (Konsens). Evtl. gemeinsame Empfehlung zur Umsetzung wichtiger Massnahmen zuhanden Vollzugsbehörden. Evtl. Erarbeiten eines gemeinsamen Kommunikationskonzeptes unter Einbezug der bestehenden Kommunikationskonzepte für die Zielgruppe Landwirte. Literatur LfU 2004: Bayerisches Landesamt für Umweltschutz: Ammoniak und Ammonium, August BLW 2004: Bundesamt für Landwirtschaft: Agrarbericht 2004, Bern BUWAL 2004: Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft: LuftschadstoffEmissionen des Strassenverkehrs , Schriftenreihe Umwelt Nr. 355, INFRAS, Bern. BUWAL 2005a: Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft: Weiterentwicklung des Luftreinhalte Konzepts: Stand, Handlungsbedarf, mögliche Massnahmen, Schriftenreihe Umwelt Nr. 379, Bern. BUWAL 2005b: Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft: Stickstoffhaltige Luftschadstoffe in der Schweiz: StatusBericht der Eidg. Kommission für Lufthygiene, Schriftenreihe Umwelt Nr. 384, Bern. INFRAS 2005: Massnahmenplan Luftreinhaltung: Teilplan Ammoniak, Expertenbericht im Auftrag Umwelt und Energie Kanton Luzern, Zürich, November OSTLUFT 2004: StickstoffDeposition in der Ostschweiz 1994 bis Zusammenfassung, 17 S., Zürich. IBK/INFRAS/econcept AMMONIAK IN DER LANDWIRTSCHAFT Seite 5