Hermann Summa OLG Koblenz

Transkript

1 Hamburger Vergabetag Handelskammer Hamburg 30. u. 31. Januar 2014 Die Aufhebung der Ausschreibung Hermann Summa OLG Koblenz

2 Grundsätze Weder aus 97 Abs. 5 GWB noch aus 18 Abs. 1 VOB/A oder aus einer sonstigen nationalen Rechtsnorm lässt sich ein Kontrahierungszwang ableiten. Auch das Vergaberecht Kontrahierungszwang. der Union kennt keinen Aber: Bewerber oder Bieter tätigen Aufwendungen in der Erwartung, der Auftraggeber meine es ernst, und für einen von ihnen werde sich der Aufwand auch lohnen. 2

3 Aufhebungsgründe nach der VOB/A Nach 17 (EG/VS) VOB/A kann sanktionslos aufgehoben werden, wenn die Ausschreibung kein Angebot eingegangen ist, Ausschreibungsbedingungen entspricht, das den die Vergabeunterlagen grundlegend geändert werden müssen, andere schwerwiegende Gründe bestehen. 3

4 VOF und SektVO 14 Abs. 6 Satz 1 VOF: Die Auftraggeber teilen den Bewerbern unverzüglich die Gründe mit, aus denen beschlossen wurde, auf die Vergabe eines bekannt gemachten Auftrages zu verzichten oder das Verfahren erneut einzuleiten. 30 SektVO: Ein Vergabeverfahren kann ganz oder bei Losvergabe für einzelne Lose aufgehoben werden oder im Fall der Verhandlungsverfahren eingestellt werden. In diesen Fällen hat der Auftraggeber den am Vergabeverfahren beteiligten Unternehmen unverzüglich die Aufhebung oder Einstellung des Verfahrens und die Gründe hierfür sowie seine etwaige Absicht, ein neues Vergabeverfahren durchzuführen, in Textform mitzuteilen. 4

5 Ermessen Es steht im Entschließungsermessen der Vergabestelle, ob sie diese Maßnahme ergreift, wenn ihrer Meinung nach ein Aufhebungsgrund vorliegt. Kein Wettbewerbsteilnehmer hat einen einklagbaren Anspruch auf Aufhebung, sondern nur auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens. 5

6 Verschuldeter Aufhebungsgrund Schadensersatzfrei sind nur Aufhebungen, öffentlichen Auftraggeber unvermeidbar waren. die für den Wenn er den Grund, der ihn zur Aufhebung veranlasst, bereits bei Einleitung des Vergabeverfahrens kannte oder bei gebotener Sorgfalt hätte kennen können, kann er sich nicht auf 17 berufen. 6

7 Unwirtschaftliches Ausschreibungsergebnis Ausgangspunkt der Überlegungen kann immer nur eine ordnungsgemäße Kostenschätzung sein. Für die Schätzung muss der Auftraggeber oder der von ihr gegebenenfalls beauftragte Fachmann Methoden wählen, die ein wirklichkeitsnahes Schätzungsergebnis ernsthaft erwarten lassen ( haushaltsorientierte Schätzung). Schätzungsgegenstand deckungsgleich sein. und ausgeschriebene Maßnahme müssen Das Ausschreibungsergebnis muss in der Regel ganz beträchtlich über dem Schätzungsergebnis liegen, um die Aufhebung zu rechtfertigen (BGH v X ZR 108/10 - VergabeR 2013, 208). 7

8 Anfechtung der Aufhebung Schwellenwertvergaben: Die Aufhebung einer Ausschreibung gehört zu den Maßnahmen des Auftraggebers in einem Vergabeverfahren, die der Nachprüfung nach den 107 f. GWB unterliegen. Die Anordnung, das Verfahren wieder aufzunehmen und fortzuführen, gehört grundsätzlich zu den Maßnahmen, welche die Nachprüfungsinstanzen nach 114 Abs. 1 GWB treffen können. 8

9 Aufgabe des Beschaffungsvorhabens Aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit folgt, dass der Auftraggeber sein Beschaffungsvorhaben jederzeit aufgeben kann. Der Auftraggeber kann nicht gezwungen werden, etwas zu beschaffen, was er nicht (mehr) haben will. Der Grund für die Aufgabe des Beschaffungsvorhabens ist vergaberechtlich irrelevant. 9

10 Fortbestehender Beschaffungswille 1 17 Abs. 1 (EG/VS) VOB/A und die entsprechenden Regelungen in der VOL/A sind nur insoweit abschließend, als dort die Voraussetzungen für eine sanktionsfreie Aufhebung der Ausschreibung geregelt sind. Die Vergaberichtlinien gehen stillschweigend von dem Recht des Auftraggebers aus, auf die Vergabe eines Auftrags, für den eine Ausschreibung stattgefunden hat, gänzlich zu verzichten oder ein neues Vergabeverfahren einzuleiten. Die Ausübung dieser Befugnis ist nicht vom Vorliegen schwerwiegender oder außergewöhnlicher Umstände abhängig. 10

11 Fortbestehender Beschaffungswille 1 Die Aufhebung einer Ausschreibung ist nur an den Grundprinzipien des Vergaberechts - Wettbewerb, - Transparenz - Gleichbehandlung, - keine Diskriminierung ausländischer Unternehmen zu messen. 11

12 Scheinaufhebung Eine anfechtbare Scheinaufhebung liegt vor, wenn mit ihr der Zweck verfolgt wird, ein Unternehmen zu bevorzugen oder zu benachteiligen; bestimmtes sie ohne erkennbaren sachlichen Grund erfolgt und deshalb willkürlich erscheint. 12

13 Schadensersatz 1 Bei einer nicht durch einen geschriebenen Aufhebungsgrund gedeckten Aufhebung riskiert der Auftraggeber bei Auftragsvergabe in einem neuen Vergabeverfahren einen Anspruch des Unternehmens, das in dem alten Verfahren den Auftrag hätte erhalten müssen, auf positives Interesse (insb. entgangener Gewinn) Ansprüche aller Wettbewerbsteilnehmer Interesse (Aufwendungsersatz). auf negatives 13

14 Schadensersatz 2 BGH v X ZR 143/ VergabeR 2011, 703 Dass die Klägerin den ausgeschriebenen Auftrag nicht hätte erhalten können, weil sie nicht innerhalb der Angebotsfrist ein Angebot eingereicht hat, steht ihrem Anspruch auf Schadensersatz nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Senats kommt gerade auch in Fällen der ungerechtfertigten Aufhebung des Vergabeverfahrens eine Ausnahme von dem Grundsatz in Betracht, dass auch der auf das negative Interesse gerichtete Schadensersatzanspruch nur dem Bieter zusteht, der bei regulärem Verlauf des Vergabeverfahrens den Zuschlag hätte erteilt bekommen müssen. 14

15 Schadensersatz 3 In Verfahren nach der VOF und der SektVO gilt: Schadensersatz kann ein Bieter beanspruchen, wenn - die Aufhebung willkürlich ist - es zwar einen sachlichen Grund für die Aufhebung gibt, dieser aber entweder vom Auftraggeber selbst (bewusst oder fahrlässig) verschuldet wurde oder bei Verursachung durch einen Dritten dem Auftraggeber vor Einleitung des Vergabeverfahrens bekannt oder erkennbar war. 15