Bindung und Dropout von Jugendlichen im vereinsorganisierten Sport
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- Melanie Bayer
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1 LSB (Sankt Augustin) 46(2005)2, Hoffmann, Antje 1 (3. Preisträgerin Referate wissenschaftlicher Nachwuchs) Bindung und Dropout von Jugendlichen im vereinsorganisierten Sport Summary Based on the Theory of Planned Behaviour (TPB) the aim of the study is to examine the motivation of adolescents for sport participation in sport clubs. Via an internet-questionnaire 343 saxonian students rated their attitudes, subjective norm, perceived behavioral control and physical activity intention. The results show that the TPB variables are useful in predicting physical activity in sport clubs. Analyses of variance and a discriminant analysis reveal that adolescents who participate in sport clubs have significantly higher scores on all variables than those who are not physically active in sport clubs. Zusammenfassung In dieser Studie soll die Motivation von Jugendlichen zur Sportteilnahme im Verein auf der Grundlage der Theorie des geplanten Verhaltens untersucht werden. In einer Internet-Befragung an sächsischen Schulen wurden 343 Jugendliche mit Hilfe der Skalen der Theorie des geplanten Verhaltens zu Einstellung, subjektiver Norm, Verhaltenskontrolle und Intention zum Sporttreiben im Verein befragt. Die Ergebnisse einer Regressions- sowie einer Diskriminanzanalyse bestätigen die Anwendbarkeit des Modells auf den vereinsorganisierten Sport. Jugendliche, die Sport im Verein treiben, weisen signifikant höhere Ausprägungen in allen Variablen auf als Heranwachsende, die früher oder noch nie Sport im Verein betrieben haben. Schlagworte: Bindung, Dropout, Vereinssport 1 Betreuerin der Arbeit ist Frau Professorin Dr. Dorothee Alfermann, Institut für Sportpsychologie und Sportpädagogik, Sportwissenschaftliche Fakultät, Universität Leipzig. 142
2 1. Problemstellung Sport treiben zählt zu den von Heranwachsenden am häufigsten betriebenen und subjektiv wichtigsten Freizeitaktivitäten. Sportvereine nehmen mit einem Partizipationsgrad von fast 50 % der Jugendlichen eine Ausnahmestellung unter den Jugendorganisationen ein (Schmidt, Hartmann-Tews & Brettschneider, 2003). Doch neben der hohen Dropout-Rate stimmen die auch fast 15 Jahre nach der Wiedervereinigung bestehenden Disparitäten des Organisationsgrades junger Menschen in den alten und neuen Bundesländern bedenklich. Zudem bestehen deutliche Geschlechterunterschiede im Organisationsgrad: der Sportverein erweist sich immer noch als eine Domäne männlicher Kinder und Jugendlicher. Repräsentative sozialwissenschaftliche Kinder- und Jugendstudien betrachten das Sporttreiben und speziell das vereinsorganisierte Sporttreiben allenfalls beiläufig. In dieser Studie soll die Motivation Jugendlicher zum vereinsorganisierten Sporttreiben auf der Grundlage der Theorie des geplanten Verhaltens überprüft werden. 2. Theorie des geplanten Verhaltens Die zentrale Annahme der Theorie des geplanten Verhaltens (Ajzen & Madden, 1986) besteht darin, dass jedem Verhalten eine Intention zugrunde liegt. Die Intention lässt sich als Verhaltensbereitschaft kennzeichnen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt vorliegt und den Endpunkt eines motivationalen Prozesses darstellt. Als konzeptionell unabhängige Determinanten der Intention spezifizieren Ajzen und Madden (1986) die Einstellung, die subjektive Norm sowie die wahrgenommene Verhaltenskontrolle (Abbildung 1). Die Einstellung umschreibt die eher positive oder eher negative Bewertung des konkreten Verhaltens, während unter subjektiver Norm der erlebte soziale Druck durch Bezugspersonen verstanden wird, das Verhalten durchzuführen oder es zu unterlassen. Verhaltenskontrolle wird als Einschätzung der Person, wie leicht bzw. schwer ihr die Ausübung des Verhaltens fallen wird, definiert. Von der Verhaltenskontrolle gehen wie von der Einstellung und der subjektiven Norm motivationale Effekte aus sie determiniert über die Intention indirekt das Verhalten. Weiterhin wird postuliert, dass die widergespiegelte tatsächliche Verhaltenskontrolle als volitionale Variable in der postintentionalen Phase die Handlungsrealisierung beeinflusst. Die Theorie des geplanten Verhaltens wird in zahlreichen Untersuchungen zur Erklärung der Sportteilnahme genutzt. Die Meta-Analysen von Hausenblas, Carron und Mack (1997) sowie Hagger, Chatzisarantis und Biddle (2002) stellen übereinstimmend die Intention sowie die Verhaltenskontrolle als Prädiktoren des Verhaltens (Sportteilnahme) heraus. Beide Studien weisen einen hohen Einfluss der Einstellung sowie der Verhaltenskontrolle und einen schwachen bzw. moderaten Einfluss der subjektiven Norm auf die Intention nach. Zur Erklärung des Sporttreibens im Sportverein wurde die Theorie des geplanten Verhaltens bisher nicht heran gezogen. 143
3 Einstellung Subjektive Norm Intention Verhalten Verhaltenskontrolle Abb. 1. Theorie des geplanten Verhaltens (nach Ajzen & Madden, 1986) 3. Hypothesen Hypothese 1: Die Intention zum Sportreiben kann durch die Einstellung, die subjektive Norm und die Verhaltenskontrolle vorhergesagt werden. Hypothese 2: Intention und Verhaltenskontrolle sind Prädiktoren des Sporttreibens im Verein. Hypothese 3: Jugendliche, die Sport im Verein treiben (Mitglieder), weisen höhere Ausprägungen in den in der Theorie des geplanten Verhaltens heraus gestellten Determinanten des Sporttreibens auf als Heranwachsende, die früher (Dropouts) oder noch nie (Abstinenzler) Sport im Verein getrieben haben. 4. Methode Es wurde eine Internet-Befragung an sächsischen Mittelschulen und Gymnasien (Klassenstufe 5-8) durchgeführt. Insgesamt haben 566 Schüler (M = 13,4 Jahre) an der Befragung teilgenommen. In die Analyse konnten die Ergebnisse von 343 vollständig ausgefüllten Fragebögen einbezogen werden. Als Messinstrumente kamen die Skalen der Theorie des geplanten Verhaltens (basierend auf Ajzen und Madden 1986) zum Einsatz. Die Variablen Einstellung, subjektive Norm, Verhaltenskontrolle sowie Intention zum Sporttreiben im Verein wurden jeweils auf 5-stufigen Likert-Skalen erhoben, deren Pole verbal verankert sind. 1 entspricht dabei einer niedrigen und 5 einer hohen Ausprägung. Das Sporttreiben im Verein wurde über die Frage Treibst Du zur Zeit Sport im Verein? erfasst. Als Antwortkategorien waren Ja ; Nein, aber ich habe früher Sport im Verein getrieben und Nein, ich habe noch nie Sport im Verein getrieben vorgegeben. 144
4 5. Ergebnisse Zur Überprüfung des Einflusses von Einstellung, subjektiver Norm und Verhaltenskontrolle auf die Intention wurde eine Regressionsanalyse (Einschlussmethode) durchgeführt. Alle drei Variablen wurden in das Modell aufgenommen. Als starke Prädiktoren der Intention erweisen sich die Einstellung mit β =.39 (p <.001) sowie die Verhaltenskontrolle mit β =.36 (p <.001). Der Einfluss der subjektiven Norm fällt mit β =.11 (p <.01) hingegen deutlich geringer aus. Insgesamt werden durch das Modell 49 % der Intentionsvarianz erklärt. Um den Zusammenhang zwischen Intention und Verhaltenskontrolle sowie dem Sporttreiben im Verein zu untersuchen, wurde eine Diskriminanzanalyse zur Vorhersage der Gruppenzugehörigkeit (Mitglied, Dropout oder Abstinenzler) vorgenommen. Die errechnete Gesamtfunktion trägt dabei signifikant (p <.001) zur Unterscheidung in drei Gruppen bei. Die kanonische Korrelation von.61 deutet zwar auf eine mittlere bis gute Trennung zwischen den Gruppen hin, der Eigenwert von 0,59 zeigt aber ebenfalls eine hohe Streuung innerhalb der Gruppen an. Die Intention leistet mit einem Diskriminanzkoeffizienten von 0,83 einen deutlich größeren Beitrag zur Diskriminanzfunktion als die Verhaltenskontrolle mit 0,29. 62,1 % der Fälle lassen sich mit Hilfe der Funktion korrekt den Gruppen zuordnen der Wert liegt deutlich über dem Zufallswert Einst. SN VK Int. Mitglieder Dropouts Abstinenzler Abb. 2. Gruppenmittelwerte in den abhängigen Variablen Einstellung, subjektive Norm (SN), Verhaltenskontrolle (VK) und Intention (Int.) Die Unterschiede in den Ausprägungen von Einstellung, subjektiver Norm, Verhaltenskontrolle und Intention zwischen Mitgliedern, Dropouts sowie Abstinenzlern wurden mittels univariaten Varianzanalysen überprüft. Die Tests der Zwischensubjekteffekte ergeben für alle abhängigen Variablen hoch signifikante Effekte (p <.001). Die größten Unterschiede zwischen den Gruppen lassen sich in der Intention (F(2, 342) = 93,37; eta² =.36) sowie der Einstellung (F(2, 342) = 45,11; eta² =.21) nachweisen. Die Post-hoc-Tests nach Tamhane zeigen, dass die Effekte in der Einstellung und der subjektiven Norm darauf zurückzuführen sind, dass die Mitglieder signifikant höhere Ausprägungen aufweisen als die anderen beiden Gruppen (vgl. Abbildung2). In der Verhaltenskontrolle und der Intention unterscheiden sich alle Gruppen signifikant voneinander. 145
5 6. Diskussion und Ausblick Die Ergebnisse der Untersuchung bestätigen die Annahmen der Theorie des geplanten Verhaltens sowie die Anwendbarkeit des Modells zur Erklärung des Sporttreibens im Verein. Die großen Differenzen zwischen den Gruppen in der Einstellung zum Sporttreiben im Verein belegen, dass ehemaligen und Nicht- Mitgliedern vermittelt werden muss, dass vereinsorganisiertes Sporttreiben nicht langweilig, trist und mühsam sein muss, sondern durchaus eine abwechslungsreiche, aufregende und lohnende Freizeitaktivität sein kann. Die Gruppenunterschiede in der Verhaltenskontrolle müssen noch genauer analysiert werden, um aufzuklären, ob die niedrigen Ausprägungen der Dropouts und Abstinenzler auf antizipierte Barrieren (z. B. ungünstige Lage der Trainingszeiten) oder auf als zu niedrig eingeschätzte eigene Ressourcen zurückzuführen sind. Die Ergebnisse werden durch halbstrukturierte Interviews vertieft und ergänzt, anschließend wird eine Analyse der Angebote sächsischer Sportvereine durchgeführt, um anhand von Best-Practice-Modellen normative Ableitungen zu erstellen, wie die Vereinsangebote attraktiver für Heranwachsende zu gestalten sind und die Bindung der Jugendlichen an den Verein erhöht werden kann. Literatur Ajzen, I. & Madden, T. J. (1986). Prediction of Goal-Directed Behavior: Attidudes, Intentions, and Perceived Behavioral Control. Journal of Experimental Social Psychology, 22, Hagger, M. S., Chatzisarantis, N. L. & Biddle, S. J. (2002). A Meta-Analytic Review of the Theories of Reasoned Action and Planned Behavior in Physical Activity: Predictive Validity and the Contribution of Additional Variables. Journal of Sport & Exercise Psychology, 24, Hausenblas, H. A., Carron, A. V. & Mack, D. E. (1997). Application of the Theories of Reasoned Action and Planned Behavior to Exercise Behavior: A Meta- Analysis. Journal of Sport and Exercise Psychology, 19, Schmidt, W., Hartmann-Tews, I. & Brettschneider, W.-D. (Hrsg.) (2003). Erster Deutscher Kinder- und Jugendsportbericht. Schorndorf: Hofmann. Verfasserin Antje Hoffmann, Institut für Sportpsychologie und Sportpädagogik, Sportwissenschaftliche Fakultät, Universität Leipzig 146
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