Die Sprache der World of Warcraft-SpielerInnen

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1 Die Sprache der World of Warcraft-SpielerInnen Eine Untersuchung der multimodalen Kommunikation im Umfeld von Raid-Gruppen, mit Fokus auf Wortschatz, Gesprächsorganisation und Textformen Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Philosophie in der Fakultät für Philologie der RUHR-UNIVERSITÄT BOCHUM vorgelegt von Markus Schäfer

2 Gedruckt mit der Genehmigung der Fakultät für Philologie der Ruhr-Universität Bochum Referent: Prof. Pittner Koreferent: Prof. Wegera Tag der mündlichen Prüfung:

3 Ohne Unterstützung hätte diese Dissertation nicht vollendet werden können. Ich danke daher: Meiner Doktormutter Prof. Pittner für die langjährige Betreuung und Hilfestellung. Meinem Zweitgutachter Prof. Wegera für die faire und anregende Disputation. Der Gilde Vault of Sages für die enthusiastische Bereitschaft, sich unter die Lupe nehmen zu lassen. Meiner Familie und Freunden für seelischen Beistand und Betreuung meiner geistigen Gesundheit.

4 Inhalt 1. EINLEITUNG HAUPTTEIL WAS IST EIN MMOG? Questen, Leveln, Loot: Das Spielprinzip von MMOGs Die Gilden Varianten des MMOG-Spiels PvP, PvE und Rollenspiel Ein Spiel ohne Ende? DIE BESONDERHEITEN (?) VON WORLD OF WARCRAFT MMOGS IM BLICK DER WISSENSCHAFT Einführungen in das Thema MMOGs und WoW Castronova (2005): The Business and Culture of Online Games Taylor (2006): Play between Worlds Corneliussen/Rettberg (2008): Digital Culture, Play and Identity. A World of Warcraft Reader MMOGs als (Sprach-)Unterrichtswerkzeug Steinkuehler (2007): Massively Multiplayer Online Gaming as a Constellation of Literacy Practices Über Gilden als Organisationsform Inderst (2009): Vergemeinschaftung in Massively Multiplayer Online Role Playing Games Die Rahmenhandlung von WoW McCallum-Steward (2008): Never Such Innocence Again : War and Histories in World of Warcraft Krzywinska (2008): World Creation and Lore: World of Warcraft as Rich Text Die Auswirkungen VoIP-Nutzung in MMOGs Wadley (2011): Voice in Virtual Worlds Statistische Daten zu Computer-/VideospielerInnen Daedalus Project und Parc PlayOn Sprachwissenschaftliche Grundlagen zur MMOG-Forschung Der Text-Chat Beißwenger (2007): Sprachhandlungskoordination in der Chat-Kommunikation Schriftliche und mündliche Sprache: Die Unterscheidung von Medium und Konzeption nach Koch/Oesterreicher AUFBAU DER UNTERSUCHUNG DAS KERN-SPIEL Das Chatsystem Das Postsystem Der WoW-interne Voice-Chat KOMMUNIKATIONSNETZWERK GILDE Sprachliche Merkmale von Gildenforen ÖFFENTLICHE (NICHT-GILDEN-)FOREN STRATEGIE-GUIDES Reiner Text

5 Klassisches Hypertext-Format Wikis Andere Guide-Formate DIE KOMMUNIKATION IN RAID GRUPPEN Auswahl der ProbandInnen Technische Hilfsmittel und Rahmenbedingungen Das Transkriptionssystem GAT Merkmale des Sprachgebrauchs in Raid-Gruppen Sprecherrollen Gesprächsphasen Besonderheiten der Gesprächsorganisation bei paralleler Verwendung von Chat und VoIP DIE LEXIK DER SPRACHE DER WOW-SPIELERINNEN: MERKMAL EINER FACHSPRACHE? Zum Begriff Fachsprache Die Lexik der WoW-Fachsprache Lexik des virtuellen Raums Lexik der Spielmechanik Lexik der Benutzeroberfläche Lexik der WoW-spezifischen Web-Community Die Lexik der WoW-Fachsprache: Fazit AUSBLICK/SCHLUSS QUELLENVERZEICHNIS ANHANG 1: TRANSKRIPT 1 NAVIGATIONSPHASE UND ERSTE BESPRECHUNGSPHASE ANHANG 2: TRANSKRIPT 2 ZWEITE BESPRECHUNGSPHASE MIT AUSTAUSCH NEU GEWONNENER ERFAHRUNGEN ANHANG 3: TRANSKRIPT 3 KAMPFPHASE UND NACHBEREITUNGSPHASE EINES 25ER-RAIDS ANHANG 4: ÜBERSICHT ÜBER DIE WICHTIGSTEN IN DEN TRANSKRIPTEN VERWENDETEN GAT 2- TRANSKRIPTIONSKONVENTIONEN

6 1. Einleitung Die Welt der Massively Multiplayer Online Games (MMOGs) ist für die Mehrheit der Bevölkerung ein weitgehend unbekanntes Thema. Wer nicht gerade zu den Digital Natives gehört und mit dieser Form von Spielen sozialisiert wurde, hört hierzulande wahrscheinlich nur dann von dieser Form der Freizeitbeschäftigung, wenn erneut aus irgendeinem Anlass eine Diskussion um Suchtgefahr und Gewaltdarstellung durch die Medien geistert. MMOGs werden aber zunehmend zu einer selbstverständlichen Option zur Freizeitbeschäftigung. Aus Sicht von aktiven TeilnehmerInnen können diese Spiele eine ähnliche Position einnehmen wie die Mitgliedschaft in einer Fußballmannschaft. Die Beteiligten widmen in beiden Fällen einen nicht zu unterschätzenden Teil ihrer Freizeit dem gemeinsamen Spiel im Team, und die SpielerInnen kommunizieren sowohl während eines Spiels als auch davor und danach über die Ergebnisse, Abläufe, Taktiken und Möglichkeiten zur Optimierung der Leistung. Was MMOGs gegenüber populären Sportarten (noch) fehlt ist eine größere Fangemeinde, die über das Thema kommuniziert, ohne selbst aktiv zu sein. Da sie zudem in simulierten, nur per Computer/Konsole erreichbaren Welten ausgetragen werden, ist die passive Betrachtung und Untersuchung von MMOGs in der Praxis aufwendiger als bei den in unserer Alltagswelt überall zu findenden Sportarten wie Fußball, Tennis, Radfahren etc. Die zunehmende Bedeutung von E-Sports, d.h. die in Ligen organisierte Austragung von Computer- und Konsolenspiel-Wettkämpfen, könnte aber in näherer Zukunft dazu führen, dass die Unterschiede zwischen digitalen und herkömmlichen Wettkämpfen weiter schwinden. Eine Betrachtung des Sprachgebrauchs von typischen MMOG-SpielerInnen in Face-To- Face-Gesprächen, Internetforen, Chats etc. zeigt, dass diese für die Kommunikation von spielbezogenen Inhalten eine andere Varietät verwenden als in spielunabhängigen Situationen. Die vorliegende Dissertation soll dazu dienen, diese Sprache genauer zu beschreiben und sie u.a. durch Kontrastierung mit bekannten Sondersprachen auch für Online-Spiel-Laien verständlich zu machen. Die Frage ist, welche Elemente bekannt sind von Beipielen wie Sport-Sprachen oder akademischen Fachsprachen, und welche Elemente möglicherweise auf spezifischen Eigenheiten der MMOGs und ihren virtuellen Welten beruhen. 1

7 Da es sich bei MMOGs um ein heterogenes Genre handelt, ist die Betrachtung auf ein konkretes Spiel fokussiert: World of Warcraft (WoW) der Firma Blizzard Entertainment, zum Zeitpunkt der Untersuchung einer der international beliebtesten und bekanntesten Titel. Da es auch im Rahmen von WoW wiederum eine Reihe von Spiel-Schwerpunkten und -Stilen gibt, wurde hier eine weitere Fokussierung vorgenommen. Die Untersuchung konzentriert sich auf die Beschreibung des Raidens, eine Form von kooperativem Gruppenspiel, das für einen großen Teil der SpielerInnen früher oder später in den Mittelpunkt des Geschehens rückt. Im Zentrum der Untersuchung stehen daher mehrere Raid-Sitzungen, die von der Gilde Vault of Sages durchgeführt wurden, und welche Besonderheiten bei der Kommunikation bei der Durchführung dieser Raids zu beobachten sind. Die konkrete Durchführung der Raids darf allerdings nicht losgelöst betrachtet werden von charakteristischen Vor- und Nachbereitungs-Praktiken, die unter MMOG-SpielerInnen fester Bestandteil des Raidens sind. Zu diesem Zweck bezieht die vorliegende Dissertation in ihre Betrachtung auch die Vielfalt an Anleitungen, Ratgebern, Taktik-Diskussionen etc. ein, die zur typischen spielbegleitenden Lektüre von SpielerInnen gehören. Diese zu ignorieren würde einer realitätsnahen Betrachtung des Sprachgebrauchs der WoW-SpielerInnen widersprechen. Da das Thema MMOGs und WoW für die Mehrzahl der LeserInnen Neuland sein dürfte, beginnt die Dissertation mit einer Einführung in das Thema für Laien. Kapitel 2.1.: Was ist ein MMOG? erläutert die grundlegenden Charakteristika, die das MMOG-Genre auszeichnen. Kapitel 2.2.: Die Besonderheiten von (?) von World of Warcraft schließt daran an und stellt jene Eigenschaften von World of Warcraft vor, die dieses Spiel innerhalb des Genres hervorheben. Kapitel 2.3.: MMOGs im Blick der Wissenschaft vermittelt eine Übersicht über wissenschaftliche Beiträge, die sich direkt oder indirekt mit WoW und MMOGs befassen und als Grundlage für die Beschäftigung mit dem Thema nützlich sind. Spezifisch sprachwissenschaftliche Betrachtungen sind hierbei allerdings kaum zu finden. MMOGs als Sub-Thema der Computervermittelten Kommunikation (CvK) sind insbesondere im deutschsprachigen Raum bis zum Zeitpunkt des Erscheinens dieser Dissertation kaum behandelt worden. Dementsprechend stellen die in diesem Kapitel vorgestellten Perspektiven eine Vielfalt wissenschaftlicher Blickwinkel dar. 2

8 Kapitel 2.4.: Aufbau der Untersuchung gibt eine kurze Übersicht darüber, nach welcher Struktur die Sprache der WoW-SpielerInnen im Zuge dieser Dissertation dargestellt wird. Diese Unterteilung dient in erster Linie dazu, das Thema übersichtlich auch für Laien darstellen zu können, sie bedeutet nicht zwangläufig, dass das Spiel selbst aus Sicht der NutzerInnen auch in diese separaten logischen Segmente gegliedert ist. Die folgenden Kapitel 2.5. bis 2.8. gehen jeweils auf besonders relevante Situationsrahmen außerhalb von Raids ein, unter denen WoW-SpielerInnen ihre spielbezogene Sprache verwenden: 2.5.: Das Kern-Spiel beschreibt die Standard-Situation des Spielens, d.h. die NutzerInnen sind in das Spiel eingeloggt, ohne an einer speziellen Aufgabe wie einem Raid, einem Duell gegen andere SpielerInnen etc. zu arbeiten. In diesem Modus sammeln die Betroffenen meist Ressourcen und treffen Vorbereitungen für andere Spezial-Aufgaben, daher ist er auch quasi untrennbar mit dem Raiden verknüpft. 2.6.: Kommunikationsnetz Gilde erläutert die wohl wichtigste soziale Organisationsform für SpielerInnen von WoW. Eine der wesentlichen Aufgaben von Gilden ist Koordination und Zusammenführung von Gruppen, um Raids durchführen zu können. Die genauen Organisations- und Kommunikationsstukturen der Gilden üben einen unmittelbaren, starken Einfluss auf den Ablauf von Raids aus. Die meisten Gilden betreiben ein Webforum als Anlaufstelle. Vor- und nachbreitende Gespräche im Gildenforum können als fester Bestandteil des Raid-Erlebnisses betrachtet werden. Foren spielen darüber hinaus innerhalb der WoW-Community auch losgelöst von Gilden eine wichtige Rolle. Die meisten SpielerInnen zusätzlich auch in andere, um öffentliche Foren organisierte Communities eingebunden. Mit diesen befasst sich Kapitel 2.7.: Öffentliche (Nicht-Gilden-) Foren. Da die Auswahl an vorhandenen Foren im Web sehr groß ist, kann hier natürlich nur ein kleiner beispielhafter Ausschnitt präsentiert werden. Die öffentlichen Foren haben vor allem deshalb auch eine wichtige Rolle für die Ausprägung der Sprache der WoW-SpielerInnen, da dort ein Community-übergreifender Konsens gebildet wird, welche Texte allgemein zum Erlernen von Strategien und Taktiken am nützlichsten sind, und weil in diesen Foren regelmäßig sowohl explizit als auch implizit diskutiert wird, welcher Wortschatz für die Beschreibung von Spielinhalten anerkannt ist. 3

9 Kapitel 2.8.: Strategie-Guides widmet sich einer für das MMOG-Erlebnis unerlässlichen Textsorte. In den diversen Strategie-Guides werden verschiedenste Aspekte des Spiels detailliert beschrieben und die optimalen Wege zur Bewältigung vorgestellt. Das Format der Guides ist dabei sehr variabel sie sind in Form von Foren-Posts, Wikis, Videos, reine Textdokumente etc. zu finden. Kapitel 2.9.: Die Kommunikation in Raid-Gruppen stellt den Kern der Dissertation vor: Die Datensammlung und -auswertung der synchronen Kommunikation während der Durchführung von Raid-Gruppenaufgaben. Das Kapitel erläutert zuerst die ausschlagebenden Merkmale für die Probandeauswahl, die technischen Hilfsmittel und das Transkriptionssystem. Abschließend werden in Kapitel die Merkmale des Sprachgebrauchs in Raid-Gruppen herausgestellt. Kapitel 2.10.: Die Lexik der Sprache der WoW-SpielerInnen: Merkmal einer Fachsprache? Greift die in den vorhergehenden Kapiteln 2.5. bis 2.9. beleuchteten kommunikativen Schwerpunkte des Spiels auf versucht, daraus einen Gesamt-Charakter der WoW-Sprache zu destillieren. Deutlich hervorstechend ist dabei die Lexik als ein von der Standard-Sprache abweichendes Merkmal. Anhand dieses Merkmals wird die Frage beantwortet, ob die Sprache der WoW-SpielerInnen im Vergleich mit anderen Non- Standard-Sprachen angemessen als Fachsprache bezeichnet werden kann. Kapitel 2.11.: Ausblick/Schluss fasst die Ergebnisse der Untersuchung zusammen und gibt insbesondere Anregungen dahingehend, wie das Thema WoW und MMOGs aufbauend auf der vorliegenden Dissertation fortführend wissenschaftlich betrachtet werden kann und sollte. 2. Hauptteil In der vorliegenden Arbeit wird die Abkürzung MMOG als Bezeichnung des Spielgenres verwendet, dem World of Warcraft angehört. MMO steht für Massively Multiplayer Online Game. In vielen Publikationen sowie auch im allgemeinen Sprachgebrauch der SpielerInnengemeinschaft sind eine Reihe weiterer Abkürzungen zur Bezeichnung des gleichen Gegenstands gebräuchlich. Am weitesten verbreitet ist MMORPG für Massively 4

10 Multiplayer Online Roleplaying Game. Das Glied Roleplaying Game verweist spezifisch auf das Genre der Rollenspiele, welches eine lange Tradition im Bereich der Brettspiele hat und großen Einfluss auf die Welt der Computer- und Videospiele ausgeübt hat. Ein Charakteristikum von traditionellen Rollenspielen im nichtdigitalen Format ist, dass SpielerInnen in der Gruppe u.a. versuchen, bestimmte Charaktere zu verkörpern, ähnlich einer Theaterrolle. Dieser Aspekt der Rollenspiel-Tradition wurde in die Welt der Computerund Videospiele nur rudimentär übernommen. Lange Zeit waren diese Computerspiele grundsätzlich für EinzelspielerInnen konzipiert, schauspielerische Bemühungen waren mangels Publikum also sinnlos. Aber auch im Bereich der Massively Multiplayer-Spiele wird die glaubwürdige Verkörperung einer Rolle nur von einer Minderheit der SpielerInnengemeinschaft als Teil des Spiels angesehen. Das Element Roleplaying Game ist als aus traditionellen Gründen verbreitet, beschreibt aber die spielerische Realität nicht akkurat. Die Abkürzung MMOG ist als allgemeine Bezeichnung angemessener. Das Rollenspiel ist in der Welt der MMOGs zwar relevant, aber nur als spezieller Spielmodus. Im Kontext der vorliegenden Arbeit wird auf diesen Spielmodus an den relevanten Stellen gesondert eingegangen, allerdings steht er aufgrund seiner Sondereigenschaften nicht im Fokus der Untersuchung. Insbesondere aus sprachlicher Sicht stellt das Rollenspiel mit seinen quasi-schaulspielerischen Ambitionen nämlich einen Sonderfall dar. Ebenfalls gebräuchlich, vor allem im mündlichen Bereich, ist die Kurzform MMO zur Bezeichnung des Genres. Dies ist schlicht eine weitere Verkürzung von MMORPG oder MMOG Was ist ein MMOG? Das Kürzel MMOG steht für Massively Multiplayer Online-Game. Das Element massively markiert einen wichtigen Abgrenzungspunkt zu anderen Genres mit Online-Komponente: Die Tatsache, dass eine massive Anzahl von Spielern gleichzeitig in einer gemeinsamen virtuellen Welt spielt. Das Spiel World of Warcraft (WoW) beispielsweise ermöglicht zwischen 1000 und 2000 SpielerInnen, gleichzeitig auf einem spezifischen Server zu spielen. Die genauen Zahlen sind Beitriebsgeheimnis des Betreibers des Spiels, annähernde Daten 5

11 sind nur anhand von SpielerInnen-betriebenen Zensus-Programmen erhältlich, die auf speziellen Webseiten veröffentlicht werden. 1 Die Zahl der auf einem Server insgesamt angemeldeten Charaktere liegt bei ca , allerdings ist davon immer nur ein Bruchteil gleichzeitig eingeloggt, u.a. weil eine eine SpielerIn mehrere Charaktere besitzen kann, die dann abwechselnd gespielt werden, und weil ab einer bestimmten Zahl vorerst keine Logins möglich sind. Die globale Gesamtzahl der WoW-SpielerInnen verteilt sich also auf eine Vielzahl von Servern, die jeweils eine separate Version der virtuellen Spielwelt für einen Teil des Gesamtpublikums steuert. Durch die hohe Teilnehmerzahl unterscheiden sich MMOGs beispielsweise von Ego-Shootern und Echtzeitstrategie-Spielen, die ebenfalls oftmals online oder in lokalen Netzwerken (sog. LAN) spielbar sind. Abhängig vom konkreten Spiel sind bei diesen Spielen aber eher Spielerzahlen zwischen 4 und 64 innerhalb einer Spielwelt üblich. Eine weitere wichtige Besonderheit von MMOGs gegenüber den oben genannten Online- Spielen ist die Persistenz der Spielwelt. Die virtuellen Welten von MMOGs werden von ihrer Geburt, d.h. dem Tag der Server-Aktivierung an durchgehend betrieben (von Wartungspausen und technischen Ausfällen abgesehen). Die virtuellen Spielumgebungen nicht-persistenter Online-Spiele hingegen existieren nur jeweils für einen Spieldurchgang und werden regelmäßig in den Ausgangszustand zurückversetzt. Nur MMOGs bieten Spielwelten mit einem kontinuierlichen und kumulativen Fortschritt, an dem die SpielerInnen teilhaben können und zu dem sie im Rahmen der vom jeweiligen Spiel vorgesehenen Möglichkeiten - beitragen können. Die Persistenz der Spielwelt und die daraus folgende Idee, einen bleibenden Einfluss auf diese Welt ausüben zu können, machen für viele Leute einen Teil des Reizes von MMOGs aus. Allerdings werden die Einflussmöglichkeiten der SpielerInnen in MMOGs i.d.r. von Herstellerseite strikt auf spezifische Optionen beschränkt ansonsten könnte einzelne, besonders engagierte oder talentierte SpielerInnen möglicherweise die Spielwelt kontrollieren. Castronova erläutert Funktionsweise und Zweck der Persistenz auf folgende, auch für MMOG-Laien verständliche Weise: 1 Eine solche Webseite ist z.b. (zuletzt besucht ) 6

12 Among the programming savvy, synthetic worlds are known as persistent state worlds to distinguish them from other kinds of worlds that programmers can make. An ordinary computer game for one or several players can have both physicality and interactivity. For physicality, one renders a 3D environment and imposes rules of motion on it: gravity, solid walls, line-of-sight, and so on. For interactivity, one creates a series of commands that the player or players can execute on the environment. The command Equip Weapon gives the player s avatar a weapon, which means, access to further commands. Pull trigger sends a projectile from the weapon, and various consequences ensue. Making the consequences persistent, however, moves the exercise to a different level. A persistent world continues to exist and execute its rules wether or not anyone is there to be in it. It is a significant step because it requires that the world be alienated from any one user s control; since many users must be able to experience the same state of the world at the same time, no single user can be allowed to arbitrarily alter that state. [ ] The shared nature of synthetic worlds is a critical part of the technology of place, because perceptions of how things are have to be shared and agreed upon by many people before they acquire the flavor of Reality. This is true of things in the world the virtual tree that I see on my computer is the tree you see on your computer, and it is the same tree we both saw yesterday, which makes it seem a lot like the trees I see here on Earth. It is also true of the rules by which the world operates I cannot walk through that wall, you cannot walk through that wall, and neither of us could walk through it yesterday either, so the wall has a persistent property of solidness which makes it seem much like the walls here on Earth. The walls and trees all follow rules of existence, appearance, and behavior that are perceived in the same way by all users, and that persist no matter how many users are there or what those users do. The synthetic world has its own separate terms of existence, which no one user can affect. [Castronova 2005: 80f.] MMOGs werden oft zu allererst anhand ihrer Zugehörigkeit zu einem spezifischen Erzählgenre identifiziert (anstatt z.b. primär über das Regelsystem). Dabei wird auf etablierte Genrekategorien aus Literatur und Film zurückgegriffen. So finden sich als Szenarien für MMOGs u.a. klassische Fantasy in der Tradition von J.R.R. Tolkiens Der Herr der Ringe (z.b. World of Warcraft, Der Herr der Ringe Online), Science-Fiction (z.b. Anarchy Online, EVE Online, Star Wars: The Old Republic), Superheldencomics (z.b. City of Heroes, City of Villains), Simulationen von sozialen, politischen und wirtschaflichen Entwicklungen in spezifischen historischen Kontexten (z.b. A Tale in the Desert). Der vom/von der SpielerIn kontrollierte Avatar kann je nach Szenario ein Ritter, ein Superheld oder ein Raumschiff sein. Auch wenn die Details der simulierten Spielwelten und 7

13 ihr visueller Stil sich stark unterscheiden, so lassen sich auf der Ebene der Spielmechanik eine Reihe von Grundmechanismen beschreiben, die praktisch allen MMOGs gemeinsam sind. 2 Diese werden in den folgenden Kapiteln kurz dargestellt. Für eine umfassendere Einführung in die Thematik sei auf die in Kapitel 2.3. vorgestellte Literatur verwiesen. Der Großteil der dort beschriebenen Veröffentlichungen enthält jeweils auch Abschnitte, die das Genre MMOGs für Laien ausführlicher beschreiben, als es hier möglich ist Questen, Leveln, Loot: Das Spielprinzip von MMOGs Das dominierende Spielziel eines MMOG ist der Ausbau der Fähigkeiten der Spielfigur, im weiteren Verlauf als Charakter bezeichnet. Die Anfangsfähigkeiten des Charakters können zu Spielbeginn aus einer Reihe von Optionen zusammengestellt werden, dies sich meistens als eine Form von Rassen- und Berufswahl darstellen. Stärken in einem bestimmten Fähigkeitsbereich bedeuten automatisch Schwächen in anderen Bereichen. Durch dieses Prinzip wird gewährleistet, dass SpielerInnen früher oder später mit anderen SpielerInnen kooperieren müssen, deren Fähigkeiten deren Charaktere über komplementäre Fähigkeiten verfügen. Die Aufteilung in spezialisierte Rollen ist ein enorm wichtiger Aspekt, ist ein essentieller Aspekt von MMOGs, da er die Interaktion zwischen SpielerInnen entscheidend prägt. Die spezialisierte Rolle, die jeder Charakter einnehmen muss, wird im weiteren Verlauf als Charakterklasse oder kurz Klasse bezeichnet. Im Spielverlauf muss der Spieler via Charakter Aufgaben und Herausforderungen in der virtuellen Spielwelt lösen. Für die Lösung solcher Aufgaben, sog. Questen, erhält der Charakter Erfahrungspunkte. Questen beinhalten meist das Besiegen eines Gegners, das finden bestimmter Gegenstände, das Erforschen unbekannter Gebiete oder Kombinationen dieser Elemente. SpielerInnen können auch unabhängig von Questen auf eigene Faust z.b. Monster in der Spielwelt bekämpfen, wobei die Menge der gewonnen Erfahrungspunkte bei einem Sieg von der Stärke des Gegners verglichen mit der Stärke des Spielercharakters abhängt. Hat ein Charakter eine bestimmte Menge Erfahrungspunkte erlangt, steigt dieser 2 Abweichungen von diesen Grundprinzipien sind unter kommerziellen MMOGs rar. Als Beispiel für ein abweichendes Spieldesign wäre A Tale in the Desert (2003) zu nennen, welches keinerlei kämpferische Elemente enthält und stattdessen andere Formen von Kooperation und Wettbewerb betont. 8

14 eine Stufe bzw einen Level auf. Bei jedem Stufenaufstieg kann der Charakter neue Fähigkeiten erlernen und/oder bestehende verbessern. Die für einen Stufenanstieg benötigte Zahl an Erfahrungspunkten wird immer größer, je höher die bereits erreichte Stufe ist. In der Anfangsphase des Spiels sind Stufenaufstiege leicht zu erreichen, im späteren Verlauf hingegen müssen SpielerInnen vergleichsweise viel Mühe und vor allem Spielzeit investieren, um die Stufe eines Charakters zu steigern. Die Stufe eines Charakters, dargestellt als Zahl, ist das übliche Merkmal, anhand dessen die relative Macht eines Charakters im Spielsystem dargestellt wird. I.d.R. wird die Stufe eines Charakters in der Spielwelt für andere SpielerInnen offen dargestellt oder ist ohne Aufwand abrufbar. Höherstufige Charaktere sind in aller Regel mächtiger als niedrigstufigere Charaktere, wobei ein direkter Vergleich nur innerhalb einer Charakterklasse oder zwischen Klassen mit sehr ähnlichen Fähigkeiten-Sets Sinn macht. So kann eine auf Kampf spezialisierte Charakterklasse eine auf Unterstützung spezialisierte Charakterklasse oft auch dann besiegen, wenn letztere einige Stufen höher ist. Die Effizienz eines Charakters insgesamt hängt natürlich auch ein Stück weit davon ab, wie geschickt der/die SpielerIn bei der Auswahl der Fähigkeiten und der Steuerung des Charakters ist, aber auch hier gilt: Auch noch so geschickte SpielerInnen können keinen großen Stufenunterschied ausgleichen. Andernfalls hätten geschickte SpielerInnen im Spielsystem größere Vorteile, obwohl alle SpielerInnen den gleichen Preis zahlen. Vereinfacht gesagt gilt das Prinzip, dass jene SpielerInnen den größten Vorteil haben, die die meiste Zeit in den Charakter investieren. Auf lange Sicht tritt individuelles Geschick im Spiel dahinter zurück. Eine weitere Möglichkeit, neben der Steigerung der Stufe die Macht des Charakters zu erhöhen, ist die Verwendung von virtuellen Gegenständen. Diese Gegenstände haben in der Regel die Gestalt von Ausrüstungsgegenständen oder Waffen. Je nach Spielszenario können dies Rüstungen und Kleidung, Zauberbücher, elektronische oder magische Geräte, Implantate usw. sein. Solche Ausrüstung wird meist durch das Lösen von Questen gewonnen, im Spiel gekauft oder im Tausch mit anderen Spielern erworben. Die virtuelle, digitale Natur der Gegenstände bedeutet, dass sie grundsätzlich jede beliebige Gestalt haben können, die die Betreiber des Spiels wünschen und die sie für ihre Spielwelt als angemessen ansehen. Ausschlaggebend für den Wert dieser Gegenstände ist letztlich, dass sie SpielerInnen Vorteile bringen und daher gefragt sind, und dass ihr Vorkommen im Spiel 9

15 mehr oder weniger begrenzt ist. Besonders wirksame und/oder seltene Gegenstände sind innerhalb der MMOG-Gemeinschaften in der Regel bekannt und begehrt. Der Besitz virtueller Gegenstände ist oft nach außen sichtbar und trägt zur Reputation eines Charakters und in Folge des Spielers bei. Besonders gilt dies für Kleidung, Rüstungen, Waffen und ähnliche Gegenstände, die der Avatar visuel zur Schau stellen kann. Die Reputation spielt unter anderem deshalb eine wichtige Rolle, weil nur ein Teil der Questen und sonstigen Herausforderungen des Spiels im Alleingang bewältigt werden kann. Darüber hinaus warten auf SpielerInnen zunächst Aufgaben, die für kleine Gruppen von 3-8 Charakteren ausgelegt sind. Diese Gruppen lassen sich oft relativ spontan bilden, indem man mittels der integrierten Chat-Funktion nach Interessenten unter den momentan aktiven Spielern in der virtuellen Welt fragt. Für solche Spontan-Aufrufe hat sich ein besonderes sprachliches Format etabliert, Beispiele hierfür finden sich in Kapitel : Das Chatsystem. Im konkreten Fall von WoW wurde zwischenzeitlich in die Spielsoftware per Update (Patch 3.3, Blizzard Entertainment Inc 2009) ein Tool integriert, welches das Suchen und die Teilnahme an Gruppen mittels einer dezidierten Eingabemaske wesentlich erleichtert: Den Dungeon Finder. Trotzdem verwenden selbst knapp 4 Jahre später viele SpielerInnen aus Tradition weiterhin (auch) den Chat zur Gruppenfindung. Neben den Gruppenquesten gibt es aber auch Aufgaben, die mehr Aufwand und größere Planung mit sich erfordern. Diese Questen werden gemeinhin als Raids (dt. Schlachtzug ) bezeichnet. Raids zeichnen sich für gewöhnlich dadurch aus, dass sie eine überdurchschnittlich hohe TeilnehmerInnenzahl erfordern: je nach Spiel und konkreter Aufgabe 40 und mehr Charaktere. Der hohe Planungsaufwand kommt im Wesentlichen daher, dass für den Erfolg einer Raid-Aufgabe eine gut ausbalancierte Gruppe aus komplementären Charakterklassen zusammengestellt werden muss. Vereinfacht gesagt lassen sich in Gruppenquesten und Raids drei Funktionen beschreiben, die von Charakteren übernommen werden müssen 3 : Angreifer, Verteidiger und Heiler. Angreifer sind dafür 3 Unter SpielerInnen wie SpieldesignerInnen wird dieses System auch Rock, Paper, Scissors genannt, in Anspielung auf das im deutschsprachigen Raum als Schnick, Schnack, Schnuck oder Schere, Stein, Papier bekannte Glücksspiel: Hier wie dort besteht ein festes hierarchisches Gefüge zwischen den Optionen. Schere schlägt Papier, Stein schlägt Schere etc. In der Verwendung dieses Ausdrucks im Computerspiel-Kontext schwingt oft eine gewisse Kritik mit, da dieses Spielprinzip grundsätzlich sehr simpel und rigide ist: Ein 10

16 zuständig, den Gegnern Schaden zuzufügen bis diese besiegt sind, Verteidiger dafür, die Gegenangriffe dieser Gegner auf sich zu ziehen und von der Gruppe fernzuhalten. Heiler haben die Aufgabe, den Schaden zu heilen, der an den Verteidigern vorbei gelangt und die Gruppe trifft. Innerhalb der MMOG-SpielerInnenschaft werden Charaktere mit Angreifer - Funktion als Damage Dealer, Direct Damage oder DD bezeichnet im weiteren Verlauf dieser Dissertation wird Damage Dealer als Standardbezeichnung verwendet werden. Der in der SpielerInnenschaft übliche Begriff für Verteidiger ist Tank. Die verschiedenen Charakterklassen können die Funktionen Damage Dealer, Tank und Heiler unterschiedlich gut erfüllen. Viele Charakterklassen können auch von den SpielerInnen unterschiedlich konfiguriert werden, um je nach Situation unterschiedliche Funktionen ausfüllen zu können. Bei einer Gruppengröße von bis zu 40 Mitgliedern ist klar, dass eine ausgewogene Aufstellung von Charakterklassen kaum durch zufällige oder spontane Zusammenstellung erfolgen kann. Stattdessen müssen SpielerInnen für ein effizientes Zusammenspiel in Raidgruppen ihre und die Fähigkeiten der MitstreiterInnen gut kennen, ähnlich wie in einem Mannschaftssport auch. Eine effektive Raidgruppe aus den verfügbaren Charakterklassen aufzustellen ist oft mit einem großen Planungsaufwand verbunden, zumal ja auch der Terminplan der ausführenden SpielerInnen berücksichtigt werden muss. Um Raids effizient planen zu können und die entsprechenden Gruppen zusammenzustellen schließen sich MMOG-SpielerInnen regelmäßig in sog. Gilden zusammen. Funktion und Aufbau von Gilden werden in Kapitel näher beschrieben, während sich Kapitel 2.6. den Gilden als Kommunikationsnetzwerk widmet. Die von SpielerInnen gesteuerten Figuren wurden bisher als Charakter bezeichnet. Genau genommen wird in MMOGs (und anderen Spielen mit Rollenspiel-Tradition) ein von einem Menschen gesteuerter Charakter als PC bezeichnet, die Abkürzung für Player Character (dt. Spielercharakter ). Charaktere, die vom Computer gesteuert werden, tragen die Bezeichnung NPC für Nonplayer Character. Im alltäglichen Sprachgebrauch von MMOG- SpielerInnen bezieht sich der Begriff Charakter ohne weitere Zusätze standardmäßig auf PCs. Verteidiger kann z.b. nicht spontan in eine Angreiferrolle wechseln, ohne die Balance des Systems zu zerstören, und jede Rolle ist als Gegenstück zu einer festen Gegenrolle konzipiert. 11

17 Die virtuellen Welten werden neben den PCs von einer Vielzahl computergesteuerter Entitäten bevölkert, die als Gegner, Verbündete oder Statisten dienen können. Die bereits erwähnten NPCs gehören dazu, wobei mit dieser Abkürzung i.d.r. Figuren bezeichnet werden, die irgendeine besondere Funktion über das reine Gegner-sein hinaus erfüllen. NPCs vergeben z.b. die wichtigen Questen an Spieler, geben Ratschläge zum Spielinhalt, fungieren als Händler für Waren innerhalb der Spielwelt und dienen als Wächter für besondere Zufluchtsgebiete. Nicht zuletzt dienen die NPCs auch dazu, die Spielwelt lebendig aussehen zu lassen, ähnlich den Statisten in einer Filmszene, denn nicht immer sind genug menschengesteuerte Charaktere anwesend, um eine Spielregion mit Leben zu füllen. In dieser Funktion können NPCs auch so designed sein, dass sie auf den ersten Blick nicht von PCs zu unterscheiden sind. Ein weiterer Typ computergesteuerter Entitäten sind die sog. Mobs (von engl. Mobile Object dt. mobiles Objekt ). Der Begriff Mob stammt ursprünglich aus dem Bereich der MUDs (Multi User Dungeon), einem rein textbasierten Vorgängersystem der heutigen MMOGs. In einem MUD werden Mobs aus technischer Sicht von anderen programmierten Objekten durch ihre Mobilität unterschieden, da alle anderen Objekte an einer festen Position verweilen. Wie ein Mob äußerlich beschrieben wird, ob als marodierendes Monster, rollender Fels o.ä., ist grundsätzlich unbedeutend. Die Bezeichnung Mob wurde aus den MUD-Systemen in die modernen MMOGs übertragen, hat aber mittlerweile eine breitere Bedeutung: Als Mob werden in erster Linie jene Figuren bezeichnet, die als Gegner für PCs dienen. Sie haben gewöhnlich die Gestalt von Monstern, wilden Tieren o.ä. Die Grenze zwischen NPCs und Mobs ist verschwommen, denn manche NPCs werden unter bestimmten Umständen zu Mobs, d.h. zu Gegnern, die bekämpft werden müssen. Im gewöhnlichen Sprachgebrauch der Spielgemeinschaft ist i.d.r. dann von Mobs die Rede, wenn die betroffene Figur im aktuellen Kontext nur als Gegner von Bedeutung ist unabhängig davon, ob die Figur unter anderen Umständen oder zu einem anderen Zeitpunkt weitere Funktionen hat. In den meisten Fällen wird Mob einfach gleichbedeutend mit Monster verwendet. Trotz ihrer vielfältigen Einsatzmöglichkeiten dienen die computergesteuerten Figuren in einem MMOG letzten Endes natürlich nur dazu, den menschlichen SpielerInnen dienlich zu sein. Während komplexe computergesteuerte Figuren in quasi jedem Computer-/Videospiel 12

18 vorkommen, macht das Zusammenspiel der menschlichen TeilnehmerInnen den besonderen Reiz eines MMOG aus. Das folgende Kapitel widemt sich daher einer wichtigen Organisationsform der SpielerInnen in diesem Genre: Den sog. Gilden Die Gilden SpielerInnen von MMOGs organisieren sich regelmäßig in selbstverwalteten Vereinigungen. Diese Vereinigungen werden abhängig vom jeweiligen Spielszenario z.b. als Gilden, Clans oder Corporations bezeichnet. Die Bezeichnung Gilde stammt ursprünglich aus MMOGs mit mittelalterlichem Setting, aber mittlerweile wird dieser Begriff im MMOG-Genre und anderen Online-Spiel-Genres mit der generellen Bedeutung selbstorganisierter Zusammenschluss von SpielerInnen zum gemeinsamen Spiel verwendet. Im weiteren Textverlauf wird Gilde daher als Standardbezeichnung verwendet für diese Gruppen. Die Betreiber von MMOGs betrachten die Bildung von Gilden als wichtigen Bestandteil ihres Spiels und fördern diese aktiv. Optionen für die Gründung einer Gilde werden in den Spielsystemen gut sichtbar angeboten und die Mitgliedschaft in einer Gilde verspricht eine Reihe von Vorteilen, z.b: Angehörigen einer Gilde stehen zusätzliche Kommunikationskanäle (z.b. im Chat-Format) zur Verfügung, die nur von Mitgliedern eingesehen werden können. Gilden von ausreichender Größe bekommen in manchen Spielen virtuelle Räumlichkeiten bereitgestellt, die als exklusiver Zufluchts- und Versammlungsort dienen. Gilden erhalten Lagermöglichkeiten für Gegenstände und Geld, auf die Mitglieder innerhalb der Spielwelt zugreifen können. Die Gründung einer Gilde erlaubt oft auch die Erstellung einzigartiger Insignien wie Wappen oder Banner. Damit können Mitglieder ihre Zugehörigkeit demonstrieren und sofern der Ruf der Gilde gut ist zusätzliches Prestige erlangen. Manche MMOGs, z.b. World of Warcraft, geben Gilden eine Stufe ähnlich wie bei einem Spielercharakter, die durch gemeinsame Anstrengung der 13

19 Mitglieder gesteigert werden kann. Eine höhere Stufe bringt für die Gilde zusätzliche Vorteile innerhalb der Spielwelt, z.b. einen stetigen Vorrat an begehrten Ressourcen, auf die Mitglieder zugreifen können. Gründung und Verwaltung von Gilden erfolgen von SpielerInnen für SpielerInnen, die Betreiber der Spiele geben lediglich den Rahmen der Möglichkeiten vor. Für die Mitgliedschaft in einer Gilde gibt es aus SpielerInnensicht neben den oben genannten Vorteilen noch eine Reihe weiterer guter Gründe. Der Aspekt der Geselligkeit, der ohnehin einen großen Anteil an der Attraktivität von MMOGs hat, wird innerhalb einer Gilde verstärkt. Die Mitglieder werden Teil eines sozialen Netzes mit engeren Verbindungen. Man bekommt neben den materiellen Zugriff auf Gildenressourcen auch Zugriff auf das taktische und strategische Wissen seiner MitstreiterInnen. Gildenmitglieder helfen sich zudem in schwierigen Spielsituationen gegenseitig aus. Streng genommen bezieht sich die Mitgliedschaft in einer Gilde immer auf einen bestimmten Charakter statt einer SpielerIn, d.h. theoretisch kann eine SpielerIn mit mehreren Charakteren auch in mehreren Gilden sein. Da Gilden aber oft von ihren Mitgliedern auch ein Mindestmaß an Zeit-Investition für die Gruppe erwarten, kann eine so auf mehrere Charaktere verteilte Loyalität leicht zu Problemen führen. In einer von Yee (2008) durchgeführten Umfrage unter MMOG-SpielerInnen gaben 89% der Befragten an, mindestens einen Charakter zu besitzen, der Mitglied einer Gilde ist. Nur 25% von diesen gehörten mehr als einer Gilde an und 87% der Gesamtheit der Befragten erklärten, dass sie sich einer spezifischen Gilde bevorzugt zugehörig fühlten. Diese Zugehörigkeitsgefühl wird voraussichtlich zusätzlich verstärkt durch die Art und Weise, wie die SpielerInnen zu der Mitgliedschaft gekommen sind: Insgesamt 43% gaben an, die bevorzugte Gilde entweder selbst gegründet zu haben (23%) oder durch einen RL-FreundIn d.h. jemand aus dem Real Life, der Welt jenseits des Computers in diese eingeladen worden zu sein (20%) (siehe Abb. 1). In diesen Fällen kann von einem besonders intensiven Engagement für die Gilde und/oder besonders enge soziale Verbindungen innerhalb dieser ausgegangen werden. 14

20 Abbildung 1: Statistik zur Art und Weise des Zustandekommens einer Gilden-Mitgliedschaft. Die Kategorie Asked to join bezieht sich auf Initiativbewerbungen bei einer Gilde, die innerhalb oder außerhalb des Spiels beworben wurde; Online Friend auf Einladungen durch Online-Kontakte; Invited After Interaction auf Einladungen durch andere SpielerInnen, die man zuvor bei einer gemeinsamen Gruppenaufgabe im Spiel kennengelernt hatte; Split / Merger auf Fälle, in denen eine Gilde entweder in zwei neue aufgeteilt oder in eine bestehende integriert wurde. (aus: Yee 2008, (zuletzt besucht )) Die Organisationsmöglichkeiten für Gilden beschränken sich natürlich nicht nur auf die Spielwelt selbst. Die Gilde existiert als Gruppe auch dann, wenn man sich nicht im Spiel befindet. Im Worldwide Web vernetzen sich Gilden typischerweise mit Hilfe von Webseiten, Foren u.ä. Jenseits des Computers werden regelmäßig auch Treffen von Angesicht zu Angesicht organisiert. Blendet man die Tatsache aus, dass Gilden ihren Ursprung in einer virtuellen Welt haben, so gleichen sie in vielen Aspekten herkömmlichen sozialen Netzwerken wie z.b. Vereinen mit geografisch mehr oder weniger weit verstreuen Mitgliedern, die durch ein gemeinsames Hobby oder gemeinsame Interessen verbunden sind. Erst die Kommunikations-Infrastruktur einer Gilde eröffnet in der Regel die Möglichkeit, Raids in regelmäßiger Form durchzuführen. Nur über ein solches Netzwerk sind Aspekte wie zeitliche Abstimmung, Planung der Gruppenzusammenstellung und Koordination von Spielstilen verlässlich zu handhaben. Innerhalb einer funktionierenden Gilde wissen die 15

21 Mitglieder gewöhnlich relativ gut bescheid über die Möglichkeiten der eingesetzten Charaktere sowie die Talente der ausführenden SpielerInnen. Über Internetforen und vergeichbare Kommunikationswege können darauf aufbauend Raidgruppen geplant werden, die auch für längerfristige Einsätze effizient sind. Ein einzelner Raid-Einsatz nimmt ohne Planungsphase etwa zwei bis drei Stunden in Anspruch, was eine nicht unerhebliche Zeitinvestition darstelllt vor allem für berufstätige SpielerInnen. Es müssen die Terminpläne von 5 bis 40 SpielerInnen aufeinander abgestimmt werden, denn genau wie bei Mannschaftssportarten auch ist das regelmäßige Spielen in einem stabilen Team notwendig, um sich auf den Spielstil sowie die Stärken und Schwächen der MitstreiterInnen einzustellen und so ein Maximum an Effizienz zu ereichen. Das Raiden ist ein wichtiger Bestandteil fast aller gängigen MMOGs, obwohl viele SpielerInnen auch andere Schwerpunkte in ihrem Spielverhalten setzen als die Teilnahme an kooperativen Gruppenaufgaben z.b. den Wettkampf gegen andere menschliche SpielerInnen. Im Mittelpunkt der vorliegenden Dissertation steht das Sprachverhalten einer Gilden-Raidgruppe, bevor aber der Fokus darauf gerichtet wird, soll das folgende Kapitel eine Übersicht über die verschiedenen spielerischen Varianten vermittelen, die in einem MMOG abhängig vom spielerischen Fortschritt und dem persönlichen Geschmack des Spielers/der Spielerin gewählt werden können Varianten des MMOG-Spiels PvP, PvE und Rollenspiel Bei den in diesem Kapitel vorgestellten Spielarten handelt es sich nicht um Varianten im Sinne von eigenständigen Spielversionen, sondern vielmehr um spielerische Schwerpunkte, die SpielerInnen von MMOGs selbst innerhalb der gleichen Spielmechanik wählen. Wettstreit und Konflikt, ob kriegerischer, wirtschaftlicher oder sportlicher Natur, sind essentieller Bestandteil vieler Spiele. Dies gilt natürlich auch für MMOGs. In diesen Multiplayer-Spielen können Konflikte einerseits mit computergesteuerten Figuren, aber eben auch mit den Charakteren menschlicher MitspielerInnen ausgetragen werden. Der Wettstreit mit anderen Personen bietet eine größere Herausforderung, weil diese potenziell klüger, abwechslungsreiher und weniger vorhersehbar handeln. Im Gegenzug bieten menschliche Gegenspieler aber auch ein großes Potenzial für Frust: Während die 16

22 computergesteuerten Figuren durch verschiedene Mechanismen von den Spielbetreibern darauf ausgerichtet sind, SpielerInnen gleichermaßen zu fordern wie zu unterhalten, ist menschlichen SpielerInnen der Spielspaß ihres Gegenübers oft egal. Die spielerische Bedrohung durch stärkere GegenspielerInnen kann auch frustrierend sein. Aus diesem Grund bieten MMOGs wie World of Warcraft zwei Optionen an: PvP und PvE. Diese Abkürzungen stehen für Player versus Player (dt. Spieler gegen Spieler ) sowie Player versus Environment (dt. Spieler gegen Umgebung ). Im PvP-Modus können SpielerInnen sich untereinander quasi jederzeit angreifen, mit Ausnahme spezieller Rückzugsgebiete. In PvE- Modus hingegen können Kämpfe zwischen SpielerInnen nur dann ausgetragen werden, wenn alle Beteiligten dazu einwilligen. Der Kampf gegen computergesteuerte Figuren ist in beiden Modi unverändert möglich, ebenso wie die Kooperation zwischen SpielerInnen. Die Wahl eines der beiden Modi erfolgt bei WoW zu Spielbeginn, SpielerInnen müssen sich an diesem Punkt entscheiden, ob sie auf einem PvP- oder einem PvE-Server spielen wollen. Es wurde zuvor bereits erwähnt, dass neben der Bezeichnung MMOG auch die Variante MMORPG gebräuchlich ist. Das zusätzliche Element RP steht für Roleplaying, zu dt. Rollenspiel. Im Kontext von MMOGs bezeichnet Rollenspiel eine weitere Spielvariante, die zusätzlich zu PvP und PvE berücksichtigt werden muss. RollenspielerInnen d.h. AnhängerInnen des besagten Spielstils legen besonderen Wert darauf, ihren eigenen Spielcharakter sowie andere Charaktere nicht nur als Ansammlung von Spielwerten und Fähigkeiten zu betrachten, sondern als ausgearbeitete Persönlichkeiten, ähnlich den Charakteren in Theater-Produktionen. Zu diesem Zweck entwickeln Rollenspieler für ihre Spielfiguren Hintergrundgeschichten und Persönlichkeiten und versuchen im Spiel, diesen Ausdruck zu verleihen. Angesichts der beschränkten Ausdrucksfähigkeit der Spielfiguren wird das Ausspielen dieser Persönlichkeit i.d.r. hauptsächlich über das Chat-Format erreicht, in dem die Handlungen und Aussagen der Figur rollengerecht ausgeschmückt werden. Dies äußert sich abhängig vom Setting des Spiels und dem gewünschten Charakter z.b. durch die Verwendung mittelalterlicher Redewendungen (bzw. was der/die SpielerIn dafür hält), Mundart oder anderer charakteristischer Sprache. Zudem können SpielerInnen per Chat ihre Handlungen in der dritten Person beschreiben, ein Format, das den Anweisungen in einem Theaterskript gleicht. 17

23 Rollenspiel-Server wenden sich speziell an solche SpielerInnen, die Wert auf eine in sich stimmige Spielwelt legen, bei der auch das Verhalten der Charaktere in den Rahmen der Spielwelt passt. In einer an das Mittelalter angelehnten Spielwelt sind z.b. moderne Charakternamen verpönt, ebenso wie Ausdrücke und Redewendungen, die eindeutig auf unsere moderne Alltagswelt verweisen. Der Verstoß gegen diese Regeln kann sanktioniert werden, z.b. durch erzwungene Namensänderungen oder Sperrungen des Spiel-Accounts für einen bestimmten Zeitraum. Es liegt auf der Hand, dass sich auf einem Rollenspiel-Server der Sprachgebrauch insgesamt deutlich von jenem auf Standardservern unterscheiden kann, zumindest wenn von einem ausreichend großen Teil der Population konsequent Rollenspiel betrieben wird. Bei MMOGs, in deren Settings moderne Alltagssprache angemessen ist (z.b. Science-Fiction- oder kontemporäre Settings), sind Rollenspiel-Server unüblich, weil die SpielerInnenschaft sich im Großen und Ganzen sowieso szenariogerecht verhält. In einem MMOG wie Der Herr der Ringe Online (Turbine, Inc./Midway Games 2007), welches auf den Büchern J.R.R. Tolkiens basiert, wird hingegen mitunter streng darauf geachtet, dass sich das sprachliche Verhalten im Bereich in jenem Rahmen bewegt, der von der literarischen Vorlage als angemessen definiert wird. Aus sprachwissenschaftlicher Sicht ist eine Betrachtung von Rollenspiel-Servern zweifellos reizvoll. Eine solche Untersuchung würde aber nach einer separaten Datensammlung unter anderen Vorzeichen verlangen und kann deshalb im Zuge der vorliegenden Dissertation nicht berücksichtigt werden. Zu den besagten Vorzeichen zählen u.a. foglende Aspekte: Das Rollenspiel wird nur von einer relativ kleinen Untergruppe der MMOG- SpielerInnen betrieben. Es ist also wesentlich aufwendiger, eine ausreichend große Menge solcher Probanden zusammenzustellen und/oder eine Gilde zu finden, die sich dem Rollenspiel widmet. Die vorliegende Untersuchung ist so weit wie möglich um Repräsentativität und Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse bemüht. Ein Fokus auf das Rollenspiel würde hingegen ein Nischen-Phänomen in den Mittelunkt rücken, welches zudem gerade in sprachlicher Hinsicht arbiträren, selbst auferlegten Regeln folgt. Viele SpielerInnen, die Rollenspiel betreiben, geben dieses auf, sobald sie sich bestimmten fortgeschrittenen Spielinhalten wie z.b. dem Raiden 18

24 widmen. Die Kommunikation unter Rollenspiel-Bedingungen ist schlicht zu ineffizient, um diese Spielinhalte zu meistern. Auch wenn das Rollenspiel als Spielstil keinen Schwerpunkt dieser Dissertation darstellt, so wird es doch im weiteren Verlauf Erwähnung finden, denn die reine Idee des Rollenspiels spielt für das MMOG-Genre eine nicht zu vernachlässigende Rolle Ein Spiel ohne Ende? Für die meisten Computer-/Videospiele gilt, dass sie über ein klares Spielziel bzw. Siegbedingungen verfügen: Wenn SpielerInnen diese erreichen, ist das Spiel gewonnen. Dies gilt allerdings nicht für MMOGs. Der Großteil dieser Spiele hat kein explizites Spielziel, welches das Ende des Spiels markieren könnte. Während in anderen Spielen die Welt gerettet, eine Prinzessin befreit, ein Schatz gefunden oder ein ähnliches ultimatives Ziel erreicht werden muss, bieten MMOGs vielmehr eine stetige Abfolge von Herausforderungen, die nicht endet. Das ultimative Spielziel ist die Verbesserung der Spielfigur, die verschiedenen Questen dienen dabei immer nur als Teilziel. Die Progression eines Charakters ist meist endlich, d.h. früher oder später ist die höchste mögliche Stufe im jeweiligen Spielsystem erreicht. Das Spiel an sich endet aber an diesem Punkt nicht. Je länger sich ein bestimmtes MMOG auf dem Markt hält, desto größer wird zwangsläufig die Zahl an SpielerInnen, die mit mindestens einem Charakter die maximale Stufe erreicht haben. Um diese KundInnen bei der Stange zu halten, wenden die Betreiber von MMOGs verschiedene Strategien an. Auf den hohen und höchsten Spielstufen warten spezielle Inhalte, die besonders schwierig sind, hohen Zeitaufwand und komplexe Gruppenkoordination erfordern. Zudem wechselt in diesem Spielbereich der Fokus bei der Charakterentwicklung. Bei WoW beispielsweise wird die Macht einer Spielfigur neben der Stufe auch stark von der Ausrüstung bestimmt, die der Charakter zur Verfügung hat. Nähert sich die Stufenprogression dem oberen Ende, können sich SpielerInnen vermehrt auf das Erlangen besonders seltener und mächtiger Gegenstände konzentrieren. Um diese Gegenstände zu bekommen, müssen die zuvor genannten Herausforderungen gemeistert werden, die 19

25 SpielerInnen haben also trotz Ende der Stufenprogression weiterhin zeitintensive Aufgaben vor Augen. Darüber hinaus ist es üblich, dass die Betreiber von (kommerziell erfolgreichen) MMOGs in regelmäßigen Abständen neue Spielinhalte hinzufügen durch kostenpflichtige Erweiterungen. Diese sog. Add-Ons erweitern das Spiel z.b. um neue Regionen, neue spielbare Rassen und Klassen, Monster und Spieloptionen. Zudem erweitern sie auch in aller Regel die Stufen-Skala, d.h. SpielerInnen können höhere Maximalstufen erreichen. Erfahrene SpielerInnen erreichen die neuen Stufen üblicherweise innerhalb weniger Tageoder schneller und stehen dann wieder am Ende der Progression. An diesem Punkt widmen sie sich erneut der Jagd nach seltenen Gegenständen und legendären Monstern. Engagierte SpielerInnen enden mit ihren Charakteren früher oder später zwangsläufig auf der Maximalstufe, daher kommt den für die fortgeschrittene SpielerInnenschaft angebotenen Inhalten eine große Bedeutung zu. Zu diesen gehört u.a. das Raiden, und die von Raidgruppen verwendete Sprache steht im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung. Die bisher beschriebenen Merkmale von MMOGs stellen notwendigerweise Verallgemeinerungen dar. Die Auswahl an Spieltiteln im MMOG-Segment ist vielfältig, wandelt sich ständig und jeder Titel versucht auf seine Art und Weise, die Wünsche eines bestimmten Segments der Zielgruppe zu befriedigen. Zum einen werden sehr unterschiedliche Settings angeboten von Fantasy bis Science-Fiction, zum anderen werden auch im Bereich der Spielmechanik unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt, die einem Außenstehenden bei oberflächlicher Betrachtung oft nicht gewahr werden. So ist in manchen Spielen ein erfolgreiches Vorankommen ausschließlich durch Kooperation mit anderen SpielerInnen möglich, während andere Spiele auch vielfältige Inhalte für SolospielerInnen bieten. Manche Spielsysteme erfordern bei der Steuerung eher gute Reflexe und Hand-Augen-Koordination, während andere eher taktisch-strategisches Denken in den Vordergrund stellen. Für eine sprachwissenschaftliche Untersuchung, die nicht auf dutzende HelferInnen zurückgreifen kann, ist eine Beschränkung des Fokus auf einen spezifischen Titel aus praktischen Gründen unvermeidlich. Um sprachliche Phänomene in einem überschaubaren Umfeld beobachten zu können, hat sich der Autor der vorliegenden Dissertation das MMOG World of Warcraft der Firma Blizzard Entertainment konzentriert. Während in den 20

26 vorangehenden Kapiteln die Eigenschaften des MMOG-Genres allgemein beschrieben wurden, sollen nachfolgend die Charakteristika dieses spezifischen Spiels herausgestellt werden, die es von anderen Titeln im Genre abgrenzen Die Besonderheiten (?) von World of Warcraft Eine Betrachtung von MMOGs kommt um World of Warcraft (WoW) nicht herum zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Textes hat WoW zwar nicht mehr die Spitzenposition unter den MMOGs inne, verfügt aber immer noch über 7,7 Mio. Abonnenten in 2013 (vgl. Business Wire 2013). Dabei sind sich viele KritikerInnen einig, dass WoW seinen Erfolg weniger etwaigen revolutionären Ideen verdankt, als vielmehr der Sammlung und Perfektionierung von Eigenschaften, die sich im Genre zuvor bereits bewährt hatten. Espen Aarseth beschreibt das Erfolgsrezept in dem Artikel A Hollow World: World of Warcraft as Spatial Practice mit den Worten: [ ] in important respects, like critical acclaim and popularity, World of Warcraft is the better liked game [than competitors like Everquest 2, EVE Online or Star Wars Galaxies]. However, World of Warcraft is not a bold, experimental step forward, since it does not pioneer MMOG design in any significant way, but rather consolidates it. The world it offers is less deep, less individually accommodating, but more safe and polished compared to other games in the genre. Instead, Blizzard has quietly observed and distilled twenty years of game evolution, and bound the landscape together in a seemingly seamless whole, a continuous surface that, by being continuous and labyrinthine, gives the impression of being a lot bigger than it actually is. [Aarseth 2008: 115f.] WoW erschien Ende 2004 zuerst im nordamerikanischen und australischen Raum. Anfang 2005 folgte die Veröffentlichung in Europa und Korea. Im Laufe des gleichen Jahres wurden außerdem eine chinesische und eine spanische Version veröffentlicht. Im Sommer 2008 erhielt auch der russische Sprachraum eine Übersetzung. Die erste Erweiterung des Spiels erschien im Januar 2007 und trägt den Namen The Burning Crusade. Eine zweite mit dem Titel Wrath of the Lich King kam im November 2008 in die Läden. Erweiterung drei namens Cataclysm wurde im Dezember 2010 veröffentlicht. Das bislang letzte Addon Mists of Pandaria vergrößert seit September 2012 die World of Warcraft. 21

27 Die Spielwelt in der WoW angesiedelt ist, wurde ursprünglich im Rahmen von drei Vorgängerspielen entwickelt: Warcraft: Orcs and Humans (Blizzard Entertainment 1994), Warcraft II: Tides of Darkness (Blizzard Entertainment 199)) und Warcraft III: Reign of Chaos (Blizzard Entertainment 2002). Alle drei Spiele sind allerdings keine MMOGs sondern gehören zum Genre der Echtzeit-Strategiespiele. Sie sind also keine Vorbilder aus spielerischer Sicht, liefern aber die Vorgeschichte der Rahmenhandlung von WoW. Aus praktischer Sicht ist die Kenntnis der Vorgänger zum Spielen von WoW nicht von Bedeutung. Da die Rahmenhandlung zum einen sehr komplex und umfangreich, zum anderen für die vorliegende sprachwissenschaftliche Untersuchung kaum relevant ist, soll sie hier nicht wiedergegeben werden. Für interessierte LeserInnen existieren aber unzählige, offizielle wie fan-basierte Quellen in Print und online, die diese Rahmenhandlung detailliert wiedergeben, mehr dazu in Kap Die virtuelle Welt, in der WoW spielt, trägt den Namen Azeroth. Azeroth inkorporiert klassische Fantasy-Motive im Stile von J.R.R. Tolkiens Herr der Ringe. Die Welt wird neben Menschen von einer Vielzahl Fabelwesen wie Zwergen, Elfen, Trollen und Drachen bewohnt. Magie ist in diesem Szenario eine Realität und wird als vielfältiges Werkzeug eingesetzt. Spieler können in diesem Szenario einen Charakter aus einer von 12 Rassen auswählen. Diese spielbaren Rassen verteilen sich gleichäßig auf zwei Fraktionen: Allianz und Horde. Die beiden Fraktionen stehen in einem Konflikt miteinander, der in der Geschichte der Vorgängerspiele begründet liegt. Dieser Konflikt ist ein prägendes Merkmal der Rahmenhandlung und schlägt sich spielmechanisch u.a. darin nieder, dass die Kommunikation zwischen Vertretern beider Fraktionen vom System stark eingeschränkt wird: Im viel genutzten Kommuniksmodus Chat wird die geschriebene Sprache in weitgehend unverständliches Kauderwelsch verwandelt, wenn die GesprächspartnerInnen nicht zur gleichen Seite gehören. Bewaffneter Konflikt zwischen SpielerInnen beider Fraktionen wird zwar nicht erzwungen, NPCs aber attackieren Mitglieder der jeweiligen Gegenseite bei Sichtkontakt. Kooperatives Spiel findet fast nur innerhalb der Fraktionen statt. Zwar gibt es bei WoW Questen, bei denen beide Fraktionen zusammenarbeiten vor allem im Zuge der Erweiterung The Burning Crusade, die einen gemeinsamen Feind einführt aber diese Zusammenarbeit beschränkt sich eher auf die Rahmenhandlung, in die die Questen eingebettet sind, nicht auf die tatsächlichen Handlungsoptionen der SpielerInnen. 22

28 Bei der konkreten Durchführung bleiben die Mitglieder der Fraktionen immer unter Ihresgleichen. Die Rahmenhandlung der Spielwelt wird insbesondere durch die Erweiterungen immer weiter fortgeführt. Die Kenntnis von Einzelheiten ist jedoch in der Spielpraxis nicht notwendig. Selbst unter der SpielerInnenschaft gibt es laut Selbstbeschreibungen einen recht großen Anteil an Personen, die die Rahmenhandlung weitgehend ignorieren, ohne dadurch Nachteile im Spiel zu erleiden MMOGs im Blick der Wissenschaft MMOGs sind in den letzten Jahren verstärkt in den Mittelpunkt wissenschaftlicher Betrachtungen gerückt. Dies umfasst Betrachtungen aus verschiedenen akademischen Gebieten, u.a. Kommunikationswissenschaften, Wirtschaftswissenschaften, Psychologie und Geographie. Sprachwissenschaftliche Veröffentlichungen, die sich mit MMOGs als eigenständiges Phänomen befassen, sind zum Zeitpunkt der Erstellung der vorliegenden Dissertation dem Autor noch nicht bekannt. Die Linguistik beschäftigt sich mit MMOGs bisher eher indirekt, indem sie Aspekte der Computervermittelten Kommunikation (CvK) beleuchtet, die auch in MMOGs verwendet werden, wie z.b. die Chat-Kommunikation. Dementsprechend finden sich im folgenden Kapitel zwei Sorten von Literatur: Die erste stellt Veröffentlichungen und Untersuchungen dar, die sich unmittelbar mit MMOGs beschäftigen, aber keinen spezifisch sprachwissenschaftlichen Hintergrund haben. Die zweite hingegen umfasst Veröffentlichungen und Untersuchungen, die zwar sprachwissenschaftlichen Fragestellungen nachgehen, sich aber nicht direkt mit MMOGs befassen. Die virtuellen Welten von Computerspielen und die physikalisch Welt jenseits des Computers existieren keineswegs vollkommen getrennt voneinander, stattdessen gibt es vielfältige Wechselwirkungen und Abhängigkeiten zwischen ihnen. Eine Reihe von Veröffentlichungen befasst sich ganz zumindest teilweise mit der Frage, ob und weshalb MMOGs als Phänomen allgemeingesellschaftlich relevant sind. 23

29 Einführungen in das Thema MMOGs und WoW Castronova (2005): The Business and Culture of Online Games Edward Castronovas Synthetic Worlds The Business and Culture of Online Games (2005) beschäftigt sich mit dem Verhältnis von MMOGs und ähnlichen synthetischen Online-Welten zur allgemeinen menschlichen Gesellschaft jenseits des Computers. Castronova vertritt die Ansicht, dass die Vorgänge und Mechanismen in synthetischen Welten wie denen von MMOGs ernst genommen werden müssen, da Online- und Offline-Gemeinschaften immer enger miteinander verflochten werden und somit auch die Wechselwirkungen zwischen beiden an Bedeutung gewinnen. Er macht dies in erster Linie an wirtschaftlichen Gegebenheiten und Entwicklungen fest: So besteht beispielweise zwischen den Wirtschaftssystemen in MMOGs und der Offline-Weltwirtschaft eine direkte Verbindung, da virtuelle Gegenstände, Charaktere, Zugangsrechte, Währungen u.ä. gegen reales Geld auf Plattformen wie ebay gehandelt werden: The blurring of real and virtual is perhaps nowhere more obvious than in the pricing of goods and services that exist only in synthetic worlds. World-builders always intended for goods and services to have prices and markets inside the world, in terms of gold pieces and credits and so on, but they seem not to have anticipated that these things would acquire robust markets outside the world. At this writing, the online auction site ebay hosts about $30 million annually in trade for goods that only exist in synthetic worlds. Much of this trade involves currencies, which means that ebay is effectively hosting a foreign exchange market for synthetic world money. The dollar exchange rates are robust and not uncommonly higher than those of Earth currencies. For a good part of 2001, the Platinum Piece of Everquest was trading at 100 to the dollar when the yen was trading at 120 to the dollar [Hervorhebungen im Original]. [Castronova 2005: 149] Die Produkte synthetischer Welten werden also genauso real gehandelt wie herkömmliche Waren auch, sie sind keineswegs weniger bedeutsam, weil sie Teil eines Computerspiels sind. Castronova weist zudem darauf hin, dass MMOGs kein Randgruppen- oder Jugendphänomen sind, sondern ein Massenphänomen. Er stützt diese Annahme u.a. auf statistische Daten über den Gebrauch von Video- und Computerspielen im Allgemeinen. Laut einer Studie der Interactive Digital Software Association (IDSA) war beispielsweise im Jahr 2004 in den USA der/die DurchschnittsspielerIn 29 Jahre alt. 43 Prozent der SpielerInnenschaft waren weiblich. 97 Prozent der Spiele wurden von Erwachsenen über 18 Jahren gekauft und 60 Prozent der Eltern spielten mindestens einmal im Monat mit ihren Kindern Computer- oder Videospiele (vgl. Castronova 2005: 57). Computer- und Videospiele 24

30 und somit auch MMOGs können also kaum als reines Kinder- und Jugendphänomen behandelt werden, sondern spielen in der Freizeit vieler Bürger eine Rolle. Laut Castronova können MMOGs angesichts dieser relativ weiten gesellschaftlichen Verbreitung und ihrer Verwendung innovativer Techniken dazu dienen, Lehren über die Verwendung von multimodalen Kommunikationstechnologien zu gewinnen: Synthetic worlds are both a powerful new communications technology and a powerful new cultural medium: a multiuser videophone that connects everyone, in costume, on a special-effects stage that s complete with robotic actors. This technology can be deployed for all kinds of purposes, some of them wonderful, others pointless but innocent, others frightening. We absolutely have to take stock of whatever implications we can see and then consider what to do. [Castronova 2005: 251] Unabhängig davon, ob man Castronovas Ansichten und Vorhersagen in einzelnen Fällen zustimmen möchte, so stellt er auf jeden Fall überzeugend dar, dass MMOGs nicht nur als marginal bedeutsame Fantasiewelten betrachtet werden sollten. Schon jetzt sind sie vielfältig mit der Welt außerhalb des Computers verwoben und auch in Zukunft werden synthetische Welten den Umgang mit dem Internet mit großer Wahrscheinlichkeit prägen Taylor (2006): Play between Worlds Einen Blick auf die Kultur eines MMOG aus teilnehmender Sicht bietet T.L. Taylors Play between Worlds (2006). Taylor war über mehrere Jahre aktive Spielerin des MMOG Everquest. Ihre Betrachtungen beziehen sich in erster Linie auf dieses Spiel, was aber der Übertragbarkeit auf das Genre der MMOGs allgemein keinen Abbruch tut. Play between Worlds ist gut geeignet als Einführung für all jene, die mit dem Genre keinerlei Erfahrung haben. Taylor beschreibt ausführlich Spielprinzipien und Konventionen bezüglich Charakterwahl, Gruppenbildung und Gildenleben, die sich in dieser Form auch in den meisten anderen Spielen des Genres wiederfinden. Ebenfalls betrachtet werden jene sozialen Aspekte der MMOG-Kultur, die außerhalb des eigentlichen Spiels stattfinden, im konkreten Fall z.b. eine kostümierte Zusammenkunft von Everquest-SpielerInnen. Zwei weitere Phänomene, denen sich Taylor dezidiert widmet, sind zum einen die besondere Rolle weiblicher Spielerinnen innerhalb der Spielkultur sowie das besondere Verhältnis zwischen SpielerInnenschaft und Spiel-Betreiber. Dieses Verhältnis ist geprägt von 25

31 der Frage, wie weit der Besitzanspruch der Betreiber über von ihnen konzipierten Spielwelten geht. Die Hersteller stellen zwar das Spielfeld zur Verfügung, aber letztlich sind es die SpielerInnen, die durch ihre soziale Interaktion erst die Welt mit Leben füllen und den eigentlichen Spielwert eines MMOGs generieren. Hat der Betreiber eines MMOG Anspruch auf Kontrolle über alle Erzeugnisse, welche die Spielerschaft aus der synthetischen Welt gewinnt, auch wenn diese erst durch die Zeitinvestition seitens der SpielerInnen produziert werden? Taylor kann diese Frage nicht abschließend beantworten, skizziert aber anschaulich die Funktionsprinzipien einer MMOG-Welt, die zur Stellung der Frage führen. Trotz des Fokus auf das in die Jahre gekommene Everquest stellt Play between Worlds eine gute Einstiegshilfe in das Thema MMOGs dar. Die Orientierung an einem Einzeltitel und die Tatsache, dass die Autorin von ihren eigenen Spielerfahrungen berichtet, machen die MMOG-Spielstrukturen anschaulich und greifbar und erleichtern das Verständnis für viele gängige Genre-Konventionen, die abstrakt nur schwer zu verstehen wären Corneliussen/Rettberg (2008): Digital Culture, Play and Identity. A World of Warcraft Reader Exklusiv mit dem Spiel World of Warcraft beschäftigt sich Digital Culture, Play, and Identity. A World of Warcraft Reader, herausgegeben von Hilde G. Corneliussen und Walker Rettberg. Der Reader ist das Resultat der Arbeit der europäischen World of Warcraft-Gilde The Truants, die von Akademikern spezifisch mit dem Ziel gegründet wurde, die Spielwelt wissenschaftlich aus verschiedenen Perspektiven zu untersuchen 4. Zu den Truants zählen u.a. namhafte Forscher auf dem Gebiet der Computer Game Studies wie Espen Aarseth und T.L. Taylor. Die in Digital Culture, Play, and Identity vorgestellten Artikel behandeln so unterschiedliche Themen wie World of Warcraft as a Playground for Feminism, World Creation and Lore: World of Warcraft as Rich Text und Role-play vs. Gameplay: The Difficulties of Playing a Role in World of Warcraft. Die Artikel bieten in ihrer Gesamtheit eine exzellente Übersicht über die Besonderheiten und Facetten der World of Warcraft. Dabei beschreibt jeder Beitrag jeweils eine spezifische wissenschaftliche Perspektive, in ihrer Gesamtheit dient die Sammlung zudem dazu, einen breiten Eindruck des Spiels zu 4 Die Homepage der Gilde ist zu finden unter ( ) 26

32 vermitteln. Gerade für sprachliche Beobachtungen ist eine grundlegende Kenntnis des Spielsystems, der Regeln und der Spielwelt kaum verzichtbar. Der Einfluss bestimmter Charakteristika des Spiels auf die Kommunikation wird in mehreren Beiträgen der Sammlung direkt oder indirekt thematisiert. Scott Rettbergs Corporate Ideology in World of Warcraft beispielsweise untersucht, inwiefern das Spielprinzip von WoW die Gepflogenheiten modernen Unternehmertums und den Berufsethos der Leistungsgesellschaft widerspiegelt. Laut Rettberg sind neben der grundlegenden Aufgabenstruktur aus Auftrag, Belohnung und Aufstieg der Spielfigur vor allem Aspekte der Gruppendynamik auffällig: One could consider grouping, advanced raid groups, and guild as forms of managerial training. In large raid groups, players must manage their own activities in the context of up to forty other players working toward a common goal. Raid leaders must manage raid members effectively. Each class of player has different ways of inflicting damage on enemies and/or of caring for the well-being of group members. A successfull raid is a complex project. It is common for raid leaders to use voice-over-ip software to direct players under their command during a raid. [...] some mods (add-on software) allow raid leaders to monitor the perfomance of individual members while the raid is unfolding, and to apportion loot as a reward on the basis of each player's indivdual performance. In short, players who participate in raid groups are often subject to an ongoing performance review, and those who lead raid functions as their managers. [Rettberg 2008: 33] Die Kommunikation innerhalb solcher spezialisierter Gruppenstrukturen geht auch mit besonderen sprachlichen Merkmalen einher, die auf die Bewältigung der jeweiligen Gruppenaufgabe ausgerichtet sind. Dies scheint für Raidgruppen ebenso zu gelten für die Fachsrpachen bestimmter Berufsgruppen. Mit der Frage, inwiefern die Sprache innerhalb von Raidgruppen ebenfalls als Fachsprache charakterisiert werden kann, befasst sich Kapitel Torill Elvira Mortensen widmet sich in Humans Playing World of Warcraft: or Deviant Strategies der Frage, ob bestimmte Formen von Spielstrategien als von den Regeln abweichendes Verhalten bezeichnet werden können. Mortensen kommt zu dem Schluss, dass eine Einteilung in angemessenes und abweichendes Spiel wenig Sinn macht, da diese Wertung rein subjektiv sei und vom individuellen Interesse der SpielerInnen abhängt. Für das Verständnis von Raid-Gruppen und ihrem Spiel-Stil ist Mortensens Beitrag deshalb interessant, weil sie im Zuge der Erläuterung ihrer Schlussfolgerung auch herausstellt, weshalb das Raiden solch eine wichtige Stellung im Gesamtgerüst von WoW einnimmt: 27

33 Raids are very well facilitated by the game, as the entire process of quests and instances that a player goes through from level 13 to level 70 is a training process for the raiding, which starts at 60[ ].There are special raid channels once you are in a raid, and raid leaders are given special permissions. At the same time raids are extremely playerintensive, and one of the areas where we see the highest emphasis from the players on the use of mods. [ ]The heaviest raid instances are the most intensive and challenging areas in the game, but that is also why they are the most rewarding, and the ones that some players give the most status. Some players see all the other activities as perversions; only raiding is truly the game. In order to keep raiding, you have to believe you do the only thing worthwhile, as raiding excludes most other game activities. [Mortensen 2008: 213f] Abgesehen davon, dass dank der Spielerweiterungen Wrath of the Lich King, Cataclysm und Mists of Pandaria Charaktere mittlerweile auf Stufe 90 aufsteigen können, hat sich an dieser Tatsache nichts geändert. Zwar kann sich eine SpielerIn auch gegen das Raiden entscheiden, bringt sich damit aber um einen signifikanten Teil des Spielinhalts. Insofern kommt eine Untersuchung des Sprachgebrauchs in WoW kaum um das Raiden herum, da dieses neben dem Wettkampf zwischen Spielercharakteren dem sog. PvP eine der Hauptbeschäftigungen im fortgeschrittenen Spiel ist. Im obigen Zitat schreibt Mortensen auch von einer high emphasis on the use of mods. Mods steht für hier Modifications. In WoW ist die Benutzeroberfläche (UI; für User Interface) durch von SpielerInnenhand programmierte Mods modifizierbar. SpielerInnen können so ihr UI an individuelle Bedürfnisse anpassen, z.b. indem sie Zusatzinformationen über Gegner und Verbündete auf dem Bildschirm einblenden oder das Vorhandensein besonderer Ressourcen in der Umgebung anzeigen. Mods können sogar mit spielexternen Quellen kommunizieren und Daten über Charaktere auf speziellen Webseiten 5 sammeln. Die Verwendung von Mods verdient deshalb eine besondere Erwähnung, da sie auf vielerlei Weise den Ablauf der Kommunikation im Spiel beeinflusst sowohl die Kommunikation zwischen SpielerInnen als auch zwischen Spiel und SpielerInnen. Die Struktur des UI prägt grundlegend, wie SpielerInnen das Spiel visuell und auditiv wahrnehmen und welche Informationen über Spielwelt und MitstreiterInnen sie überhaupt erhalten, und ist deshalb z.b. auch ein wichtiger Aspekt in der Planung von Raidgruppen. 5 Eine solche Webseite ist bspw. Die Datenbank Wowhead ( Diese sammelt mit Hilfe einer Modifikation im Spielprogramm Daten u.a. über die Ausrüstung von Charakteren und ermöglicht auch den Zugriff auf die Datenbank aus dem Spiel heraus. 28

34 Kapitel der vorliegenden Arbeit widmet sich in einem eigenen Abschnitt diesem Thema Mods, da sich dieses in ihrer Funktion als Werkzeuge im Umgang mit dem Spiel auch in der Lexik von WoW-SpielerInnen niederschlägt. T.L. Taylor widmet sich den möglichen Auswirkungen von UI-Modifikationen auf das Spielerlebnis in ihrem Artikel Does World of Warcraft Change Everything? How a PvP Server, Multinational Playerbase, and Surveillance Mod Scene Caused Me Pause. Taylors Hauptanliegen liegt darin, zu zeigen, wie stark die Verwendung von Mods das Spielverhalten beeinflussen kann: One of the innovative things in World of Warcraft is the malleability of its user interface (UI). Much like previous games such as Asheron's Call allowed users to modify the UI, Blizzard has constructed their game system so that player-developers can dramatically change not only the way the game looks, but indeed how it is experienced and played. This means that UI modifications (mods) are not simply cosmetic but can provide core functionality, even altering the nature of play itself. [Taylor 2008: 188] Mit Hilfe von Mods kann auch das Spielerverhalten in Raidgruppen protokolliert werden, da fast jede Handlung im Spielsystem anhand eines Zahlenwertes repräsentiert wird, z.b. die Menge an ausgeteiltem Schaden oder Heilung pro Sekunde. Viele Aspekte der Effizienz von Gruppen und Individuen werden auf diese Weise überhaupt erst greifbar gemacht und stehen damit als Thema für Teambesprechungen zur Verfügung. Das UI beeinflusst auf diesem Weg direkt und indirekt die Inhalte, über die in Raidgruppen gesprochen wird, und für die ein möglicherweise als Fachsprache zu bezeichnender Spezial-Wortschatz benötigt wird (mehr dazu in Kap ) MMOGs als (Sprach-)Unterrichtswerkzeug Steinkuehler (2007): Massively Multiplayer Online Gaming as a Constellation of Literacy Practices MMOGS und ähnliche virtuelle Umgebungen haben heutzutage einen großen Stellenwert im Alltag Heranwachsender und junger Erwachsener. Die US-Medienwissenschaftlerin Constance Steinkuehler forscht seit fast einem Jahrzehnt im Bereich MMOGs, virtuelle Welten und andere Computer-/Videospiele, spezifisch deren Auswirkungen auf Lernprozesse 29

35 bei Jugendlichen und die Anwendbarkeit in Unterrichtskontexten. Steinkuehlers Veröffentlichungen sind größtenteils auf ihrer Webseite 6 frei abrufbar. Ein großes Themengebiet in Steinkuehlers Forschung stellt dabei die Schreib- und Lesefähigkeit dar, sowohl im digitalen wie herkömmlichen Medium, und wie sich die Nutzung von MMOGs/Videospielen darauf auswirken kann. In Massively Multiplayer Online Gaming as a Constellation of Literacy Practices (Steinkuehler 2007a) beispielsweise untersucht sie, inwiefern die Fähigkeit zum rezeptiven und produktiven Umgang mit Texten durch ein MMOG beinflusst werden kann. Sie kommt zu dem Schluss, dass diese Spiele wie kaum eine andere Beschäftigung in der heutigen Zeit Jugendliche dazu bringen kann, aus freien Stücken als Leser wie Autor mit großen Mengen an Texten zu interagieren. MMOGs stellen demnach weniger, wie im öffentlichen Diskurs häufig unterstellt, eine Gefahr für die literarischen Fähigkeiten Jugendlicher dar, sondern sind vielmehr bereits eine Form des erfolgreichen Umgangs mit Texten. Auf der Basis dieser Erkenntnis plädiert Steinkuehler (2007b: 679) u.a. dafür, den Umgang mit MMOGs auch in Unterrichtskontexte zu integrieren. Aus linguistischer Sicht sind Steinkuehlers Forschungen vor allem deshalb von großem Nutzen, weil sie beschreiben, inwiefern das Spielen von MMOGs typischerweise mit der Verwendung eines Geflechts aus multimodalen Texten einhergeht. Dabei betont Steinkuehler zurecht, dass der Umgang mit MMOGs keineswegs nur in der Spielwelt selbst stattfindet: MMOGaming is participation in a constellation of literacy practices [ ], one with fuzzy boundaries that expand with continued play: What is at first confined to the game alone soon spills over into the virtual world beyond it (e.g., websites, chatrooms, ) and even life off-screen (e.g., telephone calls, face-to-face meetings). The online fandom that surrounds successful game titles is a rich yet nebulous sphere of multimodal multimedia including websites, blogs, threaded discussion boards, fan fictions, fan art, annotated game screenshots, cartoons, chatrooms, instant messaging, in-character s, and even voice over IP (VoIP). In order to succeed in the game over time, participants must increasingly engage with the online fandom beyond the virtual world itself in order, for example, to research strategies for success against various in-game challenges, or to develop deeper understandings of the class of character they play not only by using their own in-game experiences to better understand fandom texts (such as those listed above) 6 Zu finden unter 30

36 about their given class but also by using such texts to better understand their own experiences. [Steinkuehler 2007: 199] Um den Sprachgebrauch von MMOG-SpielerInnen beschreiben zu können, muss man sich im Klaren sein, wie weit sich ein typisches MMOG als Gesamt-Spielerlebnis aus Sicht der NutzerInnen erstreckt. Es beginnt eben nicht erst mit dem Starten des Spielprogramms und endet auch nicht mit dessen Ende. Auch ohne das Programm überhaupt zu starten, bewegen sich SpielerInnen häufig in einem spielrelevanten Rahmen, der durch spezifische soziale Interaktionen (z.b. Austausch mit GildenkollegInnen) sowie Formen der Textrezeption- und - produktion geprägt ist (z.b. Recherche von Spielstrategien auf Webeiten, Foren etc.). Eine Beschreibung der Sprache von MMOG-SpielerInnen muss diesen erweiterten Rahmen mit berücksichtigen. Aus diesem Grund widmet sich auch ein signifikanter Teil der vorliegenden Untersuchung (Kap ) der Beschreibung von Text- und Diskursarten, die der Vorbereitung von Raids dienen oder aus anderen Gründen fester Bestandteil spielbezogener Kommunikation sind. Steinkuehler arbeitet in ihren Forschungen mit einer Reihe verschiedener Spiele. Die Ergebnisse sind aber weitestgehend allgemein innerhalb des Genres gültig. In den neueren Veröffentlichungen steht World of Warcraft aber aufgrund seiner genredominierenden Position als Untersuchungsgegenstand im Mittelpunkt Über Gilden als Organisationsform Inderst (2009): Vergemeinschaftung in Massively Multiplayer Online Role Playing Games Die Gilden spielen bei der Untersuchung von MMOGs eine wichtige Rolle, da sie als Knotenpunkte sozialer Interaktion und Kommunikation von SpielerInnen fungieren (vgl. Kap ). Ein besseres Verständnis des Phänomens Gilden ist daher für Untersuchungen zu MMOGs von großem Vorteil. In Vergemeinschaftung in Massively Multiplayer Online Role Playing Games (2009) widmet sich R.T. Inderst ganz den Gilden und vertritt die These, dass es sich bei MMOG-Gilden um Formen utopischer Lebenswelten handelt. Über den Zeitraum eines Jahres war er aktives Mitglied einer Gilde in dem MMOG Dark Age of Camelot (DAoC). Über das konkrete Spiel hinaus sind die detallierte Einblicke in die Organisation von Gilden, 31

37 die Inderst beschreibt, sehr aufschlussreich; insbesondere für die Mehrheit der LeserInnen, die noch keinerlei Kenntnisse erster Hand über diese soziale Organisationsform haben. Vor allem macht Inderst deutlich, dass es sich bei Gilden um vollwertige soziale Gruppen handelt, die auch unabhängig vom jeweiligen Spiel weiter existieren: [Gilden] verfügen über Dauer und Kontinuität in der Zeit und zeichnen sich durch eine innere Organisiertheit aus, die sich in differenzierten Funktionen der Mitglieder ausdrückt. Es ist weiterhin eine Abgrenzung nach außen feststellbar sowie die Existenz von Regeln und Normen, in welchen die Ziele der Gruppe zum Ausdruck kommen, gebunden an Vorstellungen über die Gruppe bei deren Mitgliedern und, bei längerer Dauer, mit Traditionen und Gewohnheiten. Gilden in Online-Rollenspielen stellen also Manifestationen selbstorganisierender Vergemeinschaftungsprozesse dar, die auf gemeinsamen Werten gründen. [ ] Die Gildenmitglieder sind digital, meist mehrfach, erfasst und abrufbar beziehungsweise einsehbar. Interaktionsprozesse finden fortlaufend über verschiedene Kanäle statt, wie etwa den Gildenchatkanal oder Voice-over-IP- Programme. Die Gildenidentität wird nicht nur über einen eigenen Webauftritt deutlich, sondern manifestiert sich in einem ausgestatteten und geschmückten Gildenhauptquartier, in Gildenfarben und -wappen, sowie zahlreichen gemeinsamen in and out of game-ritualen. Auch eine ja [sic!] nach Organisationsgrad ausgearbeitete Gildenordnung existiert und gibt somit eine Norm- und Hierarchiestruktur vor. [Inderst 2009: 312f; Hervorhebung im Original] Das Titat macht auch deutlich, dass die verwendeten Kommunikationskanäle wichtiger Bestandteil des Charakters von Gilden sind. Die Interaktionsprozesse [ ] über verschiedene Kanäle [ ] wie etwa Gildenchatkanal oder Voice-over-IP-Programme werden zurecht als Element der Gemeinschaftsorganisation aufgeführt. Die vorliegende Dissertation bemüht sich daher auch, die Funktion der Gilden als Koordinationspunkt verschiedener sprachlicher und kommunikativer Strategien zu verdeutlichen. In den Gilden wird nämlich eine Vielzahl verschiedener Text- und Diskursformen aktiv und passiv von den Mitgliedern zusammengeführt, um die darin enthaltenen Informationen für das gemeinsame Ziel der Gruppe (z.b. einen schwierigen Raid) nutzbar zu machen. Die bei der Zusammenführung und Umsetzung dieser Informationen zum Einsatz kommenden multimodalen Kommunikationsformen sind in ihrer Konstellation charakteristisch für Gilden und heben diese von sozialen Gruppen ohne online-affinität ab. 32

38 Die Rahmenhandlung von WoW Im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung steht spezifisch das Spiel World of Warcraft. Es liegt daher nahe, sich über den narrativen Hintergrund der Spielwelt informieren zu wollen. Tatsächlich ist dieser Hintergrund für das Verständnis des spielspezifischen Sprachgebrauchs aber weniger wichtig als zu erwarten wäre. Auf die Günde dafür wird in Kapitel genauer eingegangen. An dieser Stelle soll der Hinweis reichen, dass für die Mehrheit der SpielerInnenschaft das Spiel in erster Linie eine Interaktion mit herausfordernder Spielmechanik ist die Geschichte der Spielwelt spielt in der Praxis eine untergeordnete Rolle (außer für RollenspielerInnen, vgl. Kap ). WoW ist vom Design her bewusst so angelegt, dass SpielerInnen bei Wunsch die narrativen Elemente der Spielwelt ausblenden können, ohne spielmechanisch relevante Informationen zu verpassen. Trotz der untergeordneten Rolle des narrativen Rahmens ist eine Kenntnis desselben natürlich für das allgemeine Verständnis der Spielkultur von Vorteil. Für LeserInnen, die sich diesbezüglich informieren wollen, stehen neben dem Spiel selbst natürlich mehrere Quellen zur Verfügung. Eine offensichtliche Anlaufstelle ist die offizielle Webseite von Blizzard 7, auf der viele Details zur Geschichte zu finden sind, u.a. eine Zeitlinie und spezielle Artikel zu wichtigen Regionen, Ereignissen und Völkern. Außerdem wird dort auf die Romanreihe zum Spiel verwiesen McCallum-Steward (2008): Never Such Innocence Again : War and Histories in World of Warcraft Mit der Bedeutung des Krieges als Konzept im narrativen Kontext des Spiels befasst sich McCallum-Steward (2008). Kriegerische Auseinandersetzungen, ihre Durchführung und ihre Folgen spielen für die Atmosphäre der Spielwelt eine große Rolle, nicht zuletz weil die Geschichte der Spielwelt in Form von drei Strategie-Spielen begonnen wurde, bei denen der Kampf von Armeen die Kern-Spielmechanik darstellte. McCallum-Stewards Darstellung bietet daher einen hilfreichen Einblick in Geschichte und Gegenwart des WoW-Szenarios. 7 Zu finden unter 33

39 Krzywinska (2008): World Creation and Lore: World of Warcraft as Rich Text Krzywinska (2008) konzentriert sich in ihrem Artikel auf das Wie der Darstellung von Geschichte im Spiel. Sie beschreibt, welche Textformen und Erzählformen verwendet werden, um dem Spiel eine konsistente Mythologie 8 zu verleihen und somit den Eindruck einer glaubwürdigen, parallelen Welt zu erwecken (im foglenden Zitat als Worldness bezeichnet): To investigate the relationships between gameplay, player agency, and myth, it is important to understand what contributes to the creation or worldness. Worldness in all its facets plays a core role in enriching World of Warcraft as text and the player s game experience. One of the primary ways that worldness can be defined (and has been by academics, writers, and game designers alike) is that the world should have a unifying consistency. This applies not only to special coordinates, style, and physics, but also to the past events that constitue the world s current state of affairs, to which the player character is subject. [Krzywinska 2008: 127] Das Verhältnis zwischen gameplay und player agency (d.h. der Art und Weise, wie SpielerInnen überhaupt im Spiel agieren können) auf der einen Seite und dem Mythos der Spielwelt auf der anderen spielt auch bei der Betrachtung der MMOG-Sprache als Varietät eine Rolle. Prinzipiell kann ein Computer-/Videospiel so designed werden, dass Spielmechanik und narrativer Rahmen als getrennte Themenkomplexe erscheinen, d.h. SpielerInnen können mit der Spielmechanik interagieren, ohne den narrativen Rahmen zu beachten. Dieser Design-Ansatz wird bei WoW weitgehend verfolgt. Andererseits können beide Themenkomplexe auch verwoben werden, so dass der narrative Rahmen die Spielmechanik rechtfertigt und die Spielmechanik wiederum den narrativen Rahmen begründet. In einem solchen Fall wäre die Kenntnis der Rahmenhandlung für die Bildung erfolgreicher Spielstrategien notwendig. In der Sprache der SpielerInnen sollten dann Begriffe aus dem Themenbereich Spielmechanik und solche aus dem Bereich Narrativer Rahmen gleichermaßen zu finden sein. Um die Lexik in bezug auf dieses Verhältnis beurteilen zu können, muss eine ForscherIn nicht nur die im Spiel erzählte(n) Geschichte(n) 8 Die Begriffe Narrativer Rahmen und Mythos werden im weiteren Verlauf gleichbedeutend verwendet. Sie bezeichnen gleichermaßen die fiktive Erzählung, die herangezogen wird, um Ereignisse in der Spielwelt zu begründen, in der (fiktiven) Vergangenheit wie auch der Gegenwart. Für viele SpielerInnen ist die Vorstellung attraktiv, durch Teilnahme am Spiel Teil der Mythologie der Spielwelt zu werden, ähnlich den ProtagonistInnen klassischer Heldensagen. Inwiefern ein solcher Einfluss SpielerInnen auch tatsächlich ermöglicht werden kann, ist eine der großen Designfragen auf dem Gebiet der MMOGs. 34

40 kennen, sondern auch wie sie erzählt werden. Wird die Narration beispielsweise bevorzugt in separaten Textfenstern präsentiert, so werden diese oft von ergebnisorientierten SpielerInnen weggeklickt, solange sie keine essentiellen Informationen liefern. Kapitel betrachtet den Anteil von Spielmechanik und narrativem Rahmen an der Lexik der untersuchten WoW- SpielerInnen genauer Die Auswirkungen VoIP-Nutzung in MMOGs Wadley (2011): Voice in Virtual Worlds In seiner Dissertation untersucht Wadley, welche Folgen die Einführung von phonischen Kommunikationsoptionen als Zusatz zum Text-Chat für das Spielerlebnis hat. Er kommt zu dem Resultat, dass VoIP weitreichende und vielschichtige Auswirkungen hat. Zum einen erleichtert phonische Kommunikation massiv die Durchführung bestimmter Aufgaben, bei denen es auf Gruppenkoordination und Reaktion unter Zeitdruck ankommt, v.a. allem weil SpielerInnen nicht mehr die Steuerung ihrer Spielfigur unterbrechen müssen, um Mittteilungen zu schreiben. Auch vor- und nachbereitende Besprechungen innerhalb der Gruppe können effizienter bewältigt werden: Coordination was especially important among large teams. Voice was a better way for raid leaders to issue directions to subordinates, and for wounded users to call for help. It was also well suited to the discussion and planning that took place prior to raids, and to negotiating the distribution of loot afterwards. [Wadley 2011: 101] Zum anderen scheint sich die Verwendung von VoIP jedoch negativ auf die Fähigkeit auszuwirken, sich die Charaktere als reale, glaubwürdige Personen vorzustellen, weil in den meisten Fällen eine tiefe Kluft zwischen dem äußerlichen Eindruck der Avatare und der Stimme der NutzerInnen besteht insbesondere wenn das Geschlecht und/oder Alter von Charakter und SpielerIn nicht übereinstimmen. Besonders betroffen davon sind naturgemäß all jene, die gerne Rollenspiel (vgl. Kap ) betreiben. Wadleys Untersuchung ist eine exzellente Quelle, um eine Vorstellung davon zu gewinnen, welche Rolle die phonische Kommunikation im Spiel einnimmt. Sie erfasst dabei verschiedene Spielstile vom Rollenspiel über geselliges Miteinander bis zum leistungsorientierten Raiden. Dieser Überblick kann in der vorliegenden Dissertation aus 35

41 Platzgründen nicht geboten werden, stellt aber eine große Hilfe für LeserInnen dar, die sich ein Bild von den praktischen Auswirkungen des VoIP auf das Spielerlebnis machen wollen. Die Kenntnis der kommunikativen Vor- und Nachteile von VoIP wie auch Chat sind von großem Nutzen bei der Analyse der Sprache in Raidgruppen, denn letztere setzen erfahrungsgemäß beide Modi parallel ein. Auf die genaueren Umstände dieser Verwendung wird in Kap ein genauerer Blick geworfen Statistische Daten zu Computer-/VideospielerInnen Daedalus Project und Parc PlayOn Für die Untersuchung des Sprachgebrauchs speziellen Interessengemeinschaften sind statistische Daten über ihre Zusammensetzung selbstverständlich von großem Interesse. Darunter fallen zum Beispiel die Alters- und Geschlechterverteilung in der MMOG- SpielerInnenschaft, aber auch der ungefähre Anteil an SpielerInnen, die einen speziellen Spielbereich wie das Raiden verfolgen. Leider sind Untersuchungen, die fundierte statistische Daten liefern können, extrem aufwendig. Es ist anzunehmen, dass Daten über die Zusammensetzung der SpielerInnenschaft von MMOGs zumindest den Betreibern dieser Spiele in ausreichendem Umfang vorliegen allerdings hüten die Betreiber diese Daten verständlicherweise als Geschäftsgeheimnis. Als Forscher ist man hier auf die von Herstellerseite sporadisch veröffentlichten Daten z.b. bezüglich Nutzerzahlen angewiesen. Es existiert jedoch auch eine Handvoll Quellen, die statistische Daten bezüglich MMOGs (und Computer-/Videospielen generell) speziell für Forscher bieten. Das Daedalus Project 9 ist ein vom US-Forscher Nick Yee betriebenes Projekt zur Erhebung statistischer Daten über MMOG-SpielerInnen mittels Umfragen. Das zugrundeliegende Spiel ist Everquest. Daten wurden in den Jahren erhoben und betreffen eine große Bandbreite an Themen, von demografischen Daten über Persönlichkeitsprofile von SpielerInnen bis hin zur VoIP-Benutzung. Yee verwendete Fragebögen zur Selbstauskunft, die via Web-Foren Verlinkt wurden. Nach eigenen Angaben erreichte er so ca bis 4000 TeilnehmerInnen (vgl. Yee 2003b). Die inhärenten Schwächen der Selbstwahl in Bezug auf 9 Homepage unter 36

42 die Repräsentativität der Daten räumt Yee selbst ein. Ein mögliches Bias wirke sich aber laut seinen Aussagen bei den konkret gestellten Fragen nicht aus, wie punktuelle Vergleiche mit kommerziellen Erhebungen der Spielebetreiber zeigten: Diese kamen trotz ausgeprägterer Randomisierung bei allen Vergleichen auf sehr ähnliche Zahlen (vgl. Yee 2005). Das Daedalus Project hat einen Nachfolgeprojekt mit dem Namen Parc PlayOn, ebenfalls betrieben von Nick Yee in Zusammenarbeit mit Nic Ducheneaut. Während das Daedalus Project sich mit Everquest-SpielerInnen befasste, diente bei Parc PlayOn World of Warcraft als Grundlage. Eine wichtige Änderung in der Methodik war, dass Selbstauskünfte nicht mehr die alleinige Datenquelle darstellten. Yee/Ducheneaut erhoben Information über das SpielerInnenverhalten vielmehr direkt durch Analyse der Serverdaten. Von der Datensammlung erfasst wurden insgesamt 100 SpielerInnen, die zu Beginn der Studie rekrutiert wurden. Somit waren auch diachrone Beobachtungen über verändertes SpielerInnenverhalten möglich. Ergebnisse des Projekts wurden in regelmäßigen Abständen online veröffentlicht. Die konkrete Nützlichkeit der Ergebnisse ist natürlich abhängig vom eigenen Forschungsinteresse sehr variabel, aber Parc PlayOn bietet bspw. Ergebnisse zur durchschnittlichen Zeit, die SpielerInnen mit spezifischen Aufgaben in WoW (vgl. Ducheneaut et al. 2006). Gerade bei der Betrachtung der Spielzeit ist es von Vorteil, dass Parc PlayOn auch auf Serverdaten zugreifen konnte, da reine Selbstauskünfte zur Spielzeit üblicherweise nicht besonders verlässlich sind. Daten über die durchschnittliche Spielzeit sind in vielen Kontexten relevant, nicht zuletzt wenn der Anteil eingeschätzt werden soll, den MMOG-spezifischer Sprachgebrauch am allgemeinen Sprachgebrauch hat. Parc PlayOn bietet darüber hinaus auch noch eine große Menge Ergebnisse, die sich mit spezifischen Details des SpielerInnenverhaltens befassen und in den entsprechenden Kontexten viel zum richtigen Verständnis und zur Einordnung bestimmter Spieldetails beitragen können, z.b.: - Anzahl der Gildenwechsel über einen bestimmten Zeitraum; - die Verteilung von taktischen Rollen in Raidgruppen; - unterschiedliche Motivationen für die Spielteilnahme, z.b. Spielerfolg, Sozialisieren oder Rollenspiel; 37

43 - die Häufigkeit, mit der SpielerInnen die Fähigkeiten ihrer Charaktere rekonfigurieren. (diese Tätigkeit hat einen deutlichen Anteil am speziellen Sprachgebrauch der SpielerInnen, vgl. Kap ) Die von Parc PlayOn vorgestellten Ergebnisse differenzieren in den meisten Fällen auch nach Alter und Geschlecht. Auf diese Weise können sie einen allgemeinen Eindruck von MMOG- SpielerInnenverhalten vermitteln, der nicht auf stereotypischen Annahmen über die Altersoder Geschlechtsstruktur von Computer-/Videospielgemeinschaften beruht. Allerdings beginnt die Altersskala bei den Probanden von Parc PlayOn bei 18 Jahren, somit können leider keine Aussagen über jugendliche oder jüngere SpielerInnen getroffen werden. Nutzerdaten mit speziellem Fokus auf jugendliche und jüngere SpielerInnen bleiben so vorerst ein Desiderat. Gerade in dieser Altersgruppe wären Untersuchungen auch zum Sprachgebrauch rund um Spiele wie WoW wünschenswert, die in der Freizeitgestaltung eine große Rolle spielen. Von großem Interesse könnte z.b. die Verwendung in Unterrichtskonzepten zum Erst- und Zweitspracherwerb sein Sprachwissenschaftliche Grundlagen zur MMOG-Forschung Linguistische Untersuchungen mit MMOGs als spezifischen Gegenstand sind nach Kenntnis des Autors zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Dissertation praktisch nichtexistent. Trotzdem gibt es eine Reihe von Veröffentlichungen, die von großem Nutzen als Basis für die Untersuchung von MMOGs aus sprachwissenschaftlicher Sicht sind. Die Kommunikation in MMOGs und in ihrem Umfeld ist multimodal, d.h. es steht eine Reihe von technischen Kommunikationswegen parallel zur Verfügung, die potenziell gleichzeitig eingesetzt werden. Die meisten dieser Optionen wurden individuell bereits mehr oder weniger ausführlich erforscht. Es ist daher von Nutzen, diese Forschungen im Einzelnen zu betrachten, sofern darauf geachtet wird, dass sich manche Charakteristika bei Kombination mehrer Kommunikationsmittel verändern oder in der Bedeutung verschieben. Ein Beispiel dafür ist die Kombination von Chat und mündlicher Sprache per Mikrofon und Kopfhörer, die deutliche Auswirkungen auf die Gesprächsorganisation in solcherart ausgestatteten Gruppen hat. Dieses Phänomen wird für Raidgruppen in Kapitel näher ausgeführt. 38

44 Nachfolgend werden eine Reihe von Veröffentlichungen vorgestellt, die sich jeweils mit spezifischen Teilaspekten befassen, die für die Untersuchung von Sprache in MMOGs eine Rolle spielen und dementsprechend eine wichtige Grundlage bilden Der Text-Chat Beißwenger (2007): Sprachhandlungskoordination in der Chat-Kommunikation Schriftbasierter Chat ist neben dem Sprechen über sog. VoIP-Systeme (Voice over Internet Protocol; dt. Sprechen via Internetprotokoll) eines der Hauptmittel, mit denen innerhalb von MMOGs kommuniziert wird. VoIP wird eher in Situationen eingesetzt, in denen die GesprächspartnerInnen bereits vertraut miteinander sind. Spontane Gespräche und/oder Gespräche zwischen weniger bekannten TeilnehmerInnen erfolgen zum größten Teil per Chat, weil bei MMOGs auf dem PC der Chat fester Bestandteil des UI ist. JedeR SpielerIn ist also zur Kommunikation per Chat in der Lage, VoIP hingegen muss explizit aktiviert und konfiguriert werden, um verfügbar zu sein und ist für Kontaktaufnahme mit Unbekannten dementsprechend wenig geeignet. Zu den sprachlichen Merkmalen von Chat-Kommunikation im Allgemeinen (d.h. losgelöst von MMOGs oder anderen Online-Spielen) existiert eine breite und solide Basis an Untersuchungen. Eine exzellente Zusammenfassung der charakteristischen Eigenschaften von Chat-Sprache, durch die sich diese von der alltäglichen Kommunikation unterscheidet, leistet M. Beißwengers Sprachhandlungskoordination in der Chat-Kommunikation. Beißwenger untersucht das kommunikative Verhalten von TeilnehmerInnen an einem Chatgestützten Beratungsgespräch zum Thema ebay. Anders als in vielen vorhergehenden Untersuchungen stützt Beißwenger seine Analyse dabei aber nicht nur auf Transkripte des Chat-Textes. Vielmehr werden zusätzlich Videodaten über die bewussten und unbewussten Handlungen der ChatterInnen an den Rechnern gesammelt. Aus diesen lassen sich u.a. das Blickrichtungsverhalten sowie spontane verbale und nonverbale Äußerungen ablesen. Daten über die Blickrichtung erlauben Schlüsse darüber, welchen Teil der Bildschirmoberfläche oder des Arbeitsplatzes die NutzerInnen zu einem bestimmten Zeitpunkt betrachten: die Eingabezeile für Chat-Beiträge, das Haupt-Textfenster, laufende Eingaben auf der Tastatur, Punkte jenseits des Bildschirms, etc. 39

45 Erst durch die Einbeziehung des gesamten Handlungsraumes der ChatterInnen statt nur der reinen Textkomponente werden verschiedene Funktionsprinzipien des Chat in ihrer Auswirkung auf das Kommunikationsverhalten sichtbar, die für ein Verständnis desselben unerlässlich sind: Die laufende Produktion von Äußerungen bleibt beim Chat für den intendierten Rezipienten so lange unsichtbar, bis der fertige Beitrag i.d.r. durch Betätigen der Eingabetaste vom Produzenten verschickt wird. Dies ist eine grundlegend andere Funktionsweise als bei phonischen Gesprächen, in denen eine Äußerung schon zur Laufzeit ihrer Produktion vor ihrer Vollendung vom Rezipienten wahrgenommen werden kann. Im Chat kann ein Rezipient an ihn oder sie gerichtete Beiträge immer nur in vollendeter Form wahrnehmen, da die Beiträge nur vollendet im Textfenster des Chat-Programms erscheinen. In einem reinen Textprotokoll eines Chat tauchen auch nur diese vollendeten Äußerungen auf, Selbstkorrekturen, Verzögerungen, Löschungen u.ä. hingegen entziehen sich der Betrachtung, obwohl sie ebenso relevant für das Gesamtbild sind. Eine weitere Besonderheit des Chat, die durch Beißwengers Untersuchung verdeutlicht wird, ist die, dass Äußerungen aufgrund ihrer geschriebenen Form aktiv durch Blick auf das Textfenster rezipiert werden müssen, während es bei phonischen Äußerungen normal ist, dass diese vom Hörorgan automatisch auch ohne aktives Zutun wahrgenommen werden können. Chat-TeilnehmerInnen können also nur durch regelmäßige Blicke auf das Textfenster gewährleisten, dass sie auf dem aktuellen Gesprächsstand sind. Wird eine KommunikantIn daran gehindert, weil er oder sie beispielsweise zur Produktion eines längeren Beitrages auf die Tastatur blickt, kann es passieren, dass der/die Betroffene im Bezug auf den Gesprächsstand ins Hintertreffen gerät und die KommunikationsteilnehmerInnen zu diesem Zeitpunkt auf unterschiedlichen Kenntnisständen über den Gesprächsverlauf sind. Zusammengefasst heißt dies: Die zeitliche Ebene der Rezeption wird im Chat, anders als in phonischen Gesprächen, zwischen den Beteiligten nicht geteilt, die Wahrnehmung des Gesprächsstands erfolgt vielmehr punktuell und ist abhängig vom individuellen Blickverhalten. Diese Tatsache ist für das Verständnis der Chat-Kommunikation generell wichtig, aber bezogen auf die Rahmenbedingungen in einem MMOG erhält sie zusätzliches Gewicht: Insbesondere in Situationen wie dem Raiden ist die Aufmerksamkeit der SpielerInnen ein noch stärker begrenztes Gut, welches durch Elemente des UI sowie durch die Notwendigkeit zur effizienten Kommunikation stark beansprucht wird. Der Chat existiert in diesem Umfeld nicht einfach als ein Kommunikationsmittel unter 40

46 anderen, sondern erfüllt aufgrund seiner medialen Eigenschaften spezielle Aufgaben in der Gesprächsorganisation. Diese werden in Kapitel ausführliche dargestellt. Beißwenger stellt auf Basis der besonderen Rahmenbedingungen des Chat die Anwendbarkeit herkömmlicher Kategorien der Gesprächsanalyse wie turn-taking und Rederecht in Frage. Eine Aushandlung des Rederechts und daraus folgend eine Abfolge von alternierenden turns findet laut Beißwenger im Chat nicht statt, denn GesprächsteilnehmerInnen können jederzeit ungehindert Beiträge äußern, die vom Chat- Server nach dem Prinzip wer zuerst kommt, mahlt zuerst ausgegeben werden. Anstelle des turn-taking-modells verwendet Beißwenger für seine Untersuchung ein Modell der individuellen Situationsbewältigung (vgl. Beißwenger 2007: 276ff.). Dieses modelliert weniger die wechselseitige Interaktion zwischen KommunikationsteilnehmerInnen sondern vielmehr das individuelle Verhalten der einzelnen KommunikantInnen. JedeR KommunikantIn verfolgt ein kommunikatives Ziel und passt seine Sprachhandlungen zielgerichtet regelmäßig an den Gesprächsstand an, der punktuell per Blick auf das Textfenster des Chat-Programms festgestellt wird. Beißwengers Modell stellt also weniger die wechselseitige Interaktion zwischen KommunikationsteilnehmerInnen dar, sondern jene zwischen einem Kommunikanten und dem Gesprächsstand, der sich auf dem Bildschirm präsentiert. Auf den ersten Blick mag dies kontraintuitiv erscheinen, verdeutlicht sich aber dann, wenn man sich veranschaulicht, dass der Bildschirminhalt jeweils das einzige ist, was KommunikantInnen von ihrem Gegenüber wahrnehmen können. Ein Modell, welches stattdessen davon ausgeht, dass die GesprächsteilnehmerInnen sich gegenseitig direkt und auf einer gemeinsamen Zeitebene wahrnehmen, stellt die reale Rahmensituation des Chat verfälscht dar. Die Beobachtung der ChatterInnen vor dem Rechner offenbart im Gegensatz zu den reinen Chat-Transkripten eine Reihe von charakteristischen Typen von Sprachhandlungen. So erstellen Chat-TeilnehmerInnen regelmäßig Beiträge im Eingabefenster, ohne diese am Ende der Produktion abzuschicken. Stattdessen werden sie gelöscht, oder verändert und erst dann abgeschickt. Ein Grund für dieses wiederkehrende Verhalten kann sein, dass sich noch während der Produktion eines Beitrags das Gespräch thematisch weiterentwickelt hat. Diese Tatsache wird dem/der ProduzentIn jedoch erst am Ende der Produktion, aber vor dem Abschicken des Beitrags gewahr. An diesem Punkt hat eine ProduzentIn dann die Wahl, 41

47 entweder eine veraltete Nachricht zu verschicken, diese ganz zu verwerfen oder sie zu modifizieren. Dieser gesamte Vorgang, der für Chat typisch ist, kann durch Transkript- Auswertung nicht beobachtet werden. Gleichzeitig stellt er aber einen hoch relevanten des Sprachverhaltens dar, der keine Entsprechung in anderen Kommunikationrahmen wie z.b. Face-to-Face-Kommunikation hat. Transkripte sind demnach zwar ein wichtiges Werkzeug bei der Auswertung von Chat-Sprache, können aber nur einen Teilbereich darstellen: Die [ ] Fallstudie hat exemplarisch demonstriert, dass die Miteinbeziehung von Daten zu den Aktivitäten der einzelnen Chatter an und vor ihren Rechnern dazu beitragen kann, jenseits reiner Mitschnittsdaten einerseits Aufschlüsse über die spezifische Kommunikationssituation beim Chatten zu gewinnen und andererseits die gesamte sprachliche Produktion einzelner Chat-Teilnehmer offen zu legen, die in aller Regel mehr umfasst als nur das, was sich letztlich in Form verschickter Beiträge in Mitschnitten dokumentieren lässt. Darüber hinaus können auf Basis von Daten zum Blickrichtungsverhalten relativ verlässliche Annahmen darüber getroffen werden, wann ein Chat-Teilnehmer bestimmte neue Partnerbeiträge frühestens zur Kenntnis genommen haben kann. Nicht zuletzt hat die Fallstudie gezeigt, dass bestimmte Phänomene zum Beispiel die Löschung eingegebenen Textes und die Revision von Handlungsplänen auf Basis von Mitschnitten überhaupt nicht beobachtet oder untersucht werden können. [Beißwenger (2007: 482)] Diese Problematik trifft auf die Untersuchung von MMOG-Sprache ebenfalls zu und ist besonders auch im Fall der Raid-Kommunikation von Bedeutung. Hier würde die alleinige Betrachtung von Chat-Transkripten in noch stärkerem Maß einen signifikanten Teil des tatsächlichen Sprachverhaltens unterschlagen. Die Gesamtheit der Kommunikation im Raid ist verteilt auf Chat, VoIP und weitere Elemente des UI. Eine direkte Übetragung von Beißwengers videogestützter Untersuchungsmethode auf einen Raid-Kontext wird allerdings durch die Anzahl der beteiligten KommunikantInnen erschwert. Beißwengers Versuchsaufbau resultiert schon bei zwei beteiligten ChatterInnen in einer enormen Datenmenge. Es ist offensichtlich, dass in einem Rahmen mit fünf und mehr Beteiligten sowie zusätzlichen Äußerungs-Modi eine Aufnahme aller Beteiligten an ihren Arbeitsplätzen mit den momentan vorhandenen Mitteln nicht zu bewältigen ist. Auf die Aufnahme- und Transkriptionsmodalitäten, die letzlich als Grundlage der vorliegenden Dissertation dienen, wird in Kapitel 2.9. näher eingegangen. 42

48 Schriftliche und mündliche Sprache: Die Unterscheidung von Medium und Konzeption nach Koch/Oesterreicher Bei der Beschreibung von Phänomenen der computervermittelten Kommunikation kann das Modell von Koch/Oesterreicher quasi als Klassiker bezeichnet werden, weil es in einer großen Zahl von Untersuchungen als Grundlage oder zumindest Hilfsmittel herangezogen wurde, insbesondere in solchen, die sich mit Chat befassen. Der Grund dafür ist, dass es eine Reihe von Merkmalen schriftbasierter Online-Kommunikation erklären kann, die auf den ersten Blick den traditionellen Konventionen geschriebener Texte zu widersprechen scheinen. Das Modell von Koch/Oesterreicher (1985, 1994) dient als Ganzes betrachtet der Klassifikation von Äußerungen in Bezug auf ihre Mündlichkeit bzw. Schriftlichkeit. Die Besonderheit ist, dass es dabei zwei Dimensionen unterscheidet: die Medialität und die Konzeption. Medialität bezeichnet die Form, in der eine Äußerung realisiert wird: graphisch oder phonisch. Diese Dimension der Medialität ist dichotomisch, da eine Äußerung immer entweder graphisch oder phonisch realisiert wird. Konzeption bezeichnet die Konstellation aus kommunikativen Rahmenbedingungen, unter denen eine Äußerung erstellt wird. Darunter fallen z.b. Aspekte wie Vertrautheit von ProduzentInnen und RezipientInnnen, Spontanheit oder Geplantheit, raumzeitliche Trennung oder Kopräsenz der Beteiligten etc. Angesichts der Vielzahl an Variablen in diesem Gefüge handelt es sich bei der Konzeption nicht um eine dichotomische Unterscheidung, sondern vielmehr um ein Kontinuum zwischen zwei Polen. Während eine Äußerung entweder graphisch oder schriftlich realisiert ist, kann sie, abhängig von den Rahmenbedingungen ihrer Entstehung, mehr oder weniger klar schriftlich bzw. mündlich konzipiert sein. Medialität und Konzeption sind dabei nicht völlig unabhängig voneinander, denn je näher eine Äußerung konzeptionell an einem der Pole zu verorten ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie auch entsprechend medial realisiert wird. Eine schriftlich konzipierte Äußerung wird in den meisten Fällen auch in schriftlicher Medialität realisiert und vice versa. Beispielsweise wird eine aufwändig recherchierte und geplante Äußerung, gerichtet an ein 43

49 öffentliches und nicht eng vertrautes Publikum alles Merkmale für schriftliche Konzeption in den meisten Fällen schriftliche Form haben. Eine spontane Äußerung an eine vertraute Person hingegen wird unter den meisten Umständen phonisch realisiert werden. Trotzdem gibt es viele Beispiele für Äußerungsformen, die diese Parallelität durchbrechen. So können beispielsweise förmliche Reden oder Lautsprecherdurchsagen an Bahnhöfen als medial phonisch, aber konzeptionell schriftlich beschrieben werden. Ein Gespräch, das unter der Schulbank heimlich per Zettel geführt wird, kann als Beispiel für eine Abfolge medial schriftlicher, aber mündlich konzipierter Äußerung gelten. Abbildung 2: Modell von Koch-Oesterreicher (aus: Koch/Oesterreicher (1985: 15)) 44

50 Abb. 2 ist eine Visualisierung des ursprünglichen Modells von Koch/Oesterreicher. Die beiden Pole werden hier als Sprache der Nähe (mündlich) und Sprache der Distanz (schriftlich) bezeichnet. Die Kommunikationsbedingungen beschreiben typische Umstände, schriftliche bzw. mündliche Konzeption ausmachen. Die im Modell von den Polen ausgehenden Diagonalen verdeutlichen, dass mit zunehmender Nähe zu einem der konzeptionellen Pole auch die Wahrscheinlichkeit steigt, dass eine bestimmte Medialität gewählt wird. Die Buchtaben a-k stehen im Modell für folgende beispielhafte Textsorten: a Vertrautes Gespräch; b Telefonat mit einem Freund; c Interview; d abgedrucktes Interview; e Tagebucheintrag; f Privatbrief; g Vorstellungsgespräch; h Predigt; i Vortrag; j FAZ-Artikel; k Verwaltungsvorschrift. Obwohl das Modell angesichts seines Alters offensichtlich nicht auf CvK eingeht, ist das zugrunde liegende Prinzip der Unterscheidung in Medialität und Konzeption für die Analyse von Texten und Diskursen der CvK sehr nützlich, da schriftliche Sprache hier z.b. problemlos für spontane Äußerungen eingesetzt werden kann, was zu einer Häufung von Merkmalen führen kann, die in klassischen Schrift-Äußerungen eher selten sind (bspw. die Verwendung von Abtönungspartikeln und umgangssprachlicher Lexik). Die zunehmende Verwendung von digitaler Schrift und deren bequeme Veränderbarkeit und Übermittlung haben dazu geführt, dass auch die Unterscheidung zwischen synchronen, asynchronen und quasi-synchronen Kommunikationsformen an Bedeutung gewonnen hat. Quasi-synchron bezieht sich nach Dürscheid (2003) dabei auf die Eigenschaft von Formen wie Chat und Instant Messaging, bei denen üblicherweise nicht jeder Buchstabe synchron übermittelt wird, sondern nur vollendete Äußerungen. Zur Zeit der Erstellung des Modells von Koch/Oesterreicher spielte eine solche Unterscheidung mangels technischer Möglichkeiten noch keine Rolle. Um das Modell an die Bedingungen der CvK anzupassen, nimmt Dürscheid eine Reihe von Anpassungen insbesondere bei der verwendeten Terminologie vor, die auch für die vorliegende Dissertation übernommen werden. Dürscheid kritisiert zunächst den bei Koch/Oesterreicher zu eng gefassten Begriff Medium, der sich dort ausschließlich auf die beiden Repräsentationsformen von Sprache (phonisch/graphisch) bezieht. Stattdessen schlägt sie mit Bezug auf Holly (1997) eine Differenzierung zwischen Medien, Zeichensystemen und Kommunikationsformen vor. Die Schrift ist demnach die 45

51 Repräsentation eines Zeichensystems, und Medien sind jene konkreten Hilfsmittel, die den Zeichen materielle Gestalt geben, um ihre Übertragung, Speicherung, Verstärkung u.ä. zu ermöglichen (vgl. Dürscheid 2003: 3), beispielsweise ein Buch, eine Zeitschrift, ein Flugblatt, ein Faxgerät, ein vernetzter Computer oder auch ein Handy (Dürscheid 2003: 3). Damit kein Widerspruch entsteht, muss der Begriff mediale Schriftlichkeit infolge der obigen Differenzierung etwas uminterpretiert werden: Medial soll sich nunmehr nicht auf das Substantiv Medium beziehen, sondern auf Medialität (vgl. Dürscheid 2003: 3). Wenn also Kommunikationsmedien als jene Hilfmittel zu verstehen sind, welche die Kommunikation durch den Raum ermöglichen, so werden weitere Begriffe benötigt, um auch die konkreteren Formen durchgeführter Kommunikation bzw. deren Produkte zu bezeichnen. Dürscheid führt zu diesem Zweck, gestützt auf Brinker (2001a), die Termini Kommunikationsformen, Textsorten und Diskursarten an. Kommunikationsformen sind virtuelle Konstellationen von ausschließlich textexternen, situativen Merkmalen (Dürscheid 2003: 4) Dazu zählen die Kommunikationsrichtung (monologisch/dialogisch), die Anzahl der Kommunikationspartner und die zeitliche Dimension der Kommunikation (synchron/asynchron) (ebd.). Textsorten unterscheiden sich von Kommunikationsformen dadurch, dass erstere eine bestimmte thematische Funktion (ebd.) haben, während letztere multifunktional sind. Dürscheid führt als Beispiel die Kommunikationsform an, innerhalb derer Textsorten wie Liebesbrief, Gratulation, Bewerbung etc. identifiziert werden können. Die Unterscheidung zwischen einem Diskurs und einem Text beruht auf der Tatsache, dass ersterer fest an seine Entstehungssituation gebunden ist während letzterer sitationsentbunden ist (vgl. Dürscheid 2003: 5). Dürscheid betont zu Recht, dass ein Diskurs nicht mündlicher Form sein muss. Insbesondere im Chat sind schriftbasierte Diskurse klar identifizierbar, eine Tatsache, die auch von Storrer (2001b) gestützt wird, wenn sie Chat als getippte Gespräche statt als dialogischen Text klassifiziert. Dürscheid charakterisiert Diskurs anhand von kommunikativ-funktionalen Kriterien, die großteils auch bei Storrer (2001: 462) aufgeführt werden: a) Die Turns sind auf die aktuelle Äußerungssituation bezogen. b) Die Turns nehmen aufeinander Bezug. c) Sie folgen den für den Diskurs typischen Handlungssequenzen und - mustern. [ ] d) Die an einem Chat beteiligten Personen befinden sich in einem 46

52 gemeinsamen Kommunikationsraum. e) Die Sprechsituation ist nur geringfügig zerdehnt. [Dürscheid 2003: 5] Der Autor der vorliegenden Dissertation übernimmt die von Dürscheid vorgeschlagene Terminologie, da sie eine differenzierte Darstellung von Kommunikations-Produkten erlaubt, die in der CvK zu finden sind, ohne die Anwendbarkeit des Modells von Koch/Oesterreicher einzuschränken oder eine ausgiebige Revision zu erfordern. Eine differenzierte Darstellung von Produkten der CvK ist im weiteren Verlauf von großer Wichtigkeit, da gerade im Bereich der internetbasierten Sprache die Unterscheidung zwischen Medien, Kommunikationsformen und Textsorten/Diskursarten nicht immer leicht fällt. Ein Grund dafür liegt in der großen Flexibilität der digitalen Werkzeuge. Diese ermöglichen es, innerhalb eines spezifischen technischen Rahmens ganz unterschiedliche Textsorten oder Diskursarten zu produzieren und mit wenig Aufwand zwischen diesen zu wechseln und/oder sie zu verbinden. Als Beispiel diene hier ein typisches Internet-Forum: Foren bieten ein festes Set an Optionen für die Produktion von Postings. Mit Hilfe von Postings können aber höchst unterschiedliche Textsorten produziert werden. So kann in einem Forum problemlos ein klassisch schriftlich konzipierter Text erstellt werden, sorgfältig vorbereitet und formuliert, der bei deaktivierter Kommentar-Funktion auch nicht die Gestalt eines Threads aus mehreren Beitägen annehmen kann. Weiterhin ist es möglich, einen Text zu erstellen, der nach dem ersten Erscheinen regelmäßig durch weitere AutorInnen erweitert und bearbeitet wird wobei der ursprüngliche Text die Gestalt eines einzelnen Postings beibehält, anstatt sich über mehrere Beiträge zu erstrecken. Nicht zuletzt gibt es noch die typischen Foren-Threads, bei denen eine Anzahl von AutorInnen wechselseitig Beitäge zu einem Thema beisteuert, die von der Foren-Software als Abfolge separater Beiträge dargestellt wird. Das Ausmaß, in dem sich die einzelnen Postings innerhalb des Threads aufeinander beziehen, kann dabei stark variieren. Es können separate Texte sein, die nur durch das gemeinsame Ober-Thema verbunden sind, aber ein Thread kann auch die Gestalt eines Diskurses annehmen, mit Turns, die aufeinander Bezug nehmen und deren Sinn sich nur durch Betrachtung des gesamten Threads als zusammenhängendes Produkt erschließt. Solche Threads können sich in ihrer Gestalt auch einem Chat annähern, da die Beteiligten die aktuelle Äußerungssituation und den Kommunikationsraum quasi-synchron teilen. 47

53 Ein weiteres Beispiel ist der spielinterne Chat von WoW (und anderen MMOGs mit vergleichbarer Benutzeroberfläche): Chat ist im Allgemeinen eine Kommunikationsform, die eine Reihe von unterschiedlichen Diskursarten wie z.b. lockere Unterhaltungen, Beratungen oder Seminare ermöglicht. Dies gilt ebenso für den WoW-internen Chat, da dessen Text- Fenster eine multifunktionale Rolle erfüllt und schriftliche Nachrichten aus unterschiedlichen Quellen widergibt. Neben den Produkten menschlicher KommunikantInnen finden sich hier u.a. Systemnachrichten (wie das Laden bestimmter Daten, Änderungen von Programmoptionen), Beschreibungen von Spielereignissen (wie das Auftauchen neuer Mobs, der Tod von Spielercharakteren), schriftliche Darstellungen der Dialoge von NPCs u.v.m. Viele SpielerInnen modifizieren ihre Benutzoberfläche auch dahingehend, die verschiednen Arten von Textausgabe aus dem kombinierten Textfenster heraus auf separate Bereiche des Bildschirms zu verteilen oder sie ganz auszublenden (mehr zu Modifikationen der Benutzeroberfläche, sog. Mods oder Addons, in Kap ). Bei der Analyse von Transkripten aus dem WoW-Chat muss also auch sorgfältig unterschieden werden, welche Art von Beiträgen im Chat-Fenster erscheint. Auch wenn man sich von Beginn an ausschließlich auf von Menschenhand erstellte Beiträge beschränkt, können die Rahmenbedingungen der Konzeption im Sinne von Koch/Oesterreicher stark variieren. Dank Cut-and-Paste-Funktion können schriftlich konzipierte Sequenzen ohne nennenswerten Aufwand in eine Abfolge von mündlich konzipierten Beiträgen eingebettet werden. Da Strategie-Guides und ähnliche Anleitungen in der Spielkultur von MMOGs eine große Rolle spielen (mehr dazu in Kap. 2.8.), besteht in Chat-Kontexten wie z.b. einem Raid die Möglichkeit, dass einee SpielerIn einzelne Beiträge aus einem parallel geöffneten (Hyper-)Textdokument o.ä. paraphrasiert. Idealerweise sollten bei der Analyse von Gesprächen in einem Raid beispielsweise auch Informationen dazu gesammelt werden, ob und welche Textquellen die Beteiligten hinzuziehen während des Spielens hinzuziehen. Eine umfassende Videoaufzeichnung des Computerarbeitsplatzes, wie Beißwenger (2007) sie durchgeführt hat, wäre ideal, war aber aus praktischen Gründen als Basis für die vorliegende Dissertation nicht zu bewältigen. Gerade deshalb sollten LeserInnen aber umso mehr versuchen, sich über die kommunikativen Gepflogenheiten und Rahmenbedingungen bei einem Raid zu informieren. 48

54 Alles in allem bedeuten diese Tatsachen für die Anwendung des Modells von Koch/Oesterreicher im Kontext der MMOG-Kommunikation, dass eine Datenquelle wie ein Chat-Transkript u.u. sorgfältig in mehrere Diskursarten/Textsorten aufgeteilt werden muss, um eine angemessene Einordung der beobachteten Sprachprodukte zu ermöglichen. Dies gilt insbesondere angesichts der Tatsache, dass MMOG-SpielerInnen in vielen Spielsituationen neben dem Chat auch VoIP zur Verfügung haben. Schon die Verfügbarkeit dieser Optionen hat einen großen Anteil an den Rahmenbedingungen, unter denen die Beteiligten ihre sprachlichen Beiträge konzipieren (mehr dazu in Kapitel 2.9.). Beispielsweise steht einem Kommunikanten die Möglichkeit offen, komplexe Sachverhalte schriftlich im Chat auszudrücken und gleichzeitig über VoIP um die Aufmerksamkeit der betroffenen zu bitten. Diese zwei Elemente können an verschiedenen Stellen im Kontinuum zwischen mündlicher und schriftlicher Konzeption verortet werden, müssten in einer weniger multimodalen Kommunikationssituation in einer einzigen Äußerung kombiniert werden Aufbau der Untersuchung Wenn pauschal von Sprache von MMOG-SpielerInnen die Rede ist, so kann darunter eine Reihe von teilweise sehr heterogenen kommunikativen Rahmen gemeint sein. Im Kontext dieser Dissertation schließt dies explizit Situationen außerhalb des eigentlichen Spielprogramms im Sinne der Software-Anwendung WoW ein. Das Spielerlebnis WoW aus Sicht der SpielerInnen kann sich nämlich auch auf Recherchen im Internet, Gildentreffen von Angesicht zu Angesicht und viele andere Situationen erstrecken. In diesem Kapitel werden die verschiedenen Bereiche vorgestellt, die für diese spezifische Untersuchung, miteinbezogen wurden, um die Sprache von MMOG-SpielerInnen darzustellen. Die folgende Einteilung wurde gewählt um jene Teilbereiche zu erfassen, die sich am deutlichsten gegenseitig beeinflussen, z.b. Strategie-Anleitungen als Grundlage für die Teamkommunikation im Raid. Auch wenn der Untersuchungsfokus schwerpunktmäßig auf der Analyse der Chat- und VoIP-gestützten Gespräche im Raid liegt, sollten die übrigen Teilbereiche zumindest als Hintergrund berücksichtigt werden. Der Autor teilt den Untersuchungsgegenstand grob in vier Komplexe ein, in denen Sprache in besonderer Weise verwendet wird: 49

55 Das Kern-Spiel. Hiermit ist jener Teil des Spielverlaufs gemeint, der sich nicht mit speziellen Tätigkeiten wie dem Raiden befasst. In diesem Teil des Spiels sammeln Charaktere i.d.r. Ressourcen und Erfahrungspunkte und erfüllen Questen. Gruppenbildung ist rein optional. SpielerInnen lernen diesen Spielbereich als erstes kennen und verbringen einen großen Teil ihrer Zeit damit, diverse Ressourcen zu sammeln, auch wenn sie sich parallel bereits fortgeschrittenen Inhalten wie dem Raiden widmen. Grundsätzlich wird dieser Bereich von allen Charakteren geteilt, die zu einem bestimmten Zeitpunkt auf dem gleichen Server in das Spiel eingeloggt sind und sich nicht in Instanzen befinden. Die übliche Kommunikationsform in diesem Bereich ist der Chat, sofern sich SpielerInnen nicht vorab z.b. für eine gemeinsame VoIP-Verbindung verabredet haben. Die Gildennetzwerke außerhalb des Spiels. Dieser Bereich umfasst den Teil des kommunikativen und organisatorischen Netzwerks einer Gilde, der auch unabhängig vom Spielprogramm operiert und dem wechselseitigen Austausch über spiel- und gildenrelevante Themen dient. Praktisch alle Gilden unterhalten dazu irgendeine Form von Internetpräsenz mit Forum. Internetunabhängige Kommunikationsformen wie Telefon oder Treffen von Angesicht zu Angesicht zählen streng genommen auch zu diesem Bereich, spielen in dieser Untersuchung aber eine untergeordnete Rolle. SpielerInnen können natürlich jederzeit das Spielprogramm unabhängig vom Gildennetzwerk nutzen. Die Spielbezogenen Web-Ressourcen. Zu diesem Bereich zählen die verschiedensten Formen von Tipps-und-Tricks-Seiten, Anleitungen und Ratgebern zum Spielverlauf, sowie Datenbanken und Tools, die bei der Spielplanung helfen. Strategie Guides können verschiedene Formen haben. Einige wenige erscheinen in gedruckter Form, die meisten im Hypertext-Format von Webseiten, aber auch ein Forum kann zur Erstellung eines Strategie-Guides genutzt werden. Generell sind Strategie-Guides eher auf Dauerhaftigkeit und große Rezipientenzahlen ausgerichtet. Gute Guides und Tools verbreiten sich schnell in der Spielgemeinschaft und werden als Grundlage für Planungen in Gildennetzwerken verwendet. Die RaidInstanzen. Hier finden die Gruppenquesten und Raids mit bis zu 40 Teilnehmern statt. Instanzen sind technisch vom Hauptspiel abgetrennt, da sie für jede Gruppe exklusiv für einen begrenzten Zeitraum generiert werden. Betritt eine 50

56 Gruppe von Charakteren eine Instanz, hat niemand außerhalb der Gruppe Zutritt dazu andere Gruppen müssen jeweils eigene Instanzen generieren. In einer Instanz müssen in der Regel ein oder mehrere besonders mächtige Gegner sowie eine Anzahl schwächerer Mobs besiegt werden. Chat und VoIP sind bei Raids in Instanzen die wichtigsten Kommunikationsformen. Diese Unterteilung beruht nicht in erster Linie auf objektiven Merkmalen des Spiels, sondern ist bedingt durch den methodischen Ansatz des Autors. Andere Fragestellungen oder Methoden könnten auch eine andere Einteilung vornehmen, z.b. indem Spielarten wie das PvP oder Rollenspiel in den Mittelpunkt gerückt werden. Auch im praktischen Kommunikationsverhalten der SpielerInnen lassen sich die oben beschriebenen Bereiche nicht klar voneinander trennen. Oft werden die verschiedenen Kommunikations-Modi parallel verwendet oder überschneiden sich einee SpielerIn könnte beispielsweise jederzeit aus dem aktiven Spiel heraus eine Web-Recherche starten oder das Gildenforum aufsuchen, aus Sicht der NutzerInnen ist eine mentale Trennung zwischen diesen Bereichen unnötig. Manche SpielerInnen benutzen sogar mehrere Computer beim spielen: Ein Rechner kann für Informationsrecherche, VoIP-Programm o.ä. verwendet werden, während ein anderer exklusiv das Hauptprogramm fährt. Ebenso ist es keineswegs unüblich, während Raids über Chat und/oder VoIP zeitweise auch mit Personen zu kommunizieren, die nicht am Raid teilnehmen. Eine Überschneidung zwischen mehreren kommunikativen Rahmensituationen ist also auch während Raids jederzeit möglich und wird von routinierten SpielerInnen und Online-NutzerInnen gar nicht als Überschneidung wahrgenommen, sondern als alltägliches Kommunikationsverhalten. Dass die Raids vom Autor in Mittelpunkt der Untersuchung gerückt wurden, hat mehrere Gründe. Ein großer Teil des Spielprinzips von WoW kann als Training für die Durchführung von Raids betrachtet werden (vgl. Mortensen 2008: 213f). Ab einer gewissen Charakterstufe werden Raids und PvP üblicherweise zum zentralen Spielverhalten. Ein großer Teil der Spielzeit wird dann darauf verwendet, Ressourcen dafür zu sammeln, vorbereitende Questen durchzuführen und den Charakter mit Hilfe von Ausrüstungsgegenständen und der Konfiguration von Charakterwerten entweder für PvP oder Raids zu optimieren. Es macht also aus Forschungs-Sicht Sinn, sich auf einen der üblichen spielerischen Schwerpunkte zu konzentrieren, an dem jeder SpielerIn früher oder später landet. 51

57 Raids stellen zudem eine Kommunikationssituation mit faszinierenden Besonderheiten dar, die so nirgendwo sonst zu finden ist. Die von der Gruppe in Echtzeit zu lösenden Aufgaben sind hochkomplex und verlangen von den SpielerInnen eine kontinuierliche Optimierung ihrer Strategien. Dazu gehören kommunikative Strategien wie die gemischte Verwendung von synchronen (VoIP), quasisynchronen (Chat) und asynchronen (Strategie- Guides) Sprachformen sowie die Pflege eines speziellen Wortschatzes, der an die Bedingungen des Spielsystems und der virtuellen Umgebung angepasst ist (dieser steht im Mittelpunkt von Kapitel 2.10.). Bevor sich Kapitel 2.9. unmittelbar der Sprache in Raids widmet, sollen in den Kapiteln 2.5. bis 2.8. die anderen Teilgebiete mit Blick auf ihre technischen Rahmenbedingungen und Funktionsweisen beschrieben werden. Sprachliche Charakteristika werden in diesen vorhergehenden Kapiteln zwar ebenfalls herausgestellt, aber nur so weit, dass sie an späterer Stelle mit dem Sprachgebrauch im Raid-Kontext in Bezug gesetzt werden können. Jedes einzelne Teilgebiet auf seine sprachlichen Besonderheiten ausführlich zu untersuchen würde den Rahmen dieser Untersuchung bei Weitem sprengen, zumal die verschiedenen technischen Rahmenbedingungen jeweils eigene Untersuchungsabläufe erfordern würden Das Kern-Spiel Der Einstieg in das Spiel WoW wurde von den Spieldesignern so angelegt, dass SpielerInnen Schritt für Schritt in alle verfügbaren Optionen eingeführt werden. Dies betrifft das allgemeine Spielprinzip, die Fähigkeiten der jeweiligen Rassen und Klassen, die Rahmenhandlung sowie die Funktionen der Benutzeroberfläche. Der Startpunkt innerhalb der Spielwelt und der Ablauf der einführenden Questen sind je nach Klasse und Rasse unterschiedlich, ebenso wie die Fähigkeiten der Charaktere selbst. Die Bildschirmoberfläche hingegen ist für alle SpielerInnen zu Beginn grundsätzlich gleich aufgebaut, auch wenn die darüber aufrufbaren Fähigkeiten selbst unterschiedlich sind. Im Detail können also die z.b. die Icons, mit denen Fähigkeiten aktiviert werden, von Klasse zu Klasse variieren, aber die Platzierung dieser Icons im unmodifizierten UI folgt einem übergreifenden Prinzip. Nachfolgend werden die verschiedenen Kommunikations-Werkzeuge vorgestellt, die allen SpielerInnen gleichermaßen als Standard-Bestandteil des UI zur Verfügung stehen. 52

58 Abbildung 3: Unmodifiziertes WoW-Interface zu Spielbeginn. Das Chat-Fenster ist transparent und befindet sich in der linken unteren Ecke Das Chatsystem In der linken unteren Bildschirmecke befindet sich standardmäßig ein Textfenster, in dem sowohl Chat-Beiträge als auch andere spielrelevante Nachrichten dargestellt werden. Eigene Beiträge können in eine Textzeile unter diesem Fenster eingegeben werden und werden durch Betätigen der Eingabetaste verschickt, woraufhin sie bei den jeweiligen RezipientInnen im UI erscheinen. Das Chat-System folgt in der äußeren Gestalt und der Funktionsweise damit den für Chat- Systeme üblichen Konventionen. Der RezipientInnenkreis einer Nachricht kann durch das Voranstellen bestimmter Befehle festgelegt werden (in Klammern jeweils eine alternativ mögliche Kurzform des Befehls): - /say(/s) Dies ist der Standardmodus für Chat-Äußerungen. /say-beiträge werden an alle Teilnehmer in der näheren Umgebung übertragen. - /party(/p) Dieser Befehl begrenzt den RezipientInnenkreis auf jene SpielerInnen, die zurzeit in einer Gruppe zusammengeschlossen sind, z.b. für Gruppenquesten oder Raids. 53

59 - /guild(/g) Diese Beiträge sind nur von Gildenmitgliedern zu empfangen, sofern der/die UrheberIn Mitglied einer Gilde ist. - /officer(/o) Hiermit wird eine Nachricht an Gildenmitglieder mit Offiziersrang gesendet. - /yell(/y) Beiträge mit diesem vorangestellten Befehl werden an alle Anwesenden in der jeweiligen Spielzone übertragen. Die Reichweite ist also größer als beim /say-befehl. Übertriebene Verwendung dieses Modus wird in der WoW-Gemeinschaft meist als aufdringlich und unhöflich empfunden, er ist dazu gedacht, um Hilfe zu bitten oder auf Gefahren für die Allgemeinheit hinzuweisen (z.b. wenn eine große Gruppe der gegnerischen Fraktion in der Zone ihr Unwesen treibt). - /whisper(/w);/tell(/t) Beide Funktionen senden eine Privatnachricht an einen spezifischen SpielerIn, der nach dem Format /w Name festgelegt wird. - /reply(/r) Hiermit können NutzerInnen direkt auf eine zuvor eingegangene /whisper- oder /reply-nachricht antworten. Die obige Liste ist nicht abschließend, deckt aber die häufig verwendeten Grundbefehle ab. 10 Der AdressatInnenkreis einer Nachricht kann auch über die Angabe eines spezifischen Kanals oder Channel variiert werden. Ein Kanal kann über den Befehl /join Kanalname betreten werden und per /leave Kanalname wieder verlassen werden. Im Textfenster werden alle Nachrichten aus Kanälen gesammelt angezeigt, denen der/die SpielerIn im Moment beigetreten ist. Jeder Kanal hat neben seinem Namen auch eine Nummer, durch deren Angabe Beiträge für diesen Kanal spezifiziert werden können. Eine Reihe von Kanälen mit spezieller Funktion wird vom Spiel bereitgestellt, außerdem können SpielerInnen selbst zusätzliche eröffnen. Wann immer eine SpielerIn in WoW eine 10 Eine vollständige Liste mit chat-relevanten Befehlen (und anderen) befindet sich im offiziellen Forum unter ( ) 54

60 neue Zone betritt, tritt er/sie automatisch den Kanälen Allgemein, LokaleVerteidigung und SuchenachGruppe bei, in Städten zusätzlich noch dem Kanal Handel: Allgemein: Hier können Gespräche ohne spezielle thematische Bindung geführt werden, wie z.b. gesellige Plaudereien, der Austausch von Tipps und Tricks etc. LokaleVerteidung: Dieser Kanal ist insbesondere für das PvP-Spiel gedacht. Darin wird automatisch eine Mitteilung generiert, sobald innerhalb der aktuellen Zone ein verbündeter NPC durch Charaktere der gegnerischen Fraktion angegriffen wird, damit Unterstützung organisiert werden kann. SpielerInnen können außerdem auf diesem Kanal von Hand Informationen über Aktivitäten der anderen Fraktion veröffentlichen, z.b. wenn eine Gruppe verfeindeter PCs gesichtet wurde, aber noch kein Angriff stattgefunden hat. Handel: Der Name ist Programm hier können Angebote und Gesuche zum Anund Verkauf von Gegenständen zwischen SpielerInnen verbreitet werden. SuchenachGruppe: Dieser Kanal war ursprünglich der übliche Weg, InteressentInnen für die Bildung von Gruppen zu finden. Mittlerweile wurde dem Spiel ein Programm hinzugefügt, welches die Zusammenstellung von Gruppen anderweitig regelt, der Chatkanal blieb aber erhalten und wird wahrscheinlich aus Gewohnheitsgründen noch immer verwendet. Zusätzlich existiert auch noch ein Kanal names Weltverteidigung. Dieser hat die gleiche Funktion wie LokaleVerteidigung, allerdings muss er explizit ausgewählt werden und hat eine Reichweite, die alle Zonen der Spielwelt umfasst. SpielerInnen können jederzeit einen eigenen Kanal eröffnen. Wenn sie /join Kanalname eingeben und noch kein Kanal unter dem gewünschten Namen existiert, wird ein neuer Kanal mit dieser Bezeichnung kreiert. Dieser bleibt so lange bestehen, wie mindestens eine SpielerIn ihn verwendet. Der/die ursprüngliche ErschafferIn eines Kanals kann mittels gesonderter Befehle andere SpielerInnen einladen oder hinauswerfen, das Rederecht beschränken und vergeben etc. Neben der Eingabe von Chat-Beiträgen können SpielerInnen auch sog. Emotes verwenden, um zu kommunizieren. Diese Emotes lassen die Avatare bestimmte Aktionen durchführen, entweder in Form kurzer Beschreibungen im Textfenster, durch Animationen 55

61 der Spielfigur und/oder durch Sprachausgabe, die von dem Avatar ausgeht. Sie folgen dem gleichen Eingabeformat wie die Chat-Befehle und können je nach Wunsch generell geäußert oder an einen spezifischen Charakter gerichtet werden. Das Emote /auslachen beispielsweise bringt die Spielfigur dazu, in schallendes Gelächter auszubrechen oder einen anderen Charakter auszulachen. /bravo lässt die Figur applaudieren, /ja lässt sie nicken. 11 In der alltäglichen Kommunikation innerhalb des Spiels werden die Emotes aber kaum als parasprachliche Ausdrucksmittel eingesetzt, da sie anders als besipielsweise Gesichtsausdruck und Gestik im Gespräch von Angesicht zu Angesicht außerhalb der virtuellen Welt aktiv und bewusst ausgeführt werden müssen. In der vorliegenden Untersuchung beschränkt sich die Betrachtung in erster Linie auf die Chat-Verwendung im Raid-Kontext. Andere Bereiche des Spiels weisen mit großer Wahrscheinlichkeit davon abweichende Verhaltensmuster im Chat auf, allerdings ist für eine repräsentative Untersuchung dieser Muster eine eigenständige Untersuchung mit einem anderen Aufzeichnungs- und Analyseverfahren nötig. An dieser Stelle muss daher eine kurze Übersicht über die auffälligsten Merkmale des Chat im Kern-Spiel außerhalb von Raids genügen, um eine Basis für die spätere Berachtung der Raid-spezifischen Sprache zu schaffen. Die Sprache in Chat-Systemen wurde linguistisch bereits in einer Vielzahl von Veröffentlichungen dargestellt. Die allgemeinen Eigenschaften und Konventionen der Chat- Kommunikation gelten über weite Teile des Spiels auch für den WoW- Chat und sollen hier nur in kurzer Form zusammengefasst werden, da sie bereits Gegenstand zahlreicher Untersuchungen waren. Von grundlegender Bedeutung ist die von Storrer vertretene Einordnung von Chat als Diskurs- statt als Textform (vgl. Storrer 2001). Anhand der von Koch/Österreicher (1994) eingeführten Differenzierung (siehe Kapitel ) kann Chat-Sprache abgesehen von Spezialformen wie z.b. Unterrichts- oder Beratungschat klar als konzeptionell mündliche Sprache charakterisiert werden, die aufgrund der Rahmenbedingungen medial schriftlich realisiert wird. Beißwenger greift die Bezeichnung des Chat als Diskursform auf und verfeinert diese. Er betont eine deutliche Trennung zwischen den Rahmenbedingungen der 11 Eine Liste von über 100 Emotes findet sich z.b. unter 56

62 Produktion und jenen der Rezeption im Chat. In der Produktion, d.h. vor dem Versenden, können Chat-Beiträge u.a. wegen der Möglichkeit des nachträglichen Bearbeitens angemessener als Texte denn als Diskursbeiträge beschrieben werden (Beißwenger 2007: 116). Nach dem Abschicken und dem Erscheinen auf dem Bildschirm werden die Beiträge in ihrer Abfolge vom Rezipienten hingegen als Diskurs wahrgenommen. Angesichts dieser Dualität beruft sich Beißwenger auf Hoffmann (2004) und ordnet die Chat-Kommunikation im Ganzen unter der Kategorie Paradiskurs ein (vgl. Beißwenger 2005: 81). Die Kommunikation im Chat folgt, anders als beim Diskurs, keinem linearen Wechsel zwischen Produktion und Rezeption. Die Teilnehmer können vielmehr jederzeit zwischen beiden Rollen wechseln. Eine Diskursstruktur wird erst bei der mentalen Verarbeitung der Beiträge vom Bildschirmprotokoll durch den/die NutzerIn aufgebaut, wobei auch durchaus Diskrepanzen zwischen den Strukturen der mentalen Diskurse unterschiedlicher TeilnehmerInnen entstehen können eine klassische Quelle für Mißverständnisse bei Chat- Gesprächen. Chat wird also von den TeilnehmerInnen weitgehend als Diskurs wahrgenommen und als solcher kognitiv verarbeitet. Dem Modell von Koch/Österreicher zufolge spricht dies für eine konzeptionell mündliche (bzw. nähesprachliche) Kommunikationssituation. Diese wird aber ausnahmsweise schriftlich realisiert, da die Chat-Umgebung nur diese Form zulässt. Viele der chat-typischen Sprachphänomene lassen sich durch diese schriftliche Realisierung von mündlich konzipierter Sprache erklären, z.b.: Interjektionen und Partikeln wie tja, hm, äh etc. die eher für mündliche Gespräche typisch sind und für viele uneingeweihte BetrachterInnen in schriftlicher Form unpassend wirken; Emoticons wie :-) oder :-(, mit denen kontextabhängig emotionale Nuancen zu Beiträgen hinzugefügt werden können, die aufgrund fehlender körperlicher Kopräsenz nicht durch parasprachliche Mittel ausgedrückt werden können; Abkürzungen wie das archetypische lol laughing out loud oder bb bis bald, n8 Nacht etc. Diese Abkürzungen dienen meist dazu, die Tippgeschwindigkeit und somit die Produktion von Beiträgen zu erhöhen, um eine Gesprächs-typische Kommunikationsgeschwindigkeit zu halten; 57

63 Inflektive: unflektierte Verbformen und konstruktionen, die oft mit Asterisken markiert werden, wie *kopfkratz*, *begrüß*, *indenarmnehm*. Diese Formen können in der Komplexität von einzelnen Verbstämmen bis zu komplexen Satzkonstruktionen reichen, solange eine unflektierte Verbform enthalten ist. Ursprünglich erschienen Inflektive vor allem in der Comicsprache, nach dem Muster von Geräuschwörtern wie knall oder peng. Der Gebrauch im Chat-Bereich hat zu ihrer weiteren Verbreitung beigetragen. Teil ihres Nutzens ist, dass mit ihrer Hilfe komplexe Handlungen kurz formuliert werden können, auch in Ermangelung einer etablierten hochdeutschen Verlaufsform (vgl. Schlobinski 2001; Teuber 1998). Einfacher Satzbau: Chat-Sprache hat i.d.r. einen einfachen Satzbau, hypotaktische Konstruktionen sind eher selten. Auch hier ist der Grund im Streben nach Geschwindigkeit zu finden. Da im Chat Produzenten- und Rezipientenrolle jederzeit ohne vorherige Vermittlung wechseln können, müssen Beiträge nach ihrer mentalen Planung möglichst schnell produziert werden, da ansonsten der Gesprächsfortschritt den geplanten Beitrag möglicherweise obsolet macht, bevor er realisiert werden kann. Daher werden Sätze eher einfach gehalten und/oder hypotaktische Konstruktionen werden auf mehrere separate Beiträge aufgeteilt, das sog. Splitting (vgl. Beißwenger (2007: 245ff.)). Vereinfachte Rechtschreibung und Interpunktion. Diese werden von sprachschützerischer Seite gelegentlich als Beweis dafür angesehen, dass Chat die Fähigkeit zu sprachlicher Komplexistät raube. Die Gründe für diese Phänomene liegen jedoch nicht in mangelnder Kompetenz der NutzerInnen, sondern in einer pragmatischen Anpassung an die tastaturgestützte Sprachproduktion unter diskursiven Bedingungen. Insbesondere konsequente Kleinschreibung und Vermeiden von Satzzeichen sind im Chat die Regel. Gerade Großbuchstaben und Satzzeichen, für die die Umschalttaste benötigt wird, sind ein Hindernis für schnelle Produktion. Die relative Seltenheit von hypotaktischen Satzkonstruktionen (siehe vorheriger Punkt) tut den Rest dazu, dass Satzzeichen eher selten im Chat verwendet werden. 58

64 All die oben beschriebenen Merkmale finden sich auch im allgemeinen WoW-Chat wieder. Nachfolgend sollen nur jene auffälligen Merkmale aufgezeigt werden, die charakteristisch für den WoW-Kontext sind. Das folgende Transkript stammt direkt aus aus dem Kern-Spielbereich von WoW und war zu einem bestimmten Zeitpunkt als Ganzes im Textfenster der betroffenen Spielerin sichtbar. In dem Beispiel wird eine englischsprachige Client-Software verwendet, wodurch Systemmitteilungen auf Englisch ausgegeben werden. Die Sprache der KommunikationsteilnehmerInnen ist davon unabhängig, der Server wird hauptsächlich von deutschsprachigen NutzerInnen besucht. Bei [2. Trade] handelt es sich um den zuvor erwähnten Handelskanal bei [1. General] um den Kanal Allgemein. Der Kanalname mit vorangestellter Nummerierung steht immer zu Beginn einer Zeile, gefolgt vom Namen des Beitragsurhebers. Der Kanalname entfällt, wenn eine Nachricht kanalunabhängig versendet wird, z.b. bei privaten Nachrichten an spezifische TeilnehmerInnen oder rufen an alle TeilnehmerInnen in Reichweite (Zeile 18). Alle spezifischen Namen, sei es von Kanälen, Teilnehmern, Spielgruppen oder Spielelementen, werden automatisch mit eckigen Klammern markiert. Sie können oft direkt aus dem Text per Mausklick ausgewählt werden, um damit verbundene Funktionen oder Informationen im UI aufzurufen. 59

65 Beispiel 1: Auszug aus dem WoW-Textchat im Kern-Spiel außerhalb eines Raids (Ines (2009)) [2. Trade][Korath]: kann dir eine fuer 15g verkaufen, stehe neben dem ingi lehrer :/ [2. Trade][Malbador]: hier [Vexille] has invited you to join a group. [2. Trade][Waumuh]: lfg lfm [Die Urahnen der Horde] [2. Trade][Jumbodeluxe]: LFM 1tank fürdayli hero (azjol) dann gooo<<<<<< [2. Trade][Qzyeikstdxwr]: Welcome to www,safegolds.com!you can really benefit from the trade in fabulous Buy 20000g,3000g free! [2. Trade][Qzyeikstdxwr]: Powerleveling of Levels.Honor Points.Professions and Reputation.Get the Rocket in the WoW! Powerlevel 1-70, 3000gold for free; powerlevel 1-80, 5000gold for free.please visite Wudru makes some strange gestures. Wudru makes some strange gestures. [1. General][Cherub]: Whisper me mit inv für 1kWinter invite [Cherub] yells: Whisper me mit inv für 1kWinter invite [1. General][Ddelf]: brauht wer Formel: Waffe Unheilig? [5. Stromath][Rhylthar] joined channel. [2. Trade][Lijana]: wts [Flask of Endless Rage] für 85 g (ah-preis ist bei 90g) [Oomhu] has earned the achievement [Archavon the Stone Watcher]! Wudru makes some strange gestures. Wudru makes some strange gestures. 60

66 Die Nutzerin ist hier in mindestens drei verschiedenen Kanälen eingeloggt, dem Handelskanal (s. Zeilen 1, 3 etc.), dem Allgemeinkanal (s. Zeilen 17, 19) und einem speziell angelegten Kanal namens Stromath (s. Zeile 20). Bei den Beiträgen in den Zeilen 8-14 handelt es sich um automatisierte Werbung für den spielexternen Handel mit Spielwährung und anderen Spiel-Ressourcen. Der Charaktername Qzyeikstdxwr deutet mit seiner zufälligen Buchstabenfolge darauf hin, dass es sich dabei um einen Bot handelt, d.h. der Charakter wird nicht von einem Menschen gesteuert sondern von einem automatisierten Programm, um (unerwünschte) Werbebotschaften abzusetzen. Die Zeilen 15, 16, 24 und 25 enthalten Emotes ausgeführt von einem Charakter namens Wudru dieser gehört aus Sicht der Rezipientin der gegnerischen Fraktion an, daher werden seine Emotes vom Spielsystem in seltsame Gesten verwandelt, die nicht zu verstehen sind. Sprachlich auffällig sind die beiden Beiträge von Waumuh und Jumbodeluxe in den Zeilen 5-7. Dabei handelt es sich um Suchaufrufe, mit denen Gruppenmitglieder gefunden werden sollen. Von mutmaßlichen Tippfehlern bereinigt lauten die Beiträge: [2. Trade][Waumuh]: lfg lfm [Die Urahnen der Horde] [2. Trade] [Jumbodeluxe]: LFM 1 tank für daily hero (azjol) dann gooo<<<<<< Die Beiträge beinhalten eine Reihe von Kurzformen, die charakteristisch für die WoW- und MMOG-Gemeinschaft sind. Ihr Inhalt spezifiziert den genauen Umfang des jeweiligen Gesuchs. Zunächst der Beitrag von Waumuh: lfg: looking for group suche nach Gruppe lfm: looking for member(s) suche nach Gruppenmitglied(ern) Aus dem Beitrag geht also hervor, dass Waumuh eine Gruppe zusammenstellen möchte (lfg) und dafür noch Mitglieder sucht (lfm). Die Urahnen der Horde ist der Name einer spezifischen Queste, die Gruppe hat also auch ein festes Ziel. Der offizielle Name der Queste wird automatisch in eckigen Klammern dargestellt, durch einen Mausklick darauf können zusätzliche Informationen abgerufen werden. Die Abkürzung lfg wird gewöhnlich eingesetzt, wenn jemand einer existierenden Gruppe beitreten möchte, lfm hingegen, wenn eine existierende Gruppe Verstärkung sucht. In diesem Fall äußert Waumuh beide Varianten, ist 61

67 also anscheinend bereit sowohl einer bestehenden Gruppe beizutreten als auch eine neue zu gründen. Jumbodeluxes Aufruf hat einen etwas größeren Umfang. Das Element 1 tank für daily hero (azjol) enthält eine Reihe zusätzlicher Informationen: Tank ist eine Bezeichnung für eine spezifische taktische Rolle, die von verschiedenen Charakterklassen erfüllt werden kann und die zentrale Bedeutung im Gruppenverband hat (s. Kapitel ). Azjol ist eine Kurzform von Azjol- Nerub, dem Namen eines spezifischen Landstrichs im Spiel. Daily hero ist eine Kurzform von daily heroic quest, ein Typ täglich wiederkehrender Questen mit dem Schwierigkeitsgrad Heroisch. Dann gooo<<<<<< ist ein Hinweis darauf, dass nach Erfüllung des Aufrufs ohne Verzögerung mit der Queste begonnen werden soll. Jumbodeluxes Aufruf kann also folgendermaßen paraphrasiert werden: Ich suche einen Tank für meine Gruppe, um in der Region Azjol-Nerub die tägliche(n) heroische(n) Questen durchzuführen. Die Gruppe ist bei Zusage sofort startklar! Die ursprüngliche Formulierung ist speziell an die Bedingungen des Chat-Interface angepasst. Der Raum zur Darstellung von Text ist in Chat-Systemen grundsätzlich begrenzt, da Beiträge ab einem bestimmten Zeitpunkt durch neue Nachrichten vom Bildschirm verdrängt werden. Im WoW-Standard-Interface gilt dies besonders, da das Textfenster recht klein ist und neben Chat auch Systemnachrichten und Spieldaten aufführt. Dementsprechend wird es auch als Verstoß gegen die Chatiquette gesehen, andere SpielteilnehmerInnen durch das wiederholte Schreiben von Nachrichten zu stören, dem sog. Spammen. Der Handelskanal stellt hier eine Ausnahme dar, da er speziell für das Anbieten und Bewerben von Angeboten gedacht ist. Wer sich davon gestört fühlt, kann diesen Kanal jederzeit verlassen. Es ist aber dennoch für alle Beteiligten von Vorteil, bei Angeboten und Anfragen die notwendigen Informationen auf möglichst geringem Raum mit möglichst wenig Aufwand unterzubringen. Das entsprechende Repertoire an Abkürzungen und Kurzwörtern wird innerhalb der SpielerInnenschaft als bekannt vorausgesetzt. In dieser Hinsicht lässt sich die sprachliche Struktur dieser Chat-Aufrufe vergleichen mit jener, die beispielsweise in Zeitungs-Kleinanzeigen für Wohnungen zu beobachten ist. Auch hier kommt ein spezielles Lexikon zum Einsatz, das innerhalb der Zielgruppe (z.b. Wohnungssuchenden) als bekannt vorausgesetzt wird. 62

68 auf: Die Zeilen 21/22 weisen noch eine weitere Verwendung charakteristischer Kurzformen [2. Trade][Lijana]: wts [Flask of Endless Rage] für 85 g (ah-preis ist bei 90g) Wts steht für want to sell (dt. möchte verkaufen ), g bezeichnet die spielinterne Währung Goldstücke und ah bedeutet Auktionshaus oder auction house. Der/die SpielerIn hinter dem Charakter Lijana bietet demnach also den virtuellen Gegenstand Flask of Endless Rage zum Verkauf an, und zwar für 85 Goldstücke. Im spielinternen Auktionshaus, wo Handel zwischen SpielerInnen durchgeführt wird und das deshalb hier als Preisreferenz dienen kann, wird der Gegenstand zu dem Zeitpunkt für fünf Goldstücke mehr, also 90 Goldstücke gehandelt. Angesichts der Möglichkeit, mit Hilfe des Postsystems Gegenstände gegen Bezahlung zu verschicken, enthält Lijanas Angebot also alle notwendigen Informationen, die KäuferInnen für eine Kaufentscheidung brauchen könnten. Fast allen hier aufgezeigten Abkürzungen und Kurzwörtern liegen eindeutig englische Wortgruppen zugrunde, mit Ausnahme von ah, welches sowohl auf das englische auction house als auch das deutsche Auktionshaus zurückgehen kann. Die englische Sprache hat auf den WoW-bezogenen Wortschatz und beim Thema MMOGs allgemein -- einen großen Einfluss. Einer der Gründe dafür ist der Vorsprung des amerikanischen Raums bei der Veröffentlichung von Software, Updates und inhaltlichen Erweiterungen. Diese Erweiterungen spielen auch und gerade im MMOG-Bereich eine wichtige Rolle, da durch sie nicht nur Funktionen des Spielprogramms, sondern auch Veränderungen der Spielregeln und sogar der virtuellen Geografie bewirkt werden können. Auf das Erscheinen eines größeren Updates folgt in der SpielerInnengemeinschaft traditionell eine Phase, in der neue oder überarbeitete Strategien und Taktiken erstellt werden, die die neuen Inhalte miteinbeziehen. Diese werden dann innerhalb kürzester Zeit der restlichen SpielerInnenschaft online per Video und Text über das Worldwide Web zugänglich gemacht. Der Nordamerikanische Zeitvorsprung führt dazu, dass die zuerst erhältlichen Quellen für Tipps und Tricks quasi immer englischsprachig sind, meist produziert von bekannten US- Profi-Gilden. Deutschsprachige Übersetzungen und Originaltexte erscheinen zwar ebenfalls innerhalb kurzer Zeit, aber viele davon nehmen auch wiederum die US-Quellen als Vorlage. 63

69 Eine spezifische Betrachtung der verschiedenen Typen von Strategie-Guides folgt in Kapitel 2.8. Der in den Guides verwendete Spezial-Wortschatz zur Beschreibung von Spielelementen findet sich deutlich sichtbar auch in den spielinternen Chat-Kanälen wieder. Die Verwendung eines für Nicht-Eingeweihte unverständlichen Jargons und die ständige Wiederholung entsprechender Chat-Nachrichten stellte lange Zeit unter Computer-SpielerInnen ein Klischee-Bild des MMOG-Genres dar. U.a. wird dies auch in anderen Computerspielen satirisch aufs Korn genommen: Das Taktik-Spiel Fallout Tactics (Micro Forté (2001)) enthält beispielsweise eine Szene, in der die Spielfigur in einer Wüste unvermittelt auf einen Basaar stößt, auf dem die Händler kryptische Textzeilen von sich geben. Diese entstammen dem MMOG Everquest und sind das Äquivalent zu den oben zitierten Chat-Aufrufen zum Ver- und Ankauf von spielspezifischen Waren und Dienstleistungen. Abbildung 4: MMOG-Jargon aufs Korn genommen: Szene aus Fallout Tactics, in der das MMOG Everquest satirisch zitiert wird. (aus: Jspoelstra (2008), (zuletzt besucht )) 64

70 Eine der Figuren in Abb. 4 betätigt sich als Marktschreier mit der Kurzform WTB (die übrigen Kurzformen sind Everquest-spezifische Waren/Dienstleistungen). Die entsprechende Langform ist want to buy, also das Gegenstück zu dem in Beispiel 1, Z. 21/22 verwendeten wts für want to sell. Die satirische Szene zeigt, dass bereits vor mehr als zehn Jahren die Verwendung von spezifischen Abkürzungen zum Anpreisen und Anfragen von Waren/Dienstleistungen als so charakteristisch für MMOGs angesehen wurde, dass es in einem Spiel eines ganz anderen Genres ohne weitere Erklärung als Witz herhalten konnte. Dass dieser spezifische Aspekt von Sprachverwendung in MMOGs über ein Jahrzehnt bis zum aktuellen World of Warcraft überdauert hat, ist dabei nicht verwunderlich: Die SpielerInnen von MMOGs wechseln im Laufe der Zeit regelmäßig auf neuere MMOG-Titel, und bei allen Änderungen in den Spielsystemen war und ist der Handel innerhalb der Spielgemeinschaft ein stabiles, wiederkehrendes Element. Gleichzeitig bieten und boten alle MMOGs den schriftlichen Chat als primären Kommunikationsmodus, der pragmatische Rahmen war also von Spiel zu Spiel über die Jahre bis heute immer sehr ähnlich. Das folgende Beispiel zeigt einen Chat-Auszug, bei dem Aufrufe zur Gruppenbildung dominieren: 65

71 Beispiel 2: Handels- und Kooperationsaufrufe im WoW-Chat (Ines (2009)) [Guild][Harthor]: gz [2. Trade][Pulkan]: lf 2 healer 1 range DD naxx 10er, es stehen noch: Militärviertel, Saphi und Kel [Guild][Anoxa]: thx XD [2. Trade][Silvergold]: ot noch für naxx 10er clearrun Oomhu has gone offline. [2. Trade][Shîree]: LF Healpala für 2v2! [2. Trade][Palya]: LFM Eule, Schurke, Hunter für Azjol hc, ist daily hc [2. Trade][Hádès]: Suche gescheiten Arena Partner [2. Trade][Glocc]: lf enchanter für Schattenrüstung Umhang [2. Trade][Melcor]: lf tank und dd nexus hero [2. Trade][Armendor]: lfm naxx 10er 1 dd, mt oder ot spinnenviertel, flikwerk und grobbulus down [2. Trade][Ullup]: Suchen noch einen Schamanen DD für daily hero + [Seht ihm beim Sterben zu] [Sylvia] has come online. [2. Trade][Sodina]: verzaubere gegen mats [Verzauberkunst] bei skillpunkt gibts 35g [2. Trade][Sodina]: baue [Lederverarbeitung] gegen mats. [2. Trade][Takuya]: heiler und tank gesucht für nexus [2. Trade][Armendor]: lfm naxx 10er 1 dd (shadow bevorzugt) spinnenviertel, flikwerk und grobbulus down [2. Trade][Ztèfiè]: bastel euch gegen mats [Lederverarbeitung] [2. Trade][Melcor]: lf tank nexus hc [2. Trade][Allianzen]: suchen für turm hero tank dd und heal 66

72 Um das Verständnis zu erleichtern, kann Zeile 12 beispielhaft folgendermaßen paraphrasiert werden: lfm naxx 10er 1 dd, mt oder ot spinnenviertel, flikwerk und grobbulus down Paraphrase: Suche nach Teilnehmern für die Zehn-Spieler-Naxxramas-Instanz, und zwar ein direct damage, main tank oder off-tank. Die Gegner im Spinnenviertel sowie Flikwerk und Grobbulus sind bereits besiegt. Direct damage, main tank und off-tank sind Spezifikationen für taktische Rollen. Das Spinnenviertel ist ein Teilbereich der Naxxramas-Instanz, Flikwerk und Grobbulus sind besondere Boss-Gegner, die als herausragende Teilaufgabe der Instanz besiegt werden müssen. Betrachtet man zunächst den verwendeten Wortschatz in den Beiträgen im Trade- Kanal, lässt sich dieser anhand von semantischen Funktionen in mehrere Kategorien aufteilen (bei Abkürzungen/Kurzworten ist die gängige Langform angegeben): Art des Gesuchs: lfg looking for group, lfm looking for member(s), lf looking for, wts want to sell. Objekte der virtuellen Welt: Flask of Endless Rage; 15g; Formel: Waffe unheilig; Schattenrüstung Umhang; mats Materialien. Orte/Nichtspielercharaktere in der virtuellen Welt: Azjol; ah Auktionshaus ; naxx Naxxramas ;, Militärviertel; Saphi Saphiron ; Kel Kel Thuzad ; nexus; Spinnenviertel; grobbulus; turm. Funktionen des Spielsystems: daily hero daily heroic ; hc heroic ; healer; range DD range direct damage ;, ot off tank ; mt main tank ; Healpala Healpaladin ; Eule; Schurke; Hunter; enchanter; tank; Schamanen; Verzauberkunst; Lederverarbeitung. Bis auf wenige Ausnahmen werden diese Elemente nach einem vergleichsweise simplen System zusammengesetzt: [Art des Gesuchs]+[Was genau wird gesucht?]+[wo soll die Aktion stattfinden?] Die Reihenfolge dieser Elemente ist nicht streng festgelegt, allerdings steht die Kategorie Art des Gesuchs in den allermeisten Fällen am Anfang, da dies zunächst die wichtigste Information ist, anhand der ein potentieller Interessent sofort entscheiden kann, ob das 67

73 Angebot von Interesse sein könnte. Aufrufe, die mit lfg und lfm zeigen auf den ersten Blick, dass es um Gruppenbildung geht, während wts und wtb direkt ein Handelsinteresse bekunden. Die Informationseinheit des Was ist i.d.r. durch einzelne Lexeme belegt, bzw. je ein Lexem pro gesuchtem Gruppenmitglied. Die Komplexität des Lexems ist variabel. In den meisten Fällen sind sie eingliedrig und bezeichnen eine allgemeine taktische Funktion: healer; tank; ot ( off-tank ); heiler oder eine spezifische Charakterklasse: Schamanen; Schurke; Eule; Hunter. Bei Bedarf kann die Anfrage durch Determinativkomposition spezifiziert werden: Healpala (ein Paladin, der auf Heilung spezialisiert ist); range DD (ein Damage Dealer/Direct Damage, der auf Angriffe aus der Entfernung spezialisiert ist)). Informationen über das Wo eines Gesuchs können durch Lexeme und Konstruktionen variabler Komplexität ausgedrückt werden. Die häufigste Variante ist die Nennung der Instanz, deren Besuch geplant ist, bzw. einer Kurzform des Namens: naxx (Kurzform von Naxxramas ); Nexus; Azjol (Kurzform von Azjol Nerub ). Typischerweise wird dem Namen der Instanz noch eine Information über die Gruppengröße und den Schwierigkeitsgrad, da diese Variablen den Inhalt einer Instanz mit bestimmen: naxx 10er; Azjol hc; nexus hc; nexus hero; turm hero (hc und hero sind Kurzformen von heroic, d.h. dem Schwierigkeitsgrad heroisch ). Da Instanzen schrittweise in mehreren Anläufen bewältigt werden können, wird regelmäßig auch auf Teilbereiche innerhalb dieser hingewiesen. Diese Teilbereiche tragen entweder selbst charakteristische Namen, anhand derer sie identifiziert werden, oder es werden stellvertretend die Namen von Bossgegnern genannt, die dort als Hauptherausforderung und Teilziel fungieren. Kurzformen der Boss-Namen sind ebenfalls üblich: 68

74 Namen von Teilbereichen: Militärviertel; Spinnenviertel Namen von Boss-Gegnern: flikwerk [sic!](korrekt: Flickwerk); grobbulus; Saphi (Kurzform für Sapphiron ); Kel (Kurzform für Kel Thuzad ). Die Namen von Instanzen, Teilbereichen und Boss-Gegnern tragen für erfahrene SpielerInnen jeweils eine Fülle an Informationen über die in ihrem Umfeld zu findenden Spielinhalte. Zudem sind innnerhalb kurzer Zeit mit einer Stichwortsuche im Internet unzählige Guides zu finden, die diese Inhalte ausführlich darstellen. Eine explizite Darstellung von Details ist darüber hinaus im Chat nicht üblich und nicht notwendig. Es existiert aber noch eine weitere Möglichkeit, komplexe Spielinformationen im WoW- Chat mit wenig Aufwand zu vermitteln. Gibt man im Chat die exakten Bezeichnung einer Queste, eines Gegenstandes, einer Fähigkeit oder ähnlichen Spielelements ein, wie sie von der Spielsoftware verwendet wird, dann wird diese Bezeichnung im Textfenster mit eckigen Klammern versehen. Andere NutzerInnen können den so markierten Begriff per Maus anwählen und so ein Fenster mit Zusatzinformationen öffnen. Belege aus Beispiel 2: Zeile 14/15: [Und seht ihm beim Sterben zu] ist der Name einer Queste. Zeile 17 u. 19: [Verzauberkunst] und [Lederverarbeitung] sind Fertigkeiten für Charaktere. Wie zuvor bereits erwähnt werden auch Chat-Kanäle und Namen von Chat-TeilnehmerInnen derart markiert, auch sie können per Maus angewählt werden. Diese Funktion der Benutzeroberfläche verringert die Notwendigkeit zur Vermittlung von Spiel-Fakten ungemein, da die Angabe des korrekten Stichwortes reicht, um GesprächspartnerInnen Zugang zu komplexen Datensätzen in übersichtlicher Formatierung zu verschaffen. Die Nutzung des Chat-Fensters, um über Stichworte direkten Zugang zu Spieldaten im Benutzinterface zu erlangen, spielt auch bei der Durchführung von Raids eine Rolle, z.b. wenn die Statistiken eines erbeuteten Gegenstandes innerhalb der Raidgruppe ausgetauscht werden sollen: Der Finder gibt den korrekten Namen ein möglicherweise in einen längeren Kommentar eingebettet und Interessierte können ohne großen Aufwand die Werte einsehen. Nichtinteressierte werden dabei nicht mit überflüssigen Daten im begrenzten Chatfenster behelligt. 69

75 Auch wenn die obigen Beobachtungen sich auf WoW beziehen, so finden sich ganz ähnliche sprachliche Merkmale in fast allen populären MMOGs. Der größte Unterschied zwischen den Spielen liegt im konkreten Lexikon, da natürlich jeder Titel eigene Begriffe für seine Spielelemente hat. Aber das generelle Spielprinzip mit Austausch virtueller Waren, Charakterklassen mit komplementären Fähigkeiten und Gruppenquesten ist allen gemeinsam. Wie bereits gesagt gilt diese Form von chatbasierten Kooperationsaufrufen deshalb für viele ComputerspielerInnen als charakteristisches Merkmal von MMOGs. Aus sprachwissenschaftlicher Sicht ist dies jedoch mit Vorsicht zu genießen. Die Verwendung der beschriebenen Kurzformen und anderen auffälligen Wortschöpfungen bei Kooperationsaufrufen verdankt ihren Symbolcharakter am ehesten ihrer überdurchschnittlichen Sichtbarkeit: Sie findet aus naheliegenden praktischen Gründen in öffentlich sichtbaren Chat-Kanälen und in der öffentlichen virtuellen Umgebung statt und ist deshalb der Beobachtung leicht zugänglich, sofern man am rechten Ort ist. Manche SpielerInnen würden diese Art der Kommunikation gar als aufdränglich bezeichnen, ähnlich öffentlichen Werbeaufrufen, mit dem Unterschied, dass man den Chat-Aufrufen durch Wechsel des Kanals entgehen kann. Aus Sicht der SpielerInnen aber spielt diese Form der Sprachverwendung in der alltäglichen Spielpraxis nur eine untergeordnete Rolle. Sie ist dann relevant, wenn eine SpielerIn gerade eine Kooperation sucht oder anbietet, ansonsten werden die entsprechenden Chat-Kanäle nicht beachtet oder verlassen, und die Avatare bewegen sich einen Großteil der Zeit nicht an Orten, an denen Marktschreier das Sichtfeld füllen. Ein großer Anteil der chat-basierten Sprache in WoW (und anderen MMOGs) findet in nicht-öffentlichen oder zumindest in nicht standardmäßig sichtbaren Kanälen statt. Für eine repräsentative Untersuchung der Chat-Sprache in WoW reicht eine oberflächliche Betrachtung also keinesfalls aus. Hierfür müssten zum einen auch nichtöffentliche Kanäle einbezogen werden, zum anderen hat die Untersuchung von Beißwenger (vgl. Kap ) gezeigt, dass Chat an sich schon nach einem sehr aufwendigen Untersuchungsaufbau verlangt, wenn nicht wichtige Aspekte der Sprachhandlungskoordination unentdeckt bleiben sollen. Aus diesen Gründen hätte eine umfassende Betrachtung des Chat im Allgemeinen den Rahmen der vorliegenden Untersuchung gesprengt, deren Fokus auf dem Sprachgebrauch einer spezifischen Gilde und ihrem Sprachgebrauch beim Raiden liegt. Der Chat hat dabei eine wichtige, aber relativ klar begrenzte Rolle, und zwar die Koordination der Gruppenhandlungen in Tandem mit einem 70

76 VoIP-System. In welchen Grenzen die beiden Kommunikationssysteme genau eingesetzt werden und wie sie sich gegenseitig beeinflussen, wird in Kap näher beschrieben. Das folgende Kapitel widmet sich nun einem ganz anderen kommunikativen Rahmen: Den Gildennetzwerken, die sich erstens schwerpunktmäßig außerhalb der virtuellen Spielwelt angesiedelt sind und zweitens von asynchroner Kommunikation geprägt sind Das Postsystem WoW verfügt über ein spielinternes Postsystem, mit dem sowohl Textnachrichten als auch virtuelle Gegenstände versendet werden können. Während das Chatsystem nur den Austausch zwischen SpielerInnen erlaubt, deren Charaktere in der Spielwelt zeitlich kopräsent sind, ermöglicht das Postsystem eine zeitversetzte Rezeption. Um das Postsystem zu nutzen, muss innerhalb der Spielwelt ein Briefkasten aufgesucht werden. Briefkästen befinden sich gewöhnlich in der Nähe von Gasthäusern oder Banken, also an Orten mit hohem Publikumsverkehr. Ein Mausklick auf den Briefkasten öffnet ein neues Fenster. Abbildung 5: Einer der Briefkästen (rechts, mit Wimpeln) und das dazugehörige (hier leere) Posteingangs-Fenster des Interface (links oben) 71

77 SpielerInnen können über das Postsystem Textnachrichten versenden und nach Wunsch auch Geld oder virtuelle Gegenstände zu einer Sendung hinzufügen. Das Hinzufügen eines Gegenstandes verwandelt die Nachricht in die digitale Version eines Postpakets. Pakete werden im Gegensatz zu reinen Textnachrichten mit einer Verzögerung von einer Stunde übermittelt. Es ist auch möglich, Pakete per Nachnahme zu verschicken, Empfänger können die Nachricht dann nur gegen Bezahlung einer bestimmten Summe der Spielwährung an den/die SenderIn öffnen. Alle Arten von Post werden nur begrenzt im Posteingang aufbewahrt, normale Nachrichten und Pakete bleiben 30 Tage erhalten, Pakete per Nachnahme drei Tage. Nach Ablauf der Frist gehen nicht entgegengenommene Gegenstände zurück an den Absender. Für jede Art von Postsendung wird ein Porto fällig, das entweder vom Absender oder Empfänger bezahlt werden kann. Das Porto 30 Kupferstücke ist für Anfangscharaktere ziemlich teuer, auf hohen Stufen aber zu vernachlässigen. Damit soll u.a. verhindert werden, dass SpielerInnen sich zu Spielbeginn Vorteile verschaffen, indem sie die Ressourcen einer Gruppe selbsterstellter Charaktere sammeln. Das WoW-Postsystem funktioniert weitgehend wie ein -System. Von Instant- Messengern unterscheidet es sich vor allem dadurch, dass es meist nicht spontan eingesetzt werden kann SpielerInnen müssen immer erst einen Briefkasten aufsuchen, können also z.b. nicht während einer Queste in der Wildnis spontan einen Brief schreiben. Das Postsystem ist bewusst so strukturiert, dass es dem nichtelektronischen Briefverkehr ähnelt, inklusive der Verzögerung bei Paketsendungen, die aus technischer Sicht eigentlich nicht nötig wäre. Das Postsystem dient aber eben nicht nur dem kommunikativen Austausch zwischen SpielerInnen, sondern auch dem Übermitteln von Gegenständen zwischen verschiedenen Charakteren ein- und desselben Spielers/Spielerin. Durch Verzögerung und Porto soll hier ein Mißbrauch auf niedrigen Stufen verhindert werden. Nichtrepräsentative Befragungen von WoW-SpielerInnen deuten darauf hin, dass das Postsystem tatsächlich in erster Linie zum Verteilen von virtuellen Gegenständen verwendet wird. Zur sprachlichen Kommunikation werden stattdessen eher andere spielinterne Mittel wie der Chat benutzt, oder externe , Instant Messenger oder Foren. Der Autor konnte nicht einen SpielerIn finden, die das Postsystem nach eigenen Angaben in nennenswertem Maße zum Austausch von Texten nutzen. 72

78 Insgesamt spielt das spielinterne Postsystem im Zuge dieser Untersuchung nur eine untergeordnete Rolle. Zum einen wird es, wie zuvor beschrieben, nur begrenzt zum sprachlichen Austausch benutzt, zum anderen erschließt sich dieser sprachliche Austausch, wenn er denn stattfindet, kaum der offenen Beobachtung. Sowohl ethisch wegen ihrer privaten Natur als auch technisch wegen der regelmäßigen Löschung nach maximal 30 Tagen ist eine Korpuserstellung auf Basis dieser Nachrichten nicht ohne Weiteres machbar und wird innerhalb dieses Projekts nicht weiter verfolgt Der WoW-interne Voice-Chat WoW verfügt seit Ende 2007 auch über ein spielinternes Voice-Chat-System 12, welches mündliche Kommunikation per Mikrofon ermöglicht. An dieser Stelle soll eine kurze Übersicht darüber gegeben werden, wie sich der WoW-spezifische Voice-Chat in die übrigen Spielfunktionen eingliedert, vor allem verglichen mit dem schriftlichen Chat. Wichtig ist dabei die Feststellung, dass dieses System nicht von den ProbandInnen der vorliegenden Untersuchung verwendet wurde. Diese verwendeten ein separates VoIP-System. Der WoW-spezifische Voice-Chat lässt sich jederzeit über einen Klick auf eine Schaltfläche im unmodifizierten UI aktivieren. Einzige Voraussetzung für die Nutzung ist ein funktionierendes Mikrofon. Durch den Klick wird ein Fenster mit Bedienelementen zur Einstellung der Lautstärke u.ä. geöffnet. Abbildung 6: Abbildung und Erläuterung des VoIP-Fensters von WoW auf der offiziellen Seite des Herstellers 12 Der Autor verwendet hier den englischen Begriff Voice- anstatt des deutschen Sprach-, da Voice- die phonische Realisierung deutlicher betont. 73

79 Genau wie beim Text-Chat hat der Benutzer im Voice-Chat die Wahl verschiedener Kanäle. Allerdings werden hier bei Betreten einer Zone keine Kanäle automatisch aufgerufen, SpielerInnen müssen ihren Kanal immer aktiv wählen. Welche Kanäle zur Verfügung stehen, ist von der Spielsituation abhängig. Die Kanäle Gruppe, Schlachtzug (deutsch für Raid) oder Schlachtfeld sind beispielsweise nur wählbar, wenn der Nutzer sich in einer Gruppe, einem Raid oder auf einem Schlachtfeld befindet. Der Kanal Handel ist nur in Städten zugänglich. Des Weiteren können auch im Voice-Chat benutzerdefinierte Kanäle eröffnet werden, indem auf eine Hinzufügen -Schaltfläche geklickt wird und ein noch nicht vergebener Kanalname eingegeben wird. Gruppen-, Raid- und selbsterstellte Kanäle können von den jeweiligen Leitern moderiert werden. D.h. diese können andere SpielerInnen beispielsweise in den Kanal einladen, Passwortzugänge festlegen oder TeilnehmerInnen stummschalten. Wenn SpielerInnen Voice-Chat verwenden wollen, sind sie aber keineswegs auf die spielinterne Funktion angewiesen. Eine Reihe von unabhängigen VoIP-Programmen wie Teamspeak (Teamspeak (2013)), RogerWilco (Gamespy Industries (2004)) oder Skype (Microsoft (2013)) bieten eine vergleichbare Funktionalität an. Diese Programme waren bereits in Verwendung, bevor der spielinterne Voice-Chat für WoW überhaupt implementieret wurden. Bei diesen externen Programmen startet ein Nutzer den VoIP-Client parallel zum WoW-Hauptprogramm. Beide Programme laufen dann unabhängig voneinander, d.h. ein laufendes Gespräch kann auch dann weitergeführt werden, wenn das Spiel beendet wurde oder abgestürzt ist. Die Verwendung externer VoIP-Programme hat Vor- und Nachteile. Nachteilig ist zunächst einmal, dass alle Teilnehmer das gleiche Programm verwenden müssen. Bei spontan gebildeten Gruppen ohne lange Vorbereitung ist dies oft nicht der Fall, wohingegen alle TeilnehmerInnen immer über den spielinternen Voice-Chat verfügen. Von Vorteil sind die externen Programme insofern, dass sie zum einen oft zusätzliche Funktionen bieten, die vom WoW-Voice-Chat nicht geboten werden, wie zusätzliche Kanäle und Moderatorfunktionen, bessere Übertragungsqualität etc. Zum anderen sind externe VoIP- Programme unabhängig von WoW auch in anderen Online-Spielen nutzbar. Viele Gilden richten sich eigene VoIP-Server ein, die von allen TeilnehmerInnnen genutzt werden können, egal ob diese gerade WoW spielen oder nicht. Da VoIP-Systeme i.d.r. eine Übersicht über die gerade zugeschalteten Mitglieder anzeigen, können diese auch als kommunikativer 74

80 Gruppenraum ähnlich einem Internetforum dienen, mit dem Unterschied, dass über VoIP keine asynchrone Kommunikation möglich ist Kommunikationsnetzwerk Gilde Praktisch alle aktiven Gilden haben einen Webauftritt, der als Organisations- und Kommunikationszentrum außerhalb der Spielwelt dient. Diese Webseiten und die unter ihrem Banner organisierten Kommunikationsnetze sind es, die hier als Gildennetzwerke bezeichnet werden. Eine Gilden-Webseite erfüllt typischerweise eine Reihe von Funktionen: Zunächst einmal dient sie in der Regel als Plattform für ein Web-Forum für Gildenmitglieder. Dank des Forums können Mitglieder untereinander kommunizieren, ohne sich in das Spiel einzuloggen. Das soziale Gildenleben wird somit ein Stück weit unabhängig von der Spielwelt, die nur über den Start des Spielprogramms betreten werden kann. Für Gildenmitglieder erweitert sich so das Spektrum an Lebenssituationen, aus denen heraus sie an der Gilde teilhaben können, denn ein Internetzugang ist leichter zu finden als ein Computer, auf dem WoW in geeigneter Konfiguration installiert ist, ganz zu schweigen von davon, dass für das Hinterlassen einer Nachricht im Forum im Normalfall nur ein kleines Zeitfenster nötig ist. Eine weitere wichtige Funktion der Gilden-Homepage ist die Sammlung und das Präsentieren von Neuigkeiten und Zurschaustellen von Errungenschaften, die im gemeinsamen Spiel gewonnen werden. So ist es üblich, das Bezwingen wichtiger Gegner oder ähnlicher Herausforderungen auf der Gilden-Webseite zu verkünden. 75

81 Abbildung 7: Verkündung eines Spielerfolgs auf der Gilden-Homepage Abb. 7 zeigt beispielhaft die Verkündung des Sieges über einen Boss-Gegner auf der Homepage der Gilde Vault of Sages (VoS). Der Text weist auf die Schwierigkeiten hin, die der Boss-Gegner der Gilde bereitet hatte, und schließt mit aufmunterndem Lob für die Errungenschaft. Zudem ist der Beitrag mit einem Gruppenfoto illustriert, welches die an dem betroffenen Raid beteiligten Charaktere in triumphaler Pose vor der Leiche des besiegten Gegners zeigt. An gleicher Stelle werden auch regelmäßig andere spielrelevante Neuigkeiten veröffentlicht, wie z.b. Errungenschaften anderer bekannter Gilden oder wichtige Updates und Erweiterungen. Die Homepage einer Gilde kann also ähnlich einem Vereinsheim auch dazu dienen, den Zusammenhalt und die Identität der Gruppe zu stärken. In Gilden, die die Durchführung von Raids zum Ziel haben, fungiert die Gilden-Homepage auch als wichtiges Werkzeug für die terminliche Organisation. Raids können bis zu 40 TeilnehmerInnen haben, wobei die meisten SpielerInnen mehrere Charaktere zur Auswahl haben. Die optimale Kombination dieser Charaktere variiert von Raid zu Raid und ist für den Spielerfolg von großer Wichtigkeit. Da ein Raid zudem drei Stunden und länger dauern kann, ist die Koordination der Terminpläne der Gildenmitglieder keine triviale Aufgabe. Aus diesem Grund verwenden viele Gilden spezielle Programme zur Raid-Planung, die in die Webseite integriert werden können. Diese Programme verwalten und visualisieren, welche SpielerInnen für den nächsten Raid ihre Teilnahme zugesagt haben, wer als Reserve bereitsteht und welche taktischen Positionen abgedeckt sind. Diese Planungen können zwar 76

82 auch per Forum abgewickelt werden, ein dezidiertes Programm erleichtert die Aufgabe aber ungemein, insbesondere bei großen Gruppen Diskussionen über die optimale Software- Lösung für die Gruppenplanung sind innerhalb der SpielerInnenschaft mitunter ebenso selbstverständlich wie über die optimale Ausrüstung eines Charakters. Das Forum stellt in der Regel den kommunikativen Mittelpunkt der Gilde dar, weil die Mitglieder es aus den unterschiedlichsten Lebenslagen heraus ohne viel Aufwand erreichen können und die asynchrone Kommunikation auch zeitliche Flexibilität mit sich bringt, so dass Mitglieder aus unterschiedlichen Lebenslagen sich an Gesprächen beteiligen können. Die genaue Gestalt und der Funktionsumfang eines Forums können sehr vielfältig sein, da das Internet eine Vielzahl an möglichen Software-Lösungen bereithält. Die grundsätzlichen Rahmenbedingungen sind aber allgemein die folgenden: NutzerInnen können Beiträge (sog. Posts oder Postings) unter einem bestimmten Thema oder Topic (engl. für Gesprächsthema/Oberbegriff ) veröffentlichen, oder Antworten auf bereits bestehende Beiträge geben. Eine Kette aus einem Start-Post und den darauf bezogenen Reaktions-Posts wird als Thread (engl. für Faden ) bezeichnet. Die Threads werden auf der Startseite des Forums anhand der Topics aufgeführt, die im Start-Beitrag angegeben wurden. Foren sind i.d.r. in mehrere Unterbereiche mit unterschiedlichen Themen eingeteilt. Zur Etiquette in Web-Foren gehört es, neue Posts möglichst in einem thematisch passenden Bereich zu veröffentlichen und mit einem aussagekräftigen Topic zu versehen. Bei Zuwiderhandlungen werden Threads üblicherweise von einem Administrator in einen passenden Bereich verschoben, zusammen mit einem mehr oder weniger strengen Hinweis an den/die AutorIn, wobei dies natürlich stark vom Organisationsgrad des betroffenen Forums und der Strenge der Betreiber abhängt. Alle gängigen Foren-Varianten bieten den VerfasserInnen von Beiträgen eine Reihe von einfachen Textggestaltungsoptionen, die z.b. das bequeme Zitieren von vorhergehenden Beiträgen, die Veränderung von Schriftarten und -größen, das Einfügen von Emoticons etc. ermöglichen. Auch das Einbinden von Fotos und Videos ist in den meisten Foren möglich. Innerhalb eines Threads sind die Beiträge chronologisch angeordnet: der älteste Beitrag also jener, der das Thema eröffnet hat an oberster Stelle und jüngere Beiträge darunter. Da an einem Thread eine Vielzahl von AutorInnen beteiligt sein kann, entwickeln sich häufig mehrere Gesprächsstränge unter einem einzigen Topic, und ähnlich wie im Chat kann die 77

83 Abfolge von Beiträgen, die zum selben Gesprächsstrang gehören auch durch Strang-fremde Posts unterbrochen werden. Die textlinguistische Kohärenz zwischen Beiträgen, die sich direkt aufeinander beziehen, kann mit Hilfe der Zitatfunktion oder der namentlichen Nennung der AutorIn des referierten Beitrags hergestellt werden macht eine AutorIn davon nicht Gebrauch, ist die Interpretationskraft der LeserInnen gefragt. In einigen Typen von Foren wird die Darstellung der Zusammenhänge innerhalb eines Threads auch durch zusätzliche grafische Hilfsmittel wie z.b. eine separate Visualisierung als Baumdiagramm unterstützt. Thematisch verbundene Beiträge werden dann jeweils einem eigenen Ast zugeordnet. Eine solche komplexe Darstellungsform ist aber eher die Ausnahme, die meisten Foren beschränken sich auf eine lineare chronologische Darstellung. Viele Internetforen verlangen von regelmäßigen BenutzerInnen, dass sie sich ein Nutzerprofil anlegen, bevor sie Beiträge erstellen können. Solche Profile können mehr oder weniger ausführlich sein, sie enthalten meist irgendeine Form von Kontaktdaten (z.b. oder Instant-Messenger) und erlauben auch Einträge für Hobbys, Nationalität und andere persönliche Daten. Gildenforen haben diese Funktionalität ebenfalls, Gildenmitglieder fügen zu ihrem Profil häufig Informationen zu den verschiedenen gespielten Charakteren hinzu. Diese Informationen können auch bei jedem Beitrag als Signatur angehängt werden. Nachfolgend wird das Forum der Gilde Vault of Sages 13 (VoS) als Standard-Beispiel für den Aufbau eines Gildenforums verwendet. Andere Gilden können in ihrern Strukturen und denen ihrer Foren zwar davon abweichen, aber VoS kann durchaus als typisches Beispiel einer nicht-professionellen WoW-Gilde herhalten. Das VoS-Forum ist in folgende Bereiche und Unterbereiche gegliedert (vgl. Shimmergloom (2013); die Informationen in Klammern sind im Forum als erklärender Text an die Titel angehängt; eingerückte Titel sind Unterthemen der darüberliegenden Bereiche): 13 Gilden-Homepage zu finden unter ( ) 78

84 The Vault of Sages Öffentlicher Bereich The Vault of the Sages (hier bitte bei Fragen, Anregungen und Problem zu Webseite oder Forum melden) Schankraum (ihr wollt uns eine Nachricht hinterlassen oder einfach nur grüßen? Bitte hier :) ) Bewerbungen und Diplomatisches (ihr sucht Anschluss bei uns oder eure Gilde hat ein diplomatisches Anliegen? Hier seid ihr richtig!) The Vault of Sages Gildeninterner Bereich Gildeninternes (hier unser kleiner privater Bereich) The Vault of Sages Nicht öffentlicher Bereich World of Warcraft Allgemeines (für die, die süchtig sind) Instanzen und Termine (hier findet ihr Informationen über Instanzen und könnt Termine einplanen, untergeordnete Boards: Statistiken) Raid-Taktiken (Raid-Taktiken und Taktik-Diskussionen) PvP BGs und Arenen (Open PvP, BGs, Arenen und Teams) Warhammer: Age of Reckoning (in naher Zukunft wird ein großer Teil der Gilde zumindest mal einen Blick reinwerfen hier könnt ihr über WAR diskutieren) Vault of Sages Bibliothek Klassenforen Marktplatz (Handels- und Berufsforen) Tips und Tricks (was ihr immer schon mal wissen wolltet :) ) Technisches (Patches, AddOns und UI-Mods) Portalforen WoW News (Neuigkeiten rund um World of Warcraft und Vault of Sages) Allgemeine News (Alles was vielleicht nicht WoW aber dennoch interessant ist :) ) Der öffentliche Bereich ist auch BesucherInnen ohne Registrierung zugänglich. Die thematische Ausrichtung der Bereiche ist typisch für Gildenforen. Zusammengefasst lassen sich drei Hauptthemen ausmachen: die Verwaltung von Gildenangelegenheiten (Bewerbungen, Raid-Termine u.ä.), der Austausch von Informationen und Tipps über das Spielsystem (Optimierung von Charakterfähigkeiten, Raidtaktiken u.ä.), nicht WoW-bezogene und offene Themen (andere Spiele, allgemeine Neuigkeiten etc.). Wie sehr die jeweiligen Bereiche ausgeprägt sind, schwankt je nach Selbstverständnis der betroffenen Gilde. Eine eine stark leistungsorientierte Gilde wird wahrscheinlich eine größere Anzahl an Kategorien für Spieltaktiken einrichten als eine Gilde, die sich schlicht als lockerer Verband geselliger SpielerInnen versteht. 79

85 Die Webseite mit Forum stellt für Gilden wie VoS den kommunikativen und organisatorischen Mittelpunkt dar. Die TeilnehmerInnen können zum Forum beitragen, wann immer sich kleine Zeitfenster öffnen, anders als bei vielen der Aktivitäten in der virtuellen Spielwelt, die oft nach längeren Sitzungen bis zu mehreren Stunden verlangen, um den Charakter voranzubringen. Die Tatsache, dass die in einem Forum produzierten Threads im Gegensatz zu Gesprächen von Angesicht zu Angesicht oder (unprotokollierten) Chat- Gesprächen nicht flüchtig sind, hat für die Gilde auch noch einen weiteren Vorteil, denn die langfristig gespeicherten Beiträge können auch zu späteren Zeitpunkten als Ressource wieder aufgegriffen werden. Mittels Taktik-Diskussionen im Forum kann über einen längeren Zeitraum kumulativ Wissen gesammelt werden und bei der späteren Durchführung des Raids als Hilfe zur Hand genommen werden. Die Ereignisse und Erfahrungen während eines Raids können im Anschluss wiederum diesen Thread erweitern, bis irgendwann eine erfolgreiche Taktik gefunden ist und der Thread nicht mehr benötigt wird. Wie explizit diese Form von Feedback-Schleife genutzt wird, schwankt zwar von Gilde zu Gilde, aber grundsätzlich findet sich diese kommunikative Praxis in vielen Gilden wieder, weil sie das Resultat der Kombination aus vorhandenen Kommunikations-Modi und zyklischem Spielprinzip ist. Dieses zyklische Spielprinzip spielt auch bei der synchronen Kommunikation während Raids eine Rolle, wie in Kapitel beschrieben wird. Im folgenden Kapitel werden spezifische sprachlichwissenschaftlich relevante Besonderheiten der Gildenforen beschrieben, da sie aufgrund ihrer vorbereitenden und begleitenden Verwendung auch den Sprachgebrauch per Chat und VoIP bei der Durchführung von Raids beeinflussen Sprachliche Merkmale von Gildenforen Von besonderem Interesse bei der Betrachtung der sprachlichen Besonderheiten in Gilden- Foren sind für die vorliegende Dissertation die Berührungspunkte und Überschneidungen mit Online-Guides sowie Raidgruppen, da diese Schauplätzer eine große Rolle im typischen Spielverhalten darstellen und sich durch ihre jeweiligen kommunikativen Rahmenbedingungen gegenseitig beeinflussen. 80

86 Den Mittelpunkt der folgenden Betrachtung und Quelle für Beispiele bildet der Forums- Bereich Raid-Taktiken der VoS-Gilde. Dort werden Pläne für bevorstehende und wiederkehrende Raids erarbeitet und auch Quellen gesammelt und verlinkt, die die selbstständige Recherche von Taktiken jenseits des Forums erlauben, wie der folgende Auszug aus einem Thread zeigt: Shimmergloom: Exzellente englische Raidguides von Tankspot.com TankSpot.com, eine der führenden WoW-Seiten für, naja - Tanks halt, hat vor kurzem ein gutes raidguide-projekt ins Leben gerufen welches vor allem durch die qualitativ hochwertigen Videos besticht. Für mich eine sehr große Hilfe: Alystil: Sehr gut. Hier schon mal eine Anmerkung für Skadi (UP 3. Boss): On the gauntlet boss during whirlwind, if he heads to a different party member (all of which should be moving) you can taunt him back to you temporarily before he heads back to his original "whirlwind target" allowing them plenty of time to escape. If his target is you, you can just disarm him. Saves on all the running you have to do. [ ] Shimmergloom: Et gibt zur Zeit keine besseren Guides als die von Ciderhelm und seiner Crew! Shimmergloom (2010b) Das Beispiel zeigt zwei Möglichkeiten, wie externe Quellen im Forum integriert werden können: durch Hyperlink mit optionaler Paraphrase des Inhalts (erster Beitrag von Nutzer Shimmergloom) oder durch Zitieren relevanter Textauszüge (Beitrag von Nutzer Alystil). Dank Hyperlinks liegt zwischen der Angabe einer Quelle und dem Öffnen selbiger, um ein Zitat zu extrahieren, nur ein Unterschied von einem oder wenigen Mausklicks, im Gegensatz beispielsweise zum Papierformat, bei dem der Zugriff auf eine zusätzliche Textquelle i.d.r. mindestens mehrere Handgriffe verlangt, ganz zu schweigen davon, dass die betroffene Quelle oft erstmal besorgt werden muss. Das digitale Format von Hypertexten macht es hingegen leicht, relevante Elemente aus ihnen direkt zu zitieren: Im obigen Beispiel hat 81

87 Alystil einen Absatz aus dem thematisierten Internet-Guide in den Forums-Beitrag kopiert, da dieser sich direkt mit einem Gegner befasst, dem die Gilde in einem kommenden Raid gegenüberstehen wird. Bei der Planung von Raids hat das Forum also u.a. die wichtige Funktion, bestehende Texte in Gestalt von Guides zusammenzutragen, gegebenenfalls Teile davon hervorzuheben und in einen kommunikativen Kontext einzubringen, in dem die Inhalte von mehreren RezipientInnen rezipiert und diskutiert werden können, auf dass schließlich die gewonnenen Kenntnisse in Echtzeit koordiniert eingesetzt werden können: Am Anfang steht asynchrone Kommunikation via Internet-Guides, am Ende die synchrone Kommunikation ihrer Inhalte während eines Raids und das Forum als Katalysator und Filter dazwischen. Wie zuvor bei der Chat-Kommunikation (vgl. Kap ) hilft auch für die Darstellung der Kommunikation in Gilden-Foren eine Einordnung auf dem Kontinuum zwischen mündlicher und schriftlicher Konzeption nach dem Modell von Koch/Oesterreicher. Im Fall der Chat- Kommunikation ist eine vergleichsweise eindeutige Positionierung möglich: Die Chat- Sprache ist nahe dem konzeptionell mündlichen Pol zu verorten, denn Chat wird von den TeilnehmerInnen trotz der medialen Schriftlichkeit als Gespräch konzipiert und erlebt. Bestätigt wird dies durch typisch mündliche Merkmale wie z.b. Interjektionen und einfacher Satzbau, die bereits bei oberflächlicher Betrachtung auffallen und in einem typischen Chat- Diskurs dicht gestreut sind. Bei Foren ist eine so eindeutige Einordnung anhand offensichtlicher Merkmale nicht so einfach möglich. Zwar lassen sich auch hier streckenweise ähnliche nähesprachliche Merkmale wie im Chat beobachten, an anderen Stellen hingegen dominieren eher distanzsprachliche Merkmale wie elaborierter Satzbau und gehobene Wortwahl. Von der technischen Seite her bieten Foren viele Möglichkeiten für die Gestaltung medial schriftlicher Sprache. Typische Textverarbeitungsoptionen für Schriftart, -farbe und -größe etc. stehen zur Verfügung für elaborierte distanzsprachliche Texte, die für situationsentbundene Rezeption geeignet sind. Situationsentbunden insofern, dass um den Inhalt zu verstehen die RezipientenInnen nicht in der gleichen Situation sein müssen der/die ProduzentIn im Moment der Erstellung. In dieser Hinsicht ist die Kommunikation asychron, im Gegensatz zum Chat, wo alle Beiträge flüchtig sind und innerhalb relativ kurzer Zeit vom Bildschirm verschwinden. Das Vorhandensein der Textverarbeitungsoptionen im Forum 82

88 bedeutet aber nicht, dass diese für jedes Produkt genutzt werden müssen. NutzerInnen eines Forums können Beiträge auch ohne nennenswerte Planungszeit absetzen. Viele Foren (z.b. auch jenes von VoS) bieten sogar ein spezielles Texteingabefeld für Schnellantworten an, welches besonders leicht zugänglich ist und zwecks einfacher Bedienung keine speziellen Optionen für die Textproduktion bietet. Insofern gleicht es einem Texteingabefenster, wie es auch im Chat verwendet wird. Sind mehrere Teilnehmer an einem Forum zufällig zeitlich kopräsent, kann sich durchaus ein quasi-synchrones Gespräch entwickeln, wenn diese in rascher Folge aufeinander reagierende Beiträge verfassen. Die Namen anderer potenzieller KommunikantInnen, die das Forum gerade in diesm Moment verwenden, wird in den meisten Systemen angezeigt weniger auffällig als in einem Chat-Kanal, aber grundsätzlich vergleichbar. Zudem zeigt eine Zeit- und Datumsanzeige an jedem Beitrag, ob dieser einen Augenblick zuvor oder vor längerer Zeit verfasst wurde. Für die TeilnehmerInnen an einem Thread ist es also ein Leichtes festzustellen, ob potenzielle GesprächspartnerInnen vorhanden sind. Sowohl intentional als auch durch Zufall kann ein quasi-synchroner dialogischer Austausch in einem Forum stattfinden. Foren ermöglichen also grundsätzlich sowohl elaborierte Textproduktion als auch Chatartige Gespräche mit zeitlich kopräsenten TeilnehmerInnen. Bei der Planung und Besprechung von Raid-Taktiken und auch sonstigen Spiel-Taktiken wird diese Variabilität ausgiebig genutzt: Ein Taktik-Thread beginnt typischerweise mit einem Beitrag, der das Thema durch den Thread-Titel beschreibt und im Textkörper die zugrundeliegende taktische Situation erläutert, z.b. um welchen Boss-Kampf es sich handelt und welche Gefahren dieser Boss birgt. Alternativ oder zusätzlich kann mittels eines Hyperlinks auf einen entsprechenden externen Text verwiesen werden. Die LeserInnen können auf den Ausgangs-Post ihrerseits mit Nachfragen, Ergänzungen u.ä. reagieren und mit ihren Beiträgen einen Taktik-Thread variabler Länge schaffen. Oft ist es so, dass der Autor des Ursprungsbeitrags diesen zu einem späteren Zeitpunkt nachbearbeitet und nützliche Informationen aus den Reaktions-Posts in den Anfangs-Post integriert. Auf diese Weise enthält der oberste Post in einem solchen Taktik-Thread immer die aktuellen Informationen und InteressentInnen müssen nicht den ganzen Thread vom ersten bis zum letzten Beitrag durcharbeiten, um auf dem neuesten Stand zu sein. Das bedeutet, dass, auch wenn der Thread ursprünglich durch einen zeitlich 83

89 mehr oder weniger gedehnten Dialog entsteht, dieser Dialog im Ganzen nicht zwangsläufig als abschließendes Produkt zur Rezeption gedacht ist. In diesem Fall entsteht ein Textformat, welches sich vom normalen Internet-Forums-Thread unterscheidet normalerweise muss ein solcher vom Beginn bis zum letzten Post rezipiert werden, um den Gesamtsinn nachvollziehen zu können. Der praktische Nutzen der Reintegration von nachfolgenden Beiträgen in den Anfangs-Post liegt offensichtlich in der effizienteren Informationsvermittlung: Das Lesen eines einzigen zusammengefassten Textes ist einfacher als das eines über viele Beiträge verteilten Dialogs, aus dem die Informationen zusammengesucht werden müssen, zumal der Thread in seiner Gesamtheit weiterhin zur Rezeption zur Verfügung steht. Auf die oben beschriebene Art und Weise verwendet, funktioniert ein Forum als ein Werkzeug für kollaborative Texterstellung, bei dem alle Beteiligten zur Modifikation des Ausgangs-Posts beitragen können. Insofern ist der Textproduktionsprozess mit dem in einem Wiki-System wie Wikipedia 14 zu vergleichen. Auch dort steht ein spezifischer Text im Fokus, der nach seiner ersten Erstellung kontinuierlich verändert werden kann. Ein wichtiger Unterschied ist, dass in Wikis der Artikel als Endprodukt auf einer eigenen Webseite eindeutig im Vordergrund steht und die optionale Diskussion zwischen den an der Produktion beteiligten Personen auf einer getrennten Sub-Seite stattfindet, die vom Haupttext aus unsichtbar bleibt. 15 Ein Forum bietet der jeweiligen NutzerInnengemeinschaft also die Möglichkeit, bei der Konzeption von Texten ein breites Spektrum zwischen schriftlicher und mündlicher Konzeption zu wählen, ganz wie es für die gerade herrschenden Rahmenbedingungen optimal ist. Daher fluktieren auch innerhalb von Threads häufig von Post zu Post (bzw. von Post-Sequenz zu Post-Sequenz) die sprachlichen Merkmale zwischen zwischen mündlicher und schriftlicher Konzeption. Im folgenden Beispiel lässt sich ein solch breites Spektrum an Merkmalen beobachten. Inhaltlich geht es um die Taktik zur Bekämpfung des Boss-Gegners Mimiron, zum Zeitpunkt der Produktion des Beispiels bereits mindestens ein Anlauf gescheitert ist: 14 Zu finden unter 15 Vgl. ; die Diskussions-Seite ist über den Link Diskussion am oberen linken Rand zu erreichen. 84

90 Shimmergloom: Mimiron Ein harter Brocken - mal ein bischen die Gedanken sortieren. 1.: Phase 1 haben wir recht gut im Griff - der Rest da ist nur perfektionieren... rauslaufen ohne 'ne Mine zu treffen usw. 2.: Phase 2 ist hyperkniffelig. Entscheidend ist hier volle Konzentration, auch hier geht es zu einem großen Teil darum vermeidbaren Schaden auch wirklich zu vermeiden. Den normalen draufballerschaden muss man halt durchheilen, durch unsere Aufteilung in 2 Camps + Nachkämpfer läuft das mmn schon sehr gut. Bleibt also noch der vermeidbare Schaden: Raketen und Lasersalve. Bei den Raketen hat man ca. 3 Sekunden um 2 Schritte auf die Seite zu tun... sobald angesagt wird das eine startet also dringend gucken was bei einem unter den Füßen los ist... es sind nur 3m die man auf Seite muss, also gogo. Lief hinterher auch immer besser. Der Salve kann man leichter entgehen wenn man dichter am Boss steht. Lief am Ende auch gut. 3.: Phase 3 muss man unbedingt mit vollen 10 Mann erreichen... ich denke wären wir noch etwas frischer gewesen und hätten noch ein bischen Zeit gehabt hätte das auch geklappt. Alle DDs brauchen zwingend ein /target Bomb Bot-Makro, am besten direkt gepaart mit nem heftigen draufballerzauber. Todesritter bpsw. sollten dies Makro direkt mit Ketten aus Eis paaren. Klappte gut, die so festzuhalten. Die MÜSSEN instant liegen, damit wir Zeit behalten auf die Adds zu gehen. Wer immer den magnetkern looted muss früher Bescheid sagen das er ihn benutzen wird damit die Nahkämpfer an den Boss können. Die Phase erscheint absolut machbar. Phase 4 haben wir noch nicht gesehen, das kommt dann kommende ID 85

91 Legotex: Phase 1 brauch man ne kleine einteilung das 2 Heiler immer aufm Tank bleiben wenn der Plasma dinges kommt und der 3 heiler achtet dann auf die Brandbombe und auf den MT. Also Phase 2 ist echt sehr heil intensiv. da kann es echt mal passieren das man die doofe rakete übersieht, wenn man für nen augenblick auf die Gruppe achtet. Phase 3 wenn alle 3 Heiler leben, fand ich jetzt nicht so schwer zu heilen. außer wenn halt nen Bomb Bot durchkommt, macht das "aua" Alystil: Phase 1: Bomben machen verzögert Schaden. Phase 2: Raketen fliegen ab jetzt länger. Phase 3: Ich hatte ein Makro, dass auf den Boss zaubert, außer ein Boom Bot ist aktiv, dann wird auf den gezaubert. Ines: Zitat von: Legotex am 03. Juni 2009, 12:40:03 Phase 1 brauch man ne kleine einteilung das 2 Heiler immer aufm Tank bleiben wenn der Plasma dinges kommt und der 3 heiler achtet dann auf die Brandbombe und auf den MT. das geht aber nur, wenn man nin druiden dabei hat, der die hots vorher auf den tank geschmissen hat. ansonsten ist es mit nur zwei heilern aufm tank echt glücksspiel. - finde ich. Legotex: joa, da haste recht. Shimmergloom (2009a) Da Shimmergloom in seinem Beitrag auf einen kurz zuvor durchgeführten Raid Bezug nimmt, kann er davon ausgehen, dass die RezipientInnen über Vorwissen verfügen. Der Eingangs- Post hat eine hohe Dichte an Informationen und knüpft diese gleichzeitig an das Vorwissen 86

92 an. Deiktische Äußerungen wie rauslaufen ohne `ne Mine zu treffen sind an dieser Stelle nur für jene LeserInnen verwertbar, die ein kompatibles mentales Bild des virtuellen Raums haben, in dem der Kampf stattfindet. Neben der hohen Informationsdichte fällt als konzeptionell schriftlich der komplexe Satzbau mit hypotaktischen Konstruktionen auf. Shimmergloom bemüht sich zwar anscheinend bewusst um einen lockeren, weniger distanzierten Stil, z.b. durch das Verwenden elliptischer Satzkonstruktionen: (1) Ein harter Brocken - mal ein bischen die Gedanken sortieren. (2) Phase 1 haben wir recht gut im Griff - der Rest da ist nur perfektionieren... rauslaufen ohne 'ne Mine zu treffen usw. (3) Lief hinterher auch immer besser. (4) Lief am Ende auch gut. Auffällig an diesen Belegen ist aber die sorgfältige Einhaltung orthografischer Kovnentionen, z.b. der Einsatz von Gedankenstrichen und die mit Apostroph versehe Elision `ne Mine. Es scheint sich hier um bewusst gewählte Stilmittel zu handeln, also eher indikativ für Planung und somit schriftliche Konzeption. Hinzu kommt, dass Shimmerglooms Post auf der textuellen Ebene auch komplex formatiert ist: Der Post ist in drei nummerierte Absätze aufgeteilt, parallel zum dreiteiligen Boss-Kampf. Die Komplexe Gliederung kann ebenfalls als deutliches Zeichen für schriftliche Konzeption gewertet werden, weil sie für Vorausplanung bei der Wahl des Textrformats spricht anstatt für spontane Formulierung von Gedanken. Der reagierende Beitrag von Legotex ist im Vergleich wesentlich stärker geprägt durch nähesprachliche Merkmale, z.b. Elisionen: (5) brauch man ne kleine einteilung; (6) für nen augenblick; (7) nen Bomb Bot; und eine Verschmelzung: (8) immer aufm Tank bleiben. Diese sind orthografisch auch nicht speziell gekennzeichnet wie in Shimmerglooms Post. Die Syntax weicht teilweise stark vom schriftsprachlich Üblichen ab und weist eine eher mündlich konzipierte Struktur auf: 87

93 (9) Phase 3 wenn alle 3 Heiler leben, fand ich jetzt nicht so schwer zu heilen. außer wenn halt nen Bomb Bot durchkommt, macht das "aua" Die Absätze und Dreiteilung als kohärenzstiftende Mittel auf Textebene werden zwar übernommen, trotzdem ist Legotex Beitrag insgesamt deutlich näher am Pol mündlicher Konzeption einzuordnen. Alystils Post wiederum ist völlig auf Informationsvermittlung reduziert. Trotz der Kürze des Beitrags ist dieser in drei Absätzen parallel zu den drei Kampfphasen formatiert und so klar gegliedert. Die Syntax ist zumindest im letzten Absatz elaboriert. Eine Einordnung nahe dem medial schriftlichen Pol ist angemessen. Die letzten beiden Beiträge von Ines und Legotex können gemeinsam betrachtet werden. Ines verwendet die Zitat-Funktion des Forums, um auf ein Element von Legotex vorherigem Post Bezug zu nehmen und gibt ihrem Text somit einen dialogischen Charakter. Auch Ines Aussage enthält eine Elision und eine Verschmelzung mit nin druiden und aufm tank. Der an den bereits vollendeten Beitrag angehängte Nachsatz -finde ich, mit dem der Konfrontationscharakter der Diskussion etwas abgeschwächt wird, ist ebenfalls ein konzeptionell mündliches Merkmal, da er aus dem vorhergehenden Satzgefüge ausbricht und eine bereits germachte Aussage nachträglich modifizert. Legotex Antwort joa, da haste recht. setzt den mündlichen Charakter weiter fort in Form der einleitenden Partikel und der Verschmelzung haste. Der letzte Beitrag vermittelt keinerlei taktikrelevante Informationen. Die einzige Funktion ist die Signalisierung von Zustimmung statt Widerspruch zu Ines Beitrag, mit diesem Schwerpunkt ist die Aussage ebenfalls dem konzeptionell mündlichen Pol nahe. Im folgenden Auszug dreht sich die Diskussion der SpielerInnen um die korrekte Taktik, um eine spezielle spielinterne Auszeichung, ein sog. Achievement zu erreichen. Das Achievement heißt Spore Loser und wird vom Spiel verliehen, wenn gewisse Bedingungen im Kampf gegen den Boss-Gegner Loatheb eingehalten werden: 88

94 Alystil: Loatheb - Spore Loser Taktik wie immer, nur keine Spore darf getötet werden, d. h. keine Fähigkeiten/Zauber, die mehr als 1 Ziel (Loatheb) treffen können, oder passiv Schaden machen. Dazu steht ein Heiler außerhalb des Zergs, der auf lange Sicht Heilaggro der Sporen zieht. Alle anderen am Boss. Nicht anwenden (vieles offensichtlich, einiges vielleicht nicht sofort, gerne ergänzen): DK: Pestilence und anderer AoE, Wandering Plague, Army of the Dead Heart Strike Mages: Molten armor, Mirror image AoE (AEx, Eisregen) Living Bomb Druids: Thorns, Swipe Glyphe Maul Warriors: Kein Schild tragen (also nicht MT machen, oder mit 2H-Waffe tanken) Glyphe Rüstungszerreißen Aoe (Wirbelwind, Spalten, Donnerknall) Warlock: Imp's Fire Shield AoE (RoF, Hellfire, Seeeed) Hunter: 89

95 Pet AE ausschalten (thunderstomp, swipe, flame breath or whatever) AoE (Multischuss) Traps Paladins: Retribution aura, divine storm, Fußbodenheizung Hammer of the Righteous Shamans: Chain Lightning, Searing totem, Lightning shield Priest: Aufpassen mit Shadowfiend Reflective Shield Rogues: Blade Flurry, Fan of Knives, Killing Spree «Letzte Änderung: 03. September 2009, 12:39:25 von Alystil» Rembrand: Wie viel HP haben dien die spooren? weis das jemand? Beim Warri fehlt Wirbelwind / Spaltenten / Donnerknall Hrathgar: Für mich kein Problem, benutze ich alles nicht Alystil (2009) Hier erläutert Teilnehmer Alystil, welche Teilziele zu erreichen sind, um die Auszeichnung zu erhalten. Alystils Beitrag ist der reinen Informationsvermittlung gewidmet. Der Satzbau ist auf jene Elemente reduziert, die für die Darstellung der taktischen Umstände unverzichtbar sind und ein Großteil des Posts ist in Stichpunkten gehalten. Angesichts der Informationsdichte würde eine Ausformulierung des gesamten Inhalts einen vergleichsweise langen Text ergeben. Damit wäre die Schwelle zur Rezeption entsprechend höher und die 90

96 Wahrscheinlichkeit geringer, dass die intendierten RezipientInnen die Informationen bis zum Raid verinnerlichen. Der Folgebeitrag von Nutzer Rembrand ist ein Beipiel dafür, dass nicht jeder Post als eigenständiges Produkt bestehen bleiben muss: Die Information Beim Warri fehlt Wirbelwind / Spaltenten / Donnerknall wurde bereits in Alystils Beitrag integriert. Der Hinweis «Letzte Änderung: 03. September 2009, 12:39:25 von Alystil» am Ende des Ausgangs-Posts weist LeserInnen darauf hin, dass der so markierte Beitrag nachträglich bearbeitet wurde, in diesem u.a. durch das Einfügen von Rembrands Hinweis. Rembrands eigener Post ergibt als Reaktion auf Alystil im Nachhinein also gar keinen Sinn, da die erwähnte Information keineswegs fehlt. Diese Art des Erstellens eines Taktik-Threads folgt verallgemeinert dargestellt dem folgenden Schema: a) Eine TeilnehmerIn eröffnet einen Startbeitrag, der eine aktuelle Problemstellung (z.b. einen kommenden Raid) behandelt und stellt darin taktische Informationen dar. b) Andere TeilnehmerInnen reagieren dann mit eigenen Posts, in denen sie auf Aspekte des Eröffnungsbeitrags eingehen sowie Erweiterungen und/oder Korrekturen vorschlagen. Während der Start-Beitrag in vielen Fällen angesichts der komplexen Problemstellungen komplex formuliert und formatiert ist (schriftliche Konzeption), können die individuellen Folge-Beiträge auch kürzer und ohne nennenswerte Vorausplanung sein und eine begrenztere Informationsdichte haben (eher mündliche Konzeption). JedeR reagierende AutorIn für sich genommen braucht pro Post nur wenig Aufwand einzubringen, alle zusammen sind aber in der Lage, den Gesamtinformationsgehalt des Threads signifikant zu erweitern. In der dialogischen Struktur des Gesprächsstranges ist es zudem möglich, zu argumentieren und auf einen Konsens darüber hinzuarbeiten, welche Informationen angemessen und relevant sind. c) Hilfreiche Textelemente können nach der Veröffentlichung im Thread mit Hilfe der Bearbeitungs-Funktion des Forums in den Start-Beitrag integriert oder paraphrasiert 91

97 werden, so dass statt des gesamten Threads nur noch ein Post gelesen werden muss, um die gewünschten Informationen zu erhalten. Während in der aktiven Produktionsphase die Gestalt als Thead von Nutzen ist, da sie einen dialogischen Austausch von Ideen erleichtert, wird diese Gestalt aus rein rezeptiver Sicht ab einem bestimmten Punkt zum Nachteil: Die Diskussion ist teilweise über viele Beiträge und Seiten verteilt, nützliche Informationen sind mit weniger zielführenden Kommentaren vermischt, etc. Die nachträgliche Konzentration aller nützlichen Informationen im Ausgangs- Post umgeht diesen Nachteil. Wie umfangreich ein auf diese Weise erstellter Text letztlich wird, hängt von der Komplexität der Aufgabe ab, die dem Taktik-Thread zugrunde liegt. Braucht eine Gruppe für einen Boss-Kampf viele Anläufe, so steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Beteiligten im Taktik-Thread Revisionen ihrer Angriffspläne verarbeiten. Das kann sowohl heißen, dass die SpielerInnen ihre Erfahrungen aus dem letzten Raid einbringen als auch, dass sie zusätzliche Guides aus dem Web paraphrasieren, zitieren und/oder verlinken. Wird ein Boss- Kampf oder kompletter Raid hingegen schnell und ohne Probleme gelöst, entsteht für gewöhnlich auch keine ausgedehnte Taktik-Diskussion. Das Forum als Kommunikationsmittel ist für Gilden wie VoS von großer Bedeutung und wird ausgiebig genutzt, sowohl zur Pflege der sozialen Verbindungen als auch zielgerichtet zur Ausarbeitung von Taktiken. Der größte Vorteil ist dabei die Flexibilität und Erreichbarkeit: JedeR NutzerIn mit Internetzugang hat auch Zugang zum Forum, und die Textgestaltungsoptionen des Forums erlauben es, medial schriftliche Äußerungen mit flexibler Konzeption zu erstellen, von phatischen Kurzkommentaren bis hin zu komplex formulierten und formatierten Handlungsanweisungen. Zudem können einmal erstellte Posts im Nachhinein ohne großen Aufwand modifiziert werden. Auch wenn viele Taktik-Threads nicht mit der Intention eröffnet werden, einen beständigen Text zu produzieren, kann diese Option bei der Vermittlung komplexer Spielinformationen sowohl in der Gilde als auch in der SpielerInnengemeinschaft darüber hinaus sehr hilfreich sein. Die im Forum erstellten Anleitungen stellen ein Bindeglied dar zwischen Internet-Guides und dem direkten Gespräch während des Raids. Meist liefern Internet-Guides vorab Informationen, die zu einer bestimmten Spielaufgabe passen. Diese 92

98 Informationen werden, sofern notwendig, im Forum in gemeinschaftlicher Analyse- und Reproduktionsarbeit an die akuten Bedürfnisse der Raidgruppe angepasst, z.b. daran, welche Charakterklassen in der Gilde zur Verfügung stehen. Schließlich kommen die aufbereiteten Taktiken in der Echtzeit-Situation des Raids zum Einsatz. Da der Ablauf eines Raids immer auch unvorhersehbare Elemente beinhaltet, werden die vorbereiteten Taktiken schon dort unter Verwendung von synchronen (VoIP) und quasi-synchronen (Chat) Kommunikationsmitteln erneut angepasst (mehr dazu in Kapitel 2.9.). Zu guter letzt werden die im Raid gewonnenen Erfahrungen im Anschluss an diesen wieder im Forum unter den TeilnehmerInnen diskutiert, entweder zur Überarbeitung obsoleter Taktiken oder um erfolgreiche Taktiken auf neue Herausforderungen zu übertragen. Die Informationsfilterung per (Hyper-)Text-Recherche im Web, Diskussion Forum und Erprobung im Raid ist dabei als ein charakteristisches Merkmal der Fachsprache der SpielerInnen zu betrachten, da sie auch den Zufluss und die Lexikalisierung von Vokabular aus externen Textquellen innerhalb der Spielgemeinschaft von Grund auf prägt. Viele der besten im Internet verfügbaren Quellen für Tipps und Tricks stammen aus dem englischsprachigen Raum oder sind auf Englisch verfasst, um eine möglichst große LeserInnenschaft zu erreichen. Interessante Neuerscheinungen in diesem Bereich werden auch in der deutschsprachigen WoW-Gemeinde schnell bekannt via Community-Webseiten, Mundpropaganda, Zeitschriften u.ä. Für NutzerInnen mit ausreichenden Englischkenntnissen sind entsprechende Texte, Videos und Audioaufnahmen in englischer Sprache immer nur wenige Klicks entfernt. In Form von verlinkten oder zitierten Texten und Videos sowie durch übernommene Phrasen und Lexeme findet das Englische regelmäßig Eingang in die entsprechenden Foren. Hinzu kommt, dass viele WoW-SpielerInnen das Spiel in einer englischsprachigen Version installiert haben, so dass alle Spielinhalte wie NPC-, Monsterund Instanzennamen, Ortsnamen, Charakterfähigkeiten etc. ebenfalls auf Englisch angezeigt werden. Innerhalb der deutschsprachigen Spielgemeinschaft werden daher bei der Kommunikation über Spielwelt und Spielsystem englische und deutsche Begriffe regelmäßig synonym verwendet, denn ein signifikanter Anteil der SpielerInnen hat im alltäglichen Spiel die englische Sprache vor Augen und im Ohr. Das folgende Beispiel entstammt erneut einem Taktik-Thread zur Vorbereitung auf einen Boss-Kampf im VoS-Forum. Hier werden spezifische Fähigkeiten des Gegners und die 93

99 entsprechenden Gegenmaßnahmen auf SpielerInnenseite besprochen (Hervorhebungen nachträglich eingefügt): Shimmergloom: [ ] Die Lightbomb spawnt ein Add mit ~50k Hitpoints, die Gravity Bomb spawnt eine voidzone sobald die Zeit ausgelaufen ist. Es müssen also sofort alle die eine der beiden Fähigkeiten abkriegen auf ihre Position laufen - Lightbomb immer auf eine Seite neben den Boss, Gravity Bomb immer nach hinten raus wo noch keine Voidzone liegt. [ ] Wladislaw: [ ] Wichtig auch: Die Zonen der Leere wirklich wirklich weit weg vom Schlachtzug platzieren, wenn hinten mittig kein Platz mehr ist, dann lieber 5m weiter nach außen rennen, im zweiten Versuch ist ein Teil der Gruppe mal nach hinten gesogen worden, weil die Zone zu weit vorn platziert worden ist Shimmergloom (2009b) Hier wird von zwei Gesprächspartnern abwechselnd der Begriff void zone und Zone der Leere verwendet, um einen bestimmten Effekt zu bezeichnen, der für die taktische Positionierung der Raid-TeilnehmerInnen wichtig ist. Beide Begriffe sind offiziell, d.h. sie werden in der jeweiligen Sprachversion des Spieltextes so verwendet. Sowohl in speziellen web-basierten Datenbanken 16 als auch im Spiel selbst können SpielerInnen die Begriffe eingeben, um die genauen Parameter dieses Spieleffektes zu erfahren. Bei einer Suche im Web hat die Verwendung beider Sprachvarianten den Vorteil, dass eine wesentlich größere Auswahl potenzieller Informationsquellen eröffnet werden, sofern die nötige Sprachkenntnis vorhanden ist. Aus diesem Grund ist es unter WoW-SpielerInnen üblich, mit der englischen und deutschen Terminologie gleichermaßen vertraut zu sein. In dem obigen Beispiel macht es für den Gesprächszusammenhang nichts aus, dass Nutzer Shimmergloom den englischen Begriff verwendet und Wladislaw den deutschen, da beide synonym sind. 16 Z.B. ; bzw. in deuscher Variante ( ) 94

100 Im nächsten Beispiel geht es inhaltlich um die taktischen Aufgaben, die einzelne SpielerInnen innerhalb der Raidgruppe bei einem Boss-Kampf zu erfüllen haben. Charaktere werden manchmal im Kampfverlauf mit einem Fluch belegt, der die Spielfigur behindert, indem er Schaden verursacht und/oder Charakterattribute herabsetzt. Dieser kann durch entsprechende Konter-Fähigkeiten aufgehoben werden, der Charakter wird so entflucht (Hervorhebungen nachträglich eingefügt): Uxer: [ ] - kein dps-kampf = magier müssen vorrangig entfluchen - jede Gruppe hat einen Heiler/Decurser = Sammelpunkt bis Topped up / decursed!!![ ] Ines: [ ] das mit dem zeichen über dem entflucher erinnert an den kampf gegen sapphiron. Uxer: jo entfluchen hab ich vergessen extra zu erwähnen. dmg machende magier werden ausm raid gekickt Ines: dann sollte sich jeder magier schonmal den decurse auf die 1 legen. Uxer (2009) Der Auszug zeigt, dass der Wechsel zwischen Sprachvarianten auch innerhalb eines einzigen Beitrags erfolgen und zudem auch zwischen Wortarten springen kann. Uxer verwendet zunächst das verb entfluchen, um die notwendige Tätigkeit zu benennen. Als dazugehöriges Nomen Agentis aber verwendet er das englische decurser (von engl. curse Fluch ) und zur Beschreibung des erwünschten Zustandes das englische Partizip II decursed. Ines wechselt die Varianten zwischen ihren beiden Beiträgen: Als Nomen Agentis erscheint bei ihr der deutsche Entflucher, im nächsten Beitrag als Nomen Instrumenti der englische decurse, mit dem die um die Charakterfähigkeit bezeichnet wird, die zum Entfluchen genutzt wird. 95

101 Die regelmäßige Entlehnung von englischen Lexemen ist ein festes Merkmal des Sonder- Wortschatzes, den WoW-SpielerInnen verwenden, wenn sie über Spieltaktiken kommunizieren. Das entlehnte Wortgut ist lexikalisiert und wird im allgemeinen Gebrauch nicht als fremdsprachlich wahrgenommen. EinE SpielerIn kommt bei Teilnahme an der Spielgemeinschaft um die Verwendung des Sonder-Wortschatzes kaum herum. Englischkenntnisse sind für die Verwendung der lexikalisierten Begriffe mit englischen Wurzeln gar nicht nötig, es sei denn, man verwendet sie explizit als Suchbegriffe, um Zugang zu Quellen auf Englisch zu bekommen. Im alltäglichen Gebrauch übersetzt eine SpielerIn mit ausreichender Erfahrung einen Ausdruck wie decurse nicht ins Deutsche, sondern verbindet es direkt mit dem entsprechenden Konzept aus dem Spielsystem. Der Einfluss des Englischen auf die Lexik wird an späterer Stelle in Kap noch einmal genauer betrachtet werden. Die spezifische Relevanz für Gildenforen (und in vergleichbarer Weise auch öffentliche WoW-Foren) und insbesondere Taktik-Threads besteht darin, dass dort viele verschiedene KommunikantInnen zusammenkommen, die sowohl ihr jeweiliges persönliches Lexikon wie auch ihre bevorzugten (Hyper-)Textquellen einbringen. In den Diskussionen zeigt sich, welche Teile des Wortschatzes und welche Quellen von der SpielerInnengmeinschaft explizit und implizit akzeptiert oder abgelehnt werden Öffentliche (Nicht-Gilden-)Foren Während Gildenforen quasi ausschließlich den exklusiven Mitgliedern zur Verfügung stehen, existiert im Web auch eine Vielzahl von Foren, die uneingeschränkt der Öffentlichkeit zugänglich sind. Viele SpielerInnen besuchen gewohnheitsmäßig mehrere Foren parallel, z.b. das Forum ihrer Gilde und ein oder mehrere offene WoW-Foren. WoW-bezogene Internetportale und vergleichbare Webseiten haben praktisch immer einen Foren-Bereich, in dem sich BesucherInnen untereinander austauschen können. Ein Beispiel hierfür ist die offizielle deutschsprachige Webseite zum Spiel des Betreibers Blizzard Entertainment 17, BesucherInnen haben hier auch die Chance, mit den Verantwortlichen selbst in Kontakt zu treten. Neben allgemeinen Tipps und Tricks, Neuigkeiten und Kundensupport bietet die Seite 17 Zu finden unter 96

102 einen extensiven Foren-Bereich. Ein anderes Beispiel ohne offizielle Anbindung, aber mit inhaltlich sehr ähnlichem Aufbau, ist die WoW-Community inwow.de 18. Genau wie Gildenforen sind auch öffentliche WoW-Foren in Unterforen aufgeteilt. Die thematische Ausrichtung dieser Bereiche unterscheidet sich in öffentlichen Foren erwartungsgemäß von Gildenforen, da in letzteren gildenspezifische Themen wie Raid- Terminfindung, Bewerbungen und Gruppenorganisation eine große Rolle spielen, und die Themen auf die Bedürfnisse und Interessen eines engeren, vertrauten Personenkreises zugeschnitten sind. Themen wie Charakter-Optimierung werden dort oft mit Bezug auf die spezifische Gildensituation und die übrigen Mitglieder diskutiert. Öffentliche Foren dienen dagegen eher dem Austausch über Themen, die das Spielen von WoW allgemein betreffen und für die SpielerInnenschaft allgemein von Interesse sind. So spielen z.b. Raidinstanzen zwar auch in den öffentlichen Foren eine Rolle, dort wird allerdings eher das Gesamt-Design der Instanzen thematisiert, z.b. unter welchen Umständen und zu welchen Zeitpunkten bestimmte Ereignisse in einem Boss-Kampf planmäßig eintreten, ohne Bezug auf eine spezifische Raidgruppenkonstellation. Öffentliche Foren bieten den großen Vorteil, dass sie meist von einer wesentlich größeren NutzerInnengemeinschaft frequentiert werden. Daher ist dort die Chance größer, innerhalb kurzer Zeit eine Vielzahl von Reaktionen auf eine Anfrage zu erhalten. In besonderen Fällen wie den offiziellen Blizzard-Foren, können über öffentliche Foren auch spezielle Personenkreise erreicht werden. Bezogen auf die Möglichkeit zur Produktion von konzeptionell schriftlichen wie auch mündlichen Äußerungen sind sich Gildenforen und öffentliche Foren sehr ähnlich. Die technischen Rahmenbedingungen sind quasi identisch. Im folgenden Auszug fragt eine NutzerIn in einem öffentlichen Forum nach Tipps, ob und wie die Bedingungen einer bestimmten Queste innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu erfüllen sind (Hervorhebungen und Zeitstempel im Original): 18 Zu finden unter 97

103 Taery: zahl der mobs in icc :23:16 PDT wie der Titel schon lautet würd ich gern wissen wie viel mobs so ca. in icc 25ger sind, wenn man die in i ganz normal cleart (mache z.z die legendary pre deswegen die frage) Aedan: Re: zahl der mobs in icc :27:01 PDT es ist mittwoch mach icc10 ruffarm runs ich habs in 1 wochen id geschafft 1000 stk zu kriegen Taery: Re: zahl der mobs in icc :44:37 PDT leider hab ich nicht die woche zeit, morgen muss es fertig werden, heute hab ich bischen gefarmt nun fehlen mir 320 kills und will nun gern wissen ob es reicht wenn ich ganz normal icc cleare ausser prof sindra und bloodqueen die ich noch brauche für andere q's Zaldarie: Re: zahl der mobs in icc :46:25 PDT Wird nicht reichen, ein Run inklusive dem Event und dem Trash vor Sindragosa brachte mir etwa 275 Seelen mit meinem DK. Taery (2010) Die Dialogsequenz zeigt eine Reihe von Merkmalen mündlicher Konzeption, u.a. einfacher parataktischer Satzbau unter Nichtbeachtung formaler Zeichensetzungsregeln, sowie Verschmelzungen und Auslassungen wie folgende: (1) ich habs (2) heute hab ich [ein] bischen gefarmt Zudem zeigen die Zeitstempel, dass die Beiträge in schneller Folge innerhalb weniger Minuten formuliert wurden (09:23 und 09:27 Uhr; 09:44 und 09:46 Uhr), was dagegen spricht, dass die Beträge in größerem Umfang vorausgeplant wurden. Auch in öffentlichen Foren ist zu beobachten, dass das Forum-System zur Durchführung kooperativer Textproduktions-Projekte verwendet wird. Der nachfolgende Ausschnitt 98

104 stammt aus einem Thread der offiziellen Blizzard-Foren. Wie die Verfasserin Melisandre selbst beschreibt, soll er dazu dienen, Elemente von MMORPG-Slang zu sammeln (MMORPG ist ein verbreitetes Synonym zum in dieser Dissertation verwendeten MMOG und steht für Massively Multiplayer Online Roleplaying Game), um auf diese Weise ein Mini- Lexikon zu erstellen (Hervorhebungen und Zeitstempel im Original): Melisandre: MMORPG-Slang :09:04 PDT Dies ist eine aktualisierte Version des "MMORPG-Slangs" den ich für die alten Foren erstellt habe. In der hier vorliegenden überarbeiteten Version habe ich einige Begriffe die üblicherweise in WoW vorkommen neu aufgenommen (z.b."bomben"), während ich andere, die zwar in MMORPGs im allgemeinen Verwendung finden, jedoch in WoW kaum benutzt werden, der Übersichtlichkeit halber gelöscht habe (z.b."mezz"). Andere Einträge habe ich im Sinne eines besseren Verständnisses überarbeitet. Ich hoffe die neue Version wird ebenso Anklang finden wie meine alte. Vorschläge zu Ergänzungen sind wie immer willkommen, jedoch werde ich der Übersichtlichkeit geschuldet nur wirklich etablierte Begriffe aufnehmen :) Add: kurz für Additional. Ein ->Mob, dass die Gruppe angreift. Sozusagen ein uneingeladenes neues "Teammitglied", daher Additional. Wenn jemand "Add" in den Chat schreibt, so will er damit ausdrücken, dass er oder die Gruppe angegriffen wird. [ ] Twink: Zweitchar der neben dem -> Main gespielt wird. Auch "Alt" (von Alternate) genannt. wb: welcome back. so begrüßt man häufig einen Spieler der -> AFK war und sich wieder mit z.b. -> re im Chat meldet. Wipe: Tod der kompletten Gruppe/Raids [ ] EDIT: : Classic, TBC und WotLK aufgenommen, sowie Reschtschreibfehler 99

105 korrigiert. [ Beitrag editiert von Melisandre ] [ ] Klyra: Re: MMORPG-Slang :20:54 PDT hmm, wenn ich mich nicht irre, fehlen Twink, Main und Orly Twink - Zweitcharakter, der neben dem Haupt-Charakter gespielt wird. Main - Damit bezeichnet man seinen Haupt-Charakter, mit dem man meistens oder immer spielt. Orly? - Eine veränderte Version von "Ya'rly?", was wiederum eine Veränderung von "Oh really?" (Wirklich?) ist. Edit: Es gibt auch irgendwie so eine Abkürzung "brb" oder so ähnlich? Was das bedeutet, weiß ich leider nicht! ^^ Vllt sollte man diese dazu editieren! ^^ [ Beitrag editiert von Klyra ] Melisandre (2006) Melisandres Eintrag enthält eine alphabetische Liste mit Lexemen, die nach ihrer Auffassung zum MMORPG-Slang gehören, sowie jeweils eine Bedeutungserklärung. Sie ruft auch dazu auf, weitere Vorschläge zum Thread hinzuzufügen, diese können in den Antwort-Postings erfolgen und werden gegebenenfalls durch die Initiatorien Melisandre in die ursprüngliche Liste kopiert. Klyra schlägt in ihrem Post die Lexeme Twink, Main und Orly vor, von denen die ersten beiden in die Liste aufgenommen werden. Der vollständige Thread enthält eine Vielzahl weiterer Beiträge, die entweder neue Einträge vorschlagen oder bestehende Einträge und/oder deren Erklärungen diskutieren. Der Thread als Ganzes spiegelt also den 100

106 Produktionsprozess wider, als Ergebnis zur Rezeption ist aber nur der oberste bzw. der Ausgangsbeitrag gedacht, da in diesem alle als wertvoll erachteten Informationen enthalten sind. Die Entscheidung, welche Elemente in den Ausgangsbeitrag übernommen werden, liegt indes immer bei dem/der ursprünglichen AutorIn, da jeder Beteiligte nur jeweils die eigenen Posts bearbeiten kann. Foren-Systeme sind eben nicht ursprünglich zur gemeinschaftlichen Erstellung von zusammenhängenden Texten gedacht, sondern zur Diskussion von Themen in Form von wechselseitigen Beiträgen. Die NutzerInnen haben jedoch in diesem Fall den Rahmen der technischen Möglichkeiten so weit gedehnt, dass ihr spezifisches kommunikatives Bedürfnis zur Erstellung eines beständigen Textes erfüllt werden kann. Der Wechsel in ein anderes, möglicherweise besser geeignetes Format wie z.b. ein Wiki würde den Akt der kooperativen Texterstellung sicherlich erleichtern, aber Foren bringen dafür eine große Community an potenziellen AutorInnen mit sich. Für SpielerInnen stellen öffentliche Foren ein leicht zugängliches und flexibles Werkzeug zur Rezeption, Diskussion und Reproduktion von Informationen dar. Öffentliche Foren und Gildenforen stellen die gleichen kommunikativen Hilfsmittel zur Sprachproduktion zur Verfügung. Der größte Unterschied ist der, dass öffentlichen Foren meist größere Gemeinschaften zugrunde liegen, dafür aber die Verbindungen zwischen den Mitgliedern weniger eng sind. Hinter Gildenforen stehen eher kleine Gruppen mit engeren sozialen Verbindungen, dementsprechend werden dort auch auf einzelne Mtiglieder zugeschnittene Spieltaktiken diskutiert. Beide Typen von Foren haben also einen festen Platz in der Kommunikationspraxis typischer SpielerInnen und beeinflussen den spielbezogenen Sprachgebrauch direkt (z.b. als Quelle für neuen Wortschatz) und indirekt (z.b. indem sie spielerische und kommunikative Verhaltensstandards vermitteln) Strategie-Guides Die virtuellen Welten moderner Computer- und Videospiele werden von einem Millionenpublikum rezipiert, welches dank weit verbreiteter Internetanschlüsse quasi jederzeit untereinander kommunizieren kann. Innerhalb kürzester Zeit nach Erscheinen eines neuen Spieltitels oder einer Erweiterung und teilweise schon davor werden auf 101

107 einschlägigen Webseiten Analysen, Anleitungen, Tipps und Tricks etc. verfügbar, die sich mit den verschiedensten Facetten eines Spiels befassen. Dies gilt auch und besonders für MMOGs, da diese hochkomplexe Regelsysteme und Spielwelten aufweisen. Die Welten werden zudem regelmäßig erweitert und werden dabei permanent von zigtausenden NutzerInnen erforscht, die kooperativ und konkurrierend nach den optimalen Wegen durchs Spiel suchen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse werden von einem Teil der SpielerInnenschaft schriftlich fixiert und öffentlich zugänglich gemacht in Form von Guides. Wie von einer web-affinen Community wie der der MMOG-SpielerInnen zu erwarten ist, werden zur Erstellung von Guides viele verschiedene technische Formate verwendet, solange diese eine gute Balance zwischen bequemer Produktion und Rezeption versprechen. In den folgenden Kapiteln werden einige verbreitete Formate näher betrachtet um Gemeinsamkeiten und Unterschiede hervorzuheben, und um eine Übersicht darüber zu ermöglichen, mit welchen Arten von Text WoW-SpielerInnen typischerweise arbeiten und sich u.a. auf Raids vorbereiten Reiner Text Unter reinem Text sind hier Dokumente gemeint, die auf hypermediale Aufarbeitung in Form von eingearbeiteten Links, Bildern etc. verzichten und nur den grundlegenden ASCII- Zeichensatz verwenden. Diese Präsentationsform bildet eher eine Ausnahme, da eine hypermediale Aufbereitung des Textes mit wenig Aufwand dank moderner Bearbeitungsprogramme einen großen Mehrgewinn an Übersicht für die LeserInnenschaft verspricht. In vielen MMOG-bezogenen Guides spielen komplexe räumliche Informationen und große Mengen variabler Zahlenwerte eine wichtige Rolle, die sich unter Zuhilfenahme von Bildern, Videos und der Verlinkung mit Datenbanken besser erläutern und ökonomischer darstellen lassen. Tabellen, Diagramme u.ä. Elemente, die zur Darstellung solcher Daten am besten geeignet sind, sind allein mit ASCII-Zeichen nur mit großem Aufwand machbar. Die ASCII-Zeichen haben aber dafür den Vorteil, dass sie sozusagen den kleinsten gemeinsamen Nenner bei der Darstellung des World Wide Web darstellen jedes System mit Internetzugang kann diese Texte darstellen, unabhängig von der jeweiligen Konfiguration. Zudem können diese Texte direkt unverändert ausgedruckt werden, was bei einer hypermedial konzipierten Webseite oft nicht ohne Weiteres funktioniert. 102

108 Als konkretes Beispiel für reine Text-Guides sollen hier WoW-bezogene Anleitungen des Web-Portals Gamespot GameFAQs 19 (kurz: Gamefaqs) herangezogen werden. Gamefaqs bietet Tipps, Tricks und generelle Informationen zu PC- und Konsolenspielen. Die Webseite sowie das Material sind zum größten Teil englischsprachig. Es gibt zwar auch Rubriken für deutsch- und anderssprachige Texte, diese sind aber wesentlich spärlicher bestückt. Die Guides werden von SpielerInnen selbst erstellt und können bei GameFAQs eingereicht werden, wo diese dann frei verfügbar gemacht werden, sofern sie bestimmten Vorgaben entsprechen. Eine dieser Vorgaben ist, dass die Guides in reinem Text-Format abgefasst sein müssen. Auf dem Portal befindet sich zu der Frage What kind of guides will GameFAQs not accept? unter anderem folgende Antwort: Non-Text Formats: Not everyone in the world owns a copy of Excel or Word, so not everyone can read files submitted. HTML guides open up a can of worms with bad markup, scripting exploits, and browser incompatibilities. Executables can contain viruses or trojan horses. GameFAQs generally accepts plain text only, with a very few exceptions (image files, ZIP archives). (CBS Interactive (2014b)) Die Beschränkung auf reinen Text dient hier also dazu, die Texte einem möglichst großen Publikum verfügbar und die Verwendung möglichst sicher zu machen. Der Nachteil für Produzent und Rezipient ist das Fehlen komfortabler Formatierungsoptionen. Der folgende Auszug zeigt, auf welche Art komplexe Formatierungen unter ASCII erstellt werden: 19 Zu finden unter 103

109 a. The Progression Ladder To understand how the progression ladder works, you must understand that the epic weapons, armor, and accessories that are found at level 80 all vary in terms of item level. This item level is what determines how strong or how weak an item is. As you progress from one raid dungeon to the next, the item levels of the overall drops increases. However, the encounters become more difficult as well. There is a 10-man and 25-man version of every raid dungeon but here is a very general idea of how to progress, plus relative item levels of loot: ========= Lv.80 ========= ================= 5-Man Heroics (200) ================= / \ T7 / \ T7+ ==================== ====================== ( ) Naxxramas > H-Naxxramas ( ) (200) Obsidian Sanctum H-Obsidian Sanctum (213) (213) Malygos H-Malygos (226) ==================== ====================== T8 T8+ ==================== ====================== ( ) Ulduar > H-Ulduar ( ) ( ) Hard Mode Ulduar Hard Mode H-Ulduar ( ) ==================== ====================== ===== =====?? ===== ===== Wong (2006) Bei hypermedialer Aufbereitung könnte eine solche Grafik in einer ganzen Reihe alternativer Formate gehandhabt werden, z.b. in variabler Größe, mit Links kombiniert etc. Spiele-Guides weisen angesichts der Komplexität vieler Spiele eine entsprechend hohe Informationsdichte auf. Da hypermediale Möglichkeiten bei reinen Text-Guides als Mittel der Formatierung nicht zur Verfügung stehen, wird z.b. auf eine Vielzahl von Abkürzungen und Kurzwörter zurückgegriffen, um widerkehrende Konzepte zu bezeichnen. Die zum Verständnis notwendigen Erklärungen werden üblicherweise in Gestalt eines Glossars in die Guides integriert, wie folgende Beispiele aus demselben Dokument zeigen: 104

110 (1) I also use some common abbreviations in my guide, some common, others not so much. You will see me use the following: BM-Hunter = Beast Mastery Hunter MM-Hunter = Marksmanship Hunter SV-Hunter = Survival Hunter RAP = Ranged Attack Power AP = Attack Power Crit = Critical Strike GCD = Global Cooldown T7, T8, T9 = Tier 7, 8, 9 (Referring to 10-man Armor Sets) T7+, T8+, T9+ = Tier 7, 8, 9 (Referring to 25-man Armor Sets) DW = Dual Wield 2H, 1H = Two-Handed, One-Handed ebd. (2) I realize not everyone has played MMORPGs and a newbie may be reading this guide. So for reference, I will give you a few of the terms I may use in this guide and you may hear when playing the game. MMORPG - Massively Multiplayer Online Role Playing Game Newbie/Noob - A new player that is not experienced DoT - Damage over Time spells WoW - World of Warcraft mob - A monster (comes from the old MUD days before graphical MMORPGs existed) PVP - Player Vs Player combat PVE - Player Vs Environment (Sometimes called PVM or Player Vs Monster) nuke - A direct damage spell nerf - When the developer changes something to make it less effective rezz - Short for resurrection DPS - Damage per Second DD - Direct Damage spells ebd. Die Glossare enthalten Ausdrücke, die in der Spielgemeinschaft bereits verbreitet sind, ebenso wie von den AutorInnen selbst geprägte Varianten. Für Neulinge im MMOG-Genre die sogenannten Newbies sind Guides einer der Wege, die Verwendung der Spezialterminologie kennenzulernen. Je verbreiteter die Verwendung eines spezifischen Guides in der Spielgemeinschaft ist, desto höher ist naturgemäß die Wahrscheinlichkeit, dass die darin verwendete Terminologie Eingang in die allgemeine Verwendung findet. Für die Gemeinschaft der WoW-SpielerInnen (und MMOG-SpielerInnen generell) ist die Verwendung der Terminologie selbstverständlich. Sie wird aber auch in regelmäßigen Abständen bewusst reflektiert und thematisiert. Dies geschieht besonders in Foren, wie das in Kapitel 2.7. angeführte Beispiel zeigt, in dem in Gemeinschaftsarbeit ein Lexikon mit allgemein akzeptierten Elementen der WoW-Fachterminologie erstellt wird. Es ist Zeichen einer klar schriftlichen Konzeption von reinen Text-Guides, dass diese typischerweise ein 105

111 ähnliches Glossar enthalten. Dadurch werden sie situationsentbunden, d.h. sie enthalten nach Möglichkeit alle zu ihrer Rezeption notwendigen Informationen. Dies ist bei einem hypertextuell vernetzten Guide meist nicht nötig: Ein solcher kann z.b., stattdessen auf eine externe Datenbank verlinken, in der alle wichtigen Begriffe enthalten sind. Ein komplexer Sachverhalt kann hypermedial auch durch Schaubilder erläutert werden, die wahlweise hinzugeschaltet werden oder nicht. NutzerInnen können entscheiden, ob sie spezifische Informationen vertiefen wollen oder nicht allerdings ist der Guide dann oft nur mit einem aktuellen, voll funktionsfähigen Browser uneingeschränkt verwendbar. Was könnte einen Autoren/Autorin dazu veranlassen, angesichts des vergleichsweise großen Aufwands einen reinen Text-Guide für eine Seite wie Gamefaqs zu verfassen? Finanzielle Anreize fallen weg, die Guides dort sind kostenfrei und auch die AutorInnen erhalten keine Bezahlung. Als Entschädigung für den Aufwand bleibt nur Prestige übrig. Die Guides enthalten immer eine -Adresse der AutorInnen, unter der diese erreichbar sind für Lob, Verbesserungsvorschläge und andere Rückmeldungen. Ebenso typisch ist ein Abschnitt mit Danksagungen an Personen, die in irgendeiner Form zur Erstellung des Textes beigetragen haben, wie das folgende Beispiel zeigt: 106

112 =============================================================================== [ XIV. Credits ] =============================================================================== I give thanks to the following people: CJayC (Jeff Veasey) - If it weren't for you and GameFAQs, I would never have had the opportunity to even consider writing this FAQ. Thanks Jeff Veasey. DJellybean (Dingo Jellybean) - It was you who came up with the style of borders that I use now for my FAQ's. Thanks Dingo! You, The Reader - I ve received a lot of from you guys and I must say that I m grateful for all of your feedback. Thank you for your support of my guide! A very special thanks to the kind and loving folks at <The Hand of Fate>! Phoebus Nehalennia Lorillus Socxinfinity Rize Zelos Spook Jkealy Euripades Fuqua Graphico Karnic Demodocus Joonho Flan Taiju Blowy Leith Masterofone Nickademus Ismaela Fuzukuraki Villar Boram Derjager Aachor Raithen Lennex Taelar Warbeard Minionite Trogdornator Barristan Ainvar Manthoray Lelania Davidmelech Riodon Kw Meyer (There s a lot more but that s all I can remember off the top of my head right now!) It s been fun! ebd. Die Danksagung zeigt, dass der Autor in ein Netzwerk eingebettet ist, welches die Erstellung des Guides mit Wertschätzung belohnt, während es gleichzeitig durch Vorschläge zur Qualität des Textes beiträgt. Dieses Netzwerk ist dabei als eine Untergruppe der SpielerInnengemeinschaft im Allgemeinen zu behandeln, mit einem besonderen Interesse an der Erstellung von Guides. Außerhalb von Foren, in denen die Teilnahme als ProduzentIn zum Grundprinzip gehört, beschränkt sich die Mehrheit der SpielerInnen auf eine Rolle als passive Konsumenten Klassisches Hypertext-Format Die nachfolgend beschriebenen Guides haben das Format herkömmlicher Webseiten, ohne unter eine spezialisierte Kategorie wie ein Wiki (vgl. Kap ) oder Forum zu fallen (allerdings kann zur fraglichen Webseite auch ein Forum als Unterbereich gehören). Im 107

113 weiteren Verlauf werden die in diesem Kapitel beschriebenen Texte vereinfacht als Hypertext-Guides bezeichnet, um sie von anderen Formaten zu unterscheiden. Hypertext-Guides sind in vielen Fällen einer von mehreren Teilbereichen von umfangreichen Webseiten, die eine Sammlung von Informations- und Kommunikationsangeboten rund um das Thema WoW bieten. So können sie parallel existieren zu anderen Teilbereichen wie z.b. Foren, neuesten Nachrichten, Datenbanken, Videosammlungen, Wikis u.ä. Ein typisches Beispiel ist die offizielle WoW-Webseite des Herstellers Blizzard Entertainment: Hier können Interessierte das Spiel bestellen, an Foren teilnehmen, Videos und anderen Medien herunterladen, und eben eine Reihe von Hypertext-Guides finden, die erklären, wie WoW zu spielen ist. 20 Daneben gibt es aber auch Webseiten, die sich vollständig der Bereitstellung von Guides widmen, wie z.b. Hordeguides.de 21. Um die akkurate Beschreibung von Hypertextseiten mit ihren technischen Möglichkeiten zu ermöglichen, sollen hier zunächst ein Inventar an Begriffen für die Grundbestandteile von Hypertexten eingeführt werden. Dabei stütze ich mich auf die Arbeit von Storrer (2000) und Huber (2002). Hypertexte bestehen grundsätzlich aus Knoten und Links. Knoten sind informationstragende Module, wobei die Information Text-, Audio- oder Videoformat haben kann, oder eine Mischung aus diesen Formaten. Mit Hilfe von Links werden diese Module miteinander verbunden, die Gestalt dieser Verbindung kann dabei sehr variabel sein. Links können sich hinter Bildern, Wörtern, Sätzen etc. verbergen. Trägt ein Link eine explizite Erklärung darüber, welche Art von Zusammenhang er zwischen den Modulen herstellt, wird er als typisierter Link bezeichnet. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn am Ende eines Textabschnitts die Worte Zur nächsten Seite als Link fungieren. Fehlen Informationen über die Art der Verbindung zwischen den verlinkten Knoten, wird von einem referentiellen Link gesprochen. Eine weitere Möglichkeit zur Klassifizierung orientiert sich an den Start- und Zielpunkten eines Links. Demnach kann ein Link eine Verbindung herstellen zwischen - zwei Punkten innerhalb eines Knotens (intra-knoten-link), 20 Vgl. ( ) 21 Zu finden unter ( ) 108

114 - zwei Knoten innerhalb eines Hypertextes (inter-knoten-link) oder - zwischen zwei Hypertexten (extrahypertextueller Link). Huber führt noch weitere Unterscheidungsmerkmale für Links an, die für die nachfolgenden Erläuterungen zu WoW-Web-Guides aber nicht notwendig sind. Die Abgrenzung separater Hypertexte voneinander erfolgt am besten anhand von thematischen Gesichtspunkten, da aus technischer Sicht wenig Unterschied besteht zwischen verlinkten Hypertexten und verlinkten Knoten innerhalb eines Hypertextes. Storrer spricht vom einzelnen Hypertext als Resultat von Herstellungshandlungen vor dem Hintergrund einer bestimmten thematischen Gesamtvorstellung und zu einem bestimmten kommunikativen Zweck (Storrer 2002: 15). Beim Vergleich von Hypertexten untereinander ist die relevante Frage demnach: Welches Thema behandelt der jeweilige Hypertext und was ist sein Zweck? Die Antworten für eine typische WoW-Guide-Webseite könnten z.b. sein: Die Seite behandelt das MMOG World of Warcraft und bietet Anleitungen mit Raid-Taktiken an. Ein essentielles Merkmal, das Hypertexte von herkömmlichen Texten unterscheidet, ist die Möglichkeit der nichtlinearen Rezeption. Ein/e RezipientIn kann den Pfad durch einen Hypertext selbst wählen, vorausgesetzt der/die AutorIn hat den Hypertext mit entsprechenden Links ausgestattet. Storrer führt richtigerweise an, dass in Anlehnung an das Koch/Oesterreichersche Modell zwischen medialer und konzeptioneller Linearität unterschieden werden muss; wobei sie zur Vermeidung von Verwirrung Sequenziertheit anstelle von konzeptioneller Linearität als Begriff vorschlägt. Sequenziertheit/konzeptionelle Linearität bezieht sich also auf die von dem/der AutorIn intendierten Lesefpad. Diese Terminologie wird im weiteren Verlauf hier übernommen. Ein Text kann unterschiedliche Grade von Sequenziertheit aufweisen, wobei diese bei Nicht-Hypertexten erfarhungsgemäß schwer zu realisieren ist: - monosequenzierte Texte sind für einen festen Leseweg konzipiert); - mehrfachsequenzierte Texte erlauben eine Auswahl verschiedener Lesewege, unabhängig von Anfang und Ende des Textes); - unsequenzierte Texte verfügen über Textbestandteile, die so flexibel miteinander verknüpft sind, dass jede/r NutzerIn anhand der eigenen Bedürfnisse den Pfad wählen kann. 109

115 Hypertexte sind dementsprechend nicht automatisch nichtlinear, denn sie können trotz der technischen Möglichkeiten monosequenziert sein. Die Nichtlinearität ist vielmehr ein Potenzial, das in Hypertexten unterschiedlich stark genutzt wird. Das Hypertext-Format bietet sich zur Darstellung von Sachverhalten einer Spielwelt wie der von WoW aus diversen Gründen an. Die virtuelle Welt selbst im geografischen Sinne hat einen modularen Aufbau. Sie ist in separate Regionen mit deutlichen Grenzen aufgeteilt und jede Region hat klare Merkmale, was z.b. die dort zu findenden Mobs, NPCs und Ressourcen angeht. Das gleiche gilt für Raid-Instanzen, die meist aus räumlich und inhaltlich deutlich getrennten Teilaufgaben bestehen. Diese Modularisierung zieht sich zudem auch logisch durch das gesamte Spielkonzept und erleichtert der SpielerInnenschaft die Orientierung sowohl in der virtuellen Geografie als auch in der Spielmechanik: Jede/r SpielerIn kann jederzeit leicht erkennen, welche Spielregionen für das momentane Spielziel am besten geeignet sind, denn bestimmte geografische Module entsprechen bestimmten Phasen im spielerischen Fortschritt. Die dahinter stehende Design-Logik lässt sich exzellent in Hypertextstrukturen abbilden, bei denen separate Spielelemente in entsprechenden Knoten beschrieben werden und Links die Verbindungen dieser Spielelemente untereinander wiedergeben können. Das gleiche gilt für jene Aspekte des Regelsystems, die die Charakterentwicklung steuern. Bei dieser Entwicklung stehen jedem/jeder SpielerIn eine große Zahl an Optionen offen, z.b. bei Rassen- und Klassenwahl, Konfiguration von Talenten sowie bei der Ausrüstung mit Gegenständen, die die Fähigkeiten modifizieren. Eine textuelle Repräsentation dieser Möglichkeiten lässt sich anschaulich in Form von unsequenzierten oder mehrfachsequenzierten Hypertexten erstellen, die einen variablen Lesepfad bieten. Eine vergleichbare Darstellung in monosequenzierter Form ist wesentlich ineffizienter, da der Text auch Options-Pfade beschreiben muss, die für einen spezifischen SpielerIn gerade nicht relevant sind. Nachfolgend werden Guides von zwei unterschiedlichen Webseiten als konkrete Beispiele angeführt. Erstes Beispiel ist das Angebot bereits zuvor angesprochenen offiziellen WoW- Webseite von Hersteller Blizzard Entertainment, die vor allem grundlegende Informationen für SpielanfängerInnen bereithält. Die offizielle Webseite ist als erster Anlaufpunkt konzipiert für SpielerInnen, die Informationen zu irgendeinem Aspekt des Spiels suchen und die sich 110

116 noch keine alternativen Informationsquellen erschlossen haben. Aus diesem Grund findet man dort u.a. einen Unterbereich mit Anleitungen, welche die Grundlagen des Spielsystems und der Spielwelt erläutern. Diese Guides sind direkt von der Startseite aus über eine Kopfleiste erreichbar (vgl. Abb. 8). 111

117 Abbildung 8: Einstieg in den Guides-Bereich der offiziellen WoW-Webseite Jeder der Begriffe im Zentrum des Fensters (mit Ausnahme von Allianz, Horde, Primär und Sekundär ) fungiert als Link zu einem Unterbereich, der das jeweilige Thema ausführlicher erläutert. Da dies bereits eine große Menge komplexer Informationen 112

118 darstellt, gibt es hinter dem Link Anfängerguide speziell eine Einführung für InteressentInnen, die tatsächlich noch keinerlei Erfahrung mit dem Spiel haben. Dort werden Aufbau und Funktionweise eines MMOG von Grund auf beschrieben. Grundprinzipien wie die Funktionsweise von NPCs, Mobs, Questen und Instanzen, aber auch die sozialen Rahmenbedingungen des kooperativen Spielens sind ebenfalls auf diesen speziellen Unterbereich beschränkt der Logik dieser Gliederung folgend werden diese Informationen für die Mehrzahl der BesucherInnen der Webseite wohl als bekannt vorausgesetzt. Die verschiedenen Seiten des (Nicht-Anfänger-)Spielguides sind außer über die Links im Zentrum der Startseite auch über Menüs in der Kopfzeile zu erreichen, die ausfahren, wenn der Mauszeiger über sie bewegt wird (vgl. Abb. 9). Abbildung 9: Menü-Zugang zu Unterseiten der offiziellen WoW-Webseite Ein Klick auf einen der Menüpunkte ruft einen entsprechenden Text in der Mitte der Seite auf. Der gewählte Pfad wird immer direkt unter der Kopfzeile angezeigt: Aus dem in Abb. 8 sichtbaren World of Warcraft > Spiel wird bei entsprechender Auswahl einer Unter-Seite der Pfad World of Warcraft > Spiel > Gegenstände > Rüstungen > Plattenrüstung > Kopf. NutzerInnen haben dadurch nicht nur immer direkten Zugriff auf alle thematisch 113

119 verwandten Punkte im umliegenden Hypertext, sondern auch einen ständigen Hinweis darauf, an welcher Position im Hypertext-Netz sie sich gerade befinden. Dank des Hypertext-Formats bestehen die offiziellen Guides nicht nur aus reinem Text. Viele der Anleitungen verfügen über einen der Seite angegliederten Kommentarbereich, in dem sich LeserInnen zum Thema äußern können. Zudem finden sich an vielen Stellen interaktive Tabellen, Diagramme und Schaubilder, deren Inhalte per Mausklick manipuliert werden können. Mit Hilfe des sog. Talentrechners beispielsweise können SpielerInnen verschiedene Konfigurationen aus Talenten für ihre Charaktere ausprobieren und deren Effekte in einem Diagramm visualisieren lassen. Ein rein analoger Text könnte eine solche Vielzahl an Optionen kaum auf annähernd so effiziente Weise darstellen. Auf der Makro-Ebene betrachtet ist die offizielle Webseite in eine große Zahl einzelner Knoten aufgeteilt, die jeweils einen eng begrenzten Themenbereich beschreiben. Die Vertiefung eines Themas führt i.d.r. über inter-knoten-links zu einem neuen Knoten. So geben beispielsweise jene Knoten, welche die einzelnen Charakterklassen beschreiben, nur eine allgemeine Umschreibung der Fähigkeiten wieder. Erst in einem weiteren verlinkten Knoten werden die Fähigkeiten und das Wechselspiel zwischen ihnen im Detail dargestellt, da es sich dabei um eine wesentlich komplexere Art von Informationen handelt. Die Wahl der Informationstiefe liegt somit bei den NutzerInnen, und die Gefahr, dass AnfängerInnen von einer Informationsflut abgeschreckt werden, ist geringer. Auch auf der Mikro-Ebene, d.h. innerhalb der Knoten, ist die Verständnisschwelle für Uneingeweihte niedrig angesetzt. Die anfängerfreundliche Konzeption der offiziellen WoW- Guides spiegelt sich auch in den sprachlichen Merkmalen der einzelnen Text-Module wider. Verglichen mit anderen Internet-Guides zum Thema WoW verzichten die Guides auf der offiziellen Webseite weitgehend auf MMOG-spezifische Fachausdrücke oder erläutern diese zu Beginn eines Themenabschnitts (vgl. Abb. 10 und Abb. 11). 114

120 Abbildung 10: Erläuterung der Ausdrücke PvE, PvP, PvE-RP und PvP-RP 115

121 Abbildung 11: Erläuterung der Ausdrücke Tank, Heiler und Schadensverursacher Es ergibt Sinn, dass die Betreiber von WoW auf ihren offiziellen Seiten potentielle KundInnen nicht durch die Verwendung von Fachausdrücken abschrecken wollen, die nur Eingeweihten verständlich sind. Die offiziellen Guide-Seiten sind einsteigerfreundlicher als viele der im Netz erhältlichen, von erfahrenen SpielerInnen für ebensolche LeserInnen erstellten Guides. Dafür gehen erstere aber auch nicht auf die taktischen Feinheiten und hochkomplexen Problemstellungen ein, mit denen sich viele Guides aus SpielerInnenhand befassen. Die offizielle WoW-Webseite ist das Ergebnis eines sehr sorgfältigen Design- und Formulierungsprozesses mit der Intention, die Elemente und Grundprinzipien des Spiels optimal zu kommunizieren, ohne besondere Vorkenntnisse vorauszusetzen. Von 116

122 besonderem Interesse ist bei der Betrachtung dieser Webseite und besonders der Guides, welche Begriffe und Formulierungen dabei aus der Community übernommen werden, anstatt ursprünglich von den Designern durch Verwendung in den spielinternen Texten geprägt wurden. Die Designer des Spiels haben naturgemäß eine potenziell herausragende Position zur Beeinflussung des spielrelvanten Vokabulars, da sie u.a. bei der Programmierung des Grund-Programms sowie durch regelmäßige Updates und Erweiterungen bestimmen, welcher Text in welchem Format im Spiel vorkommt. Dieser Text wird aber nur zu einem gewissen Grad von der SpielerInnenschaft direkt als Vorlage übernommen, wenn über Spielinhalte kommuniziert wird. Die praktischen Bedürfnisse, Vorlieben, kommunikativen Rahmenbedingungen u.ä. der SpielerInnen bestimmen vielmehr, welche Teile des Wortschatzes direkt, welche verändert und welche gar nicht übernommen werden. Der umgekehrte Fall, dass die Betreiber von WoW Lexeme aus dem Sprachgebrauch ihrer KundInnen übernehmen, die vorher nicht Teil des offiziellen Vokabulars waren, ist auf der Blizzard-Webseite u.a. im Fall der Begriffe Tank, Heiler und Schadensverursacher zur Beschreibung der ikonischen taktischen Rollen in WoW zu beobachten (bzw. die auf der englischsprachigen Webseite die Varianten Tank, Healer und Damage Dealer, die ebenfalls unter deutschsprachigen SpielerInnen sehr verbreitet sind). Die Übernahme von offizieller Seite vermittelt den Eindruck, dass diese Lexeme zur Abbildung und Kommunikation der tatsächlichen Spielpraxis besonders geeignet sind und diese Tatsache von den DesignerInnen im Nachhinein erkannt wurde. In einer offiziellen englischsprachigen Spielanleitung von Blizzard Entertainment (2004) findet sich der Eintrag Tank lediglich in einem Glossar mit common terms and acronyms used all the time in chat in World of Warcraft (Blizzard Entertainment (2004: 192)) nicht aber im Haupttext, der die Grundprinzipien des Spiels für AnfängerInnen darlegt. Im Gesamt-Kontext der Guide-Benutzung innerhalb der Spielgemeinschaft haben die auf der offiziellen Seite angebotenen Guides nur eine vergleichsweise begrenzte Bedeutung, da sie sich quasi ausschließlich an AnfängerInnen wenden. Fortgeschrittene SpielerInnen müssen die darin beschriebenen Inhalte bereits verinnerlicht haben, um im Spiel überhaupt mithalten zu können und müssen immer die neuesten Entwicklungen und Erweiterungen des Spiels meistern, die von den offiziellen Guides nicht erfasst werden. Die in den offiziellen Guides verwandte Sprache ist aber ein guter Indikator dafür, welche Aspekte der von der SpielerInnengemeinschaft verwendeten Sprache besonders fest etabliert sind, denn die 117

123 AutorInnen der offiziellen Guides haben einerseits ein Interesse daran, das AnfängerInnen- Publikum nicht mit Jargon abzuschrecken und andererseits die essentiellen Spiel-Grundlagen klar und effizient zu bezeichnen. Auf der formalen Ebene sind die offiziellen Anleitungen ein gutes Beispiel dafür, welche Möglichkeiten das Hypertext-Format zur Gliederung und Darstellung der Spielstruktur bietet, da Blizzard das volle Spektrum an multimodalen Gestaltungsoptionen nutzt und miteinander verlinkt: herkömmliche Textpassagen, interaktive Grafiken und Tabellen, Datenbanken, Kommentarfunktionen etc. Diese multimedialen Bestandteile ermöglichen es außerdem, den visuellen Stil der grafischen Benutzeroberfläche des Spiels auch auf der Webseite zu verwenden, wodurch die kognitive Übertragung von Informationen aus dem Guide ins Spiel erleichtert wird. Anders als die offiziellen Guides unterliegen die meisten von SpielerInnen erstellten Guides nicht der Beschränkung, dass sie für AnfängerInnen verständlich sein müssen (es sei denn, der/die AutorIn erlegt sich diese selbst auf). Als Beispiel für eine Fan-betriebene Guide-Seite soll nachfolgend die Webseite Ready 4 Raiding 22 dienen. Autor/Betreiber Olle bietet dort aufwendig gestaltete Text- und Videoguides kostenlos an. 22 Zu erreichen unter (zuletzt besucht ) 118

124 Abbildung 12: Startseite der Website Ready 4 Raiding mit Instanzen-Übersicht Wie der Name der Seite bereits andeutet wenden sich die Guides spezifisch an Raidgruppen, indem sie Instanzen, darin vorkommende Mobs und Bosse, optimale Taktiken, Gruppenzusammenstellungen und zu erbeutende virtuelle Gegenstände beschreiben. 23 Die Einstiegsseite von Ready 4 Raiding wird dominiert von einem zentralen Bereich, in dem linker Hand Text-Guides als Links aufgelistet werden, rechter Hand Video-Guides (letztere sollen an dieser Stelle ausgeklammert bleiben, da ihre Analyse ein eigenständiges Projekt erfordert). Für jede Instanz wird eine eigene Auswahl angeboten, die nach den Namen der darin auftauchenden Boss-Gegner geordnet ist. Die Ansicht wechselt ohne Zutun von NutzerIn zyklisch durch die Instanzen-Listen und fungiert so als Gesamtübersicht über die verfügbaren Guides (siehe Abb. 12). Ein Klick auf einen der Links führt von der Übersicht weg auf eine neue Seite, die ganz der fraglichen Instanz gewidmet ist. Am oberen Rand der Einstiegsseite befindet sich eine Navigationsleiste, die weiterhin Zugang zum gesamten Guide-Angebot bietet. Ganz ähnlich wie auf der offiziellen WoW-Seite dient auch hier eine Menüleiste am Kopf als Übersicht und Direktzugang zu allen Unterseiten; diese Menüs werden automatisch eingeblendet, wenn 23 Neben WoW bietet Ready 4 Raiding auch Anleitungen für das MMOG Star Wars: The Old Repulbik an.. 119

125 NutzerInnen die Maus über die entsprechende Kategorie bewegen (Abb. 13 zeigt ein solches Menu geöffnet über dem Schriftzug Drachenseele ). Abbildung 13 Unterbereich für die Instanz Drachenseele auf Ready 4 Raiding Folgt man Storrers Empfehlung und nimmt eine Unterteilung von Ready 4 Raiding anhand thematischer Gesichtspunkte vor, so fällt auf jede Instanz jeweils ein Hypertext, der sämtliche Bestandteile dieser Instanz abdeckt. Auf der obersten Ebene der instanzenspezifischen Hypertexte sind zunächst in mehreren Abschnitten allgemeine Informationen aufgeführt: - Die Einleitung fasst zusammen, wie viele Boss-Gegner in einer Instanz warten, für welche SpielerInnengruppen sie geeignet ist und wie wertvoll die zu gewinnende Beute in etwa ist. - Der Abschnitt Geschichte erläutert, welche Bedeutung die Instanz in der Rahmenhandlung des Spiels hat. - Ausrüstungsanforderungen gibt Hinweise dazu, ob SpielerInnen spezifische virtuelle Gegenstände für die Bewältigung der Instant benötigen. - Der Weg zur Instanz ist eine Wegbeschreibung, um den Eingang der Instanz in der virtuellen Landschaft zu finden. 120

126 - Beute listet detailliert auf, ob und welche besonderen Gegenstände in der Instanz gefunden werden können. Der Text selbst bleibt bei der Beschreibung auf einem relativ oberflächlichen Informationsgrad: Virtuelle Gegenstände beispielsweise werden aufgelistet, ihre genaue Funktionsweise aber wird nicht erläutert. Stattdessen wird an dieser Stelle von den Möglichkeiten interhypertextueller Verknüpfung Gebrauch gemacht. Bewegt man die Maus über den Namen eines Gegenstandes, so wird ein Fenster mit detaillierten Charakteristika eingeblendet, die aus der externen Datenbank Wowhead 24 übermittelt werden. Abb. 14 zeigt diese Funktion in der Praxis: Die Detail-Informationen über einen Gegenstands namens Uraltes versteinertes Samenkorn erscheinen in einem kleinen Fenster (rechte Seite), das temporär den Text überlagert, ohne dass der Link geklickt werden muss. Diese Art von Link wird als Inline Link bezeichnet. Abbildung 14: Gegenstands-Informationen aus der externen Wowhead-Datenbank werden in einem Fenster eingeblendet Ein Klick auf den Link wechselt bei Bedarf auf die entsprechende Seite der Wowhead- Datenbank, auf der i.d.r. noch ausführlichere Informationen warten. Eine Instanz ist meist anhand der vorhandenen Boss-Gegner in Teilbereiche gegliedert. Abhängig vom jeweiligen Schwierigkeitsgrad und dem Können der Raidgruppe kann die Überwindung eines einzelnen Boss-Gegners mehrere Stunden dauern, da oft mehrere Anläufe benötigt werden. Viele Instanzen sind daher zeitlich nicht an einem einzigen Termin komplett zu bewältigen. Jeder größere Fortschritt innerhalb einer Instanz i.d.r. das 24 Zu erreichen unter (zuletzt besucht ) 121

127 Besiegen eines Boss-Gegners wird deshalb gespeichert in Form einer sog. Raid ID, die den TeilnehmerInnen des Raids temporär zugeteilt wird. Inhaber einer entsprechenden Raid ID können das Spiel verlassen und zu einem späteren Zeitpunkt an der Stelle weitermachen, an der der letzte Boss-Gegner besiegt wurde (nach einem bestimmten Zeitraum, z.b. einer Woche, verliert eine Raid-ID allerdings ihre Gültigkeit und die Instanz muss von vorn begonnen werden). Eine Instanz ist also aus mehreren relativ eigenständigen Elementen (sprich: Bossgegnern) aufgebaut, die jeweils als eigenständige Teil-Aufgabe in Angriff genommen werden können. Die Instanz als Ganzes bildet einen räumlichen und narrativen Rahmen für die jeweils in sich abgeschlossenen Boss-Kämpfe. Dazu gehört u.a. ein übergreifender architektonischer/visueller Stil wie z.b. eine Ruinenstadt oder eine verlassen Mine und dazu passende Mobs, welche die Instanz neben den Boss-Gegnern bevölkern. Das Hypertext-Format ist zur Beschreibung dieser Struktur ideal geeignet, denn erstens können Knoten und Links den Instanzen-Aufbau aus räumlich und logisch separaten Boss- Kämpfen, die durch ein übergreifendes Theam verbunden sind, wirklichkeitsnah abbilden. Zweitens kann die Fülle an taktischen Alternativen zur Bewältigung der Boss-Kämpfe sehr gut durch mehrfachsequenzierte Hypertexte abgebildet werden, die variable Lesepfade ermöglichen, den gerade diese Auswahl an taktischen Optionen zwsichen verschiedenen Charakteren macht für einen Großteil der SpielerInnen den Reiz des Raidens aus. Die wichtigsten Kategorien der Instanzen-Guides auf Ready 4 Raiding sind jene, die die einzelnen Boss-Gegner erläutern. Diese sind per inter-knoten-links von der obersten Hypertextebene zu erreichen. Als konkretes Beispiel soll nachfolgend der Guide für den Boss-Gegner Kriegsmeister Schwarzhorn in der Instanz Drachenseele dienen (Olle (2011)). Wie alle Boss-Gegner in dieser Instanz ist Kriegsmeister Schwarzhorn für Charaktere auf sehr hohen Stufen ausgelegt. Der Boss-Gegner kann entweder mit Gruppen von 10 oder 25 TeilnehmerInnen in Angriff genommen werden, wobei 25er-Gruppen noch die Wahl eines besonderen heroischen Schwierigkeitsgrades haben. Der Boss-Kampf findet auf einem fliegenden Schiff statt, welches von dem auf einem Drachen reitenden Kriegsmeister Schwarzhorn sowie seinen Entertruppen angegriffen wird. Ziel der SpielerInnen ist es, den Kriegsmeister und optional seinen Drachen zu besiegen und dabei zu verhindern, dass das Schiff von diesen Gegnern zum Absturz gebracht wird. 122

128 Der Guide zu diesem Boss-Kampf ist formal in folgende Abschnitte geteilt: - Die Einleitung gibt eine kurze Zusammenfassung der Besonderheiten des Boss- Kampfes. - Unter Gruppenzusammenstellung wird erläutert, welches Verhältnis aus Tanks, Heilern und Schadensverursachern in der Raidgruppe herrschen sollte. - Boss-Fähigkeiten listet alle Fähigkeiten auf, die der Boss-Gegner im Laufe des Kampfes einsetzen kann. Die einzelnen Fähigkeiten sind per Inline Links mit der Wowhead-Datenbank verknüpft, d.h. Inhalt und Format werden aus dieser Datenbank übernommen. - Begleiter-Fähigkeiten listet die Fähigkeiten sonstiger Mobs auf, die im Kampf neben dem Boss auftauchen können. Auch diese sind mit der Wowhead-Datenbank verlinkt. - Der Abschnitt Strategie beschreibt detailliert den Ablauf des Kampfes und die zu jedem Zeitpunkt nötigen taktischen Schritte. - Patch Änderungen führt auf, ob und welche Veränderungen an der Struktur des Kampfes durch Programm-Updates vorgenommen wurden, da diese deutlich spürbare aber schwer zu erkennde Auswirkungen auf die Anwendbarkeit von Taktiken haben können. Diese Abschnitte sind alle Teil des gleichen Knotens und per Scrollen des Textes erreichbar. Am Kopf des Textes befinden sich drei Schaltflächen, mit denen NutzerInnen durch die Varianten 10er-Gruppe, 25er-Gruppe und 25-Gruppe (heroisch) wechseln können. Ein Klick auf eine dieser Flächen verändert den Text in allen Abschnitten ohne den Knoten zu wechseln so, dass der Inhalt der entsprechenden Gruppengröße bzw. dem Schwierigkeitsgrad entspricht. Der digitale (Hyper-)Text zeigt hier seine Fähigkeit, den Text an einen intendierten Lesepfad anzupassen. In herkömmlichen Texten müssen LeserInnen im Zweifelsfall die für sie interessanten Elemente an verschiedenen Stellen im Textverlauf suchen, während ein digitaler Text wie in diesem Fall die variablen Informationen an der gleichen Position im Text unterbringen und den Wechsel per Mausklick in die Hand der LeserInnen legen kann. Zusätzlich zum Haupttext bietet der Guide auch Links zu Videoguides sowie Bildschirmfotos des Bosskampfes. Zudem befindet sich neben dem Text eine Liste der möglichen Beute-Gegenstände. Wie schon im übergeordneten Instanzen-Guide fungieren 123

129 auch hier die Namen der Gegenstände als Inline Links mit Informationen aus der Wowhead- Datenbank. Gleiches gilt für die Namen der Boss- und Begleiterfähigkeiten in den entsprechenden Abschnitten des Haupttextes. Im Fall der Fähigkeiten-Beschreibungen wird der gleiche Text, der durch die Inline Links eingeblendet wird, auch als normaler Text im Knoten wiedergegeben. Diese Information erscheint redundant, die Wowhead-Information haben aber den Vorteil, dass sie regelmäßig aktualisiert werden und auch mögliche Updates berücksichtigen. Abb 15 zeigt sowohl das Text-Fenster eines Inline Links als auch den entsprachenden Text im Guide man beachte die geringfügigen Abweichungen zwischen den Zahlenwerten. Ohne Inline Link (oder vergleichbare Hypertext-Optionen) müsste der Autor des Guides regelmäßig die durch Updates veränderten Daten per Hand korrigieren, um alle Guides auf dem neuesten Stand zu halten. Abbildung 15: Fähigkeitbeschreibung mit inline link Die verwendete Lexik ist deutlich auf erfahrene SpielerInnen ausgerichtet und setzen entsprechendes Vorwissen ohne Erklärung voraus. Ausdrücke wie stapelbar und Abklingzeit haben eine spezielle Bedeutung innerhalb der Spielmechanik, die im Guide nicht extra erläutert wird. Für erfahrene SpielerInnen gehören diese Ausdrücke zum Standardvokabular bei der Beschreibung von Fähigkeiten, auch in Gesprächen von Angesicht zu Angesicht. Eine Quelle wie die Wowhead-Datenbank nimmt in diesem Zusammenhang offensichtlich eine potenziell sehr einflussreiche Position ein: Die Verwendung von Inline Links in populären Guides sorgt dafür, dass Wortschatz und Formatierung der von der Datenbank bereitgestellten Textelemente besonders viele SpielerInnen erreichen. Für fortgeschrittene SpielerInnen ist es selbstverständlich, Spielelemente wie z.b. Charakter- oder Boss- Fähigkeiten als eine Formel aus Zahlenwerten zu repräsentieren, so wie es in Abb. 15 der Fall ist. 124

130 Für weniger leistungsorientierte SpielerInnen reicht eine relative Effizienzbeschreibung von Gegenständen und Fähigkeiten meist aus, wichtig ist in diesem Fall nämlich, ob ein Gegenstand/eine Fähigkeit besser ist als der/die vorherige, nicht die exakten Zahlenwerte. Im fortgeschrittenen Spiel und insbesodere beim Raiden hingegen sind gerade exakte Zahlenwerte und Formeln erwünscht, um die unzähligen zur Optimierung zur Verfügung stehenden Variablen einschätzen zu können. Selbst SpielerInnen, die persönlich nicht daran interessiert sind, ihren Charakter unbedingt zu optimieren, sind im Raid-Kontext im Interesse der Gruppe dazu veranlasst, die beste Leistung aus dem Charakter herauszuholen. Die meisten Raidgruppen verwenden spezielle Mod-Programme, um im Einsatz die Leistung der Charaktere in Form von Zahlenwerten sichtbar zu machen und zur Auswertung zu sammeln. Eine der wichtigsten Einheiten sind dabei die dps (damage per second), also Schaden pro Sekunde. Egal, wie fantasievoll betitelt und grafisch eindrucksvoll dargestellt eine Charakter- Fähigkeit im Spiel ist, letztlich wird ihre Effizienz auf die dps oder das Heilungs-Äquivalent hps heruntergebrochen. Selbst Fähigkeiten, die gar keinen Schaden verursachen, beeinflussen i.d.r. durch temporäre Veränderung der Charakterwerte die dps. Die Diskussion dieser Werte hat daher einen festen Platz in der Kommunikation von SpielerInnen, die aktiv am Raiden teilnehmen, und dieses Bedürfnis muss von den passenden Guides entsprechend bedient werden. Tatsächlich sind die Boss-Kämpfe im hochstufigen Spielbereich vom Schwierigkeitsgrad her so angelegt, dass sie kaum ohne Kenntnis der eines Guides bewältigt werden können. Als weitere Beispiele sollen die folgenden Auszüge aus einem anderen Guide des gleichen Autors dienen. Diese sind auf der Webseite 25 Hordeguides zu finden, die aber vom Format her quasi identisch ist mit ready 4 raiding, inklusive der Unterteilung des Haupttextes und der Einbindung von inline links von der Wowhead-Datenbank (MMOG-spezifische Lexik wurde nachträglich fett markiert): (1) Ignis ist zweifellos kein einfach zu bezwingender Gegner. Besonders das Überleben des Main-Tanks wird durch Ignis Schläge unter Einfluss der Stärke des Schöpfers sehr waghalsig. Zwei Eiserne Konstrukte erzeugen einen 30% Schadenserhöhungsbuff, der beim Tank schon mal er Treffer anrichtet. 25 Zu finden unter 125

131 (2) Alle Spieler müssen auf den Einsatz der Flammenstrahlen achten. Ignis wirkt diesen Zauber ca. 2,7 Sekunden lang. Jeder Spieler, der am Ende der Wirkungszeit noch einen Zauber wirkt, erhält eine achtsekündige Sperre auf diese Magieschule. Das darf besonders den Heilern nicht passieren, da die Flammenstrahlen neben einem Stoß in die Luft auf jedem Spieler einen Dot hinterlassen, der über acht Sekunden Schaden pro Sekunde anrichtet. Zusammen mit dem Initialschaden erleidet hier also jeder Spieler ca Schaden. Aus diesem Grund sollte der Zauber per Sprachchat von einem Spieler angesagt werden. (3) Sobald der Tank das Konstrukt an sich gebunden hat, zieht er es in die gigantische Flammensäule des Verbrennen-Effektes. In diesem erhitzt sich das Eiserne Konstrukt. Ist der Hitze Buff 10-mal gestapelt, wird es "geschmolzen". In diesem Moment findet ein Hasslisten-Reset statt. Der Tank muss also acht geben, wenn er versucht das Konstrukt in eines der Wasserbecken zu ziehen. Dort angelangt wird das Konstrukt durch die Kälte des Wassers automatisch betäubt und "spröde". In dieser Form ist es anfälliger für kritische Treffer. Ein einzelner Spieler mit hohem Krit-Schaden kann es nun zerfeuern. Zum Tod ist nur ein einziger Treffer nötig, der mehr als Schaden erzielt. Olle (2009) Die markierten Lexeme sind in ihrer vollen Bedeutung nicht ohne Vorwissen oder zusätzliche Rahmeninformationen zu entschlüsseln. Sie lassen sich in zwei Gruppen unterscheiden: Stärke des Schöpfers, Flammenstrahlen und Verbrennen-Effekt beschreiben Elemente, die spezifisch im Rahmen des Ignis-Kampfes eine Rolle spielen. Ihre Bedeutung erfahren LeserInnen aus dem Boss- bzw. Begleiter-Fähigkeiten-Abschnitt im gleichen Guide die Werte davon stammen wiederum aus der Wowhead-Datenbank. Ohne Kenntnis dieser zusätzlichen Quellen ist ihre Bedeutung im Guide nicht aufzuschlüsseln. Erfahrenen SpielerInnen ist bekannt, dass sich hinter diesen Begriffen spezifische Formeln verbergen. Ein Lexem wie Flammenstrahlen ist zwar insofern motiviert, dass es ein Bild von der äußeren Beschaffenheit der Boss-Fähigkeit hervorruft, es gibt aber keine Auskunft darüber, wie sich die Fähigkeit auf dem Spielfeld räumlich verhält und in welcher Weise es die Zahlenwerte der Spielmechanik verändern kann. Die zweite Gruppe von Lexemen bezeichnet grundsätzliche Aspekte des Spielsystems von WoW und MMOGs im Allgemeinen, die unabhängig vom konkreten Boss-Kampf in vielen Situationen eine Rolle spielen: Magieschule, Heilern, Dot, Initialschaden, Tank, Hitze-Buff, gestapelt, Hasslisten-Reset, kritische Treffer, Krit-Schaden. Sie bezeichnen größtenteils Genrekonventionen, die von WoW übernommen wurden und die praktisch zum Grundwortschatz der SpielerInnen gehören. Ihre Bedeutung kann teilweise aus dem Kontext 126

132 gefolgert werden, ein anderer Teil muss durch die Kommunikation mit anderen SpielerInnen erlernt werden. Ein wichtiger Unterschied zwischen beiden Begriffs-Gruppen ist, dass die erste Gruppe grundsätzlich für jeden neuen Bosskampf und den entsprechenden Guide neu geprägt wird: Jeder Boss hat ein eigenes Set an Fähigkeiten. Daher muss der Guide diese im Text mit auflisten, wie im vorherigen Beispiel im Abschnitt Boss-Fähigkeiten. Die Begriffe der zweiten Gruppe hingegen werden als Teil des Grundwissens von WoW-SpielerInnen als bekannt vorausgesetzt. Beide Gruppen sind gemeinsam fester Bestandteil der Sondersprache des Raidens, aber die Begriffe der ersten Gruppe müssen nur so lange Teil des mentalen Lexikons der TeilnehmerInnen sein, wie diese sich mit dem spezifischen Boss befassen. Eine Besonderheit der vorgestellten Guides auf ready 4 raiding und Hordeguides ist, dass in diesen konsequent deutschsprachige Varianten von Fachbegriffen verwendet werden, sofern solche Varianten existieren. Bezogen auf die offiziellen Namen von Spielinhalten wie Gegenständen, Boss-Gegnern, Orten etc. hat dies einen praktischen Grund: Schreibweise ist durch die Darstellung im Spiel exakt vorgegeben und dient so auch als eindeutiger Such- Schlüssel zu Informationen in Datenbanken wie Wowhead. Ready 4 raiding gibt daher in den meisten Fällen sowohl die deutsche als auch die englische Variante an (vgl. Abb. 15), da beide gleichermaßen in der SpielerInnenschaft gebräuchlich sind. Etwas anders verhält es sich mit Begriffen, die oben in Gruppe zwei eingeordnet wurden und die in den wenigsten Fällen der offiziellen Feder (oder wohl eher Tastatur) entspringen. Für die Bezeichnung des gleichen Phänomens gibt es zwar auch hier oft eine deutsche und eine englische Variante, dazu aber auch in vielen Fällen eine oder mehrere gebräuchliche Kurzformen. Die Unterscheidung in Deutsch/Englisch hängt hier nicht von der verwendeten Sprachversion des Spiels ab, sondern schlicht von der Gebräuchlichkeit der Variante innerhalb der SpielerInnenschaft. Ob eine spezifische Variante bespielsweise innerhalb einer bestimmtenen Gilde bevorzugt verwendet wird, könnte u.a. davon beeinflusst werden, dass der/die für die Taktik-Planung verantwortliche SpielerIn bevorzugt einen bestimmten Guide verwendet, von dem das Vokabular übernommen wird. Im größeren Maßstab gilt dies auch für die Community als Ganzes wobei sich der Einfluss hier natürlich auf viel mehr unterschiedliche Quellen und Text-Formate verteilen wird. 127

133 In den oben aufgeführten Beispielen (1) bis (3) sind die einzigen Begriffe mit englischsprachigen Elementen Main-Tank sowie Dot (Kurzform von damage over time, d.h. ein Effekt, der Schaden über einen bestimmten Zeitraum hinweg verursacht), da wie gesagt die ready 4 raiding/hordeguides Guides konsequent den vorhandenen deutschen Varianten den Vorzug geben. Wie stark der Einfluss englischsprachigen Guides quantitativ auf den Wortschatz deutschsprachiger WoW-SpielerInnen ist, kann zurzeit über anekdotische Beobachtungen hinaus nur spekulativ beantwortet werden dafür wäre eine groß angelegte Untersuchung mit statistischer Auswertung von Guides und Community-Foren notwendig. Da auch die Verwendung von Guides einen festen Platz im Spielprinzip von WoW hat, würde eine SpielerIn auf wenig Verständnis unter den MitspielerInnen stoßen, wenn er/sie keine Guides verwenden wollte. Spätestens im Raid-Kontext spielt man nicht nur für sich selbst, sondern für ein Team. Soziale Netze wie Gilden vermitteln an ihre Mitglieder daher auch mehr oder weniger spezifische Verwendungspraktiken bezüglich Guides zur Vorbereitung. Neben spezifischen empfohlenen Textquellen zählt dazu auch der Spezialwortschatz, der zu ihrem Verständnis nötig ist. Ein großer Anteil dieses Wortschatzes wird wie zuvor schon erklärt nicht ím Spiel selbst oder in begleitenden offiziellen Texten des Betreibers von WoW verwendet. Sie müssen durch Kommunikation mit der Community erlernt werden, sei es in allgemeinen Community-Foren, in Gilden-Foren, aus anfängerfreundlichen Guides oder im direkten Spiel mit hoffentlich geduldigen MitspielerInnen. Guides im klassischen Webseiten-Format, wie sie in diesem Kapitel beschrieben wurden, spielen im Gesamtzusammenhang wegen ihrer großen Verbreitung und ihrer vielfältigen Verlinkung mit heterogenen Kontexten wie Foren, Datenbanken und dem Spiel selbst eine herausragende Rolle. Eine Beschreibung der tatsächlich praktizierten Sprache von WoW-SpielerInnen muss diese Guides auf jeden Fall berücksichtigen, da sie ein fester Bestandteil der Spielpraxis sind Wikis Ein Wiki ist ein Hypertext-System zur Texterstellung, bei dem RezipientInnen jederzeit mit geringem Aufwand in die ProduzentInnenrolle wechseln können, um Änderungen im Text vorzunehmen. Die wohl bekannteste Anwendung des Wiki-Prinzips ist die online- Enzyklopädie Wikipedia (s. Abb. 16). 128

134 Abbildung 16: Artikel zum Thema World of Warcraft in der deutschsprachigen Wikipedia Der Vorteil eines Wiki liegt darin, dass eine Vielzahl von AutorInnen kooperativ an der Erstellung eines Textes arbeiten kann. Idealerweise soll diese Beteiligung erstens eine große Menge an Wissensständen bündeln, zum zweiten soll die Wachsamkeit der Gemeinschaft Fehlinformationen und Textvandalismus, d.h. destruktiven Mißbrauch der Bearbeitungs- Option aufspüren und korrigieren. Teil des Funktionsprinzips ist, dass ein Wiki nach jeder Veränderung die jeweilige Version des Textes speichert und es so möglich ist, zu früheren Versionen zurückzukehren. Veränderungen, die von der Mehrheit unerwünscht sind, haben also keine große Lebenserwartung. Langfristig werden nur jene Elemente in einen Artikel eingefügt und nicht revidiert, die die Zustimmung der Mehrheit finden. Zur Koordination der Gemeinschaftsarbeit und um sich über mögliche Änderungen auszutauschen, verfügt jeder Artikel in einem Wiki-System über eine Diskussionsseite, die von jedem Artikel aus über einen Link am oberen Bildrand namens Diskussion erreicht werden kann. Diese bietet ähnliche Möglichkeiten wie ein Webforum: TeilnehmerInnen können Beiträge unter einer Überschrift hinterlassen oder auf bestehende Beiträge reagieren. Zusammenhängende Beiträge werden durch Einrücken des Textes markiert. Jedem Beitrag werden Name des Autors/der Autorin und das Veröffentlichungsdatum automatisch hinzugefügt. Anonyme Beiträge werden mit der IP-Adresse versehen (s. Abb. 17). 129

135 Abbildung 17: Ausschnitt der Diskussionsseite des Artikels World of Warcraft auf der deutschsprachigen Wikipedia Je höher das Interesse an einem Artikel und je größer somit die Anzahl potenzieller TextbearbeiterInnen ist, desto stärker wird folglich auch die Diskussionsseite verwendet. Schließlich hat eine Textvariante nur dann eine Überlebenschance, wenn sie unter den BearbeiterInnen auf genug Akzeptanz stößt, um nicht direkt wieder entfernt zu werden. Die Erstellung einer Enzyklopädie ist nur eine Verwendungsmöglichkeit von vielen für ein Wiki. Auch im Umfeld von WoW kommen Wikis zum Einsatz. Gemeinschaften wie z.b. Gilden können diese für unterschiedliche Aspekte ihrer Kommunikation verwenden. Wie die Beschreibung eines Gildenforums (vgl. Kapitel 2.6.) zuvor zeigte, kann auch ein Webforum für gemeinschaftliche Textproduktion verwendet werden. Textelemente mit relevanten Informationen werden im Thread zusammengetragen und dann in den Ausgangs-Post integriert, üblicherweise von der/vom Ursprungs-AutorIn. In einem Wiki fällt im Vergleich zum eben beschriebenen Prozess allerdings ein Arbeitsschritt weg: Alle AutorInnen sind gleichberechtigt und können Änderungen direkt im Text vornehmen, es gibt keinen Ursprungs-AutorIn, die die Aufnahme von Textelementen kontrolliert. Zudem wird die mögliche Kommunikation über Änderungen im Wiki auf eine getrennte Seite verlagert. EinE AutorIn kann diese Kommunikation zwar auch genz überspringen, allerdings senkt das die Chancen auf Akzeptanz der Änderungen durch andere Beteiligte. 130

136 Während in Foren die Erstellung eines gemeinschaftlichen, zusammenhängenden Textes eher nicht durch das technische Design ursprünglich vorgesehen ist, sind Wikis von Grund auf spezifisch für diesen Zweck optimiert. Eine Gilde wird ein Wiki i.d.r. nur dann verwenden, wenn die Erstellung zusammenhängender Textdokumente klare Intention ist, und die Kommunikation über die Inhalte Nebensache. In einem Forum können Guide-Texte durchaus auch ungeplant aus einem dialogischen Thread heraus entstehen. Ein Wiki aber wird am ehesten dann verwendet, wenn von vornherein als Produkt ein dauerhafter Text für ein möglicherweise öffentliches Publikum vorgesehen ist. Wikis ermöglichen im Gegensatz zu Foren zudem eine flexiblere und bequemere Gliederung und Formatierung mittels intraund intertextueller Links sowie die Indexierung der gesammelten Artikel. Wikis werden von diversen Gruppierungen und Einzelpersonen innerhalb WoW- Gemeinschaft betrieben, die sich z.b. rund um populäre Community-Webseiten gebildet haben. Der Zweck dieser Textsammlungen ist variabel: Manche Wikis dienen dazu, die Errungenschaften und Erlebnisse einer spezifischen Gruppe von SpielerInnen ähnlich einer Chronik zu dokumentieren, viele andere behandeln Aspekte der Spielwelt, des Spielsystems und/oder erfolgreiche Spielstrategien. Die folgenden Beispiele zeigen verschiedene Wikis, die sich auf unterschiedliche Weise mit dem Thema WoW befassen. 131

137 Abbildung 18: Startseite des Forscherliga-Wiki Das in Abb. 18 gezeigte Forscherliga-Wiki wird von SpielerInnen eines gleichnamigen deutschsprachigen WoW-Servers betrieben. Forscherliga ist ein Rollenspielserver, d.h. von allen SpielerInnen auf diesem Server wird erwartet, ihr gesamtes spielerisches Verhalten so zu gestalten, dass sie ihren Charakter glaubwürdig verkörpern, ähnlich einem Charakter in einem Theaterstück. Deutlich wird dies vor allem im Sprachgebrauch: Es ist verpönt, (öffentlich) Sprache zu verwenden, die nicht zu einem Bewohner der pseudomittelalterlichen Spielwelt passt, z.b. in Form von Ausdrücken moderner Umgangssprache, aber eben auch der normalerweise unter SpielerInnen allgegenwärtigen Fachterminologie, mit der die Spielmechanik verbalisiert wird. Da die Spielmechanik Teil der Welt der SpielerInnen ist, ist sie den verkörperten Charaktere so unbekannt wie einer Filmfigur die Tatsache, dass sie Teil eines Films ist. Neben der Wortwahl ist auch auf die Gesprächsthemen zu achten, denn auch diese sollen so weit wie möglich der imaginierten Erfahrungswelt des Charakters entspringen, nicht der des Spielers/der Spielerin. Dementsprechend sind öffentliche Diskussionen über Spielmechaniken ebenso zu vermeiden wie solche über Sportereignisse, das Fernsehprogramm o.ä. Für private Gespräche gelten diese Einschränkungen natürlich nicht die Beschränkungen beruhen auf Konsens, nicht Überwachung. 132

138 SpielerInnen auf Rollenspiel-Servern stecken oft viel Mühe in die Erstellung kreativer und glaubwürdiger Hintergründe für ihre Charaktere und interpretieren die Erlebnisse im Spiel als Teil einer kontinuierlichen persönlichen Narration. Viele Gilden führen schriftliche Chroniken von Ereignissen und Errungenschaften (z.b. im Zuge von Raids). Die persönliche Narration wird so auf die Gruppe ausgedehnt, der Zusammenhalt wird gestärkt und die Charaktere bekommen einen selbstgeschaffenen erzählerischen Rahmen zusätzlich zur vorbestimmten Geschichte der Spielwelt selbst., die aus der Feder der Spieldesigner stammt und sich dem Einfluss der SpielerInnen entzieht. Eine Plattform wie das Forscherliga-Wiki erfüllt eben diese Funktion, repräsentiert allerdings nicht eine einzelne Gruppe, sondern vielmehr die SpielerInnenschaft des Rollenspiel-Servers insgesamt. In dem Wiki werden keine Infos über Spielmechanik und Taktiken veröffentlicht, sondern lebhafte Nacherzählungen von aktuellen Ereignissen, Biografien von Spielercharakteren und Nichtspielercharakteren, Teile des narrativen Hintergrundes der Welt von Azeroth, etc. Auf diese Weise entsteht für die SpielerInnenschaft des Forscherliga-Servers eine Art Aufzeichnung ihres gemeinsamen kulturellen Hintergrundes, von dem die eigenen Handlungen und Erlebnisse Teil werden können. Dies erleichtert und intensiviert für viele SpielerInnen die Immersion in der Alternativwelt, und genau dies macht für Fans die Attraktivität von Rollenspielservern aus. Da Rollenspiel-Server einen Sonderfall des MMOG-Spiels darstellen (vgl. Kap ), folgt nun ein Beispiel für ein dem Standard-Spielstil gewidmetes Wiki: 133

139 Abbildung 19: Startseite des WoWWiki Abb. 19 zeigt die Startseite des WoWWiki. Dieses ist Teil des Wiki-Verbundes Wikia. Wikia ist eine Plattform für Wikis über populäre Themengebiete wie Politik, Filme, Videospiele etc. WoWWiki wendet sich mit seinen Inhalten an WoW-SpielerInnen im Allgemeinen, die Artikel behandeln sowohl Themen mit spielmechanischem als auch mit narrativem Fokus. Der folgende Ausschnitt aus dem Artikel zur Charakter-Rasse Blutelf verdeutlicht diesen gemischten Fokus (Hervorhebungen und Fehler im Original): Geschichte Die Hochelfen pflegten jahrtausendelang ihr magisches Königreich in den nördlichen Wäldern von Lordaeron. Vor fünf Jahren fiel die Geißel in ihr geliebtes Reich ein, sie vernichtete beinahe die gesamte Zivilisation. Der bösartige Todesritter Arthas und die Geißel nutzten die Energien des geheimnisvollen Sonnenbrunnen, aus dem die Hochelfen ihre Arkane Energie schöpften, um den den toten Kel thuzad als zauberkundigen Lich wiederzuerwecken. Spezialeigenschaften 134

140 Arkane Affinität (passiv): Verzauberkunst Fertigkeit um 10 erhöht Magiewiderstand (passiv): Alle Widerstände um 5 erhöt Manadurst (aktiv): Entzieht dem Ziel 51 Mana und lädt euch 10 Min. lang mit arkaner Energie auf. Dieser Effekt ist bis zu 3 mal stapelbar. Die Menge des entzogenen Manas beträgt /Stufe - 30m Reichweite - Spontanzauber - 30 Sek. Abklingzeit Eyaron (2010) Nach dem ersten Abschnitt zur Geschichte werden die Spezialeigenschaften aufgeführt sowie deren Auswirkungen in der Spielmechanik. Dabei werden die genauen Variablen und Formeln explizit gemacht, die den Spielablauf steuern. Lexeme wie stapelbar und Abklingzeit sind Teil der Fachterminologie der SpielerInnen und wären in einem Rollenspiel-Kontext verpönt 26. Der zum gleichen Thema geschriebene Artikel auf dem Forscherliga-Wiki (2014b) beispielsweise konzentriert sich ganz auf die Beschreibung der narrativen Hintergründe der Rasse und Eigenheiten wie Architektur, Religion etc. Hinweise auf die Spielmechanik werden vollständig ausgelassen. Eine Beschäftigung mit der Mechanik ist letztendlich aber praktisch unverzichtbar um an bestimmten Aspekten des Spiels erfolgreich teilnehmen zu können. Besonders die taktisch hochkomplexen Anforderungen von Raids sind kaum zu meistern, wenn die Gruppenmitglieder nicht effizient über die Spielmechanik kommunizieren können. Ob RollenspielerIn oder nicht, ambitionierte SpielerInnen kommen früher oder später um die Verwendung von Seiten wie WoWWiki und den Austausch von taktischen Informationen in der Hitze des Gefechts nicht herum. Während Texte mit reinem Rollenspiel-Fokus unter Effizienz-Gesichtspunkten nutzlos sind, sind Guides mit einem ausschließlichen Fokus auf die Mechanik sehr beliebt. Für erfolgsorientiertes Spiel sind letztlich nur die mechanischen Abläufe relevant, alles Weitere ist optional. Um als Ressource gefragt zu sein, muss ein Wiki i.d.r. einen regelmäßigen Zufluss von neuen Artikeln, Erweiterungen und Aktualisierungen haben. Ohne diese Eingriffe verfügt ein Wiki kaum über Vorteile gegenüber anderen Hypertexten im Netz. Beim Thema MMOGs 26 Stapelbar bezeichnet die Eigenschaft eines Spieleffekts, mehrfach auf einem Charakter aktiv sein zu können, wobei die Wirkungsstärke und/oder -dauer verstärkt wird. Abklingzeit bezeichnet die Zeit, die eine Fähigkeit nach Anwendung braucht, bis sie erneut aktiviert werden kann. 135

141 spielt das Hinzufügen und Verändern von Informationen eine besonders wichtige Rolle, da die Spiele sich regelmäßig durch Erweiterungen und Updates wandeln. Die Spielerinnengemeinschaft reagiert traditionell auf jede substanzielle Änderung der Spielmechanik mit ausgiebigen Diskursen über die jeweils optimalen Spielstrategien, die sich daraus ergeben. Ein Wiki sollte mit diesen Veränderungen Schritt halten, um für LeserInnen attraktiv zu bleiben, insbesondere da eine Abnahme der LeserInnenschaft auch zu einer Abnahme potenzieller AutorInnen führt. Deutschsprachige Wikis wie WoWWiki haben bezogen auf ihre Reichweite ein Handicap gegenüber englischsprachigen Wikis, denen ein viel größeres internationales Publikum offen steht. So hat das deutschsprachige WoWWiki innerhalb des Wikia-Verbundes auch ein englischsprachiges Gegenstück. Dem Wikia-Index zufolge hat Mitte 2010 ersteres 226 Seiten mit Einträgen, letzteres Ein anderes Wiki in deutscher Spracher namens WoW- Wiki.net wirbt auf seiner Startseite mit bereits über 1474 interessanten Artikeln (ingame GmbH (2014b: ( ))). Der Unterschied im Umfang ist dabei auf den ersten Blick auch in den Artikeln selbst erkennbar Abb. 20 zeigt den einleitenden Abschnitt des Artikels zum Thema Class (Charakterklasse) im WoWWiki (engl.), Abb. 21 zeigt das Gegenstück zum Thema Klasse im WoWWiki (dt.). Im ersten Beispiel finden sich über 30 blau hervorgehobene Links, die auf weiterführende Artikel innerhalb des Wiki verweisen, in letzterem nur zwei (das Inhaltsverzeichnis wird nicht gezählt, da es nur intratextuelle Links enthält). 136

142 Abbildung 20: Einleitung des Artikels Class im englischsprachigen WoWWiki Abbildung 21: Einleitung des Artikels Klasse im deutschsprachigen WoWWiki Das Ausmaß der Verknüpfung von Artikeln innerhalb eines Wiki beeinflusst das Leseverhalten: Sind viele Stichworte im Text mit Verlinkungen versehen, kann eine LeserIn einen Lesepfad von Link zu Link innerhalb des Wiki wählen, der dem sich ändernden Kenntnis- und Interessenstand entspricht, anstatt nur der Struktur des Start-Artikels zu folgen. Fehlen solche Verlinkungen, so sind LeserInnen auch häufiger gezwungen, Quellen außerhalb des Wiki hinzuzuziehen, wenn der erste Artikel nicht die gewünschten Kenntnisse bieten kann. Im Fall eines Wiki, bei dem englische und deutsche Versionen parallel unter einem Banner existieren, kann als weitere Option jederzeit zwischen den Sprachversionen eines Artikels gewechselt werden, sofern für dieses Stichwort zwei Varianten existieren. 137

143 Englische Artikel sind in dieser weise in Wikis wie WoWWiki als naheliegende Alternative für viele SpielerInnen mit ausreichenden Englischkenntnissen positioniert. Aufgrund der Indexierung der Artikel anhand von relevanten Lexemen werden die LeserInnen dabei auch verstärkt mit dem englischen wie deutschen Fachwortschatz vertraut gemacht. Von den zuvor beschriebenen herkömmlichen Guides im Webseiten-Format unterscheiden sich Wikis in erster Linie durch ihren grundlegenden Fokus darauf, die Schwelle zur Produktion von Text zu senken. Aus reiner RezipientInnen-Sicht haben Wikis formal nicht viel zu bieten, was andere Hypertext-Dokumente nicht auch bieten können. Wikis entfalten ihre Vorzüge dann, wenn sie durch ihre technischen Optionen das Produktionspotenzial einer Gruppe von AutorInnen aktivieren: Sei es in Form von Rollenspiel-Fans, die spannende Geschichten zu einer lebhaften Chronik zusammentragen oder eine große Zahl von spielmechanisch versierten SpielerInnen, deren gebündeltes Know- How mit den neuesten Entwicklungen des Spiels Schritt hält. Die thematische Ausprägung von Wikis ist ebenso vielfältig wie die Gemeinschaften, die sie betreiben. Insofern können auch hier ohne zusätzliche, dedizierte Korpuserstellung an dieser Stelle nur allgemeine Schlüsse gezogen werden, die vor allem den technischen Rahmen, der durch Wikis repräsentiert wird, berücksichtigen. Im Vergleich mit anderen Textund Diskursarten, die als Guides zum Spielen von WoW verwendet werden, lassen sich folgende Beobachtungen festhalten: Auch bei Berücksichtigung der integrierten Diskussionsseite mit ihren Teils lebhaften Diskursen ist die in Wikis verwendete Sprache deutlich schriftlich konzipiert. Besagte Diskussionsseite dient in erster Linie der Konsensfindung unter AutorInnen, nicht als Rückmeldekanal für RezipientInnen im Allgemeinen würde die Diskussion in einem getrennten Web-Forum außerhalb des Wiki-Systems erfolgen, so würde dies an der Konzeption der Artikel voraussichtlich nicht viel ändern. Die schriftliche Konzeption von Wiki- Artikeln drückt sich u.a. in folgenden Merkmale aus: - Wikis wenden sich an ein öffentliches Publikum mit heterogenen Wissensständen. Artikel enthalten deshalb i.d.r. alle zum Verständnis notwendigen Informationen und/oder bieten Links zu entsprechenden Artikeln. Wiki-Artikel sind daher situationsentbunden und haben eine hohe Informationsdichte. Dank dieser Entbundenheit ist 138

144 es auch regelmäßig möglich, dass bestimmte Textabschnitte aus einem Artikel ausgegliedert und einem separaten Stichwort zugeordnet werden, ohne die Textkohärenz nachhaltig zu stören. - Die meisten Wiki-Artikel sind an der Oberfläche aufwändig formatiert. Mit Hilfe von Makros (d.h. Textkürzel, die komplexe Formatierungen in den markierten Abschnitten veranlassen) können AutorInnen verschiedene Schriftgrößen und -arten, grafische Gliederungselemente, Bilder etc. verwenden. Zwar kann ein einzelner Bearbeitungsschritt, wie eine Korrektur der Orthografie, spontan erfolgen, die Textproduktion als Ganzes ist jedoch als vorausgeplant zu beschreiben. Oft erfolgt die Formatierung auch schrittweise zu unterschiedlichen Zeitpunkten und/oder durch unterschiedliche AutorInnen. - Um ein großes Publikum anzusprechen, müssen Wikis in aller Regel eine entsprechend große Autorenschaft haben. Einzelne Artikel haben oft keine/n einzelne/n AutorIn, sondern eine auf den ersten Blick nicht erkennbare Menge an UrheberInnen. Vertrautheit zwischen ProduzentInnen und RezipientInnen als Merkmal mündlicher Konzeption ist daher praktisch ausgeschlossen. Unter den Guides, die von den für die vorliegende Untersuchung beobachteten WoW- SpielerInnen regelmäßig rezipiert werden, waren Wikis als Format insgesamt seltener zu finden als herkömmmliche Webseiten. Die Möglichkeit, produktiv in den Text einzugreifen, ist anscheinend zumindest innerhalb dieser Gruppe wenig relevant. Ein Grund dafür mag sein, dass um ein Wiki auf dem neuesten Stand zu halten und möglichst breites Wissen anzubieten, eine ausreichend große Community unverzichtbar ist. Kleinere Gemeinschaften wie z.b. Gilden sind in vielen Fällen nicht ausreichend, um von den besonderen Eigenschaften eines Wiki zu profitieren. Wikis dienen eher der Aufzeichnung von WoWbezogenem Allgemeinwissen, das einer großen Zahl von SpielerInnen nützlich sein kann, aber eben selten einen gildenspezifischen Bezug hat. Während ein System wie ein Webforum problemlos sowohl kleinen als auch großen Gemeinschaften beim Informationsaustausch dienen kann, bieten sich Wikis aus den beschriebenen Gründen nur für entsprechend große Gemeinschaften an. 139

145 Andere Guide-Formate Angesichts der hypermedialen Möglichkeiten und der immer leichteren Bedienbarkeit der notwendigen Produktions-Technologien existieren natürlich noch viele weitere Formate für Guides im Web. Dass sie hier nur am Rande Erwähnung finden, bedeutet nicht, dass sie weniger relevant sind, sondern vielmehr, dass ihre Analyse wegen der technischen Rahmenbedingungen einer eigenständigen Untersuchung bedarf z.b. im Fall von Guide- Videos. Ein wichtiges Charakteristikum des modernen Worldwide Web des sog. Web 2.0 ist die Verwischung der Grenze zwischen ProduzentInnen und RezipientInnen. Die zunehmende Verbreitung von Breitband-Internetzugängen sowie leicht zu bedienender Produktions- Software macht es immer einfacher, Inhalte in komplexen Formaten zu erstellen und einem breiten Publikum verfügbar zu machen. Dies war lange Zeit professionellen ProduzentInnen vorbehalten. Ein besonders deutliches Beispiel hierfür ist das Videoformat. Internetdienste wie Youtube oder Videobloging-Dienste ermöglichen auch Laien die Veröffentlichung von komplex gestalteten Videos. Selbstverständlich verwenden auch WoW-SpielerInnen das Videoformat zur Kommunikation, insbesondere da ihr gemeinsames Hobby eine starke visuelle Komponente hat, bei der Zeigen oft leichter ist als Beschreiben. Videos bringen eine Reihe von Vor- wie auch Nachteilen mit sich, aus denen sich ihre bevorzugten Einsatzgebiete ergeben. Videos dienen zunächst einmal der Einweg- Kommunikation. Anders als Wikis und Foren bieten Videos von sich aus keine Möglichkeit, Rückmeldungen der RezipientInnen zu erhalten und unmittelbar zu integrieren. Als Ausgleich bieten viele Videoplattformen Kommentarfunktionen, die im Umfeld des Videos platziert sind. Allerdings unterliegen diese eher den technischen Rahmenbedingungen von Foren und sind nicht integraler Bestandteil des Videoformats. In der WoW-SpielerInnengemeinschaft werden Videos für eine Reihe unterschiedlicher Zwecke erstellt. Die Grundlage bildet dabei in den meisten Fällen eine Aufzeichnung des Spielgeschehens aus der Sicht eines/einer TeilnehmerIn. Solche Aufnahmen sind mit kostenlos erhältlichen Programmen auf einem durchschnittlich ausgestatteten PC leicht zu erstellen. Ebenso einfach ist es, die Filme mit zusätzlichen Tonspuren und/oder Grafiken zu versehen. Viele solcher Filme werden des reinen Unterhaltungswertes wegen produziert. Sie zeigen witzige oder ungewöhnliche Ereignisse aus dem Spiel, oft zusätzlich unterlegt mit 140

146 mündlichen oder schriftlichen Kommentaren und Musik. Auch werden oft Spielszenen aneinandergeschnitten und mit Tonspuren versehen, um kurze Geschichten zu erzählen, tagesaktuelle Ereignisse zu persiflieren, Satire zu betreiben etc. Unterhaltsame Videos können dank Plattformen wie Youtube sowie den vielen vernetzten MMOG-Communities schnell Kultstatus erlangen. Die Kenntnis ihrer Inhalte wird dann teilweise auch zu einem Zeichen der Zugehörigkeit in der Gemeinschaft der SpielerInnen, z.b. indem eine SpielerIn in passenden Situationen Zitate aus diesen Videos verwendet. So ist beispielsweise in Raids manchmal der (ironische) Kampfschrei Leeroy Jenkins zu hören. Leeroy Jenkins ist der Titel eines englischsprachigen Videos, welches 2006 große Bekanntheit erlangte (vgl. Leeroy Jenkins (2006)). Es zeigt die Aufzeichnung eines WoW-Raids und die Dialoge der Gruppenmitglieder per VoIP bei der minutiösen Planung der Taktik. Eines der Gruppenmitglieder der Spieler des Charakters Leeroy Jenkins ist während des Vorbereitungsgesprächs noch nicht anwesend. Allerdings ertönt noch während der Besprechung plötzlich die Stimme des nun zurückgekehrten Spielers, der sich prompt entgegen jeglicher Planung mit dem Kampfschrei Leeroy Jenkins mit seinem Charakter ins Kampfgetümmel stürzt. Die restliche Gruppe bleibt einen Moment sprachlos und wird dann von den aufgescheuchten Gegnerscharen überwältigt. Das Video wurde in vielfältiger Weise interpretiert, u.a. als Kritik am übertriebenen Planungsdrang mancher Gilden, dem Schwierigkeitsgrad mancher Boss-Kämpfe oder auch als Lobgesang auf einen leidenschaftlichen und risikofreudigen Spielstil. Aufgrund ihres Bekanntheitsgrades das Video wurde bis Herbst 2013 über 36 Millionen Mal aufgerufen wurde die Figur Leeroy Jenkins u.a. in Fernsehserien erwähnt (vgl. Parker/Stone (2006)) und im Titel eines Fachartikels zur Beschreibung des Beratungs-Verhaltens des US-Militärs im Irak verwendet (vgl. Chamberlain (2009)). Begriffe wie Leeroy Jenkins und die dahinter stehenden mentalen Konzepte, die sich über das Netz verbreiten, werden als Internet Memes 27 bezeichnet: sich online verbreitende Ideen, deren Inhalt von Person zu Person weitergegeben wird und die abhängig von den kulturellen Umständen unterschiedliche Bedeutung erlangen können. Memes wie Leeroy Jenkins sind regelmäßig im Sprachgebrauch von MMOG-SpielerInnen 27 Als Sonderform der von Richard Dawkins (1976) in seinem Buch The Selfish Gene eingeführten Bezeichnung Meme für einzelne kulturelle Gedankenkonzepte, die sich Genen ähnlich durch Weitergabe und Selektion in einer Gesellschaft verbreiten. 141

147 häufig zu finden, sie spielen besonders bei der sozialen Dimension der Fachsprache eine Rolle, da ihre Kenntnis den/die SprecherIn als EingeweihteN identifiziert. Als Alternative zu oder Bestandteil von anderen Guides wird das Videoformat zur Vermittlung von Tipps und Tricks, zur Verdeutlichung spielmechanischer Details oder zur Visualisierung von Spieltaktiken eingesetzt. Ein Beispiel hierfür sind die bereits erwähnten Webseiten ready 4 raiding und Hordeguides, die neben Hypertext-Guides auch Videoguides zu vielen Spielaspekten anbieten. Der Vorteil des Videoformats ist in erster Linie, dass der Spielablauf quasi ohne Abstraktion abgebildet werden kann die RezipientInnen können das Spiel visuell und akustisch fast genau so betrachten, wie es sich bei der Aufzeichnung zugetragen hat. WoW verfügt über eine dreidimensionale Spielwelt mit komplexer räumlicher Architektur, die Bewegung und Positionierung der Charaktere im virtuellen Raum und in Relation zueinander sind regelmäßig essentiell für den Spielerfolg. In einem schriftlichen Format erfordert die Beschreibung dieser räumlichen Umstände großes Geschick von AutorInnen, und die Rückumsetzung des Textes in ein räumliches Bild wiederum großes Vorstellungsvermögen von RezipientInnen. Beide Schritte stellen potentielle Fehlerquellen bei der Vermittlung von Informationen dar. Eine unmittelbare Darstellung der dreidimensionalen Umgebung in einem Video eliminiert diese möglichen Fehlerquellen weitgehend 28. Der/die Videoproduzent ist zudem nicht an die starre Wiedergabe einer einmal angefertigten Aufnahme gebunden. Mit den aktuellen, frei erhältlichen technischen Mitteln ist es vergleichsweise einfach, Bildmaterial umzuschneiden, mit zusätzlichen visuellen Effekten zu versehen und erklärende Tonspuren oder Textelemente hinzuzufügen (sowohl im Video selbst als auch in dessen Umgebung, z.b. einer Webseite). Abb. 22 zeigt eine Aufnahme eines auf der Hordeguides-Seite zu findenden Videoguides: Zur ursprünglichen Aufzeichnung der Raidgruppe wurde dort ein begleitender Audikommentar sowie ein in der Abbildung zu sehender schriftlicher Kommentar hinzugefügt. Letzterer ist in türkiser Schrift im rechten Drittel zu sehen. 28 Die Fehlerquellen werden nicht vollständig eliminiert, da RezipientInnen immer noch an die Kameraführung des Produzenten bei der Aufnahme gebunden sind. Hat der/die ProduzentIn den Raum nicht übersichtlich eingefangen, wird der Aufbau eines mentalen Abbildes des Raumes erschwert. 142

148 Abbildung 22: Video-Guide zum Ignis-Boss-Kampf; statische Meta-Daten am unteren Rand beschreiben das Thema des Videos, der überlagernde Text am rechten Rand ist Teil des Video-internen Kommentars. (aus: Olle S. (2009), (zuletzt besucht ) Ein Nachteil des Videoformats ist die Bindung an eine feste Rezeptionsgeschwindigkeit. Während bei geschriebenem Text die Lesegeschwindigkeit variiert werden kann und das Überspringen von nicht benötigten Textstellen einfach ist, sind RezipientInnen eines Videos an eine feste Bild-/Tonfolge gebunden. Zwar sind Vorspulen oder das Springen an andere Stellen möglich, dies ist aber nur bei Kenntnis des gesamten Videos punktgenau zu bewerkstelligen. Zudem sind NutzerInnen ab dem gesuchten Punkt erneut an das vorgegebene Tempo gebunden. Bei einem konsequent formatierten Hypertext-Guide ist es hingegen selbst für eine/n ErstleserIn nicht leicht möglich, Passagen, die für das eigene Informationsbedürfnis weniger wichtig sind, zu identifizieren und durch Scrollen oder mit Hilfe eines intra-knoten-links zu überspringen. Durch geschicktes Design einer Webseite lassen sich die Nachteile von Videos stark reduzieren, denn in einem Hypertext können 143

149 Video und Text grundsätzlich in jedem gewünschten Verhältnis miteinander verbunden werden. Anstelle eines einzelnen Filmes kann dieser beispielsweise in Segmente aufgeteilt und an verschiedenen Stellen im laufenden Text untergebracht werden. Bei der Untersuchung von Videoinhalten muss die Oberfläche der Webseite, in die das Video eingebettet ist, ebenfalls in die Analyse mit einbezogen werden, um zu prüfen, inwiefern z.b. Text und Video unter Kohärenz-Gesichtspunkten miteinander verknüpft sind. Die Art und das Ausmaß dieser Verknüpfung im Gesamtzusammenhang einer Webseite liegen in der Hand der Produzenten/Innen, aber bei der Rezeption können weitere Verknüpfungen eine Rolle spielen, die von der Intention des/der ProduzentInnen unabhängig sind. Die modernen Browser-Benutzeroberflächen unterstützen auf vielfältige Weise das parallele Aufrufen voneinander unabhängiger Internetquellen (z.b. in sog. Tabs), sodass sich NutzerInnen ein zu ihrer jeweiligen Intention passendes hypermediales Ensemble erstellen können. Für die Untersuchung von Texten egal welchen Formats in einer hypermedialen Umgebung gilt also eigentlich, dass im konkreten Fall genau jene Textkonstellation betrachtet werden muss, die der/die RezipientIn im Moment der Rezeption auf dem Bildschirm hat. Eine typische Konstellation im WoW-Kontext wäre z.b., dass ein/e NutzerIn in einem Gildenforum einen Thread liest, in dem die Taktik für einen bevorstehenden Raid diskutiert wird. Von den TeilnehmerInnen werden darin einige Text- Guides und Videos als weitere Quellen für Tipps und Tricks vorgeschlagen und verlinkt. Die Teilnehmer öffnen zu unterschiedlichen Zeitpunkten diese zusätzlichen Quellen und führen die Diskussion im Forum danach mit neuem Wissensstand und möglicherweise Wortschatz fort. Um die Sprache im Forums-Thread zu analysieren, müssten also die verlinkten Quellen mit berücksichtigt werden. Je nach Thema des Threads und den individuellen Vorlieben und Rahmenbedingungen der TeilnehmerInnen kann ein Video dann eine unterschiedlich große Rolle für die Diskussion spielen. Offensichtlich stellt eine ausführliche Berücksichtigung der individuellen Rezeptionssituationen von SpielerInnen für umfassende, repräsentative sprachwissenschaftliche Untersuchungen ein praktisches Problem dar: Die Erhebung würde schon bei einer kleinen Zahl von Probanden eine kaum zu bewältigende Datenmenge in sehr heterogenen Formaten produzieren. Auch in Abwesenheit entsprechender Forschungsdaten 144

150 müssen vor allem Videos aber als fester Teil des typischen Nutzungsverhaltens von WoW- SpielerInnen berücksichtigt werden. 145

151 2.9. Die Kommunikation in Raid Gruppen Nachdem in den vorhergehenden Kapiteln diverse Elemente der kommunikativen Rahmenbedingungen beschrieben wurden, die für SpielerInnen mit Schwerpunkt auf das Raiden bestehen, soll nun der konkrete Raid selbst in den Mittelpunkt rücken. Die zuvor beschriebenen Ausprägungen von Sprache im Zusammenhang mit WoW sind zum großen Teil öffentlich und ihre Betrachtung durch WissenschaftlerInnen technisch vergleichsweise einfach. Raidgruppen und deren Sprachgebrauch hingegen sind einer Beobachtung nicht ohne Weiteres zugänglich, denn außer der betroffenen Gruppe selbst kann niemand jeweiligen Instanz betreten, in der der Raid stattfindet. Ein weiterer Punkt ist, dass Raidgruppen verschiedene, üblicherweise getrennt betrachtete Kommunikationstechnologien miteinander vermischen, insbesondere Chat und VoIP. Für eine angemessene Untersuchung des Sprachgebrauchs in Raids müssen also u.a. folgende Aufgaben bewältigt werden: Es muss eine Gruppe gefunden werden, die bereit ist, sich in einer privaten, nichtöffentlichen Situation aufzeichnen zu lassen. Eine angemessene Aufzeichnungstechnik muss gefunden werden, die alle nötigen Daten festhält. Im Fall eines Raids heißt dies: Audiodaten, Chatdaten sowie eine zumindest grobe Übersicht über die Vorgänge im virtuellen Raum, um den nötigen Kontext herstellen zu können. Für die gesammelten Daten muss ein passendes Transkriptionsformat gefunden werden. Da im Raid Chat und VoIP parallel verwendet werden und interdependent sind, muss das Transkriptionsformat beide Modi und ihre Interaktion möglichst authentisch wiedergeben und dabei übersichtlich bleiben (zumal die Raid-Situation für Laien schon ungwöhnlich genug und schwer nachvollziehbar sein dürfte). Bevor es an die Darstellung der Ergebnisse selbst geht, soll zunächst im Einzelnen erläutert werden, wie im Zuge der vorliegenden Untersuchung jedem dieser Problempunkte begegnet wurde. 146

152 Auswahl der ProbandInnen Die im Zuge dieser Untersuchung gemachten gildeninternen Beobachtungen erfolgten vollständig im Umfeld der Gilde Vault of Sages (VoS). Eine Gruppe unter dem Namen VoS existiert seit 2002, allerdings nicht von Anfang an in Form einer WoW-Gilde. VoS hat seinen Ursprung als eine Runde von acht Spielern des Tabletop-Rollenspiels Dungeons and Dragons im Alter von Jahren. Die Teilnehmer dieser regelmäßig stattfindenden Spielrunde erstellten Anfang 2002 zunächst eine Webseite, auf der sie für die eigenen Zwecke ihre Freizeitbeschäftigung dokumentierten. Als Name dieser Webseite wurde Vault of Sages (zu deutsch etwa Halle der Weisen ) gewählt. Die Webseite wurde nach kurzer Zeit durch ein Forum erweitert, das bei der Terminfindung der Gruppe helfen sollte, aber von Anfang an auch für allgemeine, tagtägliche Kommunikation unter den Beteiligten genutzt wurde. Das Forum wurde alsbald durch weitere NutzerInnen vergleichbaren Alters aus dem Freundes- und Bekanntenkreis der ursprünglichen Gründer erweitert. Diese neuen Mitglieder nutzten die Online- Kommunikationsplattform für die Organisation eigener Spielrunden, gleichzeitig wuchs mit jedem Neuzugang aus dem Freundeskreis der Wert des Forums für sonstige Kontaktpflege und Unterhaltung. Als Resultat verfügte das Forum bald über eine vergleichsweise eng vernetzte Gemeinschaft, deren Mitglieder geografisch nah beieinander leben und in vielen Fällen auch außerhalb des WWW Kontakt haben. Aufgrund der engen Vernetzung und ähnlich gelagerten Freizeitinteressen entschied sich Mitte 2005 ein Teil dieses Freundeskreises, gemeinsam mit dem zu dieser Zeit relativ neuen MMOG World of Warcraft zu beginnen. Nach kurzer Zeit gründete man unter dem Namen Vault of Sages auch eine WoW-Gilde. Die WoW-Gilde VoS und das Freundeskreis-Forum VoS sind und waren trotz Namensgleichheit von Beginn an separate Netzwerke, auch wenn viele Überschneidungen existierten. Im weiteren Verlauf dieser Beschreibung gilt der Fokus der Betrachtung ausschließlich der WoW-Gilde und der Name VoS bezieht sich ausschließlich auf diese. Die Mitgliederbasis von VoS bestand aufgrund ihres Ursprungs in einem relativ gut vertrauten Freundeskreis zu Beginn aus einem eng verknüpften Netzwerk von Individuen, die auch geografisch nah beieinander lebten und sich auch außerhalb des Online-Rahmens regelmäßig sahen. Die anfängliche Mitgliederriege wurde aber bald auch durch Neuzugänge 147

153 erweitert, die nicht Teil des ursprünglichen Foren-Freundeskreises waren, sondern z.b. bei Begegnungen innerhalb von WoW als geeignete Gildenmitglieder identifiziert wurden. Das Gildennetzwerk wurde so auch um SpielerInnen erweitert, die geografisch in ganz Deutschland verteilt lebten. Da der WoW-Gildenaspekt im Forum einen immer größeren Anteil an der Kommunikation einnahm, entschied man sich im Juni 2006, den Gilden-Bereich auszugliedern und als Teil einer eigenen Webseite einzurichten. Ab Januar 2013 wurde diese Webseite wiederum aus technischen Gründen auf das reine Forum 29 reduziert. Aufgrund langjähriger Mitgliedschaft im ursprünglichen VoS-Forum war es für den Autor dieser Dissertation möglich, zum Zwecke der Datensammlung Kontakt mit den Mitgliedern WoW-Gilde aufzunehmen und deren Einverständnis für Aufzeichnungen einzuholen. Das bestehende Vertrauensverhältnis hatte zudem den Vorteil, dass die Präsenz des Autors weniger als Fremdkörper empfunden wurde, als es bei einem fremden Beobachter der Fall gewesen wäre. VoS kooperierte bei Raids gelegentlich auch mit anderen Gilden, um die benötigte TeilnehmerInnenzahl zu erreichen. Oft ergaben sich diese Kooperationen erst kurzfristig vor Start des Raids. In diesen Fällen war der Autor gezwungen, bei den VoS-fremden TeilnehmerInnen direkt um Erlaubnis zu bitten diese wurde in allen Fällen auch erteilt. Die Sorge, dass dies die Authentizität der Sprache negativ beeinflussen würde, legte sich schnell, denn es hat sich gezeigt, dass die Intensität des Raid-Erlebnisses und die dabei benötigte Konzentration dazu führten, dass die TeilnehmerInnen die Tatsache der Aufnahme schnell ausblendeten. Eine Ausnahme bildete hier zwangsläufig jeweils der Teilnehmer, von dessen Computer aus die Aufnahme erfolgte (mehr zu den technischen Bedingungen im folgenden Kapitel). Eine direkte Kontrolle über die Gruppenzusammensetzung bei den aufgezeichneten Raids war nicht möglich, da oft erst kurz vor Start des Raids die finale TeilnehmerInnenliste feststand. Durch die persönliche Nähe zu den Mitgliedern der VoS-Gilde bot sich dem Autor auch regelmäßig die Gelegenheit, deren Kommunikation jenseits des Computers von Angesicht zu 29 Zu finden unter (zuletzt besucht ) 148

154 Angesicht zu beobachten. Diese Beobachtungen können mangels Aufzeichnung nicht als Grundlage repräsentativer Ergebnisse dienen und sind anekdotischer Natur. Sie zeigten dem Autor aber definitiv, dass auch in sonstigen alltäglichen Kommunikationssituationen die Spielinhalte sehr häufig thematisiert werden und dass dabei ebenfalls eine von der Alltagssprache stark abweichende WoW-spezifische Sprache verwendet wird. Die Struktur einer Gilde beeinflusst selbstverständlich Kommunikation und Sprachgebrauch der Mitglieder. Die bei der Beobachtung von VoS gewonnenen Erkenntnisse lassen sich beispielsweise nur begrenzt auf professionelle Gilden übertragen, die stark leistungsorientiert operieren und besondere Anforderungen an die Effizienz der Mitglieder stellen. Ebenso gibt es auch viele Gilden, bei denen sich der Kontakt zwischen Mitgliedern auf den Online-Bereich beschränkt, z.b. aufgrund geografischer Abstände. Inwiefern sich solche Unterschiede in der Gildenstruktur auf sprachlicher Ebene reproduzierbar widerspiegeln, könnte wohl nur durch weiterführende vergleichende Untersuchungen festgestellt werden. Für die hier vorgestellte Untersuchung wurde die genaue Zusammensetzung der Raidgruppen anhand von Variablen wie Alter, Bildungsstand. Beruf etc. nicht kontrolliert. Eine solche Kontrolle würde eine weitaus größere Teilhabe des Forschers/der ForscherIn an der Organisation der Gilde und Raids nötig machen, was aber auch ein höheres Risiko der Beeinflussung der ProbandInnen mit sich bringen würde. Dieser Aufwand wurde im Rahmen der hier vorgestellten Untersuchung vermieden, wichtiger war es hier, überhaupt erst Zugang zu Raidgruppen zu finden und möglichst authentische Sprachdaten aufzeichnen zu können Technische Hilfsmittel und Rahmenbedingungen Die Aufzeichnung von Sprache im Raid muss sowohl phonische als auch visuelle Daten erfassen. Die visuelle Aufzeichnung ist dabei nicht nur als Quelle der Chat-Daten relevant diese könnten auch z.b. in Form einer Log-Datei festgehalten werden sondern auch, weil im Spiel regelmäßig weitere Kommunikationsmittel wie grafische Marker, Avatar-Gesten und spezielle Interface-Funktionen verwendet werden. Ein bedeutsamer Aspekt ist dabei die Benutzeroberfläche des Spiels, welche SpielerInnen weitgehend selbst konfigurieren 149

155 können. Der Aufbau dieser Oberfläche beeinflusst stark, welche Informationen in welcher Form auf dem Bildschirm dargestellt werden. Da Informationen innerhalb der Gruppe auch kommuniziert werden, macht es einen Unterschied, ob ein/e SpielerIn beispielsweise nur die umherlaufenden Charaktere der MitstreiterInnen sieht oder aber deren Handlungen in Zahlenwerte übersetzt in der modifizierten Benutzeroberfläche ablesen kann. Für die Aufzeichnung von Raids bot sich unter diesen Umständen ein Videoformat mit Tonspur an. Mit der Wahl dieses Formats stellte sich dann die Frage, aus welcher Perspektive die Aufnahme erfolgen sollte. WoW erlaubt leider keinen Unbeteiligten Zugang zu Raidguppen und Instanzen nur die aktiven TeilnehmerInnen können im jeweiligen virtuellen Raum präsent sein. Als Beobachter bestand also nur die Möglichkeit, entweder selbst einen Avatar zu kontrollieren oder aus der Perspektive eines anderen Gruppenmitglieds aufzuzeichnen. Die erste Möglichkeit war attraktiv, da sie einen hohen Grad an Kontrolle über die Aufzeichnungsperspektive verspricht. Allerdings haben Raidgruppen i.d.r. keine Plätze zu verschenken, der/die ForscherIn müsste also die nötigen spielerischen Fähigkeiten und einen ausreichend mächtigen Spielcharakter haben, um die Gruppe unterstützen zu können. Angesichts des Aufwandes, der zur Erlangung der spielerischen Fähigkeiten nötig ist, werden die wenigsten ForscherInnen inklusive des Autors diese Voraussetzungen erfüllen können. Als Alternative blieb also die Aufzeichnung aus der Perspektive eines vorhandenen Gruppenmitglieds übrig. Die in Frage kommenden Raids haben typischerweise 10 bis 25 TeilnehmerInnen mit unterschiedlichen Funktionen, Videoaufzeichnungen aus der Perspektive jedes einzelnen Gruppenmitgliedes kamen also mit Blick auf die zu bewältigende Datenmenge nicht in Frage. Es darf aber trotzdem nicht vergessen werden, dass jede/r Beteiligte eine etwas andere Perspektive auf das Geschehen hat, z.b. verwendet nicht jedes Mitglied die gleichen Chat-Kanäle. (vgl. Kapitel für Ausführungen zum spielinternen Chat). Bestimmte Klassen wie z.b. Heiler verwenden zur Koordinierung ihrer Bemühungen manchmal einen speziellen Heiler-Kanal. Bei der Auswertung der Sprachdaten muss man deshalb immer im Hinterkopf behalten, dass mit großer Wahrscheinlichkeit noch weitere, verdeckte Gesprächsebenen im Chat existieren. Insbesondere beim Wechselspiel zwischen phonischer und schriftlicher Ebene gilt: Unter Umständen fehlt dem/der ForscherIn eine Seite des Gesprächs. Leider gibt es keine Möglichkeit, die Gesamtheit aller verwendeten 150

156 Kanäle zu erfassen, die nicht entweder die Menge der zu analysierenden Daten sprengt oder aber das normale Kommunikationsverhalten der ProbandInnen einschränkt. Ähnlich verhält es sich mit den privaten Kanälen, die im WoW-Chat jederzeit für ausgewählte TeilnehmerInnen eröffnet werden können, sowie die privaten Direkt-Nachrichten. Selbst wenn solche in den Sprachdaten erfasst würden, wäre ihre Verwendung aus ethischen Gründen fragwürdig, da es sich per Definition um vertrauliche Daten handelt, die die Nutzer offensichtlich auch vor den Augen der Allgemeinheit verstecken wollen. Letzten Endes muss bei dieser Aufzeichnungskonstellation akzeptiert werden, dass bestimmte Anteile der Kommunikation für die Aufzeichnung und/oder Auswertung verloren gehen, was u.u. zu Fehlinterpretationen von Gesprächszusammenhängen führen kann. Diese Problematik ist eng verwandt mit dem aus dem Chat bekannten Phänomen der Phantom Adjacency Pairs, auf die Beißwenger mit Bezug auf Garcia/Jacobs (vgl. Beißwenger 2007: 296) hinweist: Dabei handelt es sich um direkt aufeinanderfolgende Chat-Beiträge, die durch ihre Abfolge suggerieren, sie seien Teil eines thematisch zusammenhängenden Gesprächsstrangs. Tatsächlich gehören sie aber zu voneinander unabhängigen Gesprächen, die parallel im Chat-Kanal geführt werden. Im Raid-Kontext gilt für phonische wie auch Chat- Beiträge, dass diese potenziell Reaktionen sein können auf einen vorhergehenden phonischen Beitrag; einen vorhergehenden Chat-Beitrag, potentiell aus einem von mehreren parallel verlaufenden Chat-Gesprächssträngen, oder einen Chat-Beitrag aus einem verdeckten Kanal, der im Transkript gar nicht erscheint. In der Praxis sind zwar die meisten Zuordnungen im Gesprächsverlauf durch den Kontext ausreichend sicher abzuleiten, aber insbesondere bei kurzen Ja/Nein-Antworten kann es leicht zu Mißverständnissen kommen. Kapitel zeigt u.a. auf, mit welchen gesprächsorganisatorischen Strategien die untersuchten SpielerInnen solche Mißverständnisse in sensiblen Phasen vermeiden. Für die Videoaufzeichnung wurde das Programm FRAPS (Beepa Pty Ltd (2013)). FRAPS ist speziell für die Aufzeichnung von Videos aus PC-Spielen konzipiert. Es wird auf dem Computer installiert, von dem aus das Spiel gestartet wird und läuft während des Spielens im 151

157 Hintergrund, die Aufnahme kann jederzeit per Knopfdruck gestartet und gestoppt werden. Dabei berücksichtigt FRAPS die bei aktuellen Online-Spielen weit verbreitete Tatsache, dass für Kommunikation per Kopfhörer und Mikrofon ein separates VoIP-Programm zuständig ist. FRAPS bietet die Möglichkeit, die verschiedenen Tonquellen im Video zusammenzuführen. Das Programm verwendet zur Speicherung das AVI-Format. Die mögliche Bildqualität ist ausreichend, um direkt aus dem Video das Chat-Fenster ablessen zu können, ohne ein separates Transkript zu benötigen. Dies ist günstig, da so die Chat-Beiträge und vor allem der Zeitpunkt ihres Auftauchens in Relation zur gesprochenen Sprache direkt dem Video zu entnehmen sind. Die Gilde VoS verwendet für die phonische Kommunikation das VoIP-Programm Teamspeak (Teamspeak Systems GmbH (2013)). NutzerInnen von Teamspeak verwenden ein auf ihrem Computer installiertes Client-Programm, um sich auf einem Server einzuloggen. Im Fall von VoS verfügt die Gilde über einen gruppenfinanzierten Server. Der Server kann in eine Zahl von unterschiedlichen Kanälen/Räumen unterteilt sein, ähnlich einem Chat. BenutzerInnen können aus einer Liste den passenden Kanal auswählen und gegebenenfalls nach Eingabe eines Passwortes betreten. Auf dieser Liste werden auch alle anderen NutzerInnen auf dem Server angezeigt, sowie in welchen Kanälen diese sich befinden. Mündliche Äußerungen sind nur von TeilnehmerInnen im gleichen Kanal zu hören, allerdings ist es möglich, Textnachrichten über Kanalgrenzen hinaus zu verschicken, z.b. um TeilnehmerInnen einzuladen. Teamspeak bietet auch eine integrierte Aufnahmefunktion. Diese zeichnet alle Audiodaten im WAV-Format auf, die eine NutzerIn der Aufnahmezeit produziert und rezipiert. Für die vorliegende Untersuchung wurde diese Funktion als sekundäre Datenquelle verwendet. Falls die Sprachqualität eines FRAPS-Videos qualitativ nicht ausreichend war, z.b. weil diese durch laute Spielgeräusche übertönt oder durch technische Pannen beeinträchtigt wurde, konnte die Aufnahme des Teamspeak-Programms hilfsweise hinzugezogen werden. Die Übertragung von Sprache per Teamspeak kann auf zwei unterschiedliche Weisen aktiviert werden, die letztlich bestimmen, welche Äußerungen überhaupt in der Aufzeichnung zu hören sind. Die eine Möglichkeit ist, dass das Mikrofon automatisch bei einem bestimmten Geräuschpegel aktiviert wird. Spricht eine NutzerIn laut genug in das Mikrofon oder produziert ein anderes Geräusch, so wird die Äußerung an die anderen 152

158 TeilnehmerInnen übertragen. Aufgrund einer leichten Verzögerung bei der Aktivierung werden dabei oft die Anfangslaute nicht mit übertragen. Ansonsten ist dieser Modus aber insofern authentisch, als auch unbeabsichtigte/unbewusste Äußerungen, Nebengeräusche etc. übermittelt werden. Die andere Aktivierungsmöglichkeit sieht vor, dass der/die NutzerIn das Mikrofon per Knopfdruck aktiv freischaltet, wenn eine Äußerung übertragen werden soll. Von den SprecherInnen, die diese Option verwenden, sind folglich nur Äußerungen zu hören, die sie bewusst den anderen TeilnehmerInnen mitteilen wollen. Unbeabsichtigte Äußerungen, bspw. Spontane Signale von Überraschung oder Verärgerung, werden ohne aktives Zutun nicht übertragen. Dem/der ForscherIn (und dem Rest der Gruppe) bleibt also ein Teil der geäußerten Beiträge verborgen. SpielerInnen verwenden diesen Modus i.d.r., wenn an ihrem Computer-Standort mit Umgebungsgeräuschen zu rechnen ist, die ansonsten ungewollt an die ganze Gruppe übertragen würden. Ein hundertprozentiger Zugriff auf die Kommunikate der RaidteilnehmerInnen könnte nur gewonnen werden, indem der/die NutzerInnen selbst vor dem Computer aufgezeichnet würden. Diese Aufnahmekonstellation würde dann jener ähneln, die Beißwenger bei seiner Untersuchung zur Sprachhandlungskoordination in der Chat-Kommunikation verwendet hat (vgl. Beißwenger 2007: 287ff). Er zeichnete die ProbandInnen u.a. per Video direkt an ihrem Computer auf, anstatt sich nur auf ein Chat-Protokoll zu stützen. Dadurch wurden z.b. auch Äußerungen sichtbar, die vor dem Versenden wieder gelöscht oder modifiziert wurden und daher von einem auf Server-Ebene erstellten Protokoll nicht erfasst worden wären. Die Anwendung einer ähnlichen Technik zur Aufzeichnung eines Raids wäre zwar theoretisch ideal, praktisch jedoch nur mit viel Personal durchführbar. Die anfallende Datenmenge wäre bei einer möglicherweise 25 Personen starken Gruppe ansonsten viel zu groß. Hier besteht das Potenzial für weiterführende Untersuchungen, die auf der hier vorgestellten aufbauen (mehr dazu im Ausblick in Kapitel 2.11.). Ein Blick über die Schulter der SpielerInnen würde insbesondere zeigen, welche Informationsquellen online wie offline, digital wie analog diese während eines Raids hinzuziehen. Stichprobenhafte Beobachtungen haben gezeigt, dass manche SpielerInnen beispielsweise zusätzliche Fenster zu Internet-Guides, Foren und ähnlichen Quellen öffnen, um diese bei der Durchführung des Raids heranzuziehen. Teilweise werden dafür auch separate Computer bzw. Laptops verwendet, d.h. der/die NutzerIn verwendet einen Rechner, um das Spielprogramm an sich zu starten und einen weiteren Rechner, um parallel Informationen aus dem Internet abzurufen, Teamspeak zu 153

159 verwenden etc. Wie stark diese Möglichkeit genutzt wird, hängt auch davon ab, welche Funktion der/die SpielerIn innerhalb des Raids einnimmt. Der/die RaidleiterIn wird mit größerer Wahrscheinlichkeit während des Spiels Quellen heranziehen, um der Gruppe eine effektive Taktik vorzugeben. Ein/e andere/r TeilnehmerIn ist für die faire Verteilung erbeuteter Gegenstände verantwortlich, auch hier ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass zusätzliche Quellen herangezogen werden, wie z.b. Datenbanken mit den Werten der erhofften Gegenstände. Unterschiedliche TeilnehmerInnen produzieren also auch aufgrund der Aufgabenverteilung qualitativ wie quantitativ unterschiedliche Kommunikate. Der/die ForscherIn sollte sich also bei der Planung einer Aufnahme auch mit der üblichen Aufgabenverteilung innerhalb der Gilde vertraut machen. Die für die vorliegende Untersuchung gewählte Aufnahmetechnik stellt einen Kompromiss zwischen der Handhabbarkeit der gesammelten Datenmenge und der Authentizität dieser Daten dar. Die Aufzeichnung per FRAPS ermöglicht eine unaufdringliche Beobachtung des Sprachgebrauchs innerhalb der Raidgruppe aus Sicht eines/einer SpielerIn. Da vergleichbare Daten nach Wissen des Autors noch nicht in anderen Projekten gesammelt wurden, verspricht ihre Sammlung neue Erkenntnisse über sprachliche Besonderheiten und sonstige kommunikative Strukturen. Weitere Untersuchungen mit veränderten technischen und/oder inhaltlichen Rahmenbedingungen wären eine naheliegende Fortführung der Forschung, die auf den hier gewonnenen Kenntnissen aufbauen könnte Das Transkriptionssystem GAT 2 Wie auch bei der Aufnahmetechnik muss das Transkriptionssystem eine Balance zwischen praktischer Nutzbarkeit für AnalystInnen und adäquater Repräsentation der sprachlichen Realität bieten. Die Zielsetzung einer geplanten Untersuchung bestimmt, welche sprachlichen Charakteristika das Transkriptionssystem darstellen können muss. So ist für die Darstellung phonetischer oder intonatorischer Details i.d.r. ein umfangreicherer Zeichensatz notwendig als für die Herausstellung lexikalischer Besonderheiten. Je mehr Informationen die Transkription enthalten soll, desto zeitaufwendiger wird diese zudem. Bei der Analyse der Raidgruppen-Kommunikation im Zuge der voirliegenden Untersuchung galt zwei Aspekten besondere Aufmerksamkeit: Zum einen Merkmalen 154

160 lexikalischer und syntaktischer Art, die von der Standardsprache abweichen und die sich einer möglichen MMOG-Fachsprache zuordnen lassen, also z.b. spielspezifische Lexeme und Phraseologismen. Zum anderen galt die Aufmerksamkeit Auffälligkeiten in der Gesprächsorganisation, die z.b. von der Integration von VoIP- und Chat-System herrühren könnten. Phonetische Charakteristika hingegen waren für diese Fragestellung von untergeordnetem Interesse, zumal die Zusammensetzung der untersuchten Gruppen auch nicht ausreichend kontrolliert werden konnte in Hinblick auf die sprachliche Vorgeschichte der TeilnehmerInnen. Mögliche Wechselwirkungen aus vorhandenen Dialekten oder Soziolekten konnten unter diesen Rahmenbedingungen nicht angemessen berücksichtigt werden. Des Weiteren hätte eine phonetische Transkription einen zusätzlichen Aufwand bedeutet, der in keinem Verhältnis zur Nützlichkeit der gewonnenen Erkenntnisse für die Gesamtfragestellung nach einer WoW-Fachsprache gestanden hätte. Für die Transkription der vorliegenden Untersuchung fiel die Wahl auf das Transkriptionssystem GAT 2 (Selting et al. 2009). Dieses System bietet die gewünschte Balance zwischen einfacher Handhabung und Exaktheit. Es basiert auf der Standardorthografie und verzichtet auf Sonderschriftzeichen, was erstens die Transkriptionsarbeit und zweitens auch die Rezeption für LeserInnen erleichtert. Letzterer Punkt spielt besonders für die vorliegende Untersuchung eine Rolle, weil die Welt der WoW- Raids inhaltlich wie auch vom technischen Rahmen her den meisten LeserInnen unbekannt sein dürfte und deshalb das Nachvollziehen der in den Transkripten beschriebenen Vorgänge schon schwierig genug ist. GAT 2 ermöglicht eine Transkription nach dem sog. Zwiebelprinzip : die Transkription kann zunächst auf einer einfachen Stufe erfolgen, aber [e]in Transkript einer bestimmten Detailliertheitsstufe soll ohne Revision der weniger differenzierten Version ausbaubar und verfeinerbar sein (Selting et al. 2009: 4), so die EntwicklerInnen des Formats. Gerade für die Untersuchung der Raid-Kommunikation mit ihren Phasen variierender Aktivität ist dies von Vorteil, da zunächst eine grobe Übersicht über das Material auf niedriger Detailstufe erstellt werden kann und anschließend für ausgewählte Phasen eine genauere Analyse und Notation des Materials darauf aufgebaut werden kann. GAT 2 folgt bei der Leserichtung den gewohnten Textkonventionen von links nach rechts, von oben nach unten anstatt bspw. einer Klaviaturdarstellung. Dies erlaubt eine 155

161 problemlose Integration der Chat-Elemente mit den phonischen Daten, denn Chat-Beiträge haben im Gegensatz zu phonischen Äußerungen keine zeitliche Ausdehnung, sie erscheinen im Grunde innerhalb eines einzigen bestätigenden Tastendrucks. Diese Beiträge können in ein GAT 2-Transkript problemlos integriert werden, weil die räumliche Ausdehnung einer transkribierten Zeile nicht analog zu ihrer zeitlichen Ausdehnung ist. Bei einem System mit Klaviaturdarstellung würden hier Probleme enstehen: Dort erhält jede transkribierte Zeile den entsprechenden Raum auf einem Zeitstrahl, ein Chat-Beitrag müsste also unabhängig von seiner Länge potenziell mehrere Zeilen auf einen einzigen Punkt auf dem Strahl gebündelt werden. Der folgende Auszug aus einem der Raid-Transkripte soll zur Anschauung des verwendeten Formats mit allen Darstellungskonventionen dienen. Diese werden im Anschluss erklärt. Die Nummerierung beginnt für jeden präsentierten Auszug im vorliegenden Text bei 01. Jede Nummer markiert i.d.r. eine Intonationsphrase mit einem Hauptakzent, allerdings ist diese Einteilung nicht absolut, da stellenweise die Grenze zwischen Phrasen bei der Transkription willkürlich festgelegt werden musste, wenn der Hauptakzent nicht eindeutig identifizierbar war: 01 A: FERNkämpfer (-) quasi (-) wie beim normalen kampf auch einfach (.) geknubbelt und dann [gucken möglichst kurz die wege zu halten ] 02 B: [ja (-) ihr müsst nur auf (-) ihr müsst nur AUFpassen ] 03 (-)genau (.) ihr müsst nur aufpassen guckt auf eure FÜSSE, h 04 ähm da die drachen draußen sind kommen so voidzones das sind halt diese 05 [R]C: leichter spread B: BLAUen 06 A: [jaja]. 07 B: [ähm] DINGer. 08 (.) also nicht zu stark verteilen sondern was C schreibt so weit auseinander dass nicht zu 156

162 09 [R]C: wegen meteroren B: viele dann in soner VOIDzone sind und laufen müssen. h 10 und auch wegen der meteore also nicht auf einem KNUBBEL, h 11 aber auch nicht super weit verteilt, h 12 sondern so h 13 eher so wie wir mit den lichtbomben bei ix TE: stehen vielleicht (.) also 14 [R]C: oder wie man die schreibt B: so so gefühlte fünf MEter auseinander. 15 (2.0) 16 A: na aber schon [halt auf der] 17 B: [aber ] A: (--) LInie [da (.) für (-) für die (--) für (--) jaja. ] 18 B: [ja (--) jaja (-) auf jeden auf jeden fall (.) richtig] (.) auf jeden auf jeden fall auf der LInie. h 19 (--) so dat dat is jetzt dat was wir in den ERSten versuchen uns aneignen werden. 20 (-) nämlich wie wa (-) STEhen (.) und wie wa dat machen.= 21 =ok jetzt sind alle bereit, Eine komplette Auflistung aller GAT 2-Konventionen findet sich im Anhang. Neben der Gliederung in Intonationsphrasen zeigt der obige Auszug - die Markierung von Pausen innerhalb von und zwischen Phrasen, - hörbare Atempausen (Segmente 03, 11, 18), - die Darstellung von Überlappungen/Simultansprechen (Segm. 01/02, 06/07, 16/17/18) sowie - die Integration von Chat-Beiträgen, die grau unterlegt sind. Während SprecherInnen von phonischen Beiträgen durch einen einzelnen Großbuchstaben markiert sind, wird bei Chat-Beiträgen zusätzlich vor der SprecherIn-Angabe in eckigen Klammern 157

163 vermerkt, in welchem Chat-Kanal diese Äußerung erfolgt. Im Beispiel tragen alle Chat-Beiträge die Markierung [R] für den allgemeinen Raid-Kanal, den die gesamte Raidgruppe gemeinsam verwendet. Die Information über den verwendeten Kanal ist wichtig für die Einschätzung, ob sich spezifische phonische Äußerungen auf spezifische Chat-Äußerungen beziehen und vice versa, denn manche Kanäle haben einen eingeschränkten Adressatinnenkreis. Relevante Charakteristika der verwendeten Chat-Kanäle werden im Zweifelsfall im Transkriptkopf ausgewiesen. Die Darstellung prosodischer Informationen beschränkt sich auf die Markierung des Fokusakzentes sowie der Tonhöhenbewegung am Ende von Intonationsphrasen. Fokusakzente werden durch Großschreibung der jeweiligen Akzentsilbe markiert. Die Kenntnis der Betonung hilft in vielen Fällen bei der inhaltlichen Interpretation von Beiträgen. Der Abschluss einer vollständigen Intonationsphrase wird durch die Notation der letzten Tonhöhenbewegung markiert. Intonationsphrasen ohne diese Markierung stehen für abgebrochene Fragmente ohne Glottalabschluss. Einen Sonderfall stellen Intonationsphrasen dar, die im Transkript von einem Chat-Beitrag unterbrochen werden. In diesen Fällen müssen die phonischen Segmente als zusammenhängend behandelt werden, wenn das dem Chat-Beitrag folgende Segment keine eigene Nummer trägt, denn die Existenz des geschriebenen Beitrags hat naheliegenderweise per se keine Auswirkung auf akustischer Ebene (vgl. Segm. 08/09 im vorhergehenden Beispiel). Die SprecherInnen werden am Segmentanfang durch Großbuchstaben identifizert, plus Kanal-Kürzel bei den Chat-Beiträgen. Die Verwendung der Großbuchstaben dient hier nicht der Anonymisierung sondern vielmehr dazu, alle Segmente uniform zu formatieren. Innerhalb der Beiträge werden die verwendeten Namen beibehalten, da es sich ohnehin meist um Pseudonyme handelt. Jeder im weiteren Verlauf angeführte Beleg aus einem Transkript wird eingeleitet durch einen Kopf mit Metadaten. Aus diesen geht hervor, aus welcher Aufnahme der Beleg stammt sowie die Start- und Endzeiten. Der Kopf enthält auch eine Aufschlüsselung, welche Pseudonyme im Transkript welchen Buchstaben zur SprecherInnenidentifikation entsprechen. Außerdem findet sich im Kopf wenn nötig eine kurze Situationsbeschreibung. Diese Situationsbeschreibung ist bei einem Raid-Transkript wichtig, da sich die 158

164 Rahmenbedingungen im Hinblick auf die Intensität des Geschehens im Verlauf eines Raids phasenweise stark verändern können. Ein praktisches Beispiel dafür ist, dass in den heißen Phasen eines Boss-Kampfes die SpielerInnen für gewöhnlich keine Hand frei haben um Chat-Nachrichten zu schreiben, da beide Hände zum Steuern des Charakters benötigt werden was sich offensichtlich auf denanteil an Chat-Nachrichten auswirkt Merkmale des Sprachgebrauchs in Raid-Gruppen Das Raiden ist eine streng zielgerichtete Aktivität, deren Ablauf i.d.r. vorausgeplant und klar strukturiert ist in Bezug auf die Aufgabenverteilung und den Zeitplan spezifischer Tätigkeiten. Diese Strukturierung findet sich auch auf verschiedenen Ebenen der Gesprächsorganisation wieder, z.b. der Verteilung von Sprecherrollen, Einteilung in Gesprächsphasen und der Handhabung des Sprecherwechsels. Der in Anhang 1 beigefügte Transkriptauszug soll nachfolgend als Beispiel dienen. Er umfasst zwei typische Phasen eines Raids: die Vorbereitung und Positionierung der Gruppe für den Bosskampf und die finale Taktikbesprechung vor dem Start des Kampfes Sprecherrollen Auffällig ist die starke quantitative Ungleichverteilung bei den Anteilen der verschiedenen SprecherInnen am Gespräch. Den weitaus größten Teil am Gespräch, sowohl was die Anzahl an Äußerungen als auch deren Länge angeht, hat A. A erfüllt in diesem Raid die Funktion des Raidleiters, hat also die Aufgabe, die Gruppe anzuführen und Handlungsanweisungen zu geben. Voraussetzung dafür ist i.d.r., dass der/die RaidleiterIn die taktisch relevanten Umstände der Instanz intensiv vorbereitet hat und eine klare Vorstellung von den erfolgversprechendsten Vorgehensweisen hat. Wie häufig der/die LeiterIn Anweisungen und Erklärungen geben muss, hängt von der Komplexität der Aufgabe und der Erfahrung der Gruppe ab: je eingespielter die Gruppe, desto weniger Answeisungen sind nötig. Der/die RaidleiterIn hat u.a. die Fähigkeit, per Tastendruck Ziele innerhalb der Spielwelt mit sichtbaren Markern zu versehen, um so die Aufmerksamkeit der Gruppe zu lenken. Auf diese Funktion bezieht sich die folgende Äußerung von A: 159

165 09 A: den ohne symbol nimmst DU patrick. 10 (.) ich bin nich mehr dazu gekommen da nochn kreis drauf zu machen. Bei dem besagten Kreis handelt sich um eine der möglichen Markierungen. Eine weitere wichtige Aufgabe von RaidleiterInnen ist es, wichtige Ereignisse während eines Boss-Kampfes anzukündigen, z.b. wenn ein Gegner Fähigkeiten zu festen Zeitpunkten einsetzt. Da die einzelnen Gruppenmitglieder höchst unterschiedliche taktische Rollen ausfüllen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass jede/r von ihnen die nötige Übersicht hat, um von solchen Ereignissen nicht überrascht zu werden. Anderen Gruppenmitgliedern steht es natürlich trotzdem frei, taktische Vorschläge einzubringen. Wie streng die gesprächsleitende Funktion der Raidleitung ausgeübt und akzeptiert wird, ist von Gruppe zu Gruppe bzw. Gilde zu Gilde verschieden. Im obigen Auszug ist erkennbar, dass andere Teilnehmer grundsätzlich nicht daran gehindert sind, schriftliche und phonische Kommentare auch ohne praktischen Nutzen einzubringen (vgl. Segm ). Erst ab Segment 68 übernimmt der Raidleiter quasi die alleinige Gesprächsführung, um die Gruppe taktisch einzustimmen. Eine andere wichtige organisatorische Rolle in Raidgruppen betrifft die Verteilung erbeuteter Gegenstände, dem sog. Loot (engl. für Beute ). Diese Gegenstände seltenen und/oder wertvollen Gegenstände sind oft eines der Hauptziele spezifischer Raids. Fast alle Gilden haben ein System, welches Mitgliedern abhängig von Bedarf, Charakterklasse, Engagement in der Gilde und ähnlichen Faktoren ein Recht auf erbeutete Gegenstände einräumt. Haben zwei oder mehr SpielerInnen gleichwertigen Anspruch, entscheidet das Los. Da der Verteilungsvorgang in Gruppen von 10 oder mehr TeilnehmerInnen den Spielfluss zum Stocken bringen kann, übernimmt ein/e SpielerIn speziell die Rolle des Loot- Verteilers. Die virtuellen Gegenstände finden sich für gewöhnlich in den Körpern der besiegten Gegner oder in Kisten etc. in der Nähe des Kampfplatzes. Der/die Loot-VerteilerIn kann per Mausklick prüfen, um welche Gegenstände es sich handelt und kontrollieren, an welches Gruppenmitglied jeder einzelne Gegenstand verteilt wird. Wenn es soweit ist, verkündet der/die Loot-VerteilerIn den Umfang der Beute, nimmt Anspruchsanmeldungen entgegen, verwaltet das Losverfahren und übergibt letztlich die entsprechenden 160

166 Gegenstände an die rechtmäßigen GewinnerInnen. Die Loot-Verteilung kann auch von dem/der RaidleiterIn mit übernommen werden. Dies ist eher bei kleineren und/oder besonders routinierten Gruppen der Fall, bei denen die Verteilungsprozedur schnell abgehandelt werden kann. Eine ausführliche Loot-Verteilungssequenz wird in Kap im Zusammenhang mit der parallelen Verwendung von schriftlichen und phonischen Kanälen betrachtet. Neben RaidleiterIn und Loot-VerteilerIn können nach Bedarf auch noch weitere Rollen innerhalb einer Raidgruppe zugeteilt werden, die der Koordination der Kommunikation dienen. Bei Gruppen mit 25 oder mehr TeilnehmerInnen können z.b. stellvertretende SprecherInnen für Heiler, Tanks und DDs ernannt werden. Diese SprecherInnen setzen die allgemeinen Anordnungen des/der RaidleiterIn spezifisch für ihre jeweilige Gruppe um und koordinieren die jeweiligen MitstreiterInnen im Kampf. Jede Untergruppe kann dabei auch dedizierte Chat- oder VoIP-Kanäle verwenden, die nur für die Betroffenen zugänglich sind. Dadurch wird verhindert, dass der/die RaidleiterIn und die Gesamt-Raidgruppe durch eine Vielzahl von Beiträgen überlastet werd, die eigentlich nur für einen Bruchteil der Gruppe von Nutzen sind. In den hier untersuchten Raidgruppen wurde eine solche Unterteilung aber nicht vorgenommen Gesprächsphasen Die folgende Beschreibung der Gesprächsphasen baut auf der Terminologie von Brinker/Sager (2001) auf. Nach Brinker/Sager können Gespräche prinzipiell in drei Phasen aufgeteilt werden: Eröffnungs-, Kern- und Beendigungsphase (vgl. Brinker/Sager 2001: 96). Im Fokus der gesprächsanalytischen Forschung standen bisher vor allem Eröffnungs- und Beendigungsphasen, da diese aus stark ritualisierten Elementen bestehen und einen relativ einfachen Aufbau aufweisen (ebd.). Kernphasen hingegen sind weitaus komplexer strukturiert und in einem viel höheren Maße offen für individuelle Gestaltungsmöglichkeiten (Brinker/Sager 2001: 97), in ihr werden Kommunikationsgegenstände (die Gesprächsthemen) abgehandelt und Gesprächsziele verfolgt (Brinker/Sager 2001: 96). Demnach ist es also schwierig, in Kernphasen wiederkehrende Gesetzmäßigkeiten zu finden, die in einem Großteil möglicher Gespräche auftauchen und verallgemeinert werden können. 161

167 Bei der hier vorgenommenen Untersuchung der Raidkommunikation liegt der gesprächsanalytische Fokus allerdings weitgehend auf der Kernphase, vor allem aus praktischen Gründen. Um Eröffnungs- und Beendigungsphasen von Raids mit 10 bis 25 TeilnehmerInnen überhaupt zu erfassen, wäre eine spezifische Untersuchungsmethodik notwendig, die die Perspektiven jedes/jeder einzelnen Beteiligten aufzeichnet, denn Raidgruppen begrüßen bzw. verabschieden sich in der Regel nicht geschlossen. Vielmehr kommt es zu einer Kette von Begrüßungen/Verabschiedungen mit wechselnden TeilnehmerInnen-Konstellationen, da diese zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Gruppe beitreten und ihre Begrüßungen in unterschiedlichen, teilweise nicht öffentlich einsehbaren Kanälen von sich geben. Gleiches gilt für Verabschiedungen. Es wäre also schwierig, überhaupt Beginn/Ende der Phasen zu finden, ohne jedes einzelne Mitglied zu überwachen. Während Eröffnungs- und Beendigungsphasen über unterschiedliche Gesprächstypen hinweg ähnlich sind, zeigen die Kernphasen spezifische, typbedingte Ablaufstrukturen (Brinker/Sager 2001: 105). Der hier untersuchte Gesprächstyp soll zunächst als Bezeichnung Raidbegleitender Kommentar bezeichnet werden. Die typische Ablaufstruktur von dessen Kernphase kann am besten beschrieben werden, indem man das Konzept der Handlungsebene bzw. des Handlungsplans zur Hilfe nimmt: Schank definiert den Handlungsplan als eine antizipierte Abfolge von Teilzielen und die auf die Realisierung derselben gerichtete Abfolge von Intentionen, durch die ein gegenwärtig bestehender Zustand in einen kontrafaktischen erstrebten Zielzustand überführt werden soll (Schank 1981: 181, zitiert bei Brinker/Sager 2001). Der erstrebte Zielzustand beim Raidbegleitenden Kommentar ist primär die erfolgreiche Umsetzung der Raid-Taktik. Folgende Teilphasen tauchen in den untersuchten Aufnahmen regelmäßig auf: 1) Navigationsphase; 2) Besprechungsphase; 3) Kampfphase; 4) Nachbereitungsphase. Nach dem Eintreffen aller Raid-TeilnehmerInnen müssen zunächst diverse Voraussetzungen erfüllt werden, um die Gruppe startbereit zu machen. Raidgruppen starten in der Regel nicht in unmittelbarer Nähe eines Bosses, sondern betreten die Instanz in mehr oder weniger großer Entfernung. Die Navigationsphase beinhaltet typischerweise die Bewegung durch die 162

168 Topographie der Instanz zum Schauplatz des bevorstehenden Kampfes, die Beseitigung von störenden Mobs in der Umgebung und gegebenenfalls das Sammeln versprengter Gruppenmitglieder. Das in der Navigationsphase angestrebte Teilziel ist also primär die Koordinierung der Bewegung zur Startposition des Boss-Kampfes. Hat die Gruppe diese Position eingenommen, beginnt die Besprechungsphase. Der Umfang dieser zweiten Phase ist stark abhängig von der Komplexität des Bosskampfes und der Erfahrung der Gruppe. Wenn Aufgabenverteilung und Taktik keiner Erläuterung mehr bedürfen, kann diese Phase prinzipiell auch übersprungen werden, was aber angesichts der taktischen Komplexität eher selten der Fall ist. Das Teilziel der Besprechungsphase ist demnach die Sicherung des nötigen Informationsstandes der TeilnehmerInnen. Sind alle Gruppenmitglieder informiert und bereit, kann der eigentliche Boss-Kampf begonnen werden: Die Kampfphase beginnt. Die SpielerInnen müssen ihr theoretisches Wissen nun praktisch umsetzen, die Phase endet dann entweder mit dem Sieg über den Boss-Gegner oder mit der Niederlage der Raid-Gruppe. Das Teilziel der Kampfphase ist also die Koordination der praktischen Umsetzung der vorbereiteten Taktiken. Bei einer Niederlage gegen den Boss kehren die SpielerInnen zur Navigationsphase zurück, um sich wieder zu sammeln, sofern sie den Raid-Termin an diesem Punkt nicht beenden. Gefallene Charaktere tauchen auf einen Friedhof außerhalb der Instanz wieder auf und können ihren Weg zurück in die Instanz finden, sobald der Boss-Gegner wieder die Ursprungs-Position für den nächsten Versuch eingenommen hat. Ist die Gruppe hingegen siegreich, folgt die Nachbereitungsphase. In dieser letzten Phase werden gefallene Charaktere wiederbelebt und die virtuelle Beute verteilt, die nach dem Sieg für die Gruppe anfällt. Teilziel der Nachbereitungsphase ist die Koordination der Wiederherstellung der Gruppe und der Beuteverteilung. Abhängig von Gruppengröße und Beutemenge kann diese Phase mehr oder weniger komplex sein. Je nach Umfang der Instanz und Zeitplan der SpielerInnen beginnt der Phasen-Zyklus nach Abschluss einer Nachbereitungsphase dann von neuem mit einem weiteren Boss-Gegner, oder der Raid ist beendet. Nicht in allen Fällen sind die Phasen klar voneinander zu trennen. Während der Beginn und das Ende des Kampfes punktgenau identifizierbare Spielereignisse sind, kann es gerade 163

169 zwischen den ersten beiden Phasen auch Überschneidungen geben, denn dort wird der Übergang vom Kommunikationsverhalten der TeilnehmerInnen bestimmt. Wenn beispielsweise schon während der Navigation zum Kampfplatz die kommende Taktik besprochen wird, gehen Navigationsphase und Besprechungsphase ineinander über. Ebenso kann es sein, dass einzelne TeilnehmerInnen zeitweise unabhängig vom Gruppenverband ein Parallel-Gespräch mit eigener Ordnung führen. In den dieser Untersuchung zugrunde liegenden Aufnahmen sind die einzelnen Phasen relativ deutlich voneinander unterscheidbar und gehen auch mit distinkten sprachlichen Merkmalen einher. In der Navigationsphase (Anhang 1, Segment 1 bis 67) wird das Gesprächsthema bestimmt durch die Navigation der Raidgruppe durch den virtuellen Raum, vorbei an diversen Mobs, die vorab auf dem Weg zum eigentlichen Kampfplatz ausgeschaltet werden müssen. Die Situation ist verglichen mit dem bevorstehenden Boss-Kampf taktisch nicht allzu anspruchsvoll, daher müssen die SpielerInnen kognitiv entsprechend wenige Informationen verarbeiten. Der Raidleiter übt seine anleitende Funktion zwar auch zu diesem Zeitpunkt aus, gibt aber quantitativ weniger Anweisungen, und diese sind durchschnittlich von geringerer Länge. Jene Beiträge mit anweisendem Charakter dienen überwiegend der Angabe der Bewegungsrichtung oder der Markierung von Angriffszielen, wie in folgenden paraphrasierten Beispielen aus Anhang 1: 05/07 So wir ignorieren natürlich weiterhin jeden von den Typen hier. 09 Den ohne Symbol nimmst du Patrick. 36 So dann gehnwa dann jetzt dann gleich weida wa. 42/43 So rückt mal alle schnell auf, dann machenwa jetzt hier gleich den nächsten Dicken platt. 51 Dann geht es da unten mit der letzten Trashgruppe weiter und dann hamwa dat schon so weit ganz gut im Sack. Die räumlichen Referenzen beziehen sich auf Entitäten, die visuell mühelos im virtuellen Raum zu erkennen sind, zudem herrscht kein nennenswerter Zeitdruck zu ihrer Identifizierung. Die Gruppe benötigt zu diesem Zeitpunkt keine konstante Versorgung mit Informationen durch GesprächspartnerInnen, weshalb auch weniger Druck für kommunikative Effizienz besteht. Zwischen einzelnen Gesprächsbeiträgen liegen häufig Pausen von mehreren Sekunden, zudem sind eine Reihe von Beiträgen phonischen wie 164

170 schriftlichen Formats zu finden, die keinen taktischen Bezug zu haben scheinen, sondern phatischer Natur sind: So wird in der Sequenz der Tod eines Charakters thematisiert, der soeben überraschend von einem Mob niedergestreckt wurde. In dieser Sequenz werden aber nicht taktische relevante Information ausgetauscht, sondern das Geschehen humoristisch kommentiert. Eine vergleichbare Sequenz ist in der Hitze der Kampfphase in der Regel kaum möglich. Die Raid-TeilnehmerInnen nutzen den Spielraum, der ihnen in der Navigationsphase angesichts der kognitiv wenig belastenden Spielsituation gelassen wird, regelmäßig für gesellige, nicht spielerfolgsorientierte Kommunikation. Dabei kommen phonischer wie schriftlicher Modus gleichermaßen zum Einsatz: Neben der zuvor beschriebenen Sequenz, in der der Tod eines Charakters thematisiert wird, enthält Anhang 1 in den Segmenten eine Sequenz, in der Spielerin C Liedtext-Fragmente im Chat-Format produziert. Diese haben offensichtlich keinen Bezug zur Spieltaktik. Auch diese Beitrag dient wohl eher dazu, Kommentare der übrigen TeilnehmerInnen einzuladen. Unabhängig von ihrer Medialität sind Cs Äußerungen aus spielerischer Sicht jedenfalls nicht hilfreich für den Gruppenerfolg, sondern können schlimmstenfalls ablenken und überschneiden sich in den Segmenten 16/17 und 27/28 sogar mit dem Raidleiter. Dieser Störfaktor scheint aber zumindest in dieser Phase des Gesprächs nicht gegen implizite oder explizite Regeln der Raid-Kommunikation zu verstoßen, da der Raidleiter sich an dem Austausch selbst beteiligt und da sich auch ansonsten niemand darüber beklagt. Der Übergang von der Navigationsphase zur Besprechungsphase kann in Anhang 1 bei Segment 68 verortet werden. Ab diesem Punkt ist eine Änderung der Gesprächsdynamik zu beobachten. Raidleiter A leitet die Phase mit einer expliziten Ankündigung des Übergangs ein: 68 A: so (.) okay (.) papa erklärt dann jetz mal. h 69 wennwa komplett stehen. Sämtliche Teilnehmer sind also auf den Start einer neuen Raid-Phase vorbereitet. Die Einnahme der Startpositionen durch die Gruppe auf dem virtuellen Spielfeld ist zusätzlich eine visuell wahrnehmbare, non-verbale Geste, die für alle Beteiligten den Wechsel unterstreicht. Für die Dauer der Besprechungsphase nimmt der Raidleiter eine dominierende 165

171 Position im Gesprächsverlauf ein. Im Grunde führt er auf phonischer Ebene einen Monolog, das folgende Beispiel zeigt den einzigen phonischen Beitrag, der in dieser Phase von einem/einer anderen GesprächsteilnehmerIn als A geäußert wird: 90 dann müsste es eigentlich mit dem SCHAden (-) äh:: ganz gut hinhauen. 91 F: bitte [laut BRÜllen wenn ichs übersehe. ] 92 A: [dann (könnte DIE) auch gradaso machen.] 93 (-) ja (.) ich (.) wir versuchen es ALle. h In Segment 91/92 überschneiden sich die Äußerungen von F und A. Wahrscheinlich nimmt F aufgrund des fallenden Intonationsverlaufs in Segment 90 eine übergaberelevante Stelle an, tatsächlich möchte A seine Erläuterungen aber direkt fortsetzen. Aus diesem Grund überschneiden sich die nachfolgenden Äußerungen beider Sprecher. Die Überschneidung stört den Gesprächsverlauf aber nicht nachhaltig. A bestätigt in Segment 93 schnell Fs Bitte und übernimmt dann wieder die Gesprächsführung, ohne dass andere TeilnehmerInnen das Rederecht bis zum Ende der Phase noch einmal beanspruchen. Alle weiteren Äußerungen durch andere SpielerInnen erfolgen im Chat-Format und haben daher keine unterbrechende Wirkung auf den phonischen Redefluss des Raidleiters. Fasst man die Äußerungen von Raidleiter A spezifisch ins Auge, so fällt auf, dass diese auf inhaltlicher Ebene eine sehr hohe Informationsdichte haben, die an die kognitiven Ressourcen sowohl des Produzenten als auch der RezipientInnen hohe Anforderungen stellt. Raidleiter A muss die taktischen Begebenheiten, die er mit großer Wahrscheinlichkeit komplexen Guides entnimmt, für die gesamte Gruppe verständlich aufbereiten und dabei deren unterschiedliche taktische Rollen berücksichtigen. Die übrigen SpielerInnen wiederum müssen diese taktischen Informationen so rezipieren, dass sie im folgenden Kampf die korrekten Aktionen zum rechten Zeitpunkt durchführen können. Die taktischen Informationen, die typischerweise in der Besprechungsphase vermittelt werden, können grob drei Themenfeldern zugeordnet werden: 1. die taktische Rolleneinteilung der Charaktere in Tanks, Heiler, Damage Dealer etc.; 2. die chronologische Abfolge der zu erwartenden Ereignisse, z.b. zu welchem Zeitpunkt die Boss-Fähigkeit namens Flammenwelle erscheint, sowie 166

172 3. die Positionen und Bewegungsmuster, die die Charaktere in der virtuellen Welt vollziehen müssen, um taktische Vorteile daraus zu ziehen und/oder bestimmte Ereignisse um den Kampf zu überstehen. Die taktische Rollenverteilung in Tanks etc. ist noch vergleichsweise einfach zu vermitteln, da diese von Raid zu Raid wiederkehrt und sich SpielerInnen in der Regel auf eine dieser Rollen spezialisiert haben. Die unter Punkt 2 angeführte Abfolge von Ereignissen hingegen ist bei jedem Boss-Kampf anders und kann nur durch Versuch und Irrtum oder über Guides in Erfahrung gebracht werden. Die erfolgreiche Vermittlung von Positionen und Bewegungsmustern (Punkt 3) wiederum stellt hohe Ansprüche an die Fähigkeit zur Erklärung von räumlichen Rahmenbedingungen. Darunter fallen z.b. die Beschaffenheit des virtuellen Schauplatzes und die räumliche Ausprägung der Boss-Fähigkeiten (der in Anhang 1 besprochene Boss-Kampf findet beispielsweise auf einer rechteckigen Insel in einem See aus Lava statt, der sich wiederum in einem Vulkankrater befindet). So steckt hinter den zuvor erwähnten Flammenwellen nicht nur eine abstrakte Formel, die den Schadenswert für die Charaktere berechnet, die Wellen bewegen sich auch im dreidimensionalen Raum in einem bestimmten Muster von einer Seite der Insel zur anderen, was spezifische Ausweichbewegungen der SpielerInnen erforderlich macht. Beide Arten von Informationen, d.h. über die numerischen Vorgänge der Spielmechanik einerseits und über die räumlichen Ausprägungen dieser Vorgänge andererseits, stellen besondere Anforderungen an die sprachliche Ausdruckskraft. Wie diese Anforderungen durch den WoW-typischen Wortschatz im Besonderen erleichtert werden, wird in Kapitel genauer erläutert. Die quantitative und qualitative Ausprägung der Besprechungsphase ist im Einzelfall stark abhängig von der Komplexität des Boss-Kampfes und der Erfahrung der Gruppe. Der Boss- Kampf, der Anhang 1 zugrundeliegt, stellte beispielsweise für die Gruppe eine Premiere dar. Die Menge der zu vermittelnden Informationen wäre bei einer bereits erfahrenen Gruppe geringer und die Besprechungsphase entsprechend kürzer. Auch die Wahrscheinlichkeit von Beiträgen anderer TeilnehmerInnen und somit eines weniger monologischen Charakters der Besprechungsphase steigt, sobald andere SpielerInnen zu den Informationen des Raidleiters/der Raidleiterin eigene Erfahrungen beizutragen haben. Der in Anhang 2 wiedergegebene Auszug verdeutlicht diese Unterschiede. Er entstammt demselben Raid wie Anhang 1, zeigt aber eine zweite, nachgeordnete Besprechungsphase, 167

173 die nach dem Scheitern des ersten Angriffs auf den Boss-Gegner eingeleitet wurde. Die am Raid Beteiligten SpielerInnen sind in beiden Auszügen identisch, in dem zweiten Auszug kommt lediglich der Spieler Cheila als ein Sprecher hinzu. Die Dominanz des Raidleiters A ist in dieser zweiten Besprechungsphase im Vergleich zur ersten reduziert. Andere TeilnehmerInnen bringen jetzt ihre Erfahrungen ein, die sie im ersten Angriff auf den Boss-Gegner gesammelt haben. So können sie prüfen, wie weit sie die Anweisungen richtig umgesetzt haben und außerdem können sie eigene Verbesserungsvorschläge in die Taktik einbringen, die sich aus der Praxis ergeben haben. Die Raidgruppe begibt sich so in einen Zyklus aus Planung Anwendung Planung unter Einbeziehung neuer Erfahrungen erneuter Anwendung, bis der Boss-Gegner erfolgreich überwunden ist. Dieser Zyklus ähnelt stark der klassischen wissenschaftlichen Methodik aus Hypothese, Hypothesenüberprüfung und Hypothesenmodifikation/-verwerfung, an deren Ende der ausreichend sichere Beweis der Hypothese stehen soll. Steinkuehler identifiziert in einem ihrer Artikel diese Nähe zur wissenschaftlichen Methodik als allgemeines Merkmal des MMOG-Spielprinzips. Anhand mehrer Fallbeispiele mit Schülern stellt sie heraus, dass mit Hilfe solcher Spiele wissenschaftliche Methodik im schulischen Kontext gelehrt werden könnte (vgl. Steinkuehler/Duncan 2009). Anhang 2 zeigt, dass der Austausch neuer Informationen in der zweiten Besprechungsphase zu einem stärker dialogisch geprägten Gesprächsablauf führt. Gleichzeitig kommt es durch die Beteiligung weiterer GesprächsteilnehmerInnen vermehrt zu unbeabsichtigten Unterbrechungen und Überschneidungen. In den Segmenten 10/11 und 19/20 kommt es zwischen A und H, in 26/27 zwischen A und C zu Überschneidungen von gesprochenen Beiträgen. In allen drei Fällen wird von jeweils einem/einer Beteiligten aufgrund eines fallenden Intonationsmusters bzw. des Signalwortes o(kay) eine übergaberelevante Stelle angenommen. Die Versuche der SpielerInnen, zusätzliche Informationen zu liefern, überschneiden sich daraufhin mit dem Raidleiter, der mit seinem Beitrag entgegen der Erwartung noch nicht fertig ist. Während H und C mit phonischen Äußerungen in das Gespräch einsteigen, äußert sich Teilnehmer B in den Segmenten 39 und 43 per Chat. B läuft damit von vornherein nicht Gefahr, den/die aktuelle/n SprecherIn auf phonischer Ebene zu unterbrechen und ist daher auch nicht an eine übergaberelevante Stelle gebunden. Die Chat-Beiträge haben dafür aber 168

174 den Nachteil, dass sie unauffälliger als ihre phonischen Gegenstücke sind. Während letztere ohne aktiven Aufwand von RezipientInnenseite ans Gehör dringen, müssen die geschriebenen Beiträge aktiv im Chat-Fenster wahrgenommen und gelesen werden. Es besteht daher eine größere Chance, dass sie übersehen werden, insbesondere da das Chat- Fenster während des Spiels nur eine von vielen visuellen Komponenten der Benutzeroberfläche ist, die die SpielerInnen im Auge behalten müssen. Dies Problem wird auch bewusst im Sprachverhalten der SpielerInnen berücksichtigt, um Nachteile für den Spielerfolg zu vermeiden: Bs Chat-Beitrag 39 [R]B: ganz nach unten am anfang ist eine Zusatzinformation, die an As vorhergehende Erläuterungen zur Positionierung eines bestimmten Charakters anknüpft. In seiner Funktion als Raidleiter versucht A sicherzustellen, dass diese Information im Chat nicht übersehen wird: 38 dann 39 [R]B: ganz nach unten am anfang A: legenwa damit gleich nomma los. (3.5) 40 genau. 41 am anfang quasi ganz hier in die ECke, h In Segment 40 bestätigt A den geschriebenen Beitrag von B und spezifiziert die Ortsangabe noch einmal phonisch in Segment 41. In dieser Sequenz werden zwei kommunikative Ziele erreicht: Erstens kann B seine Informationen erfolgreich einbringen, zweitens wird A in seiner Funktion als Gesprächsleiter nicht unterbrochen und hilft noch dabei, dass die Information alle betroffenen GesprächsteilnehmerInnen erreicht. Die oben genannten Beispiele zeigen, dass die Gesprächsdynamik in den Besprechungsphasen zwischen Monologizität und Dialogizität variieren kann. Die Variation wird bestimmt von der Komplexität der zu vermittelnden Gruppentaktik sowie davon, wer diese Informationen einbringen kann. Wenn der Informationstand und das Vermittlungsgeschick des/der Raidleiters/In ausreichend ist, kann eine Besprechungsphase quasi monologisch ablaufen, da eine einzige Person alles Notwendige vermitteln kann, ohne 169

175 Nachfragen notwendig zu machen. Treten andere TeilnehmerInnen als Informationsquellen oder für Nachfragen hinzu, entsteht schnell eine dialogische Gesprächsdynamik. Diese Dynamik könnte grundsätzlich ein großes Problem darstellen, da die SprecherInnenwechsel ohne Blickkontakt bei der Anzahl an Beteiligten leicht in Überschneidungen münden. In den vorgestellten Auszügen behilft sich die Raidgruppe neben der klaren kommunikativen Rollenverteilung damit, zwischen Chat- und phonischem Modus zu variieren. Chat- Äußerungen bieten den Vorteil, dass sie jederzeit ohne Rücksicht auf das laufende Gespräch geäußert werden können, ihr Nachteil ist, dass sie weniger auffällig als phonische Äußerungen sind. Die KommunikantInnen müssen bei der Planung ihrer Beiträge also abwägen, welches Medium ihren kommunikativen Zielen am ehesten dient, z.b. indem sie einschätzen, ob eine Information oder Nachfrage wichtig genug ist, um das Rederecht von dem/der RaidleiterIn zu erlangen. In Anhang 2 lädt der Raidleiter die MitspielerInnen H und C jeweils explizit durch Ansprache ( so pass auf und ihr Heiler ) zur Beteiligung ein, da deren Informationsstände für den Erfolg der ganzen Gruppe essentiell sind. Teilnehmer B hingegen offeriert Informationen von nachgeordneter Wichtigkeit im Chat-Modus, so dass diese nicht die etablierte Ordnung des phonischen Gesprächs belasten. Da sich die Information in diesem konkreten Fall als hilfreich erweist, nutz dann der Raidleiter seine gesprächsführende Position, um Bs Hinweis aufzugreifen: Im Anschluss an Segment 38/39 folgt eine Pause, in der der Raidleiter höchstwahrscheinlich die Chat-Beiträge liest, dann bestätigt er in Segment 40 die Richtigkeit von Bs Hinweis und konkretisiert diesen anschließend. Die Interaktion zwischen geschriebenen und phonischen Äußerungen stellt im anschließenden Kapitel den Themenschwerpunkt dar. Im konkreten Kontext der Kampfphase dient der Wechsel zwischen den Modi u.a. dazu, eine zusätzliche Ebene für Mitteilungen zu eröffnen, deren Nutzung die Rederecht-Verteilung im VoIP-Gespräch entlastet. Um die beiden verbleibenden Gesprächsphasen die Kampfphase sowie die Nachbereitungsphase zu charakterisieren, wird nachfolgend ein weiterer umfassender Auszug aus einem Raid abgebildet. Das in Anhang 3 aufgeführte Transkript stammt aus einem anderen Raidtermin als die vorherigen, da in dem zuvor zitierten Raid die Gruppe nicht zum Sieg gelangte und es deshalb zu keiner vollständigen Kampfphase und keiner 170

176 Nachbereitungsphase kam. Anhang 3 hingegen protokolliert einen Bosskampf vom Beginn der Kampfphase bis zum finalen Sieg der Raidgruppe, mit anschließender Verteilung der virtuellen Beute. Die Raidgruppe hat 25 TeilnehmerInnen. Die Kampfphase erstreckt sich von Segment 01 bis 89 des Auszugs. Nimmt man das Spielziel als Maßstab, so stellt diese Phase den wichtigsten Teil des Raids dar: Hier entscheidet sich, ob die Vorbereitungen der Gruppe ausreichend waren und das Ziel erreicht werden kann, nämlich der Sieg über den Boss-Gegner. Vorhergehende Navigations- und Besprechungsphasen, dem Raid vorausgehende Planungsdiskurse in Gildenforen, das Studium von Guides u. Ä. dienen alle mehr oder weniger dazu, die Kampfphase zum gewünschten Abschluss zu bringen. Dieses Maß an Vorbereitung ist deshalb nötig, weil die Raidgruppe ab Beginn der Kampfphase nur noch sehr eingeschränkte Kontrolle über den chronologischen Ablauf der Ereignisse hat. Während z.b. in der Navigationsphase die Gruppe ihr Tempo weitgehend selbst bestimmen kann und oft auch die Wahl zwischen verschiedenen Pfaden hat, müssen die SpielerInnen in der Kampfphase auf eine vorgegebene Sequenz, oder ein begrenztes Spektrum möglicher Sequenzen reagieren, die einem vorgegebenen Zeitplan folgen. 30 Das spielerische Verhalten der Raidgruppe wird in dieser Phase durch eine im Spieldesign festgelegte Ereignissequenz bestimmt, auf die reagiert werden muss und die hohe Anforderungen an kognitive und manuelle Fähigkeiten stellt. Dies spiegelt sich deutlich in der Gesprächsorganisation wider, die diese Phase begleitet. Die SprecherInnenabfolge wird in der Kampfphase viel stärker von spielerischen Notwendigkeiten bestimmt als durch die bisher vorgegebenen SprecherInnenrollen: Die Beteiligten informieren sich jederzeit gegenseitig über taktisch relevante Ereignisse und Entwicklungen, ohne auf übergaberelevante Stellen zu warten. Ausschlaggebend ist dabei, dass die Informationen innerhalb der Gruppe effizient geteilt werden müssen, die Gefahr von Unterbrechungen und Überschneidungen beim Sprechen wird dabei als geringeres Übel in Kauf genommen. Beispiele: (1) 07 primari ARM, 30 Das Explizitmachen dieser Sequenzen und deren Zeitabfolgen ist eine wichtige Funktion vieler Guides, auch viele Modifikationen der Benutzeroberfläche dienen dazu, die ursprünglich in der Programm-Mechanik verborgenen Zeitpläne von Boss-Kämpfen auf der Benutzeroberfläche zu visualisieren. 171

177 (2) 47 K: VAnel im arm, (3) 13 D: [(macht) CHEIla.] 14 E: [aleah im grip, ] (4) 43 A: heiler auf jeden fall immer als ERSte [hinstellen wenn ] 44 J: [schneesturm im arm,] A: (-) ihr noch was habt. Mit dem Hinweis auf Arm oder grip (dt. Griff ) teilen SpielerInnen in diesem Boss-Kampf mit, dass ihr Charakter von dem gegnerischen Riesen ergriffen wurde und befreit werden muss. (3) und (4) zeigen, dass es dabei auch zu Überschneidungen zwischen Sprechern kommen kann, da nicht erst auf übergaberelevante Stellen gewartet wird. Dies ist aber nicht problematisch für den Gesprächsverlauf, da die Hinweise die Form kurzer Zwischenrufe haben, die in ihrem Ausmaß kaum andere Aussagen komplett verdecken. Trotzdem tragen sie sämtliche nötigen Informationen, nämlich was geschieht gerade mit wem. Die folgenden Beispiele haben die sog. Spott-Fähigkeit zum Gegenstand. Mit Spott, spotten, abspotten etc. wird eine Reihe von funktionsähnlichen Fähigkeiten bezeichnet, mit denen ein Tank die Aufmerksamkeit (die sog. Aggro) eines oder mehrerer Gegner auf sich ziehen kann. In den meisten Fällen wird dies dazu verwendet, andere Charaktere vor Schaden zu bewahren: (5) 09 B: ich SPOTte, (6) 21 B: spott. (7) 59 B: (jetz) spott. (8) 60 A: jetz aleah spotten, (9) 32 D: JETzt hab ich zwei (.) [spott.] 33 A: [JETzt ] primari abspotten. Während das in (1) bis (4) referenzierte Ereignis nur in diesem spezifischen Boss-Kampf vorkommt, ist das Spotten essentieller Bestandteil vieler Boss-Kämpfe. Welche Charaktere als Tanks die Spott-Fähigkeit einsetzen und welche Charaktere sie so in erster Linie beschützen müssen, ist Teil jeder taktischen Vorbereitung. In den Beispielen (8) und (9) gibt A in seiner Funktion als Raidleiter durch namentliche Nennung der Betroffenen Hinweise darauf, welcher Charakter als nächstes abgespottet werden muss, obwohl die betroffenen SpielerInnen dies streng genommen auch ohne diesen Rat bewältigen können müssen. Beispiele (10) bis (17) zeigen weitere taktische Hinweise oder Handlungsaufforderungen unterschiedlicher Natur: 172

178 (10) 10 A: primari HAT, (11) 11 battleres auf SHMENdrik, (12) 22 E: resisted. (13) 23 G: pitti heilen- (14) 40 H: nora [down. ] 41 D: [ich hab] drei stacks; (15) 50 A: arm auf sechzig prozent, (16) 53 A: so arm geht hops (17) 65 so [alle auf den ARM (-)alle-] 66 M: [kann ines n äh (-) ] n ANregen bekommen? Zu den Funktionen dieser Hinweise gehören u.a.: - Aufrufe zum Einsatz spezifischer Charakterfähigkeiten wie (11) battleres, (13) heilen und (17) anregen; - Hinweise auf den Zustand von Charakteren wie (14) nora down (d.h. der Charakter hat zuviel Schaden bekommen und ist gestorben) und ich hab drei stacks (ein Hinweis darauf, dass der Charakter in dreifacher Ausführung von einem externen Effekt betroffen ist, der die Charakterwerte verändert); - Hinweise auf den allgemeinen Fortschritt des Kampfes und das Erreichen von Teilzielen wie (15) arm auf sechzig prozent, (15) so arm geht hops. Die in den obigen Beispielen angeführten Hinweise und Aufforderungen sind von Inhalt und syntaktischer Form her vielfältig, bedingt durch die Vielfalt der spielmechanischen Effekte, die mit ihrer Hilfe vermittelt werden sollen. Aus pragmatischer Sicht sind sie sich jedoch sehr ähnlich: Ihre Funktion ist es, taktisch relevante Entwicklungen im Spielverlauf mitzuteilen, sei es der ganzen Gruppe oder einzelnen betroffenen TeilnehmerInnen. Die zeitnahe Vermittlung dieser Informationen hat dabei Vorrang vor den in anderen Gesprächsphasen etablierten Rollen und Regeln: Der/die RaidleiterIn erteilt zwar weiterhin Anweisungen, deren Timing wird aber in erster Linie von der Abfolge der Spielereignisse bestimmt. In diesem Sinne steht der/die RaidleiterIn auf einer Stufe mit den übrigen SpielerInnen. Die das Gesamt-Gespräch dominierende Funktion des/der RaidleiterIn bedeutet nicht automatisch eine herausragende Rolle unter den Charakteren. Auch die Gesetzmäßigkeiten der Chat-Verwendung werden in der Kampfphase von spielmechanischen Notwendigkeiten bestimmt. Um die gesamte Auswahl an Fähigkeiten, die 173

179 einem Charakter zur Verfügung stehen, effizient einzusetzen, müssen SpielerInnen gleichzeitig Maus und Tastatur mit beiden Händen bedienen. 31 Während eines Boss-Kampfes würde die Eingabe einer Chat-Nachricht die Effektivität eines Charakters gravierend einschränken. Daher verwundert es nicht, dass während der Kampfphase kaum spontane Chat-Beiträge zu beobachten sind. 32 Nur in Einzelfällen haben SpielerInnen trotzdem genug Spielraum zur Teilnahme am Chat, entweder weil ihre taktische Rolle eher passiv und/oder automatisiert ist oder weil ihr Charakter zuvor außer Gefecht gesetzt wurde. In der in Ausschnitt 3 wiedergegebenen Kampfphase finden sich drei Beispiele für Äußerungen im Chat-Format (Segmente 12, 19 und 74). Darüber, warum dieses Format im jeweiligen Fall gewählt wurde, kann auf Basis der vorhandenen Daten nur spekuliert werden. Dazu wäre eine umfassende Betrachtung des Spiel- und Kommunikationsverhaltens der jeweiligen SpielerInnen aus deren Perspektive nötig. Endet ein Boss-Kampf erfolgreich mit einem Sieg der Gruppe, folgt die Nachbereitungsphase. Nachdem evtl. gefallene Charaktere wiederbelebt wurden, geht es an die Verteilung der Beute. Bei jedem Boss-Gegner besteht eine gewisse Chance, dass dieser nach seiner Niederlage einen oder mehrere wertvolle Gegenstände zurücklässt (die sog. Drop-Chance). Um einen bestimmten Gegenstand zu erlangen, ist es oft notwendig, eine Instanz oder einen Boss-Kampf mehrere Male hintereinander zu bewältigen. EinE SpielerIn muss nämlich nicht nur das Glück haben, dass der gewünschte Gegenstand überhaupt erscheint (in der Sprache der MMOG-SpielerInnen: dass der Gegenstand überhaupt droppt), sondern auch, dass dieser Gegenstand nicht einem anderen Gruppenmitglied zugesprochen wird. Der Anspruch auf Gegenstände innerhalb einer Gilde wird üblicherweise mit Hilfe von Punktesystemen wie EPGP (Effort Points/Gear Points; Evlogimenos 2009) oder EQdkp-Plus (EQdkp Plus Developer Team 2012) verwaltet, die im Internet frei zum Download erhältlich sind. Diese Systeme teilen SpielerInnen Prioritäten zu für den Erhalt von Gegenständen, basierend auf vorhergehendem Engagement für die Gilde und früher bereits erhaltenen Belohnungen. Bei gleicher Priorität entscheidet zwischen SpielerInnen der Zufall. 31 Alternative Steuerungsmodelle existieren zwar, werden aber wegen mangelnder Effizenz in Gilden oft nicht gern gesehen oder verlangen eine nicht massentaugliche Hardwarekonfiguration. 32 Manche Aktionen im Spiel generieren automatisierte Nachrichten, die formal einer Chat-Nachricht ähneln. Diese wurden jedoch im Dienste der Übersichtlichkeit vorab aus dem Transkript gefiltert. 174

180 Die faire und nachvollziehbare Anwendung des Verteilungssystems ist verständlicherweise ein wichtiges Anliegen für alle Beteiligten. Seine Durchführung kann daher gerade bei großen Gruppen aufwändig sein und einen erheblichen Teil der Nachbereitungsphase ausmachen. Oft wird zu diesem Zweck vorab eine offizieller Loot- VerteilerIn ernannt. In Anhang 3 erstreckt sich die Nachbereitungsphase von Segment In Segm wird die Wiederbelebung gefallener Charaktere organisiert sowie das nächste Navigationsziel der Raidgruppe verkündet. Mit Segm. 97 beginnt die Beuteverteilung, deren Gesprächsstruktur deutlich von den vorherigen Phasen abweicht. Betrachtet man die Phase als Ganzes, fällt die deutliche Zunahme der Chat-Verwendung auf. Raidleiter A gibt zu Beginn einige phonische Anweisungen zur Vermittlung zwischen den beteiligten Gilden und übergibt in Segm. 113 dann die Gesprächsführung an den Loot- Verteiler N, indem er ihn direkt anspricht: 112 A: (o)kay wenn unsere heiler die dabei sind sich dann jetz auf die (SCHNELle/STELle) einigen dann kricht dat einer ((rauschen ca. 0.5)) 113 teil bitte erstmal den REST jörg dann können [(die heiler) ] 114 N: [genau ihr habt ja noch ZEIT (.) ich] verteil erstmal den restlichen loot. h 115 [ich 116 M: [(ja) 117?: [( ) 118 [R]N: --> [Giant s Bane][Idol of the Crying Wind] N: zeig ersma wat drin is, ] M: (dann poste dat ma bidde,]?: ( )] In den Segm kommt es nach der Übergabe zunächst zu einer Überschneidung zwischen drei Sprechern, die das akustische Verstehen stark beeinträchtigt. Unmittelbar darauf stellt sich aber wieder Ordnung im Gespräch ein, als N beginnt, Informationen über die gefundenen Gegenstände im Chat-Format zu veröffentlichen (siehe auch die weiter 175

181 unten folgenden Beispiele). N hat im weiteren Verlauf das primäre Rederecht im phonischen Modus und nutzt parallel auch den Chat-Modus zur Vermittlung von Informationen. Andere Teilnehmer äußern sich phonisch fast ausschließlich mit sehr kurzen Kommentaren und/oder nach Gesprächspausen von mehreren Sekunden, so dass die Gefahr einer Unterbrechung von N gering ist. Jene Reaktionen der übrigen TeilnehmerInnen, die inhaltlich für den Verteilungsprozess wichtig sind, werden praktisch ausschließlich im Chat-Format verfasst. Der Wechsel vom phonischen ins schriftliche Medium erfolgt dem Anschein nach aufgrund einer unausgesprochenen Konvention, jedenfalls gibt es keinen expliziten Aufruf an die Gruppe, das Kommunikationsverhalten in irgendeiner Form zu ändern. Es ist daher anzunehmen, dass der Wechsel aufgrund von eingespielten Kommunikationsmustern erfolgt, die sich aus regelmäßigem Raiden entwickelt haben oder für regelmäßige NutzerInnen der Raid/VoIP-Kombination selbstverständlich sind. Der Chat bietet dank seiner technischen Rahmenbedingungen spezifisch in diesem Teil der Nachbereitungsphase eine Reihe von zusätzlichen Vorteilen. Der/die Loot-VerteilerIn kann sich auf der Benutzeroberfläche die als Beute zur Verfügung stehenden Gegenstände anzeigen lassen und deren Namen per Mausklick direkt in das Chat-Fenster übertragen, woraufhin diese in eckigen Klammern erscheinen und dann wie herkömmliche Chat- Äußerungen veröffentlicht werden können. Beispiele: (1) 118 [R]N: --> [Giant s Bane][Idol of the Crying Wind] (2) 120 [R]N: --> [Ironmender] (3) 148 [G]N: wer möchte [Fragment of Val anyr] Angesichts der idiosynkratischen Namensgebung für viele Gegenstände stellt dies durchaus eine Arbeitserleichterung dar. Die copy-and-paste-handhabung der Gegenstandsnamen stellt sicher, dass die Gegenstände in ihrer offiziellen und korrekten Schreibweise verwendet werden. Die übrigen Beteiligten können nämlich ebenfalls durch einen Klick auf den Namen eines Gegenstandes dessen Werte innerhalb des Spielsystems aufrufen oder diese in Internet-Datenbanken wie Wowhead nachschlagen. Das Erscheinen des Gegenstandsnamens im Chat-Fenster gilt für die SpielerInnen als Signal, dass dieser zur Verteilung bereit steht. Interesse daran kann durch die Eingabe eines Plus-Zeichens im Chat bekundet werden. In Verbindung mit dem Namen, der jeder Chat- 176

182 Äußerung vorangestellt wird, stellt dies eine optisch eindeutig identifizierbare Anmeldung dar. Auf diese Weise fungiert das Chat-Fenster als beständige Liste mit Kandidaten, die der/die Loot-VerteilerIn mit dem Prioritäten-Punktekonto auf der Gilden-Homepage vergleicht. Von besonderem Nutzen bei diesem Vorgang ist dabei die stärkere Dauerhaftigkeit der geschriebenen Äußerungen im Gegensatz zu flüchtigen mündlichen Äußerungen. Ein Abgleich von Interessenbekundungen und Prioritäten wäre auf Basis phonischer Äußerungen ungleich schwieriger und würde eine potenzielle Fehlerquelle darstellen, weil der/die Loot-VerteilerIn sich zu späteren Zeitpunkten an alle Interessenbekundungen erinnern muss. Da das Chat-System eine Chronik der aktuellen Beiträge führt (gegebenenfalls erreichbar durch zurückscrollen des Ausgabefensters), erhält die Raid-Gruppe stattdessen ein Protokoll, das alle notwendigen Informationen auf einen Blick bereithält. Der/die Loot-VerteilerIn wählt unter den InteressentInnen die Person aus, die nach dem Punktesystem den stärksten Anspruch hat. Bei gleichberechtigten Ansprüchen entscheidet ein virtueller Würfelwurf: Durch die Eingabe eine entsprechenden Befehls kann im Chat- Fenster für alle TeilnehmerInnen sichtbar eine Zufallszahl zwischen eins und hundert ausgeworfen werden. Der höhere Wurf gewinnt den Gegenstand. In Auszug drei wird diese Prozedur nur halb durchgeführt, da Kandidatin M in Segment 186 freiwillig verzichtet: 185 N: ines und 186 [R]M: ah, dann nimm du cordula N: cordula bitte <<allgemein lesbare Systemnachricht: cordula rolls 88 (1-100)>> N: WURfeln, (3.0) 187 N: ja (.) für achtenachtzig (.) glückwunsch. (3.0) <<allgemein lesbare Systemnachricht: Cordula awarded [Ironmender]>> Der Protokoll-Charakter und die integrierten Funktionen wie z.b. der Zufallsgenerator sind gerade für große Raidgruppen unverzichtbare Eigenschaften, die einen übersichtlichen und 177

183 nachvollziehbaren Verteilungsprozess überhaupt möglich machen. Ohne das Chat System wäre der Ablauf entweder kaum transparent, weil der/die Loot-VerteilerIn den Vorgang mittels anderer Hilfsmittel verwalten müsste, oder der Vorgang müsste im phonischen Medium durchgeführt werden, was weitaus unübersichtlicher wäre. Während wie oben beschrieben der Chat durch die relative Dauerhaftigkeit der Beiträge die Offenheit des Ablaufs unterstützen kann, kann er in anderer Hinsicht gerade durch Einschränkung von Offenheit punkten. In der in Anhang 3 dargestellten Nachbereitungsphase sind drei unterschiedliche Chat-Kanäle im Einsatz, erkennbar an den Kennungen, die den Chat-Beiträgen zusammen mit den SprecherInnennamen vorangestellt sind: - [R] markiert Nachrichten im Raid-Kanal, den alle TeilnehmerInnen am Raid lesen können. - [G] markiert Nachrichten im Gilden-Kanal, der nur von Mitgliedern der jeweiligen Gilde zu lesen ist in diesem Fall VoS. An dem in Anhang 3 dokumentierten Raid ist eine weitere Gilde beteiligt, die höchstwahrscheinlich einen eigenen Kanal verwendet, der aber in der Aufzeichnung nicht sichtbar ist. - [7] markiert den Orga-Kanal von VoS. Diesen können jene Mitglieder lesen, die zum Organisationsteam gehören, d.h. bei Gildenangelegenheiten mitentscheiden können. Der Wechsel zwischen den Kanälen ist jederzeit möglich, indem ein entsprechendes Kürzel in die Eingabezeile des Chat-Fensters getippt wird, z.b. /ra für den Raid-Kanal. Alle folgenden Äußerungen erscheinen dann in diesem Kanal. Das VoIP-Programm bietet keine annähernd so einfache Möglichkeit, den RezipientInnenkreis von Äußerungen einzuschränken. In der folgenden Sequenz wurden alle Äußerungen bis auf jene im Kanal [7] entfernt. Übrig bleibt ein Gesprächsstrang, in der sich Orga-Mitglieder von VoS darüber austauschen, an welchen TeilnehmerIn ein besonders wertvoller Gegenstand namens Fragment von Val anyr vergeben werden sollte: 97 [7]N: fragment 99 [7]N: wer von uns? 101 [7]A: noch nicht abgemacht 178

184 103 [7]M: was? 108 [7]P: öhm 109 [7]A: fragment 111 [7]A: für den legendary hammer 119 [7]E: heiler hammer ^^ 121 [7]P: Ines was sagst du dazu? 124 [7]M: mir ist das pups 128 [7]P: dann gibt s mir^^ 131 [7]A: vergesst vanessa nicht 132 [7]M: willst du nicht noch vanessa fragen? oder boytoy 133 [7]M: oder roland? 134 [7]M: oder alex? 135 [7]A: nur main heiler 137 [7]M: oder so 142 [7]A: also noch vanessa und boytoy fragen 184 [7]P: orangy hat keine ahnung^^ 189 [7]P: was machen wir nu? dennis entscheide du? Da die Vergabe eines besonders wertvollen Gegenstands eine sensible Angelegenheit sowohl innerhalb der Gilde als auch gegenüber der kooperierenden Gilde sein kann, 33 verwenden die Gesprächspartner hier einen Kanal, zu dem nur die EntscheidungsträgerInnen selbst Zugang haben. Gesprächsstränge, die in eingeschränkten Kanälen stattfinden, genießen nicht nur den Vorteil größerer Vertraulichkeit. Die Einschränkung entlastet auch die Text-Fenster unbeteiligter SpielerInnen, denn die verdeckten Gesprächsstränge sind regelmäßig für einen großen Teil der Raid-TeilnehmerInnen schlicht irrelevant, z.b. weil ein Gegenstand für sie von vorn herein nicht in Frage kommt. In diesem Fall könnte ein 33 In diesem konkreten Fall war dies nicht so, dieser Abschnitt wäre ansonsten aus ethischen Gründen nicht verwendet worden. 179

185 irrelevanter Gesprächsstrang sogar wichtigere Informationen aus dem Textfenster verdrängen. Da die Vergabe eines Gegenstands sichtbar im Chat-Fenster verkündet wird, können alle Beteiligten sehen, wann die Verteilung beendet ist. Auch die Nachbereitungsphase endet in den meisten Fällen an diesem Punkt. Es kann sich eine weitere Navigationsphase anschließen oder aber der Raid wird beendet und es folgt eine (hier nicht behandelte) Abschiedsphase. Deren Ausmaß ist schwer zu erfassen, da viele GesprächsteilnehmerInnen noch über einen ausgedehnten Zeitraum miteinander weiter kommunizieren und es unklar ist, ab welchem Zeitpunkt die Raidgruppe als solche nicht mehr besteht. Selbst nach Verlassen des Spiel-Programms können TeilnehmerInnen durch das separat operierende VoIP-Programm weiter im Gespräch bleiben. Ebenso können sie sich aus dem VoIP- Programm und somit dem phonischen Modus verabschieden, aber weiterhin in der Spielwelt verweilen und die Chat-Kanäle auf einen beliebigen Kommunikationskreis erweitern oder beschränken. Die vorangehende Darstellung hat gezeigt, dass die verschiedenen Gesprächsphasen ganz unterschiedliche Kommunikative Muster aufweisen, die als Reaktion auf spezifische spielerische Anforderungen in den jeweiligen Spielphasen entstanden sind. Das folgende Kapitel verschiebt den Blickwinkel und widmet sich phasenübergreifend der Frage, wie sich spezifisch die parallele Verwendung von Chat und VoIP in der Gesprächsorganisation äußert Besonderheiten der Gesprächsorganisation bei paralleler Verwendung von Chat und VoIP In diesem Kapitel werden phasenübergreifende Phänomene der Gesprächsorganisation beim Raid dargestellt. Verglichen mit anderen Gesprächstypen ist das herausragende Merkmal der Raid-Kommunikation sein multimodaler Charakter, d.h. die parallele Verwendung der beiden Modi Chat und VoIP. Betrachtet man diese Modi getrennt, so lassen sich leicht Gesprächstypen finden, die strukturell ähnlich aufgebaut sind. Die VoIP-Komponente findet sich z.b. in ähnlicher Form bei Telefon- oder Online-Konferenzschaltungen ohne Bildübertragung. Das von WoW verwendete Chat-System gleicht in seinen Funktionen und Konventionen einer Vielzahl anderer Systeme, die seit Jahren in verschiedenen Kontexten 180

186 wie Unterhaltung, Lehre, Beratung etc. eingesetzt werden, und auch ausführlich untersucht sind. Die Realität der Raid-Kommunikation sieht allerdings so aus, dass beide Modi in einer Form von Hybrid-Gespräch zusammenkommen, für das kaum Präzedenzfälle außerhalb der Welt der Online-Spiele existieren. Aus diesem Grund musste vor der Untersuchung sorgfältig abgewägt werden, inwiefern herkömmliche Beschreibungskategorien für die Beschreibung geeignet sind, und ob vorhande Kategorien angepasst werden können. Während auf die VoIP-Komponente des raidbegleitenden Gesprächs das Instrumentarium der Gesprächanalyse, wie es z.b. bei Brinker/Sager (2001) beschrieben wird, uneingeschränkt anwendbar ist, trifft dies auf den Chat nicht ohne Weiteres zu. Beißwenger (2007: 258f) weist korrekt auf eine Reihe von Eigenschaften der Chat-Kommunikation hin, welche die Eignung des Turn-Taking-Modells angesichts der technischen Rahmenbedingungen in Frage stellen: - Äußerungen können nicht schon zur Laufzeit ihrer Produktion wahrgenommen werden, da sie immer erst in vollendeter Form im Textfenster erscheinen. Produktion und Rezeption sind, anders als in phonischen Gesprächen, zeitlich voneinander entkoppelt. Daraus folgt, dass auch kein Rückmeldeverhalten (backchannel-behavior) von RezipientInnenseite möglich ist. - Turn-begrenzende Signale und übergaberelevante Punkte existieren nicht, da jeder Turn aus RezipientInnensicht nur ein punktuelles Ereignis ohne wahrnehmbare Zeitausdehnung ist. Sprecherwechsel erfolgt nicht aufgrund einer Aushandlung zwischen den Beteiligten, vielmehr kann jeder zu jeder Zeit ohne störende Auswirkungen einen Gesprächsbeitrag leisten, denn: - Eine Überschneidung von Äußerungen ist unmöglich. - Jede Äußerung hat im Chat grundsätzlich die gleiche Chance, wahrgenommen zu werden. Eine abgeschickte Chat-Äußerung wird für alle sichtbar, während eine phonische Äußerung überhört oder übertönt werden kann. - Das Erscheinen einer Chat-Nachricht im Textfenster garantiert aber nicht, dass diese auch rezipiert wird. Chat-Nachrichten müssen aktiv gelesen werden, während phonische Nachrichten, sofern sie deutlich genug sind, automatisch an die Wahrnehmung dringen. Diesen Unterschied zwischen phonischem und schriftlichem Medium stellt auch Beißwenger fest: 181

187 Während für mündliche Gespräche aufgrund der unmittelbaren Übertragung des Schallereignisses an die Perzeptoren der Anwesenden eine identische zeitliche Sukzession der Wahrnehmung sprachlicher Produktion angenommen werden kann, wird in der Chat-Kommunikation jeder verschickte Beitrag zunächst lediglich in die Bildschirmverlaufsprotokolle zugestellt, damit aber nicht zwangsläufig an die Augen der Adressaten. [Beißwenger 2007: 223] - Die Reihenfolge von Chat-Beiträgen beruht im letzten Schritt nicht auf gemeinsamer Aushandlung, sondern auf der Verteilungsfunktion des Servers (Mühlenprinzip: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst ). Bei aufeinander folgenden Chat-Nachrichten darf also nicht automatisch von einer Kohärenzbeziehung ausgegangen werden, da die Abfolge auch von der Intention der ProduzentInnen abweichen kann. Beißwenger schlägt angesichts der grundliegenden Unterschiede als Alternative zu den Kategorien der Gesprächsanalyse ein eigenes Begriffsinventar für die Beschreibung der Sprachhandlungskoordination in der Chat-Kommunikation vor. Dieses erfasst nicht nur jene Elemente, die im Bildschirmprotokoll einer Chat-Sitzung nachweisbar sind, sondern alle Handlungen, die von den Beteiligten während der Vorbereitung und Produktion von Beiträgen durchgeführt werden. Um diese Handlungen der Untersuchung zugänglich zu machen, müssen die Betroffenen an ihrem Computer-Arbeitsplatz auf Video aufgezeichnet werden, so wie es Beißwenger für seine Untersuchung getan hat. Der Nachteil dieser Form der Datensammlung ist der hohe Aufwand, den die Auswertung der Aufzeichnungen erfordert. Eins zu eins übertragen auf eine Raidgruppe würde dies bedeuten, dass Video- und Tondaten von bis zu zwanzig Gesprächsteilnehmern auszuwerten wären und in einem entsprechenden Transktriptformat dargestellt werden müssten ein kaum zu bewältigendes Szenario. Davon abgesehen kommt eine binäre Entscheidung zwischen Beißwengers Modell oder den etablierten Kategorien der Gesprächsforschung, wie sie z.b. bei Brinker/Sager beschrieben werden, für die vorliegende Untersuchung nicht in Frage, da die Wechselwirkungen zwischen phonischer und schriftlicher Ebene explizit eine große Rolle spielen. Letztlich fiel die Entscheidung des Autors der vorliegenden Dissertation darauf, das gesprächsanalytische Instrumentarium als Basis zu nehmen und den Modus Chat darin zu 182

188 integrieren, was auch aufgrund des quantitativ größeren Anteils der phonischen Daten an den Protokollen sinnvoll erscheint. 34 Aus dieser Perspektive stellt sich der Chat als eine Option unter mehreren zum Erreichen der kommunikativen Ziele dar: Wer die Intention hat, eine Äußerung zu produzieren, kann versuchen, unter Berücksichtigung der im Raid vereinbarten Gesprächsordnung phonisch das Rederecht zu erlangen, oder aber er/sie kann diese Regeln umgehen und den schriftlichen Chat-Modus wählen. Bei einzelnen Chat- Äußerungen lohnt sich demnach auch ein Blick darauf, ob und welche Umstände in der aktuellen Gesprächssituation diesen Modus als bevorzugte Wahl erscheinen lassen. Auch wenn man vom Vorhandensein des Chat absieht, so sind die technischen, sozialen und inhaltlichen Rahmenbedingungen von Gesprächen während eines Raids offensichtlich anders als bei alltäglicheren Gesprächstypen: Die TeilnehmerInnen müssen sich unter Zeitdruck über Inhalte verständigen, die hochkomplex sind und explizit als Herausforderung an Geschicklichkeit und Kognition konzipiert sind. An Raids sind große Gruppen von ca Personen beteiligt. Jede dieser Personen kann bzw. muss gegebenenfalls die Sprecherrolle übernehmen, wenn es für den Erfolg der Gruppe nötig ist. Die Beteiligten sind nicht räumlich kopräsent und können einander nicht sehen, so dass die üblichen nonverbalen Kommunikationsmittel wie z.b. Blickkontakt und Mimik nicht zur Verfügung stehen. In diesem Punkt ähneln sie ein Stück weit Telefonkonferenzen. Allerdings fehlt bei diesen Konferenzen ein dreidimensionaler virtueller Raum, in dem die SprecherInnen durch Avatare vertreten sind. Prinzipiell stehen den Avataren im WoW-Raum Mittel für nonverbale Kommunikation zur Verfügung. Diese Aktionen müssen aber aktiv durch die Eingabe von Tastaturkommandos ausgelöst werden und unterscheiden sich daher deutlich von der herkömmlichen nonverbalen Kommunikation, die viele unbewusst ablaufende Elemente z.b. bei der Mimik aufweist. Die Existenz der virtuellen Welt stellt aber auch eine zusätzliche Herausforderung dar, da in dieser 34 Die umgekehrte Variante könmnte z.b. für Untersuchungen sinnvoll sein, die sämtliche zwischen den NutzerInnen verwendeten Chat-Kanäle dokumentieren und sich nicht auf einen spezifischen TeilnehmerIn konzentrieren. 183

189 hochkomplexe Gesetzmäßigkeiten herrschen, welche die GesprächsteilnehmerInnen untereinander berücksichtigen müssen. Im nichtvirtuellen Raum lassen sich viele Rückschlüsse auf die Natur eines Gesprächs schon aus räumlichen Variablen wie z.b. der Blickrichtung oder der relativen Position von Personen zueinander ziehen. Im virtuellen Raum von WoW hingegen herrschen andere Bedingungen. Z.B. erlaubt die Blickrichtung von Avataren keinerlei Rückschlüsse darauf, wo die Aufmerksamkeit der SpielerInnen liegt, da die Kamera -Perspektive im Spiel unabhängig von der Spielfigur gesteuert werden kann. 35 Auch die relative Position der Avatare zueinander und zu Objekten (inkl. Mobs) gehorcht anderen Gesetzmäßigkeiten: U.a. sind bei WoW die Spielfiguren quasi substanzlos, d.h. sie blockieren nicht den Punkt im Raum, an dem sie sich befinden. Mehrere Figuren können ein und dieselbe Stelle okkupieren, und es macht für die Verständigung keinen Unterschied, ob Avatare direkt nebeneinander oder an entgegengesetzten Enden einer 25köpfigen Gruppe stehen. Der Modus VoIP hat im Gegensatz zu phonischen Gesprächen von Angesicht zu Angesicht eine bedeutende Einschränkung: Letztere bieten für gewöhnlich irgendeine Möglichkeit, bei mehr als zwei Beteiligten den Adressatenkreis einer Äußerung ohne viel Aufwand einzuschränken, sei es durch Verringerung der Lautstärke oder durch räumlichen Abstand. Das in der vorliegenden Untersuchung von den Raidgruppen verwendete VoIP-System Teamspeak bietet diese Option nicht. Phonische Äußerungen werden hier immer an sämtliche Personen vermittelt, die sich in dem verabredeten Raid-Kanal eingeloggt haben. Ein schneller Wechsel zwischen verschiedenen Adressatenkreisen u.u. sogar von einer Äußerung zur nächsten ist nur auf der Ebene des Chat praktikabel, wo jeder Beitrag durch das Voranstellen simpler Tastaturkommandos an ausgewählte LeserInnen oder Kanäle verschickt werden kann. Im VoIP-Modus ist es zwar theoretisch möglich, aber aus praktischer Sicht zu aufwändig, um als unproblematische Option in der Kommunikation zu dienen. Aus diesen technischen Rahmenbedingungen folgt, dass ProduzentenInnen von 35 Die Bedeutung des virtuellen Raumes ist sehr stark abhängig von der verwendeten Spiel-Engine. Es gibt andere Multiplayer-Spiele, bei denen beispielsweise die Avatare wesentlich deutlicher die Aktionen der SpielerInnen widerspiegeln, z.b. durch Kopplung der Blickrichtung des Avatars an die Kameraperspektive des/der SpielerIn. 184

190 Äußerungen im Raid meist dann den Modus Chat verwenden müssen, wenn sie sich explizit nicht an die gesamte Raidgruppe wenden. Besonders auffällig ist dies in der zuvor in Anhang 3 aufgeführten Nachbereitungsphase, in deren Verlauf die Teilnehmer zwischen drei verschiedenen Chat-Kanälen wechseln, um das Thema der Beuteverteilung mit unterschiedlichen Adressatenkreisen zu besprechen. Anekdotische Beobachtungen haben zusätzlich gezeigt, dass zu praktisch jedem Zeitpunkt der Raids mit Ausnahme der Kampfphase zwischen verschiedenen Beteiligten private Gespräche geführt werden, die zur Kommunikation der Gruppe parallel verlaufen. Diese Gespräche sind ebenfalls nur per Chat möglich (vorausgesetzt die Beteiligten ziehen nicht weitere Kommunikationsoptionen hinzu wie Instant Messenger o.ä.). Zusammenfassend können für beide Modi eine Reihe von praktischen Vorteilen festgestellt werden, die diese im Raid-Zusammenhang bieten und die ihre Auswahl situationsabhängig begünstigen: Vorteile des Modus VoIP Erlaubt die Produktion von Äußerungen, ohne die Steuerung des Avatars einzuschränken; Erreicht mit großer Wahrscheinlichkeit alle Mitglieder der Raidgruppe (passive Wahrnehmung per Gehör); VoIP-Programm läuft unabhängig vom Spiel- Programm, wenn letzteres abstürzt o.ä., bricht die Kommunikation nicht ab Vorteile des Modus Chat Erlaubt jederzeit die Produktion von Äußerungen ohne Rücksichtnahme auf das Rederecht; Erlaubt einfache Modifikation des Adressatenkreises von Äußerung zu Äußerung; Ermöglicht das Führen paralleler Gesprächsstränge; Äußerungen im Chat werden für begrenzte Zeit protokolliert; Chat-System ist von Anfang an in das Spiel- Interface integriert und bietet Zusatzfunktionen wie z.b. Verlinkung von Stichworten 185

191 Beide Modi dienen in Kombination dazu, die besonderen kommunikativen Erschwernisse, die sich aus den Rahmenbedingungen des Raidens ergeben, zu kompensieren. Der Modus Chat erleichtert es, trotz einer Teilnehmerzahl von bis zu 25 Personen Gespräche zu führen, ohne dass es wegen ständiger Überschneidungen von Sprechern zu Informationsverlusten kommt. Dank dem Chat muss sich die Gruppe nicht jedes Mal mit der Verteilung des Rederechts aufhalten, wenn jemand ein Mitteilungsbedürfnis hat. Zudem können die Beteiligten je nach Bedarf mehrere Gesprächsstränge parallel mit unterschiedlichen PartnerInnen führen, ohne dass diese sich gegenseitig stören. Der Modus VoIP verdankt seine Verwendung in erster Linie der Tatsache, dass die Produktion von Chat-Nachrichten in der Hitze des Gefechts die Steuerung der Avatare erschwert. Wirklich unerlässlich ist VoIP nur zur Bewältigung der Kampfphasen, außerhalb dieser könnte prinzipiell auch Chat verwendet werden, ohne dass der Gruppenerfolg direkt gefährdet wäre. Da der VoIP-Modus aber nun einmal zur Verfügung steht, wird er natürlich auch in den anderen Phasen benutzt. Die in diesem Kapitel beschriebenen gesprächsorganisatorischen Besonderheiten stellen eines der herausragenden Charakteristika der Sprache der WoW-SpielerInnen beim Raiden dar. Dazu gehören besonders die frühzeitige Festlegung von bevorzugten SprecherInnen (insb. dem/der RaidleiterIn) und die Unterteilung des Gesprächs in unterschiedliche Phasen, die das Rederecht abhängig von der Spielsituation einschränken, lockern oder auf spezifische AufgabenträgerInnen konzentrieren (z.b. der/die Loot-Verteilerin). RaidleiterIn und Loot- VerteilerIn fällt unter Anderem die Aufgabe zu, durch Vorbereitung entsprechender Inhalte mit Hilfe von Guides u.ä. die Raid-Gruppe kognitiv zu entlasten, indem diese Inhalte nicht während des Raids von Grund auf ausgehandelt werden müssen. Der Wechsel zwischen VoIP- und Chat-Modus wird die gesamte Zeit über von den NutzerInnen als Möglichkeit genutzt, um die eigenen Beiträge ins Gespräch einzubringen, wobei immer zwischen der gewünschten Auffälligkeit der Äußerung, dem gewünschten Adressatenkreis und dem Produktionsaufwand abgewogen werden muss. Im folgenden Kapitel gilt der Fokus den Besonderheiten von Lexik und Morphologie und widmet sich auch konkret der Frage, ob man die verwendete Sprache angesichts ihrer Merkmale als Fachsprache bezeichnen kann. Neben den gesprächsanalytischen Besonderheiten und den in Kapiteln 2.6. bis 2.8. beschriebenen charakteristischen 186

192 Textsorten, die spielbegleitend rezipiert werden, stellt die Lexik das noch fehlende Element dar, anhand dessen der spezielle Sprachgebrauch der WoW-SpielerInnen rund um das Raiden beschrieben werden kann. 187

193 2.10. Die Lexik der Sprache der WoW-SpielerInnen: Merkmal einer Fachsprache? WoW-SpielerInnen verwenden, wenn sie über das Spiel verbal kommunizieren, eine Sprache, die deutlich von der Alltagssprache abweicht. Diese Abweichung ist auch aus Sicht sprachwissenschaftlicher Laien schnell erkennbar, da insbesondere der Anteil spielspezifischer Lexik in phonischer wie schriftlicher Sprache hervorsticht. Diese von WoW- SpielerInnen verwendete Lexik soll in diesem Kapitel einer genauen Betrachtung unterzogen werden. Kombiniert mit den zuvor herausgestellten Charakteristika auf gesprächsorganisatorischer Ebene sowie bei der Rezeption und Produktion spezifischer Textsorten kann im Anschluss eine Einschätzung darüber vorgenommen werden, ob und inwiefern die Sprache der WoW-SpielerInnen im Umfeld des Raidens als Fachsprache bezeichnet werden kann. Die Beschreibung der Lexik sowie die Frage nach der Klassifikation als Fachsprache wird hier bewusst als zusammenhängender Themenbereich behandelt. Im Umfeld eines klar definierten Situationsrahmens wie dem Raiden bieten sich Überlegungen über die mögliche praktische Funktion und den Nutzen spezifischer lexikalischer Eigenheiten an. Besagte Eigenschaften sind in den Augen des Autors ausschlaggebend für die Frage, ob die Bezeichnung als Fachsprache angemessen ist. Eine konkrete Bewertung der Angemessenheit von Begriffen ist natürlich nur möglich, wenn diese Begriffe eindeutig definiert sind aus diesem Grund soll zunächst der Begriff Fachsprache selbst beleuchtet und eine Definition gefunden werden Zum Begriff Fachsprache Der Begriff Fachsprache ist innerhalb der Sprachwissenschaft nicht klar definiert. Was darunter zu verstehen ist und welche Merkmale zur Klassifikation als Fachsprache führen, hängt von der sprachtheoretischen Perspektive ab, aus der die Sprache betrachtet wird. Roelcke (2005) unterscheidet drei wesentliche Ansätze: Das systemlinguistische Inventarmodell befasst sich mit den Eigenschaften des Sprachsystems, v.a. Lexik und Syntax. Eine angenommene Fachsprache kann dabei als Sub-System der Standardsprache gesehen werden. Beide teilen eine systematische 188

194 Basis, die Fachsprache unterscheidet sich aber von der Standardsprache durch das quantitative Auftreten bestimmter Merkmale. Da die innersprachlichen Eigenheiten an bestimmte außersprachliche Rahmenbedingungen gekoppelt sind diese machen das Fach in Fachsprache aus, können Fachsprachen insofern auch als eine Varietät der Standardsprache unter anderen Varietäten betrachtet werden (vgl. Roelcke 2005: 18). Das pragmalinguistische Kontextmodell betrachtet eine Fachsprache als Gefüge von Texten, die unter bestimmten Rahmenbedingungen auftreten. Im Fokus stehen nicht innersprachliche Charakteristika wie Lexik und Syntax, sondern komplexe Äußerungen und die Umstände, die ihre Produktion und Rezeption begleiten. Hier spielen also auch außersprachliche Rahmenbedingungen eine Rolle. Verglichen mit der Behandlung einer Fachsprache als Varietät müssen die Rahmenbedingungen von Fachtexten im pragmalinguistischen Kontextmodell aber wesentlich genauer umrissen werden, da unterschiedliche Fachtexte innerhalb einer Fachsprache nach ihren Begleitumständen unterschieden werden müssen (vgl. Roelcke 2005: 21ff). Das kognitionslinguistische Funktionsmodell befasst sich mit der Frage, inwiefern eine Fachsprache durch ihre Eigenschaften bestimmte Strukturen und Prozesse der menschlichen Kognition unterstützt, die beim Umgang mit dem betroffenen Gegenstandsbereich gefordert sind. Zu diesen Eigenschaften gezählt werden z.b. häufig Deutlichkeit, Verständlichkeit, Ökonomie, Anonymität und Identitätsstiftung (vgl. Roelcke 2005: 28ff). Inwiefern jede einzelne dieser Eigenschaften als charakteristisch für Fachsprachen angesehen werden kann, wird von Standpunkt zu Standpunkt unterschiedlich bewertet. Die einzelnen Modelle stehen nicht zueinander im Widerspruch, sondern beruhen vielmehr auf unterschiedlichen Beschreibungsebenen. Eine Untersuchung von Fachtexten nach dem pragmalinguistischen Kontextmodell ist beispielsweise problemlos vereinbar mit Beobachtungen über das Sprachsystem, auf dessen Basis diese Fachtexte enstanden sind. Aus diesem Grunde ist die vorliegende Untersuchung der WoW-Sprache auch nicht einem einzigen dieser Modelle verpflichtet, sondern stellt die Sprache der WoW-SpielerInnen aus unterschiedlichen Perspektiven dar. Die Beobachtungen zu den (Hyper-)Textsorten, die zur Vorbereitung auf das Spiel konsumiert werden, sowie die Analyse der Gesprächorganisation 189

195 in Raids folgen dem pragmalinguistischen Kontextmodell. Die folgende Beschreibung der Lexik beruht auf dem systemlinguistischen Inventarmodell. Das kognitionslinguistische Inventarmodell spielt eine untergeordnete Rolle, da über kognitive Vorgänge im Rahmen dieser Untersuchung nur spekuliert werden kann. Es werden im weiteren Verlauf aber zumindest Überlegungen dahingehend angestellt werden, inwiefern die Sprache der SpielerInnen bei der kognitiven Bewältigung der virtuellen Umgebung und der Spielaufgaben helfen könnte. Unabhängig von dem gewählten Modell steht zunächst die Frage im Raum, ob die außersprachlichen Rahmenbedingungen, unter denen eine WoW-Raidgruppe agiert, überhaupt die Bezeichnung als Fach-Sprache rechtfertigen. Schließlich ruft der Begriff Fach bei manchen Personen eher Assoziationen mit beruflichen Fachrichtungen oder akademischen Fächern hervor. Den Fachsprachen-Begriff fest an Berufe oder akademische Fachrichtungen zu koppeln, wäre jedoch aus Sicht des Autors ein Fehler: Die Unterscheidung zwischen verschiedenen Fachsprachen würde dann nämlich von willkürlichen, z.b. bildungspolitisch motivierten Einteilungen abhängig gemacht, die bestimmen, was ein Fach ist und was nicht. Für eine sprachwissenschaftliche Untersuchung sollten vielmehr innersprachliche Merkmale aussschlaggebend sein. Dass eine Bindung an berufliche oder akademische Strukturen für eine Klassifikation als Fachsprache nicht zwangsweise erwartet wird, zeigt sich daran, dass z.b. im Bereich des Sports regelmäßig von Fachsprachen gesprochen wird. Born zählt eine Reihe von Eigenschaften von Sportsprache auf, u.a. [ ] ist Sportsprache als offizielle Fachsprache eine aus klaren und unmissverständlichen technischen Bezeichnungen bestehende Terminologie[ ]. [Born 2005: 15] Auch Küster verwendet selbstverständlich den Begriff Fachsprache in Bezug auf den Sport: Primär geht es den am sportlichen Geschehen Beteiligten darum, die Abläufe der jeweiligen Sportarten zu bezeichnen. Diese werden gewöhnlich in spezifischen Regelwerken formuliert. Dazu gehören die verbalen Bezüge auf die Sportler selbst und auf die Geräte, deren sie sich bedienen. Präzise Bezeichnungen und Verkürzung der kommunikativen Vorgänge sind intendiert. In dieser Hinsicht haben wir es im Rahmen der verschiedenen Sportarten mit unterschiedlichen Fachsprachen zu tun, die sich sowohl in schriftlicher als auch gesprochener Form manifestieren können. [Küster 2005: 64; Hervorhebung im Original] Mit ihren Hinweisen auf offizielle Fachsprache bzw. spezifische Regelwerke betonen beide Autoren den Aspekt der Sprachnormierung, den viele Sportarten mit beruflichen und 190

196 akademischen Fachgebieten gemeinsam haben. In all diesen Bereichen gibt es irgendeine Form von Regelwerk, welches innerhalb des betroffenen Bereichs allgemein anerkannt ist und das u.a. das lexikalische Grundinventar definiert, mit dessen Hilfe über Vorgänge innerhalb des jeweiligen Bereichs kommuniziert wird. Dabei ist nachrangig, wodurch diese Regelwerke jeweils legitimiert sind für die sprachliche Realität zählt nur, dass sie von der Sprachgemeinschaft mehrheitlich anerkannt und tatsächlich verwendet werden. Auch im Fall von WoW und vergleichbaren MMOGs lassen sich Normierungen des lexikalischen Grundinventars für die Kommunikation über das Spiel beobachten. Zum einen wird ein großer Teil der spielspezifischen Terminologie durch das Spielprogramm selbst und die darin enthaltenen Texte vorgegeben. JedeR SpielanfängerIn wird von Spielbeginn an mit erklärenden Texten konfrontiert, die schrittweise in die Nuancen der Spielmechanik einführen sollen. Darunter fallen beispielsweise die offiziellen Bezeichnungen für Rassen, Orte und Ausrüstungsgegenstände. Es kann also davon ausgegangen werden, dass jeder erfahrene SpielerIn die von den Spieldesignern als notwendig erachteten Begriffe und Textformate kennt, denn sie werden in der Spielpraxis automatisch an NutzerInnen herangetragen. Die SpielerInnenschaft verwendet bei der Kommunikation über das Spiel aber nicht nur Wortschatz, der ursprünglich dem Spielprogramm entstammt. Dieser andere Teil des Wortschatzes spielt eine mindestens ebenso große Rolle in Internet-Guides und Foren- Threads, in denen fortgeschrittene Taktiken erklärt und diskutiert werden. Da der Teil des Wortschatzes, der im Spiel nicht explizit erläutert wird, für Neueinsteiger eine Barriere zum Spielerfolg darstellen kann, enthält ein großer Teil der Community-Foren Threads, die als Lexikon dienen. 36 Diese Listen werden in Gemeinschaftsarbeit regelmäßig erweitert, SpielerInnen können jederzeit Erweiterungen vorschlagen, die aufgenommen werden, wenn sie die Zustimmung der Mehrheit der Beteiligten finden. Auf diese Weise gelangen in die Lexikon-Threads i.d.r. jene Ausdrücke und ihre Definitionen, die am häufigsten in den von der Mehrheit konsumierten Texten zu finden sind. Diese im Konsens festgelegten Bedeutungen dienen dann für die RezipientInnen der Threads wiederum als Grundlage bei 36 Siehe beispielsweise und (beide zuletzt erreichbar am ) 191

197 der Poduktion weiterer Guides und auch der direkten Kommunikation über Spielinhalte. Natürlich finden sich Übersetzungshilfen und Lexika für spielspezifische Ausdrücke auch in anderen Textformaten, allerdings können diese aufgrund technischer Rahmenbedingungen oft nicht mit der gleichen Leichtigkeit aktuell gehalten werden und haben auch nicht die gleiche Reichweite wie ein Thread in einem gut besuchten Community-Forum. 37 Wikis sind von der technischen Seite her zwar sehr gut für die Erstellung von Lexikon-Einträgen geeignet, haben aber nach der Erfahrung des Autors nicht die gleichen NutzerInnenzahlen und Reichweite wie die populären Community-Foren. Zwar findet bei dieser Form Lexikon-Erstellung keine von zentraler Stelle geleitete Normierung von Bedeutungen statt, auf die sich die Gemeinschaft kollektiv beziehen kann, aber die starke Vernetzung der Spiel-Gemeinschaft und die regelmäßige Produktion und Rezeption von Texten innerhalb dieses Netzes führt dazu, dass praktisch gesehen ein allgemein anerkannter Spezialwortschatz mit weitgehend gleichbleibenden Definitionen geprägt wird. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Sprache der WoW-Spielerschaft also nicht von bekannten Fachsprachen wie denen des Sports oder akademischer und beruflicher Fachbereiche: In allen diesen Fällen wird ein spezieller Wortschatz von einer überindividuellen Autorität definiert, und wer an der Kommunikation in dem betroffenen Bereich erfolgreich teilnehmen möchte, muss diesen Wortschatz in ausreichendem Maße beherrschen. Spätestens in einer Raidgruppe würde im Fall von WoW mangelnde Kenntnis dazu führen, dass man der Gruppentaktik nicht folgen kann und/oder Handlungsankündigungen sowie -anfragen den anderen nicht innerhalb kurzer Zeit mitteilen kann. Die Natur von WoW als Spiel ist also nicht per se ein Hindernis dafür, den Begriff Fachsprache zu verwenden, vor allem da im Fall der verschiedenen Sportarten-Fachsprachen ausreichend Präzedenzfälle für eine vergleichbare Verwendung existieren. Angesichts der Vagheit des Begriffs Fachsprache ist es folglich als nächster Schritt notwendig, ihn für den Kontext der vorliegenden Dissertation zu definieren. Da tatsächlich keine allgemein 37 So existiert z.b. ein englischsprachiger World of Warcraft Slang Translator in Form eines Webinterface zur Texteingabe unter (Jones (2009)); ebenso wie ein im Zuge einer Infoveranstaltung des Jugendreferats Steiermark erschienenes Info-Blatt unter (AutorIn unbekannt, Jugendreferat Steiermark (2009)) 192

198 anerkannte Definition zu finden ist, wird der Autor im weiteren Verlauf eine solche selbst formulieren. Diese soll eine Abgrenzung ermöglichen zwischen Fachsprachen und Nicht- Fachsprachen, und diese Abgrenzung soll nicht auf rein außersprachlichen Merkmalen beruhen, wie es bei der bereits abgelehnten Kopplung an akademische Fächer oder Berufsfelder der Fall wäre. Die im weiteren Verlauf geltende Definition ist folgende: Eine Fachsprache ist eine Varietät der Standardsprache, die einen spezifischen Ausschnitt der Realität abbildet und die durch ihre besonderen Merkmale die Kommunikation über diesen Ausschnitt erleichtert für jene Personengruppen, die sich mit diesem Teil der Realität regelmäßig befassen. Zu den besonderen Merkmalen können u.a. gehören: Elemente des Sprachsystems wie Lexik und Syntax, aber auch die Verwendung charakteristischer Textsorten und ihre Verknüpfung. Die Regeln dieser Varietät werden zu einem gewissen Grad durch eine überindividuelle Autorität festgelegt, sind relativ stabil und gelten nicht nur nur für einen lokal oder zahlenmäßig eng begrenzten Kreis. Der Aspekt der Verwendung und Verknüpfung von Textsorten muss angesichts der heutzutage bei NutzerInnen quasi selbstverständlichen Online-Zugänge und der jedermann/- frau verfügbaren (Hyper-)Textgestaltungsmöglichkeiten als mögliches Differenzierungsmerkmal zwischen verschiedenen Varietäten berücksichtigt werden. Historisch gesehen fehlten den SprecherInnen verschiedener Fachsprachen meist die Möglichkeiten, Texte mit großer Reichweite innerhalb der Fachsprache zu produzieren. Den meisten Menschen war es beispielsweise nicht möglich, an der Erstellung eines Lexikons teilzuhaben oder einflussreiche Ratgeber-Texte zu veröffentlichen, die den Gebrauch von Fachterminologie indirekt verbreiten. In einer Web-affinen Sprachgemeinschaft wie jener der WoW-SpielerInnen ist beides hingegen ohne großen Aufwand möglich. Verschiedene Fachsprachen können sich also zum Teil dadurch differenzieren, in welchem Ausmaß und auf welche Weise ihre SprecherInnen solche Möglichkeiten nutzen allerdings ist dies wesentlich aufwändiger durch handfeste Daten zu belegen als z.b. eine Differenzierung anhand lexikalischer Merkmale. Eine weitere Folge des Vorhandenseins digitaler Teilhabemöglichkeiten ist zudem, dass die erwähnte überindividuelle Autorität eine Vielzahl von Formen annehmen kann: Von einer präskriptiv eingreifenden Behörde bis hin zu 193

199 Online-Communities, die aufgrund ihrer Beliebtheit und Vernetzung ganz ohne offizielles Mandat in der Praxis großen Einfluss ausüben. Bei der differenzierten Betrachtung von Fachsprachen ist zwischen einer horizontalen und einer vertikalen Perspektive zu unterscheiden. Die horizontale Betrachtung grenzt einzelne Fachsprachen voneinander ab, die vertikale unterscheidet Abstraktionsebenen innerhalb einer spezifischen Fachsprache. Bezogen auf ein MMOG wie World of Warcraft wirft insbesondere die horizontale Differenzierung einige Fragen auf. Im MMOG-Genre existieren eine Reihe weiterer Spieltitel, deren Spielmechaniken der von WoW mehr oder weniger stark ähnelen. Bevor bestimmte sprachliche Merkmale als eindeutig WoW-spezifisch charakterisiert werden, muss daher auch überlegt werden, ob diese nicht auch genauso in den SpielerInnen-Gemeinschaften anderer Spiele zu finden sind. Ganz ähnlich verhält es sich mit typischen Merkmalen der Computervermittelten Kommunikation, z.b. verbreitete Chat- Akronyme wie afk für away from keyboard. Die sind auch in der Sprache der WoW- SpielerInnen häufig zu finden, und es muss sorgfältig differenziert werden zwischen Merkmalen, die auf die spezifischen Rahmenbedingungen des Spiels WoW zurückzuführen sind und solchen, die allgemein als Charakteristika der CvK zu betrachten sind. Da deutliche Überschneidungen mit benachbarten Themenbereichen wie CvK, anderen MMOGs und dem Thema WoW exisiteren, wird dieser Aspekt im kommenden Kapitel, welches die Lexik der WoW-SpielerInnen beleuchtet, sorgfältig berücksichtigt werden. Die Frage der horizontalen Abgrenzung stellt sich im Übrigen auch innerhalb des Themas WoW. Die vorliegende Dissertation beruht auf Daten, die aus der Betrachtung von Raidgruppen gewonnen wurden. Das Raiden stellt wie in Kapitel 2.1. beschrieben nur einen bestimmten spielerischen Schwerpunkt unter mehreren dar, die zusammen WoW als Spiel ausmachen. Viele SpielerInnen widmen sich anstelle des Raidens bevorzugt dem PvP (Wettkampf gegen andere SpielerInnen) oder bevorzugen es, die Spielwelt allein zu erkunden. Inwieweit solche spielerischen Alternativen auch eigenständige Kommunikationpraktiken, Wortschätze u.ä. aufweisen, müsste in eigenständigen Untersuchungen erkundet werden, denn die veränderten Rahmenbedingungen erfordern dafür auch ganz andere Maßnahmen zur Datensammlung. 194

200 Die Lexik der WoW-Fachsprache Die spezialisierte Lexik von Fachsprachen ist in der Regel das Merkmal, welches diese Sprache nach außen hin am deutlichsten von der Standardsprache abhebt. Da die Bedeutung von Fachausdrücken Nichteingeweihten meist unbekannt ist, fallen diese Abweichungen bereits bei oberflächlicher Betrachtung auf. Wortneubildungen, die ausschließlich in der jeweiligen Fachsprache zu finden sind, sind dabei aber nur ein Teil des Gesamtbildes. Ebenso bedeutsam sind Lexeme, die durchaus in der Standardsprache zu finden sind, in der Fachsprache jedoch eine abweichende Bedeutung aufweisen. Ein drittes Charakteristikum, welches Fachsprachen typischerweise zugeschrieben wird, ist zudem das quantitativ höhere Auftreten bestimmter Wortbildungsmechanismen. Ein klassisches Beispiel dafür sind Kurzwortbildungen, mit denen komplexe Termini in kürzere Formen umgewandelt werden. Dieses Kapitel beschreibt diese und weitere lexikalische Besonderheiten im Sprachgebrauch von WoW-SpielerInnen. Als Datengrundlage dienen dabei: die Aufzeichnungen der Kommunikation bei der Durchführung von Raids der Gilde Vault of Sages, Auszüge aus dem teilweise nichtöffentlichen Forum selbiger Gilde, eine Auswahl von Threads in öffentlichen Foren sowie eine Auswahl von Internet-Guides in unterschiedlichen Formaten. Diese Auswahl soll eine qualitative Betrachtung ermöglichen und eine möglichst breite Auswahl an auffälligen Merkmalen nachweisen. Sie stellt keinesfalls den Anspruch, quantitative Aussagen zu ermöglichen dazu wäre eine technisch und organisatorisch wesentlich aufwändigere Datensammlung notwendig. Die an dieser Stelle verwendeten Quellen sollen vielmehr eine Auswahl von Kommunikations-Situationen darstellen, in denen durchschnittliche WoW-SpielerInnen typischerweise die WoW-Fachsprache rezeptiv und/oder produktiv verwenden. Insbesondere die letzten beiden Punkte sollen keine repräsentativen Datensammlungen versprechen, was angesichts der in Gestalt öffentlichen Foren und Guides zur Verfügung stehenden Datenmenge kaum zu bewerkstelligen wäre. Die Betrachtung beschränkt sich auf deutschsprachige Quellen, d.h. solche, die in deutscher Sprache verfasst sind. Wie bereits erwähnt haben aber englischsprachige Ressourcen auch in der deutschsprachigen WoW-Community einen großen Einfluss, so dass 195

201 englischsprachige Elemente trotzdem regelmäßig ihren Weg in primär deutschsprachige Texte finden. Die folgende Darstellung der Lexik ist in semantische Teilbereiche gegliedert. Jeder dieser Teilbereiche entspricht einem wichtigen Aspekt des Spiel-Erlebnisses aus Sicht einer SpielerIn; Lexeme innerhalb des jeweiligen Bereichs dienen in irgendeiner Form dem Umgang damit, wobei es auch Überschneidungen geben kann. Die besagten semantischen Teilbereiche sind: Der virtuelle Raum an sich. Dieser Bereich umfasst die räumliche Repräsentation der Spielwelt, d.h. die geografische Anordnung der simulierten Landmasse und der architektonische Aufbau von Städten, Gebäuden etc. Der Maßstab, in dem SpielerInnen sich mit dem virtuellen Raum kognitiv auseinandersetzen reicht dabei von der Darstellung eines einzelnen Zimmers bis zu ganzen Kontinenten, abhängig von der akuten Spielsituation. Eine herausragende Besonderheit der Räumlichkeit virtueller Welten im Gegensatz zur Welt jenseits des Computers ist ihre prinzipielle Variabilität: Entfernungen und räumliche Dimensionen können von den Designern direkt manipuliert werden. Ebenso ist es möglich, dass weit entfernte Orte plötzlich über einen einzigen Mausklick in einem Menu erreichbar werden, weil eine entsprechende Option im Spiel bereitgestellt wird die Bedeutung räumlicher Dimensionen kann also auch durch das Design von Benutzerführung und Spielmechanik indirekt beeinflusst werden. Die Spielmechanik. Die Spielmechanik umfasst zum einen das Gerüst aus Attributen, Fähigkeiten und sonstigen Werten, anhand derer die Auswirkungen von Ereignissen und Handlungen in der Spielwelt hinter den Kulissen berechnet werden (z.b. den Schaden, den ein Boss-Monster bei Charakteren verursacht, verglichen mit deren individuellen Verteidigungs-Fähigkeiten). Zum anderen fallen in den Bereich der Spielmechanik auch bestimmte Organisationsprinzipien der Spielwelt wie z.b. die Instanzen. Die Verwendung von Instanzen als Spielmechanismus bedeutet, dass das Erreichen bestimmter Orte der Spielwelt von Bedingungen wie Questfortschritt oder Charakter-Stufe abhängig ist. Ein Charakter kann direkt vor einer Ruinenstadt stehen, aber von rein 196

202 spielmechanischen Variablen am Betreten gehindert werden. In diesem Aspekt interagiert die Spielmenachik also auch möglicherweise mit dem virtuellen Raum. Als dritter Aspekt der Spielmechanik zählen zudem noch taktische Manöver, Spielzüge u.ä., unter denen SpielerInnen bestimmte komplexe Handlungsabfolgen zusammenfassen, die innerhalb der Logik des Spiels Vorteile versprechen. Zu guter Letzt fallen in diesen Bereich auch noch die Namen und Bezeichnungen von NPCs und Mobs. Deren Funktion wird in einem Spiel wie WoW quasi völlig durch ihre spielmechanischen Variablen definiert, die von der SpielerInnenschaft problemlos in Datenbanken wie Wowhead einsehbar sind. Eine separate Kategorie für NPCs und Mobs würde nur dann Sinn machen, wenn die Qualität der künstlichen Intelligenz diesen ein eigenständiges, nicht vorhersehbares Verhalten jenseits ihrer Grundattribute ermöglichen würde. Die Benutzeroberfläche. Dieser Bereich umfasst die Bedienelemente, die SpielerInnen verwenden müssen, um auf das Spiel zugreifen zu können. Darunter fallen Elemente der Maus- und Tastatursteuerung, der Bildschirmaufbau etc. Die Benutzeroberfläche stellt einen dauerhaften Filter dar, der den Blick der NutzerInnen auf das Geschehen färbt. Eine Besonderheit von WoW ist, dass SpielerInnen selbst Veränderungen an der Benutzeroberfläche vornehmen können. Um die Erstellung und Verwendung modifizierter GUIs existiert daher eine eigene kleine Subkultur, deren Produkte in der Spielgemeinschaft regelmäßig thematisiert werden. Spielexterne Elemente der WoW-Community. Dieser Bereich umfasst Elemente, die außerhalb des virtuellen Raums der Spielwelt von WoW angesiedelt sind, aber trotzdem thematisch fest mit WoW verbunden sind. Dies betrifft insbesondere die Organisationsformen der Spiel-Community im World Wide Web und dort verfügbare Ressourcen wie Datenbanken und Guides. Aus der Sicht der Mehrheit der SpielerInnen ist die Nutzung dieser Elemente so fest mit dem Spielen von WoW verbunden, dass sie ebenso als essentielles Spielelement betrachtet werden muss wie die Mechaniken innerhalb des Spiels. Jeder der von den Kategorien beschriebenen Bereiche des Spiels kann verändert werden, ohne zwangsweise die übrigen zu beinflussen. Bei extremen Veränderungen jedoch sind Wechselwirkungen unvermeidbar. So ist es z.b. weitgehend von der Benutzeroberfläche 197

203 abhängig, welche spielmechanischen Abläufe von Anfang an den SpielerInnen offen zur Wahrnehmung und Diskussion angeboten werden. An den ersten drei Kategorien werden regelmäßig Modifikationen von Seiten der Spieldesigner in Form von größeren und kleineren Updates und Erweiterungen vorgenommen. Die Kategorie der spielexternen Elemente hingegen kann naheliegender Weise in der Praxis kaum von Herstellerseite kontrolliert werden. Zu beachten ist, dass die oben genannten Themenbereiche keine objektiv vorhandenen Kategorien sind, sondern vom Autor dieser Dissertation für den Zweck der Untersuchung und Darstellung des Fachwortschatzes der WoW-SpielerInnen gewählt wurden, auf der Basis von Beobachtungen von WoW und anderen MMOGs. Unter anderen Vorzeichen können möglicherweise andere Einteilungen ebenso valide sein. Sofern im Text nicht anders erläutert, werden die in den folgenden Kapiteln aufgeführten Lexeme von WoW-SpielerInnen sowohl in schriftlicher als auch in mündlicher Form verwendet. Sowohl Beispiele aus Raid-Aufzeichnungen mit VoIP und Chat als auch solche aus schriftlichen Guides werden angeführt, da SpielerInnen in der Praxis regelmäßig Lexeme von einem Format ins andere übernehmen. Für die englischsprachigen Beispiele gilt wie zuvor: So weit nicht anderweitig hervorgehoben, werden sie unter WoW-SpielerInnen synonym mit den deutschsprachigen verwendet, sowohl im mündlichen wie auch im schriftlichen Bereich Lexik des virtuellen Raums Eine realitätsnahe Gestaltung des virtuellen Raums erleichtert es, die Spielwelt als glaubwürdige alternative Wirklichkeit zu verkaufen. Viele SpielerInnen ziehen ihren Spielspaß neben einer ausgewogenen Spielmechanik auch aus der Möglichkeit, sich in einer glaubwürdigen Alternativwelt zu bewegen, die sie zeitweise vergessen lässt, dass es sich um eine Simulation handelt. Eine konsequente Realitätsnähe der simulierten Welt würde aber aber auch viele unerwünschte Nachteile der physischen Welt mit sich bringen, wie z.b. schwer zugängliche, aber wichtige Lokalitäten oder die Notwendigkeit von Fußmärschen durch uninteressante oder längst bekannte Landschaften. Viele dieser Merkmale wären zwar 198

204 realistisch, würden aber der allgemein anerkannten Vorstellung von Spielspaß wiedersprechen. Da die SpieldesignerInnen bei einem Spiel wie WoW die Kontrolle über die Konstruktion der Geografie haben, kann diese ganz in den Dienst des Spielspaßes gestellt werden. Die Anordnung der Spiel-Lokalitäten ist deshalb an den typischen Werdegang eines Charakters angepasst. Während der Charakter in den Stufen immer weiter aufsteigt und mächtiger wird, wird dieser gleichzeitig durch visuell abwechslungsreiche Landschaften und Orte zu relevanten Wegpunkten geführt, die steigende Herausforderungen bieten. Auf diese Weise werden SpielerInnen sanft dazu gezwungen, einen großen Teil der virtuellen Landschaft kennenzulernen, inklusive der wichtigen Funktionen der diversen Lokalitäten. Jedem virtuellen Ort ist von Seiten der SpieldesignerInnen ein eindeutiger Name zugeordnet. Diese Namen sind zum einen offensichtlich als Referenzpunkte für die Navigation nützlich, um Ziele für die Bewegung durch die Welt benennen zu können, genau wie in der physischen Welt auch. Zum anderen hat fast jeder Ort auch eine Reihe von klaren spielmechanischen Funktionen. Einen Ort ohne Funktion ins Spiel einzubauen ist aus Sicht der Designer bis auf wenige Ausnahmen verschwendeter Aufwand, und jeder Ort in der virtuellen Landschaft von WoW wurde irgendwann intentional platziert. Für versierte SpielerInnen ist beispielsweise der Landstrich Schattenhochland nicht nur ein Ort, der in Relation zu anderen Landstrichen auf der Weltkarte existiert, über bestimmte Wege zu erreichen ist und bei der Planung Reiserouten berücksichtigt werden muss. Schattenhochland ist auch eine spielmechanische Größe als Region für die Stufen 84 und 85, in dem für diese Stufen als Herausforderung angemessene Mobs und Questen zu finden sind. Die Tatsache, dass kein Ort allein als geografische Formation existiert, sondern immer eine geplante spielerische Funktion hat, schlägt sich auch darin nieder, wie die Namen von Elementen der virtuellen Geografie in der Kommunikation verwendet werden. Es kommt vor, dass der Name eines Ortes im Gespräch kaum mehr als räumliche Referenz dient, sondern als spielmechanisches Element behandelt wird. Vergleichbare Vorgänge gibt es auch in der Kommunikation über Orte in der physischen Welt, z.b. wenn sich Personen über einen Behördengang unterhalten und dabei zwischen den notwendigen bürokratischen Schritten und der Örtlichkeit des Amts selbst wechseln. Der wichtige Unterschied zu virtuellen Welten besteht aber darin, dass in diesen die räumliche Ausprägung eines Amtes o.ä. die Gestalt 199

205 eines tatsächlichen Gebäudes, einer einzelnen Person oder eines Menus in der Benutzeroberfläche haben kann (ein gutes Beispiel ist hier das Auktionshaus von WoW, welches die Gestalt eines einzelnen NPC hat, der angeklickt werden muss, um die entsprechenden Funktionen aufzurufen), und dass diese räumliche Ausprägung sich z.b. im Zuge eines Updates auch ändern kann. Dieses Phänomen wird im Abschnitt zur Lexik der Spielmechanik erneut aufgegriffen, es muss aber auch bei der Betrachtung von Räumlichkeit in virtuellen Welten im Hinterkopf behalten werden. SpielerInnen stoßen auf die offiziellen Namen von Lokalitäten üblicherweise zuerst in Form einer schriftlichen und/oder phonischen Textausgabe innerhalb des Spiels, z.b. als Aussage eines NPCs, als Information auf einer Übersichtskarte, als Menupunkt u.ä. Diese offiziellen Namen werden in der SpielerInnengemeinschaft regelmäßig unverändert verwendet. In schriftlicher Form werden sie häufig als Suchbegriffe in Datenbanken, Guides und anderen Textformaten eingesetzt, dadurch wird auch eine spezifische Schreibweise innerhalb der Gemeinschaft perpetuiert, bzw. zwei Varianten in den Fällen, in denen eine deutsche wie auch eine englische Sprachversion gebräuchlich sind. Im Fall von neu hinzugefügten Orten, durch eine Erweiterung oder ein Update, wird durch die begleitenden Texte innerhalb des Spiels, z.b. Wegbeschreibungen für Questen, die durch NPCs vergeben werden, eine offizielle Schreibweise festgelegt. Relevante Orte, die erst von SpielerInnen einen Namen verliehen bekommen, sind dem Autor im Fall von WoW nicht bekannt, obwohl dies prinzipiell möglich wäre. Unabhängig davon wie viele Synonyme für einen Ortsnamen in der Spielgemeinschaft im Laufe der Zeit geprägt werden, ist es durch die Dauerhaftigkeit der spielinternen Texte und ihre Übernahme in Online-Datenbanken u.ä. quasi ausgeschlossen, dass die ursprüngliche Schreibweise verdrängt wird. Viele deutschsprachige Guides weisen auch explizit auf abweichende englische Originalnamen hin, so dass SpielerInnen sich unter diesen Begriffen zusätzliche Quellen mit weiterführender Information eröffnen können. 38 Die Lexik der Ortsnamen ist neben den Namen von NPCs und Monsters ein Bereich, in dem sich verschiedene MMOGs seht einfach voneinander abgrenzen lassen: Die erfundenen 38 Es kann davon ausgegangen werden, dass Ähnliches auch für alle weiteren Sprachen gilt, für die die Spiel- Software lokalisiert wurde. 200

206 Namen unterliegen wann immer möglich dem Urheberrecht der jeweiligen Autoren, die an den Spielen arbeiten, daher gibt es kaum Überschneidungen zwischen Titeln unterschiedlicher Firmen. Der Großteil der Namen für Lokalitäten, seien es die Welt selbst, Länder, Städte o.a, ist daher charakteristisch für das jeweilige Spiel. In den Breichen der Spielmechanik, der Benutzeroberfläche gibt es hingegen viele Überschneidungen zwischen Titeln, da sie auf gemeinsamen, nicht gechützten Genrekonventionen beruhen. Das gleiche gilt auch für viele Namen von Mobs, Rassen und Klassen, die auf klassischen Fantasy- Motiven in der Tradition von J.R.R. Tolkien beruhen, z.b. Rassen-Namen wie Elfen, Zwerge und Orks. Die Landmasse von WoW ist in ihrer internen Ordnung an die Kategorien realer Geografie angelehnt, die man aus der physischen Welt kennt, d.h. je nach Maßstab wird sie in den spielinternen Texten als Planet, Kontinent, Landstrich etc. beschrieben. Dies bedeutet aber nicht, dass die gesamte Welt stufenlos als dreidimensionales Objekt modelliert ist. Bereiche der Welt, die von SpielerInnen nicht erreicht werden können, existieren im praktischen Sinne auch nicht. Das Vorhandensein einer kontinuierlichen, zusammenhängenden Welt wird aber durch die Rahmenhandlung, durch Darstellungen in Übersichtkarten u.ä. inferiert, um die Illusion einer physischen statt digitalen Umgebung aufrechtzuerhalten. 39 Die Lexik, mit der Orte in der Spielwelt bezeichnet werden, lässt sich am besten anhand mehrerer Maßstabs-Stufen beschreiben. Diese spielen offensichtlich in der Kommunikationspraxis unterschiedlich häufig eine Rolle. Auf der obersten Beschreibungsebene steht der Name des fiktiven Planeten, auf dem sich die Spielwelt von World of Warcraft und den drei Vorgänger-Spielen befindet: Azeroth. Für die praktische Navigation hat dieses Lexem wenig Bedeutung, da sämtliche Bewegungen auf einem kleineren Maßstab stattfinden. EinE SpielerIn kann das gesamte Spiel bestreiten, ohne den Namen Azeroth kennen zu müssen, sofern er/sie sich nicht allzu sehr für den narrativen Hintergrund des Spiels interessiert. Der Name des Planeten fällt regelmäßig in Texten, die 39 Eine der Herausforderungen des 3d-Grafikdesigns ist es u.a., den SpielerInnen das Vorhandensein einer glaubwürdigen geografischen Ordnung vorzugaukeln, ohne diese tatsächlich von Hand modellieren zu müssen. 201

207 sich mit der Rahmenhandlung befassen, z.b. wenn NPCs über die Welt reden, in der sie leben. Nach Erfahrung des Autors gilt dies aber nicht für Gespräche von SpielerIn zu SpielerIn. Eine spezielle Rolle spielt die Landmasse, die durch die erste Spielerweiterung The Burning Crusade (2007) zur World of Warcraft hinzugefügt wurde. Diese trägt den Namen Scherbenwelt/Outland/Fremdland und besteht dem narrativen Hintergrund zufolge aus den Überresten eines anderen Planeten jenseits von Azeroth, der durch magische Portale erreicht werden kann. Auf Übersichtskarten wird die Scherbenwelt entsprechend auch nicht als Teil Azeroths dargestellt. Aus praktischer Sicht gibt es im konkreten Spielverlauf jedoch wenig, was die Scherbenwelt von den Kontinenten Azeroths unterscheidet. Die Erweiterungs-Gebiete könnten ebenso gut auf einer abgelegenen Insel liegen, zumal magische Portale (d.h. der damit umschriebene Mechanismus des Ortswechsels von Charakteren) ohnehin ein alltägliches Verkehrsmittel in der Welt von WoW sind. Allerdings sind die Länder der Scherbenwelt nicht von Ozeanen eingegrenzt, sondern schweben über einer bodenlosen Leere. Dass die Scherbenwelt nicht Teil des Planeten Azeroth ist, ist aber in erster Linie ein Aspekt der begleitenden Rahmenerzählung, ohne unmittelbare praktische Folgen. Von den kosmetischen und kosmologischen? Unterschieden abgesehen gliedert sich die Scherbenwelt-Erweiterung in das bereits bestehende System aus Kontinenten ein, dass nachfolgend beschrieben wird. Eine Maßstabs-Stufe unter dem Planeten Azeroth sind dessen Kontinente und Subkontinente angesiedelt. Die folgenden sind allesamt schriftliche Belege für namentliche Nennungen, in den Datensammlungen des Autors konnten aber keine mündlichen Verwendungen gefunden werden ein Hinweis darauf, dass diese Kategorie ebenfalls wenig Bedeutung für die alltägliche Praxis hat: Kalimdor; Östliche Königreiche/Eastern Kingdoms; Nordend/Northrend; Lordaeron; Khaz Modan; North Kalimdor; Central Kalimdor; South Kalimdor. Die Namen der Kontinente und Sub-Kontinente sind vor allem auf Übersichtskarten der Spielwelt und in narrativen Begleittexten zu finden. Die (Sub-)Kontinente spielen für die alltägliche Navigation im Spiel zwar ebenfalls nur eine sehr kleine Rolle, werden aber durchaus für Ortsreferenzen verwendet. Am häufigsten dreht es sich dabei um grobe 202

208 Ortsangaben, wo sich eine bestimmte Ressource, Lokalität, ein NPC o.ä. befindet, wenn der genaue Ort nicht bekannt ist. Für zielgenaue Navigation sind mindestens Angaben auf der nächstkleineren Ebene nötig (siehe unten). So kommt es durchaus vor, dass eine Liste mit Daily Quests in Nordend (vgl. Heuser 2008) als Guide angeboten wird, die genaue Position dieser NPCs kann aber nur angegeben werden, indem auf eine kleinere Maßstabsebene verwiesen wird, durch verbale Beschreibung und/oder Markierung auf einer Übersichtskarte. Abbildung 23: spielinterne Übersichtskarte eines Kontinents, unterteilt in Zonen. Der Pfeil markiert die Position des Charakters. 203

209 Abbildung 24: spielinterne Übersichtskarte innerhalb einer Zone Die nächste Einteilungsebene unterhalb der (Sub-)Kontinente ist die der Zonen. Eine Zone ist ein zusammenhängendes, ununterbrochenes dreidimensionales Areal, in dem sich SpielerInnen frei bewegen können. Der Wechsel von einer Zone in eine benachbarte erfolgt stufenlos, sofern der Charakter keine Abkürzung zur Überwindung großer Strecken wie z.b. ein Schiff oder einen Teleport-Zauber benutzt. Der Eintritt in die neue Zone wird dadurch signalisiert, dass sich der optische Stil der Umgebung verändert. Zudem wird der Name des Gebiets auf der Benutzoberfläche zusammen mit einer Mini-Übersichtskarte eingeblendet. Anders als die vorhergehenden geografischen Kategorien sind die Zonen von großer Bedeutung für die alltägliche Navigation und die Planung von Spielstrategien und sind entsprechend oft Thema von Kommunikation. Jede Zone zeichnet sich durch eine Reihe von charakteristischen Eigenschaften aus, u.a.: - einen bestimmten grafischen Stil (z.b. Wüstenlandschaft, Sumpf etc.), - eine bestimmte Auswahl an Mobs und virtuellen Ressourcen, die zu diesem Stil passen und einen bestimmten Charakterstufen-Bereich, für den die Mobs vom Schwierigkeitsgrad her geeignet sind (z.b. Stufe 10-20), - die Möglichkeit, von Spielercharakteren der anderen Fraktion (Horde oder Allianz) angegriffen zu werden oder davor geschützt zu sein, 204

210 - eine Anzahl von besonderen Orten (Städte, Instanzen etc.) und NPCs, die in der Zone zu finden sind, - eine Anzahl von Questen, die von NPCs in der Zone vergeben werden und die i.d.r. auch innerhalb der Zone erfüllt werden können. Diese Eigenschaften werden zum Teil direkt als im im Spiel angezeigt (abhängig vom Grad der Modifikation des UI), sind in gesammelter Form aber vor allem in zahlreichen Datenbanken und Guides zu finden, die im Internet verfügbar sind. Mithilfe dieser Informationen kann eine SpielerIn ihre Reiseroute eng an den gewünschten Werdegang des Charakters anpassen und entscheiden, in welcher Zone er/sie sich zu einem bestimmten Zeitpunkt am effizientesten aufhalten kann. Unter erfahrenenen SpielerInnen sind die Eigenschaftsprofile der verschiedenen Zonen gut bekannt. Erwähnt eine SpielerIn, in welcher Zone er/sie zurzeit unterwegs ist, können erfahrene GesprächspartnerInnen daraus meist schon ableiten, was er/sie dort zu tun hat. Ebenso kann oft für ein spezifisches Bedürfnis, z.b. das farmen einer Ressource, die optimale Zone empfohlen werden. Dementsprechend häufig werden die Namen von Zonen in Gesprächen und Texten verwendet, wenn es um die Planung von Tätigkeiten im Spiel geht. Eine Auswahl von Zonen-Namen: Der Wald von Elwynn/Elwynn Forest; Arathi Hochland/Arathi Highlands; Östliche Pestländer/Eastern Plaguelands; Westliche Pestländer/Western Plaguelands; Durotar; Feralas; Dun Morogh; Loch Modan; Zul Drak. Bei diesen Neologismen lassen sich verschiedene Wortbildungs-Stile beobachten: Zunächst gibt es eingliedrige reine Fantasienamen wie Durotar oder Feralas. Fantasienamen können ein einfaches Mittel sein, durch ungewöhnliche Schreibweise einem Ort ein exotisches Flair zu verleihen. Einige der Fantasienamen ähneln sich in ihrer Konstruktion so, dass sie wie Komposita mit wiederkehrenden Affixen wirken. Dies betrtifft beispielsweise die Zone Zul Drak, in der sich zudem die Instanzen Zul Aman und Zul Gurub befinden. Ein wiederkehrendes Affix wie Zul erweckt den Eindruck eines komplexen Sprachsystems mit wiederkehrenden Mustern, dessen Vorhandensein die im Spiel dargestellten Kulturen glaubwürdiger macht. 205

211 Des Weiteren finden sich mehrgliedrige Komposita aus einem Fantasieelement und einem weiteren Glied, das auch in Ortsnamen der nicht-virtuellen Welt gebräuchlich ist. Dazu gehören z.b. Dun Morogh und Loch Modan. Die Glieder Dun und Loch sind im Schottischen als Teile von Orts- bzw. Seen-Namen bekannt. Im narrativen Kontext des Spiels hat die zwergische Kultur zum Teil (stereotypisch-)schottische Anleihen. Anhand ihrer Namen lassen sich die fraglichen Orte also bereits dem geografischen Gebiet zuordnen, das mit der Rasse der Zwerge korrespondiert. Hier wird mit lexikalischen Mitteln der narrative Charakter einer bestimmten Region bzw. eines bestimmten Spielabschnittes verstärkt. Ebenfalls häufig zu beobachten sind Ortsnamen in Form von Komposita und onymische Phraseologismen mit klar nachvollziehbarer Motiviertheit. Hierunter fallen z.b. Konstruktionen wie Der Wald von Elwynn/Elwynn Forest, Arathi Hochland/ Arathi Highlands und Östliche Pestländer/Eastern Plaguelands. Die nachvollziehbare Motiviertheit dieser Ortsnamen lässt Schlüsse auf den grafisch-landschaftlichen Charakter der Zonen (Wald, Hochland, Wüste etc.) und/oder ihre geografische Lage (Östliche/Westliche Pestländer) zu. Eine Konstruktion wie Pestländer/Plaguelands deutet zudem eine bestimmte Atmosphäre an in diesem Fall eine finstere. Die praktische Bedeutung von geografischen Details in den Namen der Zonen wie z.b. östliche/westliche Pestländer ist stark von spielmechanischen Bedingungen abhängig. Wenn z.b. Questen mehrheitlich in einer einzigen Zone beginnen und enden, so werden Zonenwechsel bei der Erfüllung dieser Questen zur Ausnahme und die Lage der Zonen im Verhältnis zueinander verliert an Bedeutung. Die Spieldesigner können also durch die Gestaltung von Questen und anderen spielmechanischen Elementen das Navigationsverhalten der SpielerInnen absichtlich oder unabsichtlich beeinflussen. Indirekt wird somit auch der Nutzen geografischer Informationen in den Zonen-Namen gesteigert oder verringert. Die häufige Verwendung der Zonen-Namen sowohl in nähe- wie auch distanzsprachlichen Kontexten begünstigt auch das Auftauchen von synonymen Varianten, insbesondere Kurzformen. Bevor auf die genaue Gestalt dieser Kurzformen eingegangen wird, soll noch die nächstkleinere Maßstabsstufe vorgestellt werden, da auf dieser eben diese Wortbildungen noch häufiger zu beobachten sind. Bei dieser Stufe handelt es sich um die zoneninternen Orte. Die zoneninternen Orte sind eine sehr heterogene Kategorie. Im Spiel können 206

212 innerhalb der Zonen z.b. Städte, Ruinen, Tempel, Verliese, Zeltlager, einsame Hütten u.a. gefunden werden. All diesen Orten ist unabhängig von ihrer äußeren Gestalt gemeinsam, dass sie für SpielerInnen regelmäßig als Anlaufpunkte dienen, weil sie eine für den Spielverlauf wichtige Funktion oder Ressource bieten. Das kann z.b. der Zugang zu einer Instanz, ein wichtiger Händler- oder Quest-NPC, eine Schnellreisefunktion zu entfernten Orten, eine sichere Zuflucht vor feindlichen Mobs und/oder Spielercharakteren sein. Egal auf welchem Niveau oder mit welchem Schwerpunkt gespielt wird (z.b. ob Anfängerquesten oder hochstufige Raids), Orte auf dieser Ebene bilden regelmäßig die Start- und/oder Zielpunkte von Bewegungen durch den virtuellen Raum, weil virtuelle Ressourcen früher oder später aufgestockt werden müssen. Dementsprechend häufig werden sie auch in der direkten Kommunikation zwischen SpielerInnen und in Guides und ähnlichen Texten verwendet. Ebenso sind von diesen Namen, häufiger als bei den Zonennamen, Synonyme im Gebrauch. Die nachfolgenden Belege sind zum besseren Verständnis noch einmal in Untergruppen unterteilt, da sich vor allem auch ihre spielmechanische Funktion unterscheidet, was wiederum die Art und Häufigkeit ihrer Verwendung in bestimmten kommunikativen Kontexten beeinflusst: Hauptstädte: Silbermond/Silvermoon City; Orgrimmar; Donnerfels/Thunder Bluff; Unterstadt/Undercity; Exodar; Eisenschmiede/Ironforge; Sturmwind/Stormwind City; Darnassus; Gadgetzan; Shattrath/Shattrath City; Dalaran; Booty Bay/Beutebucht. Die Hauptstädte vereinen jeweils eine große Anzahl wichtiger Funktionen in sich, die sie zum Mittelpunkt vieler SpielerInnenaktivitäten machen. U.a. dienen sie als Zentren der einzelnen spielbaren Rassen und sichere Zuflucht, sie beherbergen viele NPCs mit wichtigen Funktionen (Quest-Geber, Händler, Lehrer für Sonderfähigkeiten) und sind Standorte von Banken, Auktionshäusern und Briefkästen. Dadurch sind die Hauptstädte aus praktischer Sicht wichtige Wegpunkte für viele Aktionen im Spiel und jeder SpielerIn lernt in der Anfangsphase des Spiels zumindest eine der Hauptstädte als Raum genau kennen, da von dort aus die systematische Einführung in viele Spielinhalte beginnt. Die Tatsache, dass die Hauptstädte von vielen SpielerInnen frequentiert werden, macht sie folglich auch zu einem Zentrum der zwischenmenschlichen Interaktion. Aus architektonischer Sicht sind die Hauptstädte komplex aufgebaut und räumlich ausgedeht. Sie können im Gegensatz zu 207

213 Instanzen stufenlos von der umliegenden Zone aus betreten werden, d.h. der Spielerfluss wird nicht durch einen Ladebildschirm o.ä. unterbrochen, was das Gefühl räumlicher Kontinuität mit der Außenwelt gestärkt wird. Auch innerhalb der Hauptstädte selbst müssen zum Teil längere Wege zurückgelegt werden, um relevante Punkte zu erreichen, in dieser Hinsicht ähneln sie im Prinzip durchaus den innerstädtischen Räumen der Welt außerhalb des Computers. Neben den Hauptstädten existiert noch eine ganze Reihe von Orten, die ebenfalls als Städte oder Dörfer modelliert sind, aber andere Funktionen erfüllen. Oftmals handelt es sich um eine kleine Ansammlung von Gebäuden, Zelten o.ä. und eine Anzahl von NPCs, die z.b. Questen vergeben oder Ressourcen verkaufen. Für SpielerInnen, die auf diese NPCs angewiesen sind, können solche Orte zeitweise für die räumliche Navigation wichtig sein. Eine besonders wichtige Rolle in der Spielmechanik und für die Handlungsplanung vieler SpielerInnen spielen die Instanzen. Sie haben eine große Bedeutung als Orte, an denen fortgeschrittene SpielerInnen sich in Gruppen besonderen Herausforderungen stellen können und im Gegenzug besonders viel Erfahrung und Beute gewinnen können. Das Aufsuchen von Instanzen ist für SpielerInnen mit Charakteren auf der Maximalstufe eine von wenigen Optionen, die noch abwechslungsreiches und herausforderndes Spiel versprechen. Wenn der Charakter keine Fähigkeiten durch Stufenanstieg mehr gewinnen kann, so muss die in Instanzen zu findende Ausrüstung zur Verbesserung der Spielfigur dienen. Dementsprechend wichtig sind Instanzen als geografische Punkte in der Spielwelt, die früher oder später von den meisten SpielerInnen angesteuert werden. Hinzu kommt, dass sie auch aus technischer Sicht eine Besonderheit darstellen. Der Begriff Instanz rührt her vom programmtechnischen Vorgang der Instanzierung : Diese Orte, meist ein Verlies, ein Höhlensystem, eine Burg o.ä., wird für jede Gruppe, die ihn betritt, als separater Raum generiert, oder instanziert. Auf diese Weise kann die Gruppe ungestört von fremden SpielerInnen diesen Ort erkunden. Im räumlichen Sinne existieren an der Oberfläche der allgemein zugänglichen Spielwelt nur die Instanzen-Zugänge die Instanz an sich wird erst generiert, wenn eine Gruppe einen solchen Zugang nutzt. Wenn zu einem bestimmten Zeitpunkt fünf separate Gruppen diesen Eingang benutzen, so werden fünf separate Gebäudekomplexe (oder Höhlen o.ä.) instanziert und keine der Gruppen kommt in Kontakt miteinander. Das Betreten einer Instanz bedeutet immer auch das Verlassen der allgermein 208

214 zugänglichen Spielwelt. Die Zugänge haben die äußere Form einer wabernden Wolke, bewegt man den Charakter in diese Wolke, wird auf einen Bildschirm gewechselt, der den Ladevorgang für die entsprechende Instanz signalisiert. Durch geschickte Raum-Architektur kann der Übergang zwischen Landschaft und Instanz unauffällig gestaltet werden, aber spätestens die Wolke und der Ladebildschirm machen den räumlichen Bruch unübersehbar. Genau genommen sind also die Instanzen-Zugänge die einzigen Teile der Instanzen, die im räumlichen Sinne eine Position innerhalb der Zonen einnehmen. Diese Tatsache ist deshalb relevant, weil die Betreiber von WoW in einer Erweiterung des Spiels die Möglichkeit integriert haben, mit Hilfe des sog. Raid Finder Instanzen direkt Startbildschirm des Spiels über eine Menuauswahl zu betreten. Die nötige Raidgruppe wird dabei zufällig aus gerade im Spiel anwesenden InteressentInnen zusammengestellt. Das ganze Konzept (bzw. die Illusion) von Instanzen als Teil einer simulierten Landschaft wird in diesem Fall vollständig aufgegeben. Der Charakter muss in diesem schließlich überhaupt nicht durch die virtuelle Landschaft bewegt werden, vielmehr muss der/die SpielerIn nur einige Optionen in einem Menu auswählen. Je nach Kontext in Text oder Gespräch kann es also sein, dass SpielerInnen bei der Erwähnung einer Instanz weniger das Konzept eines virtuellen Ortes im Kopf haben, sondern eher einer Spielfunktion, zumindest so lange es nicht um Bewegung innerhalb der Instanz geht. Hier eine Reihe von Beispielen für Instanzen-Namen, die allesamt in realen Kommunikationskontexten verwendet wurden. Gezeigt werden jeweils das deutsche/englische Synonym sowie eine gebräuchliche Kurzform, die allesamt sowohl in schriftlicher wie auch phonischer Verwendung zu beobachten sind: Flammenschlund/Ragefire Chasm/RFC; Uldaman/Ulda; Scholomance/Scholo; Der Geschmolzene Kern/Molten Core/MC; Onyxias Hort/Onyxia s Lair/Onyxia/Ony; Der Echsenkessel: Die Sklavenunterkünfte/Coilfang Reservoir: The Slave Pens/SP; Der Echsenkessel: Der Tiefensumpf/TS/Coilfang Reservoir: The Underbog/UB; Karazhan/Kara; Das Obsidiansanktum/The Obsidian Sanctum/OS; Zitadelle der Eiskrone/Icecrown Citadel/ICC; Naxxramas/Naxx/Nax. Es gibt keine speziellen Namenskonventionen für Instanzen, die sie von den Namen für andere Orte unterscheiden. Aufgrund ihrer Funktion im Spiel ist bei Instanzen allerdings 209

215 garantiert, dass online eine große Zahl an Guides veröffentlicht wird und diese Guides in Form von Listen, Indizes o.ä. aggregiert werden, die den jeweiligen Instanzen allgemein anerkannte Kurzformen zuordnen (vgl. Abb. 25). Abbildung 25: Instanzen-Liste mit Kurzformen Instanzen werden insgesamt häufiger in vergleichenden Kontexten benannt als z.b. Hauptstädte, d.h. auch ihre Kurzformen tauchen dort ensprechend häufiger auf. Qualitativ betrachtet finden sich aber bei Kurzformen von Instanzen, von Hauptstädten und von Zonen die gleichen Wortbildungsmechanismen. Die folgende Beschreibung stützt sich auf eine Klassifikation von Kurzworttypen von Kobler-Trill (1994). Eine der am häufigsten in der Kommunikation von WoW-SpielerInnen zu findende Arten von Kurzwörtern sind die Initialkurzwörter. Diese werden aus den Anfangsbuchstaben der Glieder der Langform gebildet: (1) RFC für Ragefire Chasm; (2) MC für Molten Core; (3) GK für Geschmolzener Kern; (4) OS für Obsidiansanktum/Obsidian Sanctum. 210

216 In manchen Fällen sind die Kurzformen auf englischer Basis eine Alternative zur deutschen Version, Abb. 25 zeigt hierfür das Beispiel Geschmolzener Kern mit den Kurzformen GK und MC. In anderen Fällen wird eine Kurzform auf englischer Basis als einzige gebräuchliche Kurzform angeführt, bspw. bei Untere Schwarzfelsspitze und LBRS, welche für Lower Blackrock Spire steht. Da eine usualisierte Kurzform aber nicht in ihre Langform aufgelöst werden muss, um erfolgreich in der Kommunikation verwendet zu werden, entstehen durch diese anscheinende Inkongruenz kaum Probleme wichtig ist allein, dass über die Verbindung von Bezeichnendem und Bezeichnetem Einigkeit herrscht. Diese Einigkeit wird innerhalb der WoW-SpielerInnenschaft unter anderem auch aktiv durch Guide-Listen wie jene in Abb. 25 sowie deren Verlinkung innerhalb einflussreicher Communities gestärkt. In WoW-Community-Foren ist es durchaus üblich, dass über umstrittene Kurzformen diskutiert wird, wie Abb. 26 zeigt. 211

217 Abbildung 26: Foren-Postings, in denen das gebräuchliche Kurzwort für die Instanz "Der Flammenschlund" (engl. "Ragefire Chasm") diskutiert wird Diese zeigt zwei Posts aus einem Thread, in dem gebräuchliche Kurzwörter mit WoW-Bezug gesammelt und erläutert werden. Ein weniger erfahrener Spieler/SpielerIn verweist auf das Kurzwort FS für die Instanz Flammenschlund, woraufhin ein anderer Teilnehmer dagegen hält, dass RF auf Basis des englischen Originals Ragefire Chasm die üblichere Variante sei mit der Begründung, dass es drei Jahre lang vor dem Erscheinen der deutschsprachigen Spielversion keine offizielle deutsche Übersetzung für Ortsnamen gab. Da solche Übersetzungen erst mit Erscheinen der ersten Erweiterung The Burning Crusade eben drei Jahre nach Start des Hautpspiels konsequent vorgenommen wurden, haben die Original- Bezeichnungen unter Veteranen des Spiels Tradition. NeueinsteigerInnen lernen seitdem aber im deutschen Sprachraum normalerweise eine Spielversion mit deutsch übersetzten Texten kennen, sofern sie sich nicht aktiv für eine andere Sprachversion entscheiden. Die englischen Originale werden aber neben den Gewohnheiten von alteingesessenen 212

218 SpielerInnen zusätzlich durch die große Zahl englischer Guides und ähnlichen Quellen gestützt. Ob eine der beiden Sprachvarianten irgendwann dominieren wird oder ob die parallele Verwendung ein dauerhaftes Merkmal bleiben wird, lässt sich (noch) nicht absehen. Bezogen auf die phonetische Verwendung der Initialkurzwörter ist es der Normalfall, dass die Buchstabennamen ausgesprochen werden, zumal bei der Mehrzahl der so derart bezeichneten Instanzen keine bequeme Aussprache des Gesamt-Lautwerts phonetisch möglich ist. Neben den Initialkurzwörtern sind die Kopfwörter ein zweiter, häufig zu findender Typ von Kurzwort bei Ortsnamen: Bei diesen wird die Kurzform aus der ersten oder den ersten beiden Silben der Vollform gebildet. Beispiel: (1) Scholo für Scholomance; (2) Ulda für Uldaman; (3) Naxx für Naxxramas. Diese treten für gewöhnlich auf, wenn die Vollform nur aus einem einzelnen Glied besteht und wenn es sich um Fantasie-Namen handelt, bei denen keine offensichtliche Gliederung erkennbar ist. Allerdings sind auch Ausnahmen von dieser Regel zu finden, so z.b. das Kurzwort Ony für Onyxias Hort/Onyxia s Lair, bei dem die Vollform des Namens zweigliedrig ist. Eine mögliche Erklärung für diese Abweichung ist, dass Onyxia allein auch der Name für einen Boss-Gegner in der Instanz ist. Es ist also auch möglich, den gebräuchlichen Instanzennamen Ony aus dem Namen der Figur Onyxia anstatt dem ungekürzten offiziellen Instanzennamen Onyxias Hort/Onyxia s Lair abzuleiten. In einem so oder ähnlich häufig zu beobachtenden Dialog wie SpielerIn A: Was steht heute Abend an? SpielerIn B: Wir machen heute Ony. ist daher unklar, ob hier der Ort oder der Antagonist der Instanz bezeichnet wird. In letzerem Fall wäre Ony ein Kopfwort, dass aus der Vollform Onyxia hervorgegangen ist, nicht aus Onyxias Hort/Onyxia s Lair. Da die Namen von Boss-Gegnern nicht selten auch als Glieder 213

219 der ungekürzten Instanzen-Namen auftauchen, kann in diesen Fällen nicht klar gesagt werden, ob die Kurzform für die Instanz oder den Boss-Gegner steht. Im Fall von onymischen Phraseologismen mit einer determinativen Beziehung zwischen den Gliedern kann man sich zur Kürzung auf die Nennung des Kopfes beschränken (vgl. Abb. 25): (1) Scharlachrotes Kloster Kloster (2) Versunkener Tempel Tempel Diese Form der Kürzung ist kein Teil der Kurzwortbildung sondern vielmehr eine Option bei der Verwendung von determinativen Verbindungen: So lang der Kontext eindeutig ist, kann die determinative Verbindung das Determinatum beschränkt werden. Damit es nicht zu Missverständnissen kommt, muss gewährleistet sein, dass unter den jeweiligen kommunikativen Rahmenbedingungen nur ein spezifischer Ort als Interpretation in Frage kommt. Wenn z.b. nur einer unter dutzenden Tempeln im Spiel lukrative Questen beherbergt, so wird dieser unter SpielerInnen höchstwahrscheinlich der einzig relevante Tempel sein. Alle oben beschriebenen Formen von Kürzung erfüllen für die WoW-SpielerInnenschaft eindeutig eine sprachökonomische Funktion: Von den Zonennamen im Maßstab abwärts werden die Ortsbezeichnungen mündlich wie schriftlich häufig verwendet, was die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung von Kurzform-Synonymen erhöht. Dazu kommt, dass viele der Namen in Langform ganz oder teilweise von der Schreibweise schwer nachvollziehbar sind, entweder weil es sich um Fantasiewörter handelt oder um englische Formen, die im allgemeinen Gebrauch (noch) nicht durch Übersetzungen abgelöst wurden. In Bezug auf Aussprache und/oder Schreibweise sind die Kurzwörter oft weniger aufwändig zu verwenden allerdings bleibt die Schreibweise der Langformen aufgrund der Bedeutung als Suchbegriff trotzdem weiter relevant, trotz möglicherweise beliebterer Synonyme werden diese Langformen nie vollständig abgelöst. In bestimmten kommunikativen Situationen sowie Textformen im und im Umfeld des Spiels wird die Verwendung von Kurzformen besonders gefördert. Zwei besonders hervorstechende Beispiele sind die Gruppen- und Ressourcen-Suche im Chat sowie schematische Darstellungen von Informationen in Guides. In beiden Fällen ist der 214

220 vorhandene Raum zur Mitteilung von essenziellen Informationen begrenzt, Verkürzung ermöglicht es dort, mehr der gewünschten Informationen zu kommunizieren. Die Verbreitung von Ortsnamen, oft in Kurzform, wird in diesen Kontexten gefördert. Sie stehen dabei meist in Nachbarschaft mit spielmechanischen Informationen (vgl. Kapitel ), weil das Design der virtuellen Orte und ihre spielmechanische Funktion eng verbunden sind: Die Orte wurden spezifisch geschaffen, um spielerische Vorgänge zu ermöglichen. 40 Im Maßstab eine Ebene unterhalb der Städte und Instanzen finden sich Bezeichungen für Orte innerhalb von Städten/Instanzen. Das Besondere an Orten auf dieser Ebene ist, dass sie räumlich fast genauso behandelt werden, wie man es aus dem Alltag jenseits des Computers gewohnt ist. Das bedeutet bspw., dass Entfernungen tatsächlich zurückgelegt werden müssen (egal ob zu Fuß oder anderweitig) und nicht durch spielmechanische Optionen übersprungen werden können. In zentralen Orten wie z.b. den Hauptstädten gibt es eine Reihe von vielfrequentierten Plätzen und NPCs mit wichtigen Spielfunktionen wie z.b. Gasthäuser, Briefkästen, Händler und Lehrer. Um die Orientierung in den Hauptstädten zu erleichtern, sind diese in Stadtteile unterteilt, deren Namen auf der spielinternen Karte angegeben sind. Die Hauptstadt Sturmwind beispielsweise ist in die Distrikte Zwergendistrikt, Kathedralenplatz, Park, Magierviertel, Handelsdistrikt, Altstadt, Burg Sturmwind und Das Tal der Helden unterteilt. Die Stadtdistrikte haben mehrheitlich klar motivierte Namen, die eine Funktion andeuten. Die Stadtteil-Namen sind somit für die Orientierung innerhalb der Hauptstädte von praktischem Nutzen zumindest für NeubesucherInnen. Um spezifische spielrelevante Orte Innerhalb der Stadtteile in der allgemeinen Kommunikation zu bezeichnen, können SpielrInnen diese zunächst einmal anhand ihrer Funktion identifizieren, wie im Fall folgender fiktiver Beispiele: (1) Das Gasthaus im Magierviertel von Sturmwind; (2) Die Bank in Sturmwind; (3) Der Briefkasten im Handelsdistrikt in Sturmwind. 40 Die Alternative zu diesem Design-Ansatz wäre, die virtuelle Landschaft zu erstellen und es dann weitgehend der SpierlerInnenschaft zu überlassen, diese mit Sinn zu füllen (oder nicht). Dieser Ansatz bringt allerdings mit sich, dass die DesignerInnen viel weniger Kontrolle über Aspekte des Spiels haben und er steht letztlich für ein völlig anderes Spielkonzept als jenes, das bei WoW verfolgt wird. 215

221 Dies ist in der Regel ausreichend, da von den Orten, die wichtige Spielfunktionen erfüllen, in einem Stadtteil nur jeweils einer existiert es muss also nicht zwischen drei verschiedenen Banken oder Gasthäusern unterschieden werden. Zusätzlich tragen manche dieser Orte aber auch Eigennamen. Das Gasthaus im Zwergenviertel von Sturmwind heißt beispielsweise offiziell Zum Goldenen Fass. Die offiziellen Namen finden sich in Beschreibungen und Texten, die vom Spiel ausgegeben werden, wie z.b. folgender Erläuterung zu einer Queste: Eine Nachricht von Scharfseherin Umbrua hat mich soeben erreicht, <Name>. Es gibt ein wichtiges Anliegen, das sie mit Euch besprechen möchte, und sie bittet darum, dass Ihr sie im Gasthaus Zum Goldenen Fass im Zwergendistrikt in Sturmwind aufsucht, so bald Ihr könnt. [ZAM Network LLC 2013a] Dieser Text soll authentisch wirken, als stamme er aus dem Mund eines tatsächlichen Bewohners der simulierten Welt von Azeroth. Dazu gehört, dass der NPC einen vertrauten Ort eher mit dem Eigennamen bezeichnet als mit einer rein funktionalen Umschreibung. Aufgrund des gleichen Authentizitäts-Arguments verwenden auch Rollenspiel-Gilden diese Eigennamen in ihren selbst-geschriebenen Texten, wie z.b. in dieser Beschreibung eines Charakters aus dem Wiki des Rollenspiel-Servers Forscherliga: Anthmar ist ein sehr einfacher und freundlicher Zwerg, der immer gerne aushilft, wo Hilfe gebraucht wird. Ansonsten streift er gern durch die Welt oder sitzt im Gasthaus "Zum Goldenen Fass" und erfreut sich an der Auswahl erfrischender und wohlschmeckender Braukunst. [Forscherliga-Wiki 2014c: Abschnitt Erscheinung ] Auch hier wird der Eigennamen wohl deshalb verwendet, weil ein tatsächlicher Einwohner der Stadt Sturmwind einen vertrauten Ort wie sein Stammgasthaus mit dem Eigennamen bezeichnen würde. Allerdings stellen die RollenspielerInnen wie zuvor bereits erläutert (s. Kap ) eher eine Randgruppe dar. Nach den Beobachtungen des Autors verwendet der/die durchschnittliche SpielerIn kaum die Eigennamen von Gasthäusern, Banken u.ä. Der Grund dafür liegt wohl darin, dass man im Spielverlauf eine ganze Reihe von austauschbaren Orten dieser Art kennen lernt, die sich in ihrer Funktion gleichen, gleichzeitig aber praktisch nie mehr als einer dieser Orte zur gleichen Zeit eine Rolle spielt. Es gibt daher aus praktischer Sicht selten einen Grund, Orte wie Gasthäuser oder Banken zu individualisieren. Auch Instanzen haben einen komplexen internen Aufbau, aber sie sind nicht nur bezogen auf die räumliche Orientierung eine Herausforderung im Gegensatz zu den Hauptstädten 216

222 schweben die Charaktere in einer Instanz ständig in Gefahr durch Mobs und Boss-Gegner, daher muss die Navigation durch diese Räume besonders überlegt sein. Wie in den Hauptstädten ist auch in Instanzen die Bewegung nur wenig abstrahiert, Entfernungen müssen zu Fuß zurückgelegt werden (allerdings werden nach dem Erreichen von Teilzielen manchmal Abkürzungen vom Spiel bereitgestellt, um die bezwzungenen Bereiche zu überpringen). Die SpielerInnen müssen den Grundriss einer Instanz gut kennenlernen, um die einzelnen Bosskämpfe zu finden und auch um sich als Gruppe wieder zu sammeln, wenn die versprengten Charaktere nach einem verlorenen Kampf für einen erneuten Versuch antreten wollen. Zielloses Umherlaufen verschwendet nicht nur die Zeit der Gruppe, sondern birgt auch die Gefahr, gefährliche Mobs anzulocken. Um die Gruppe auf die geplante Wegführung vorzubereiten, werden vorab und gelegentlich auch während des Raids Planungsgespräche geführt. Viele SpielerInnen bereiten sich zusätzlich durch den Konsum entsprechender Guides vor oder verwenden diese parallel zum Spiel. Sowohl die Guides als auch die Gruppen-Kommunikation stützen sich dabei auf Lexik, welche die Beschreibung der räumlichen Begebenheiten und ihre mentale Repräsentation erleichtert. Ein Teil dieser Lexik geht aus den offiziellen Spieltexten hervor. So können SpielerInnen jederzeit eine Übersichtskarte für die aktuelle Instanz aufrufen, die neben einer zweidimensionalen Darstellung des Areals auch die offiziellen Namen für verschiedene Areale der Instanz wiedergibt. Abb. 27 zeigt beipielhaft die spielinterne Karte eines Teils der Instanz Ulduar. 217

223 Abbildung 27: Spielinterne Karte eines Teils der Instanz Ulduar. Die Karte gibt offizielle Namen für Areale der Instanz wieder. (aus: Olle 2009, (zuletzt besucht )) Die Namen der Teilbereiche sind laut Karte: Die Vorkammer; Die Versammlung des Eisens; Das Archivum; Das Himmlische Planetarium; Der Zerschmetterte Gang. Nutzer der englischen Version lesen entsprechend: The Antechamber; The Assembly of Iron; The Archivum; The Celestial Planetarium; The Shattered Walkway. Da diese Namen für Teilbereiche der Instanz jedem/jeder SpielerIn zur Verfügung stehen, bieten sie sich für die Kommunikation als Ortsangaben innerhalb der Gruppe an. Im folgenden Raid-Auszug kündigt Raidleiter A die geplanten Ziele der Raidgruppe an, indem er den mit der Loot-Verteilung beauftragten Spieler zur Kiste mit der Beute schickt und die 218

224 restliche Gruppe anweist, zum Areal Assembly of Iron, bzw. kurz Assembly, zurückzugehen, um dort zunächst die minder gefährlichen Mobs den Trash zu eliminieren: 90 kannst du ja alystil zur [kiste ] rennen ihr andern müsst da nich 91 D: [super.] A: wir gehen jetzt erstma zur assembly of IRON zurück, h 92 I: mich bitte einmal REZzen jetz, (2.5) 93 A: ja alle toten HINstellen, 94 alystil reicht wenner zur kiste läuft (.) ihr KRIcht alle eure [abzeichen;] 95 I: [danke. ] (3.0) 96 A: wir gehn jetzt zum TRASH zur assembly. hh Als Alternative zu den offiziellen Namen für bestimmte Abschnitte der Instanz werden stattdessen oft die Namen spezifischer Boss-Gegner verwendet. Dies ist deshalb möglich, weil jeder Boss an einen festen Ort gebunden ist und sich nur dann bewegt, wenn sich SpielerInnen-Charaktere in die unmittelbare Nähe begeben. Hinzu kommt, dass die Boss- Gegner ständig im Mittelpunkt der Bemühungen der Gruppe stehen, d.h. diese Gegner und ihre Umgebung sind als herausragende Merkmale der Instanz bei den SpielerInnen i.d.r. präsent. Wenn die SpielerInnen Namen, Verhalten und Position der Bosse verinnerlicht haben, bieten sich diese Namen für Ortsangaben also ebenso gut oder besser an als die Ortsnamen, die aus den Karten hervorgehen. Hinzu kommt, dass die Bedeutung vieler Orte innerhalb von Instanzen in erster Linie in ihrer Funktion als Kampfarena für einen bestimmten Boss-Kampf liegt. Die Architektur dieser Arenen ist darauf ausgelegt, spezifische Taktiken und Bewegungsmuster notwendig zu machen oder zu fördern. Insofern bilden Boss- Gegner und die Kampfschauplätze, an denen sie angetroffen werden, eine Einheit sie wurden als Gesamt-Event designed. Aufgrund dieser spieldesignerischen Entscheidung können die Namen von Boss-Gegnern also praktisch auch als Ortsangaben verwendet werden könnten sich Bosse frei in einer Instanz (oder gar in der ganzen Welt) bewegen, so würde die Bedeutung der ursprünglichen Orts-Bezeichnungen wahrscheinlich deutlich 219

225 erhöht (mehr zu den Namen von Boss-Gegnern im folgenden Kapitel als Teil der Lexik der Spielmechanik). Unterhalb der spezifischen Instanzen-Teilbereiche gibt es noch eine letzte Maßstabsebene, die bei der Kommunikation räumlicher Informationen eine Rolle spielt. Diese betrifft die Bewegung und Orientierung in der unmittelbaren Umgebung eines Charakters, i.d.r. innerhalb eines einzigen Raumes oder in einem Radius von wenigen Metern. Dies betrifft vor allem die Boss-Kämpfe, bei denen eine um wenige Schritte verschobene Positionierung über Leben und Tod eines Charakters und möglicherweise den Gruppenerfolg entscheiden kann. Im Verlauf dieser Kämpfe setzen die Gegner oft Fähigkeiten ein, die sich in einem spezifischen Muster im Raum ausdehnen. SpielerInnen müssen in diesen Fällen durch sorgfältige Positionierung ihrer Avatare dafür sorgen, dass sie nicht von der jeweiligen Gefahr betroffen werden, bzw. in manchen Fällen, dass sie einen positiven Effekt, also einen Buff ausnutzen können. Wegen der relativ großen Bedeutung für den Gruppenerfolg werden Bewegungsmuster und Positionierung regelmäßig innerhalb der Raidgruppe besprochen. Da die mentale Repräsentation des dreidimensionalen Raums sich auf diesem Maßstab weitgehend mit der Repräsentation der realen Welt deckt, können die Kommunikanten sich dabei weitgehend auf den gleichen Wortschatz stützen, der auch in vergleichbaren alltäglichen Situationen zum Einsatz kommt, wenn Personen miteinander über den sie unmittelbar umgebenden Raum reden. In unter (quasi-)synchronen Rahmenbedingungen während des Spiels kommen oft ad hoc gewählte Referenzpunkte und improvisierte Maßeinheiten zum Einsatz, die nur für unmittelbar Anwesende einen Sinn ergeben, die die selbe dreidimensionale Umgebung teilen: beispielsweise in Form von Angaben wie Stell dich zwischen die Säulen oder Geh drei Bodenkacheln weiter. Des Weiteren kommen deiktische Ausdrücke zum Einsatz, deren korrekte Interpretation davon abhängt, dass die GesprächsteilnehmerInnen über vergleichbare räumlich-visuelle Informationen verfügen. Häufig wird die Spielfigur als eine Art Zeiger verwendet, indem eine SprecherIn den Avatar an bestimmte Stellen bewegt, um diese hervorzuheben. Dies bietet sich vor allem deshalb an, weil die Kamera in diesem Spiel ein Perspektive aus der dritten Person einnimmt: Der Blickwinkel ist nicht jener der Spielfigur, vielmehr betrachten SpielerInnen ihre Figur von außen, können die Perspektive um die Figur herum rotieren und heraus-/hereinzoomen, 220

226 vergleichbar mit einem Kameraarm. Dadurch kann in den Besprechungen davon ausgegangen werden, dass alle Beteiligten eine gute Übersicht über den ihren Charakter unmittelbar umgebenden Raum haben, viel besser als es der Blickwinkel der Spielfigur selbst zulassen würde. Der Nachteil dabei ist, dass KommunikantInnen nicht ablesen können, wohin die übrigen TeilnehmerInnen in der jeweiligen Situation blicken was z.b. Angaben wie Rechts und Links mit Bezug auf einen Avatar uneindeutig macht. Der in der nicht-virtuellen Welt übliche Akt des Fingerzeigs aus der Ego-Perspektive steht bei WoW nicht zur Verfügung, bzw. er ist so unhandlich, dass er als praktisches Kommunikationsmittell nicht in Frage kommt: Man kann einen Avatar zwar zu einer Zeige- Animation veranlassen, dies verlangt aber eine komplexe Befehls-Eingabe; zudem ist es gut möglich, dass GesprächspartnerInnen die zeigende Spielfigur gar nicht klar genug erkennen können, weil sie z.b. ihre eigene Kameraperspektive herausgezoomt haben. Die Verwendung eines ganzen Avatars als Zeiger, indem man diesen an den entsprechenden Punkt bewegt, ist zwar i.d.r. gut erkennbar, allerdings ist sie begrenzt auf Stellen, die dem Charakter nicht schaden und die problemlos erreichbar sind. Es ist offesichtlich kontraproduktiv, auf eine Gefahrenquelle hinzuweisen, indem man den Avatar in diese hineinbewegt. Der folgende Auszug aus einer Besprechungsphase (für den inhaltlichen Kontext vgl. Anhang 1) enthält eine Reihe von Beispielen für den Umgang mit Deixis und räumlichen Angaben (hier fett markiert): 73 ne (-) ähm (-) CHEIla tankt gleich sartharion selber. h 74 und zwar (.) tankst du ihn NICHT hier nach rechts guckend 75 [R]B: wir haben nur hey joe versucht zu rezitieren A: wie sonst, h 76 sondern du wirst ihn dann hier VORne öhm ungefähr tanken. 77 sprich (.) dass die lavawellen die von der LINken seite also von der südseite kommen in deinem rücken sind, h 78 und wenn die 79 [R]C: ahso :) 221

227 A: (.) aus der NORDseite kommt wo in der mitte frei bleibt dass du dann eben kurz son schritt in die ritze_mitte reinmachst und ihn dann wieder zurück drängst. 80 also wirst dann ungefähr HIER stehen (.) vielleicht etwas weiter links (.) das das weiß ich jetz nich grad so ähm h nich nich grad so äh komplett wo wa da stehen. Der Raidleiter A unterstreicht seine räumlichen Verweise in dieser Situation, indem er seinen Avatar sichtbar an die entsprechenden Stellen bewegt. A verwendet dreimal das Lokaldverb hier (bzw. hier vorne), jeweils parallel zur Bewegung der Spielfigur. Die restliche Raidgruppe befindet sich derweil gebündelt an einer vorab vereinbarten Position in unmittelbarer Nähe, dadurch ist gewährleistet, dass alle Beteiligten die Möglichkeit haben, die Bewegungen des Raidleiter-Avatars zu sehen. Auch die Konstruktionen nach rechts guckend, von der linken Seite und etwas weiter links ergeben den gewünschten Sinn nur dadurch, dass die Position der Addressaten (d.h. der restlichen Raidgruppe) relativ zum Raidleiter-Avatar feststeht. Raidleiter A verwendet zur Vermittlung räumlicher Information auch die Himmelsrichtungen in den Formulierungen von der Südseite kommen und aus der Nordseite. Innerhalb der Spielwelt von WoW gilt die Regel, dass Norden der oberen Seite der Übersichtskarten entspricht. Der Verweis auf die Himmelsrichtungen eignet sich daher in Instanzen ebenfalls für grobe Richtungsangaben. Für die (quasi-)synchrone Beschreibung der unmittelbaren Umgebung in Instanzen ist daher auch kaum spezielle Lexik notwendig, da die der Alltagssprache zur Verfügung stehenden Mittel ausreichen. Situationsbezogene Neologismen auf dieser Maßstabsebene verlieren sehr schnell ihre Nützlichkeit, da sich die Rahmenbedingungen quasi mit jeder größeren Bewegung ändern. Außergewöhnlich im Vergleich mit der nicht-virtuellen Welt ist hingegen die Form der Kopräsenz der Kommunikanten, die auf mindestens drei Ebenen verteilt ist: Die Beteiligten sind körperlich isoliert an ihren jeweiligen Computern, teilen aber per Chat und VoIP einen oder mehrere virtuelle Räume, und haben darüber hinaus einen virtuellen Avatar-Körper in der dreidimensionalen Umgebung. Besonders Personen, die keine große Erfahrung mit den virtuellen Umgebungen von Computer- und Videospielen haben, müssen sich die Vielschichtigkeit dieser Perspektive bewusst machen und mit einbeziehen, wenn sie Kommunikation in diesem Kontext interpretieren, auch wenn in diesem Fall die sprachlichen Mittel alltagssprachlich vertraut sind. 222

228 Im Fall von asynchroner Kommunikation, z.b. bei Guides, können die AutorInnen nicht davon ausgehen, dass RezipientInnen die nötigen räumlichen Referenzpunkte gerade vor Augen haben. Vielmehr müssen sie die entsprechenden Rahmeninformationen im Text selbst integrieren, um bei der Visualisierung komplexer räumlicher Konstellationen zu helfen. Da deiktische Formulierungen mit Bezug auf einen umgebenden Raum als Option wegfallen, muss dieser Raum textuell evoziert werden. Idealerweise bewirkt eine explizite Beschreibung der Topographie, der vorgesehenen Positionen der Charaktere sowie der erstrebten Positionen der Gegner, dass nicht nur alle Beteiligten wissen, wo sie hinlaufen sollen, sondern auch wie zu jedem Zeitpunkt des Kampfes die Charaktere im Verhältnis zu einander positioniert sein können. Der folgende Ausschnitt aus einem Guide bezieht sich auf die Bewegungsmuster in Anhang 1 beschriebenen Kampfes gegen den Drachen Sartharion, der auf einer auf einer Insel in einem Lava-See stattfindet, bei dem die Gruppe periodisch auftauchenden Feuerwellen ausweichen muss: Der Kampfverlauf: Eigentlich recht simpel, erfordert der Kampf jedoch eine Menge Übung und Koordination. Ein Hunter pullt Sartharion mittels Misdirection auf unseren Deathknight, der ganz links vorne auf der Insel steht. Sprich der Kopf des Drachen ist links, der Schwanz rechts vorne. Der Raid läuft beim Pull rechts am Rand am Drachen vorbei und positioniert sich auf der gegenüberliegenden Seite der Insel. Lediglich die beiden MT1 Heiler bleiben in Reichweite des Todesritters. Hierbei stehen die beiden Heiler an 2 verschiedenen Positionen: Einer direkt vorne an der Inselkante um auf der Safe Position von der rechten Flammenwand zu sein, einer Mittig auf der Insel um sich bei einer Flammenwand von links nicht bewegen zu müssen. So ist gewährleistet, egal von welcher Seite die Flammenwand kommt, das ein MT Heiler immer durchheilen kann, während der andere auf die Safeposition flüchten muss. Der eigentliche Kampf beginnt, sobald Tenebron landet. Vorher wird kein (oder kaum) Schaden auf Sartharion gemacht. Sobald Tenebron in den Kampf eingreift, zieht unser MT2 den Drachen auf die hintere Seite der Insel (also quasi genau gegenüber dem MT1) und der DPS-Race beginnt. Tenebron sollte recht zügig gekillt werden, ohne aber großartig Cooldowns (vorallem nicht Bloodlust!) dafür zu verbrauchen. Ziel muss es sein Tenebron vor, oder aber kurz nach der Landung von Shadron, zu töten. Eine maximale Überschneidung von roundabout Sekunden ist noch ok, dauert es länger, fehlt DPS. Shadron wird abermals vom MT2 eingefangen und auf der linken Seite der Insel getankt (ggf. noch mit Tenebron im Schlepptau). Sobald Tenebron tot ist, wird Full DPS auf 223

229 Shadron gefahren, mit sämtlichen vorhandenen CDs die da sind (insbesondere Bloodlust!). [Lottermoser 2009] Dank der multimedialen Gestaltungsmittel, die für viele Typen von Guides im Web zur Verfügung stehen, ist die textuelle Beschreibung räumlicher Begebenheiten nicht die einzige Option. Bilder können zur Unterstützung des Textes herangezogen werden, selbst bewegte Bilder sind mit wenig Aufwand integrierbar. Ausmaß und Gestalt der bildlichen Darstellung sind kaum Grenzen gesetzt: Üblich sind beispielsweise Bildschirmaufnahmen von Spielinhalten, separat angefertigte Schemata, oder Kombinationen aus beidem, d.h. Spiel- Aufnahmen, in die nachträglich grafische oder textuelle Elemente eingefügt wurden. Die folgende Reihe von Illustrationen mitsamt Bildunterschriften stammt aus einem egnlischsprachigen Guide im Wiki-Format, der ebenfalls den bereits erwähnten Sartharion- Kampf erläutert: Abbildung 28: Abfolge von Abbildungen zur Darstellung der Positionierung in einem Guide (aus: PCJ et al. 2009, (zuletzt besucht ) 224

230 Die ersten vier Bilder haben die Gestalt von abstrakten Karten, die auf das tatsächliche Layout der Boss-Kampf-Arena übertragen werden müssen. Das fünfte Beispiel hingegen bildet die gewünschte Positionierung exakt ab mittels einer Aufnahme aus dem Spiel. Alle Abbildungen sind mit Bildunterschriften versehen, die dabei helfen, den Inhalt zu verstehen. Diese Unterschriften sind vom restlichen Text im Guide unabhängig und ergeben nur in Verbindung mit den Bildern einen Sinn. Wenn man die textuellen und bildlichen Bestandteile des Guides vergleicht, so wird deutlich, dass der Textkörper abgesehen von den Bildunterschriften eigenständig ist und auch ohne die Abbildungen seine Kohärenz behält. Die Bilder allein hingegen reichen auch mit Bildunterschriften nicht aus, um die Positionierung im Raid nachvollziehen zu können. In diesem Guide sind die Bilder also fakultative Hilfsmittel für den dominanten Text. Angesichts des Wiki-Formats des Guides (zu den Besonderheiten des Wiki-Formats siehe Kap ) ist es durchaus möglich, dass Text und Bilder in völlig unabhängigen Arbeitsschritten und/oder von unterchiedlichen AutorInnen hinzugefügt wurden. Die Bildung von spezialisierten Neologismen ist in schriftlichen Raumbeschreibungen auf der hier betroffenen Maßstabsebene kaum zu beobachten. Einer der typischen Gründe für die Bildung von fachsprachlichen Neologismen ist die Zusammenfassung von komplexen Sachverhalten unter einem einzigen Terminus. Dies widerspricht aber exakt der Intention, die hinter der Formulierung von Guides wie dem weiter oben angeführten Ausschnitt steht, nämlich komplizierte Abläufe Schritt für Schritt zu explizieren und so nachvollziehbar zu machen. Die Zusammenfassung von räumlichen Relationen unter einem einzigen Begriff würde hier keinerlei kognitive Erleichterung bringen, sondern lediglich wichtige Details verdecken. Hilfreich ist hier vielmehr die Möglichkeit einer Textgestaltung nach dem Motto show, don t tell, indem visuelle Informationen über Bilder und/oder Animationen mit einzubezogen werden. In Zusammenfassung stellen sich die Beschreibung des virtuellen Raums auf den verschiedenen Maßstabsebenen und die Benennung von Orten darin als ein Themengebiet dar, über das viele idiosynkratische Lexeme in die Sprache der WoW-SpielerInnen Eingang finden. Ein Großteil der Bezeichnungen stammt direkt aus der Feder der Designer des Spiels, die sich Namen für die in der virtuellen Welt zu findenden Orte ausdenken. Die 225

231 SpielerInnenschaft macht sich diese Namen zu eigen, indem sie sie in vielen Fällen variiert, insbesondere in Gestalt von Kurzformen. Welche Orte im Einzelnen von Variation betroffen sind, hängt dabei deutlich von ihrer Relevanz im Spielverlauf ab und wie häufig sie in Folge dessen in Guides, Gesprächen u.ä. verwendet werden. In der physischen Welt ist nur ein Teil der Orte und räumlichen Verhältnisse, für die wir Bezeichnungen haben, auf der Basis von menschlichen Bedürfnissen konstruiert und geschaffen sind. In der virtuellen Welt von WoW (und den meisten anderen MMOG-Welten) hingegen ist es möglich und üblich, dass jeder Ort so platziert ist, dass er den Bedürfnissen und dem Spielspaß der NutzerInnen dient, und dass mitunter Optionen angeboten werden, die den grundsätzlichen Umgang mit dem Raum mit Blick auf die Optimierung des Spielspaßes und der Benutzungsfreundlichkeit prägen (z.b. die Möglichkeit, Instanzen direkt vom nach Start des Spielprogrammss zu betreten, ohne die Spielwelt zuvor überhaupt zu betreten). Schließlich wollen die Betreiber des Spiels ihren KundInnen in erster Linie ein unbeschwerliches Spielerlebnis bieten, anstatt einen virtuellen Raum exakt mit allen seinen Unannehmlichkeiten zu simulieren. Welchen Wortschatz SpielerInnen zur Beschreibung des Raums verwenden, hängt also nicht nur davon ab, welche Orte von den Spiel-Designern mitsamt offiziellen Namen in das Spiel integriert werden. Eine große Rolle spielt auch die Frage, wie sich der Raum als Ganzes durch den Filter von Spieloptionen und Benutzeroberfläche für die SpielerInnen darstellt. Diese Frage käme einem Menschen in der realen Welt unter normalen Umständen gar nicht in den Sinn und ist eine der Besonderheiten von virtuellen Welten Lexik der Spielmechanik Unter dem Begriff Spielmechanik sind in erster Linie zwei Bereiche des spielerischen Geschehens zu verstehen. Zum einen sind dies die Spielregeln im klassischen Sinn, hierunter fällt z.b., welche Handlungen bestimmte Charakterklassen im Spiel durchführen dürfen, welche Belohnungen ein Stufen-Aufstieg bringt und welche Eigenschaften Ausrüstungsgegenstände haben können. Zum anderen gehört zur Spielmechanik auch der Funktionsumfang des Spiels als Programm, so z.b. die Steuerungsmöglichkeiten per Maus und Tastatur, ob die Spielfigur springen, schwimmen etc. kann, die Anpassungsoptionen der Benutzeroberfläche und die logische Einteilung der Spielwelt. Zu letzterem Aspekt zählt z.b., wie die Spielwelt in eine zusammenhängende Landschaft und Instanzen aufgeteilt ist. 226

232 Man kann sich das hier vertretene Konzept von Spielmechanik verdeutlichen, indem man sich das klassische Brettspiel Monopoly in einer Software-Version vorstellt: Die Spielregeln sind dabei die gleichen wie in der Brettspiel-Variante. Zum Funktionsumfang würde zusätzlich gehören, auf welche Weise die Spielfiguren gesteuert werden (Maus und/oder Tastatur?), ob SpielerInnen zwischen mehreren Spielbrett-Designs wählen oder ob sich SpielrerInnen online zu einer Spielrunde verbinden können. Zwar hat WoW keine Vorlage, von dem es seine Spielregeln übernimmt wie im Monopoly-Beispiel, aber WoW steht als Teil des MMOG-Genres in der Tradition diverser traditioneller (Nicht-Software-)Spielsysteme, die den Wortschatz der SpielerInnenteilweise deutlich prägen. Von Bedeutung im Bereich der Regeln ist die Tradition der Tabletop-Rollenspiele in der Ader von Dungeons and Dragons (Gygax/Arneson 1974), während aus technischer Sicht WoW in eine Tradition moderner 3D- Computer- und Videospiele einreiht, die ebenfalls eine Menge etablierter Konventionen samt entsprechendem Vokabular mit sich bringen. Dungeons and Dragons kann als Ursprung unzähliger Elemente angesehen werden, die in WoW und vielen anderen Computer- und Videospielen mit Rollenspiel-Elementen ihren Ausdruck finden. Dazu gehören Konventionen wie: - Einen Charakter (oder ein Monster oder NPC) durch Zahlenwerte für Gesundheit, Angriffs- und Verteidigungsfähigkeit darzustellen, und auf Basis dieser variierenden Werte Charaktere, Monster und NPCs gegeneinander kämpfen zu lassen. - Für das Lösen von Aufgaben Erfahrungspunkte zu vergeben, die bei einer bestimmten Menge die Stufe eines Charakters erhöhen, wodurch wiederum die Fähigkeiten verbessert werden. - Die archetypischen Charakterklassen wie Kämpfer, Heiler, Magier und Dieb mit charakteristischen Fähigkeiten-Schwerpunkten. Dieser Komplex an Regel-Konventionen hat eine Vielzahl von Fachbegriffen hervorgebracht, die auch zur Beschreibung von modernen Computer- und Videospielen verwendet werden und dementsprechend auch im Wortschatz der SpielerInnenschaft auftauchen, teils mit abgewandelter, an die jeweiligen Umstände angepassten Bedeutungen. Dies hat zur Folge, dass Personen, die mit dem Wortschatz der aus Dungeons and Dragons erwachsenen Tradition vertraut sind, einen Vorteil beim Verständnis der WoW-Fachsprache haben. 227

233 Eine der zentralen Spielmechaniken, die bei WoW wieder und wieder zum Einsatz kommt, ist der Kampf von Spielercharakteren gegen NPCs/Mobs oder andere Spielercharaktere. Es gilt dabei den Gegner bis zu dessen (temporären) Tod zu bekämpfen, ohne selbst vorher zu unterliegen. Die zugrundeliegende Spielmechanik verlangt von SpielerInnen dabei weniger Reaktionsgeschwindigkeit und manuelle Geschicklichkeit als vielmehr Geschick bei der Manipulation der Zahlenwerte, die den Charakter und seine Fähigkeiten definieren. Der grundlegende Mechanismus für Kämpfe ist simpel: Die Lebenskraft eines Charakters/NPCs/Mobs wird als Zahlenwert repräsentiert und jeder erfoglreiche Angriff reduziert diesen Wert beim Ziel um eine bestimmte Menge. Erreicht der Zahlenwert für die Lebenskraft Null, so ist der/die/das Betroffene besiegt. Um den Vorgang komplexer und somit spielerisch interessanter und herausfordernder zu machen, wird die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Angriffs von einer ganzen Reihe weiterer Variablen modifiziert. Der Angreifer hat Attribute und Fähigkeiten, die die Erfolgswahrscheinlichkeit von Attacken steigern können, der Verteidiger wiederum kann auf die gleiche Weise die Abwehr-Chancen verbessern. Die Manipulation dieser Variablen macht einen Großteil des taktisch-strategischen Reizes von WoW aus. SpielerInnen verbessern ihre Chancen u.a. durch die Verbesserung der Charakterwerte im Zuge des Stufenaufstiegs, durch die Verwendung von besonderen Ausrüstungsgegenständen, durch Charakterfähigkeiten, die temporär die eigenen Werte steigern oder die eines Gegners senken, oder durch das Ausnutzen von temporären Verbesserungen, die an bestimmten Stellen im Spielverlauf verliehen werden. Zusätzlich stehen einem Charakter zu jedem Zeitpunkt auch viele Wege offen, die vorhandenen Fähigkeiten und Attribute auf unterschiedliche Art und Weise zu kombinieren. Versierte SpielerInnen können aus einem festen Grundstock an Charakterwerten so eine ganze Reihe von flexiblen Einsatzmöglichkeiten für unterschiedliche Situationen herauskitzeln. Die aktive Anwendung von nützlichen Fähigkeiten beispielsweise einen Feuerball auf die Gegner zu schleudern ist üblicherweise begrenzt: Charakteren steht eine bestimmte Form von Energie zur Verfügung, die genau wie die Lebensenergie durch einen Zahlenwert repräsentiert wird. Jede Anwendung einer Fähigkeit zieht eine bestimmte Menge von dieser Zahl ab, aber der Wert regeneriert sich mit der Zeit und kann durch andere Mittel wieder aufgestockt werden. Die Höhe, der Verbrauch und die Regenerationsrate dieses Zahlenwerts 228

234 kann ebenfalls durch die zuvor erwähnten Charakterwerte beeinflusst werden. Außerdem können die meisten Fähigkeiten nur einmal innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens verwendet werden. Dieser Zeitrahmen kann zwischen einigen Sekunden und Stunden liegen, je nach Natur der Fähigkeit. Die Zeit, die nach dem Einsatz einer Fähigkeit verstreichen muss, bis sie wieder bereit ist, wird als cooldown oder Abklingzeit bezeichnet. Der größte Teil der Charakterfähigkeiten ist zur Anwendung im Kampf bestimmt, aber es gibt Ausnahmen. Darunter fallen vor allem Fähigkeiten, die der schnellen Bewegung von einem Ort zu anderen dienen, z.b. verschiedene Formen der Teleportation. Auf der offiziellen deutschsprachigen Internetseite sagen die Betreiber über ihr Spiel: World of Warcraft folgt einer der wichtigsten Designphilosophien von Blizzard Entertainment: Leicht zu lernen, schwer zu meistern (Blizzard Entertainment 2014c: Kapitel II Gameplay). Der Grundmechanismus wie oben dargestellt ist simpel, kann aber durch unzählige Variablen beeinflusst werden. Die optimale Kombination an Variablen unter verschiedenen Umständen ist somit auch eines der wichtigsten Themen in der Kommunikation zwischen SpielerInnen und in Guides. Dementsprechend existiert in der SpielerInnengemeinschaft auch eine Fachlexik, welche die Darstellung der Variablen, ihrer Kombinationen und ihrer Anwendungen erleichtert. Das ganze System ist erfahrungsgemäß durch aktive Anwendung im Spiel am leichtesten zu erlernen, während eine abstrakte Darstellung (wie hier im Rahmen dieser Dissertation) viel schwieriger zu verstehen ist. Um das Verständnis für LeserInnen zu erleichtern werden in der nachfolgenden Darstellung die Spielmechanik und dazugehörige Fachlexik aufgeteilt in die Kategorien - Attribute, - Fähigkeiten, - Talente, - Mobs, NPCs und Bosse: Die Kreaturen von WoW. Die Attribute Die spielmechanische Grundlage jedes Charakters bilden die sog. Attribute oder Basiswerte (vgl. Blizzard Entertainment 2004: 47f): 229

235 Stärke/Strength; Beweglichkeit/Agility; Ausdauer/Stamina; Intellekt/Intellect; Willenskraft/Spirit. Die Attribute werden bei der Erstellung des Charakters durch die gewählte Rasse und Klasse modifiziert. So hat z.b. ein Zwerg eine Basisstärke von 22 und Ausdauer von 23, wählt man die Klasse Krieger, so wird die Stärke um 3 Punkte erhöht, die Ausdauer um 2. Im weiteren Spielverlauf steigen die Attribute automatisch bei jedem Stufenanstieg. Basiswerte wie diese, die eine Grundlage für weitere derivierte Fähigkeiten des Charakters bilden, sind ein typisches Merkmal des Rollenspiel-Genres, sowohl für der klassischen Brettspiel-Varianten wie auch der Computer- und Videospielform. Welche Bedeutung ein Wert wie Stärke bei WoW hat, wird letzlich nur davon bestimmt, wie er sich rechnerisch auf derivierte Fähigkeiten auswirkt und ist von den allgemeinsprachlichen Konnotationen des Wortes Stärke grundsätzlich unabhängig. Stärke im Kontext von WoW ist eine Variable, die sich auf den Schadenswert von Nahkampfangriffen auswirkt. Erfahrene SpielerInnen wissen, welche Basiswerte sich wie rechnerisch auf den Charakter auswirken. Die Semantik der Lexeme Stärke, Beweglichkeit, Ausdauer, etc. ist in der WoW-Fachsprache also enger gefasst als in der Allgemeinsprache. Von außen betrachtet bewegt sich ein Charakter mit einem hohen Wert in Beweglichkeit nicht anders als jeder andere die Beweglichkeit im WoW-spezifischen Sinne wirkt sich nur dort aus, wo sie als Variable in spielmechanischen Formeln verwendet wird. Dementsprechend häufig werden die Attribute. Lexeme in Verbindung mit dem konkreten Zahlenwert verwendet, z.b.: AW: Stärke oder Angriffskraft? 1. Stärke ist besser als AP. z.b.: Ein 20 Stärke Sockel bringt 40 AP. Wenn du jedoch SDK vom Paladin auf dir hast, dann hast du 22 Stärke --> 44 AP. Wenn du AP gesockelt hast dann erhöht es sich nicht durch SDK 2. Ja das ist normal, da durch das Talent 10 % weniger Waffenschaden gemacht wird. Aus dem Grund ist es rot, ganz normal Coderfreak (2010) Derivierte Formen wie das Adjektiv stark oder das Verb stärken werden gewöhnlich nicht mit Bezug auf die fachsprachliche, sondern nur ihrer allgemeinsprachlichen Bedeutung verwendet. Eine Aussage wie Die Gegner in der PvP-Arena sind ziemlich stark! bezieht sich 230

236 auf die allgemeine Kompetenz der Widersacher, nicht auf das Attribut. Ebenso entspricht es nicht der fachsprachichen Verwendung, mit Bezug auf die Basiswerte zu sagen Der Charakter ist ausdauernd. Die semantisch korrekte Formulierung wäre hier Der Charakter hat 45 Ausdauer. Meist wird durch den Kontext deutlich, ob Stärke als Attribut gemeint ist, oder von der allgemeinsprachlichen Bedeutung die Rede ist. Im aktiven Spiel treten die Attribute relativ selten in den Vordergrund sie treiben diverse Berechnungen hinter den Kulissen an und können bei Wunsch eingesehen werden, aber der meiste direkte Einfluss durch SpielerInnenhand erfolgt über die sog. Fähigkeiten. Die Fähigkeiten Während die Basisattribute indirekten Einfluss auf viele Spieleffekte haben, stellen die Fähigkeiten ein direktes Instrument zur Steuerung des Charakters dar. Fähigkeiten unterliegen der Kontrolle des Spielers/der Spielerin und können durch Tastendruck oder Mausklick aktiviert werden. Fähigkeiten erhält ein Charakter bei Spielbeginn (abhängig von der Klassen- und Rassenwahl) und im Spielverlauf mit steigender Charakterstufe. Die Auswirkungen von Fähigkeiten im Spiel sind sehr vielfältig, im Allgemeinen verursachen sie irgendeine Form von Schaden bei Gegnern, heilen Verbündete, beeinflussen in Form von buffs und debuffs die Attribute von Gegnern oder Verbündeten, rufen helfende Mobs (sog. Pets) herbei oder ermöglichen schnelle Ortswechsel. Die visuelle Gestaltung von Fähigkeiten ist vielfältig und teilweise spektakulär, um den Spielspaß der ausführenden SpielerInnen zu erhöhen und außerdem Feedback über die Auswirkungen zu liefern. Eine Angriffsfähigkeit kann dabei z.b. als Feuerball, Blitz oder Giftwolke dargestellt werden, gleichzeitig aber auf der gleichen spielmechanischen Formel beruhen. Der visuelle Stil ist i.d.r. abhängig vom Flair der Charakterklasse: von heiligen KriegerInnen über naturverbundene DruidInnen bis zu finsteren HexenmeisterInnen. Jede Fähigkeit trägt einen offiziellen Namen, der von den Spieldesignern vorgegeben wird und unter dem sie in spielinternen Texten geführt wird. Diese offiziellen Namen ermöglichen auch die Suche nach den genauen Details einer Fähigkeit in Internet-Datenbanken. Auch diese Namen folgen dem generellen Flair, den eine Charakterklasse ausstrahlt die folgende Liste zeigt einige Beispiele für Fähigkeits-Namen, geordnet nach den entsprechenden Klassen: 231

237 - Druiden-Fähigkeiten (Thema Natur ): Bärengestalt; Inkarnation: Baum des Lebens; Samenkorn des Lebens, Mal der Wildnis, Winterschlaf [vgl. ZAM Network 2013b: Kategorie Datenbank>Klassen>Druide] - Paladin-Fähigkeiten (Thema vgl. ZAM Network 2013c: Kategorie Datenbank>Klassen>Paladin] - vgl. ZAM Network 2013d: Kategorie Datenbank>Klassen>Hexenmeister] Eine vollständige Liste würde hier bei Weitem den Rahmen sprengen, ist aber z.b. in der Wowhead-Datenbank für jede der Klassen zu finden (vgl. ZAM Network 2013e: Kategorie Datenbank>Klassen). Wie die obigen Beispiele zeigen, lassen die reinen Namen in den meisten Fällen noch keinen präzisen Schluss auf die spielmechanische Funktionsweise der bezeichneten Fähigkeit zu. Dies ist im normalen Spielverlauf auch nicht notwendig, weil über die Benutzeroberfläche jederzeit ohne Aufwand eine ausführliche Erklärung einer Fähigkeit eingeblendet werden kann. Abbildung 29: Mouseover-Fenster mit Erläuterung einer Fähigkeit Die Namen von Fähigkeiten werden in der Kommunikation unter SpielerInnen sehr häufig verwendet, sowohl in asynchronen Kontexten wie der langfristigen Planung in Guides, Foren etc., als auch im synchronen Kontext bei der Durchführung von Raids, wo das exakte Timing des aktiven Einsatzes der Fähigkeiten eine Rolle spielt. Allgemein gilt auch hier, dass die englischen Begriffe oft synonym zu den deutschen verwendet werden. In asynchronen Texten wie Guides gibt es aber eine stärkere Tendenz dahingehend, zumindest innerhalb 232

238 eines spezifischen Textes konsequent eine Sprachversion zu wählen oder immer beide Varianten anzubieten. Letzteres hat den Vorteil, dass NutzerInnen sofort beide Varianten vor Augen haben, falls diese als Suchbegriffe verwendet werden sollen. Die häufige Verwendung der Fähigkeits-Namen führt auch dazu, dass sich für viele davon alternative Synonyme eingebürgert haben, die kürzer und/oder nachvollziehbarer in ihrer Bedeutung sind. Die Mechanismen der Kurzwortbildung sind dabei die gleichen wie in Kapitel für zoneninterne Orte wie Instanzen und Hauptstädte beschrieben. In einigen Fällen aber stellen die Synonyme keine Derivate der offiziellem Namen dar. In diesen Fällen hat der Alternativ-Neologismus in der Regel auch eine erweiterte Semantik. Ein Beispiel hierfür ist eine Fähigkeit der Paladin-Klasse mit dem offiziellen Namen Gottesschild. Mit Hilfe dieser Fähigkeit kann sich ein Charakter für kurze Zeit gegen jeglichen Schaden schützen, ist in dieser Zeit aber selbst nicht zu Angriffen fähig. In der Community ist für diese Fähigkeit auch das Synonym Angstblase geläufig. Mit diesem wird scherzhaft suggeriert, dass der Paladin sich aus Feigheit in den Schutz des Schildes zurückzieht. Etwas positiver verhält es sich bei der Druiden-Fähigkeit Mal der Wildnis, mit der Druiden die Kampfkraft einer Raidgruppe für eine Stunde verbessern können. Hier ist das Synonym Pfötchenbuff gebräuchlich. Üblicherweise wird diese Fähigkeit in einem Raid wegen des großen Nutzens bei der frühest möglichen Gelegenheit der Gruppe spendiert. Da die Druiden-Klasse zudem in Raids meist eine Tiergestalt wie z.b. die einer Wildkatze annimmt, ist das Bild des Pfötchen-Gebens für die Gruppe entstanden. Der Pfötchen-Buff ist fester Programmpunkt für Gruppen, zu denen ein Druide gehört, und dementsprechend bekannt in der Community. Wie auch die zuvor beschriebenen Attribute haben die WoW-Fähigkeiten Homonyme, die in der Allgemeinsprache gebräuchlich sind. Die WoW-Varianten haben auch hier eine fachsprachentypisch engere Bedeutung. Dies spiegelt sich u.a. in ihrer morphosyntaktischen Verwendung wider. Die Fähigkeit Irreführung soll hier erneut als Beispiel dienen: Im Kontext von WoW ist Irreführung eine Fähigkeit der Jäger-Klasse. Sie bewirkt vereinfacht gesagt dass ein Mob, der den Jäger auf Korn genommen hat, zeitweise auf einen anderen, vom Jäger ausgewählten Charakter abgelenkt wird (für gewöhnlich ein Tank). Alle Aktionen, die in dieser Zeit normalerweise die Aggression eines Mobs auf den Jäger lenken würden, machen stattdessen den anderen zum Ziel. Auf diese Weise kann gesteuert werden, dass ein Mob 233

239 sich genau auf jenes Gruppenmitglied stürzt, das sich am besten gegen den Angriff wehren kann. In der Allgemeinsprache steht Irreführung als Fähigkeit die Bedeutung von Irreführung als Substantivierung des Verbs jdn. irreführen bzw. jdn. in die Irre führen gegenüber. Verb und Substantivierung können semantisch eine ganze Reihe konkreter Handlungsweisen beschreiben. Als Ankündigung einer Handlung ist die Formulierung ich führe ihn in die Irre oder ich werde ihn in die Irre führen einwandfrei. Angesichts der Tatsache, dass im Spiel die Fähigkeiten zum aktiven Einsatz bestimmt sind, werden aus pragmatischer Sicht auch hier entsprechende Verben benötigt, die diesen Einsatz als Aktion beschreiben. Bei den Verbformen zeigt sich dann der Unterschied zwischen allgemeinsprachlicher und fachsprachlicher Verwendung: An keiner Stelle der untersuchten Sprachdaten konnte der Autor einen Beleg dafür finden, dass die allgemeinsprachkonforme Verbform irreführen bzw. die Verbalphrase in die Irre führen in Bezug auf die Charakter-Fähigkeit verwendet wird. Um die aktive Verwendung einer Fähigkeit im Spiel zu beschreiben sind auf mündlicher Ebene Konstruktionen wie Ich mach Irreführung, Irreführung los oder Irreführung kommt, ich caste Irreführung üblich. Diese Formulierungen würden in allgemeinsprachlichen Kontexten höchst ungewöhnlich wirken. Eine noch deutlichere Unterscheidung von allgemeinsprachlicher Bedeutung und WoW- Fähigkeit wird durch die englische Variante Misdirect eröffnet. Auf der Basis des englischen Stammes werden Verbalisierungen gebildet, um Vorgänge nach dem Muster Anwenden der Fähigkeit Misdirect auszudrücken. Folgende Beispiele aus Internetforen zeigen dies sowohl für Misdirect als auch mehrere andere Fähigkeiten (Hervorhebungen nachträglich hinzugefügt, die betroffenen Fähigkeiten heißen Tranqshot, Misdirect, Dispel): (1) Zum einen möchte ich ja tranquen, sprich ich brauche die Focusanzeige inklusive buffs des jeweiliges Focustargets. Zum anderen möchte ich über mein Focus misdirecten, sprich die Focus Anzeige wechselt bei mir eigentlich fortlaufend während dem Fight. [Hawtin 2011] (2) Also, wenn ihr ein begeisterter Vertreter der "ich misdirecte dir den mit 'nem Pyro"-Klasse seid, [ ][AutorIn unbekannt 2011] 234

240 (3) Danke der richtigen Glyphen kann ich (obwohl ich keine Heilzauber habe) einigen Schaden vermeiden. Ich dispelle, misdirecte, cc'e wenn nötig. [Jynthi 2011] Auffällig ist hier auch auch die Bildung cc e im letzten Beispiel. Dies ist eine Verbalisierung des Kurzworts CC mit der Langform crowd control, zu Deutsch Gruppenkontrolle im Sinne von Kontrolle über Gruppen von Gegnern. Ich cc e bedeutet also soviel wie ich übernehme die Gruppenkontrolle. In diesem konkreten Beispiel dient der Apostroph zur optischen Unterscheidung der Verbalisierung von anderen Kurzworten. Im Allgemeinen können innerhalb der WoW-Sprachgemeinschaft die Kurzwort-Varianten von Fähigkeiten nach dem gleichen Muster verbalisiert werden wie die Langformen. Die Wortbildung von Verben aus [Fähigkeitsname + Verbsuffix en] ist in der WoW-SpielerInnenschaft sehr produktiv, auch in Verbindung mit den englischen Namen, aufgrund der wichtigen Rolle der Fähigkeiten für die Steuerung der Charaktere im Spiel. Regelmäßig weisen sich SpielerInnen im Gruppenspiel gegenseitig an, ihre jeweiligen Fähigkeiten zu einem bestimmten Zeitpunkt einzusetzen, oder teilen selbst mit, dass sie eine Fähigkeit soeben eingesetzt haben. Das Ausrufen eines Fähigkeiten-Namens in seiner Grundform kann auf kognitiver Ebene zudem eine ähnliche Funktion erfüllen wie die Bezeichnungen für Spielzüge in diversen Sport-Fachsprachen, z.b. beim Schach: Ein komplexer Vorgang aus mehreren Schritten wird durch ein einziges Lexem zusammengefasst, dies erleichtert die Kommunikation, da die Details nicht bei jedem Einsatz expliziert werden müssen. Zudem ist anzunehmen allerdings durch handfeste Daten schwer belegbar dass auf diese Weise auch die kognitive Speicherung und Verarbeitung der komplexen Vorgänge erleichtert wird. Voraussetzung für das Gelingen der Kommunikation bei Verwendung dieser Lexeme ist, dass alle KommunikantInnen mit dem betroffenen Fachsprach-Lexikon vertraut sind. Bei WoW wird von erfahreren SpielerInnen erwartet, dass sie mit einem Namen wie Misdirect nicht nur die konkrete Fähigkeit verbinden, sondern auch die effiziente Durchführung aller zu ihrem Einsatz nötigen Schritte unter wechselnden Bedingungen beherrschen. Dadurch kann das semantische Spektrum eines Lexems erweitert werden, da die KommunikantInnen in verschiedenen Rahmensituationen die jeweils angemessene Interpretation leisten können. Die schlichte Nennung einer Fähigkeit im Kampf kann so kontextabhängig z.b. für eine Aufforderung zum Einsatz, der Report des Einsatzes oder eine Warnung vor den Folgen stehen. 235

241 Eine Reihe von Fähigkeiten, die unterschiedlichen Charakteren zur Verfügung stehen, stellen sich bei näherer Betrachtung ihrer Mechanik als funktional identisch heraus. Der Sinn hinter dieser anscheinenden Redundanz ist, dass mit diesen Fähigkeiten eine Handvoll von Klassen die Möglichkeit erhalten, eine spezifische taktische (Teil-) Funktion im Gruppenspiel erfüllen können, so dass unterschiedlichen Gruppenkonstellationen eine Chance auf erfolgreiches Spiel gegeben wird. Ein Beispiel hierfür ist die taktische Funktion des Tanks:, Im Kampf muss dieser die Aufmerksamkeit von Gegnern auf sich lenken und damit schwächere Klassen schützen. Verschiedene Klassen können dies mit Hilfe unterschiedlicher Fähigkeiten bewirken. Das archetypische Beispiel hierfür ist die Fähigkeit Spott (engl. Taunt) der Krieger- Klasse. Die Funktionsbeschreibung von Spott in der Wowhead-Datenbank ist: Verspottet das Ziel, damit es Euch angreift, hat aber keinerlei Effekt, wenn das Ziel Euch bereits angreift. [ZAM Network LLC 2013f] Mit identischer Funktion existieren z.b. für Paladine die Fähigkeit Abrechnung, für Druiden Knurren und für Todesritter Dunkler Befehl. In den vom Autor beboachteten Raidgruppen aber wurde trotz des Vorhandenseins der unterschiedlich bezeichneten Fähigkeiten der Name Spott übergreifend verwendet (vgl. Anhang 3 auf 174, Seg ). Sobald von einem Gruppenmitglied ein Hinweis wie Spott, Abspotten, Spotte mal ab, [Charaktername] abspotten etc. kommt, weiß jeder erfahrene SpielerIn bescheid, welche Fähigkeit gerade gefragt ist, unabhängig davon ob ein Paladin, Krieger oder Todesritter im Spiel ist. Hinzu kommt auch, dass das einsilbige Spott von der phonetischen Struktur her am kürzesten und am leichtesten auszusprechen ist. Hier wird deutlich, dass die von den Spieldesignern konstruierte Vielfalt an namentlich bekannten Fähigkeiten gegenüber der spielerischen Praxis zurückstecken muss: Es ist ineffizient, funktional identische Vorgänge unter mehreren Namen zu führen. Die Existenz der redundanten Namen ist nicht praktischen Überlegungen geschuldet, sondern dem Bestreben, jeder Charakterklasse eine Liste von Fähigkeiten zu geben, die der äußeren Form nach in den Flair dieser Klasse passen. Ähnlich verhält es sich mit der Priester-Fähigkeit Dispel Magic (dt. Magiebannung). Mit dieser Fähigkeit können magische Effekte d.h. Buffs oder Debuffs, die auf Verbündeten oder Gegnern liegen, entfernt werden. Die Verbform dispellen bezeichnet in der Sprache der WoW-SpielerInnenschaft darüber hinaus den Einsatz einer Reihe von Fähigkeiten unterschiedlicher Klassen wie Fluch bannen (Magier), Verderbnis entfernen (Druide) und 236

242 Krankheit heilen (Priester). Diese Fähigkeiten sind in ihrer Funktion nicht komplett identisch, da sie jeweils auf spezifische Effekte zielen, wie aus den Namen hervorgeht. Trotzdem ist das verbreitete Kommando in Kampfsituationen Dispel mal [Name/Bezeichnung des Ziels]. Wie bei Spott wird davon ausgegangen, dass die Beteiligten selbst bescheid wissen, welche Fähigkeit konkret in der jeweiligen Situation angemessen ist. Auch in diesem Fall wird also die ursprüngliche Differenzierung zwischen den Fähigkeiten aufgegeben, da sie in der Praxis einer einigermaßen eingespielten Gruppe überflüssig ist und dass obwohl die ursprüngliche Differenzierung in den Namen durchaus durch mechanische Unterschiede motiviert ist. Beispiele wie Spott und dispellen beleuchten einen charakteristischen Prozess, dem offizielle Fähigkeits-Namen in der Sprache der WoW-SpielerInnen regelmäßig unterliegen. Um jeder Charakterklasse einen eigenen Flair zu verleihen, vergeben die DesignerInnen des Spiels unterschiedliche Namen für Fähigkeiten, die jeweils dem übergreifenden Thema der Klasse entsprechen (wie Natur beim Druiden), auch wenn die Fähigkeiten spielmechanisch identisch sind. Für erfolgsorientierte SpielerInnen aber ist dies ein ineffizienter Zustand warum sollte beispielsweise der/die RaidleiterIn eine handvoll Namen beherrschen müssen, um einen funktional quasi identischen Vorgang zu beschreiben? Im praktischen Einsatz fallen erfahrene SpielerInnen also in vielen Fällen auf einen einzigen etablierten Namen zurück. Praktischer Nutzen und Effizienz sind im Einsatz letztlich die ausschlaggebenden Faktoren, die entscheiden, welche Elemente der vorhandenen Lexik verbreiteten Gebrauch finden. Obwohl die Spieldesigner die absolute Kontrolle darüber haben, welche Namen überhaupt Eingang ins Spiel finden, übernimmt die SpielerInnenschaft unter Bedingungen, in denen Gruppeneffizienz ertrebt ist, diese nur soweit es zur Differenzierung notwendig ist. 41 Besonders betroffen ist davon natürlich das Raiden mit seinen teilweise extremen Herausforderungen in Echtzeit. Das heißt jedoch keineswegs, dass deshalb der betroffene Teil der offiziellen Namen im Sprachgebrauch der SpielerInnen vollständig ersetzt wird. In anderen kommunikativen 41 Für SpielerInnen auf Rollenspiel-Servern hat diese Differenzierung mitunter eine viel größere Bedeutung: Sie legen großen Wert darauf, die Charakter-Klassen nicht auf die taktischen Rollen zu reduzieren, sondern sehen die unterschiedlichen Fähigkeiten trotz gleicher Funktion als wichtigen Ausdruck unterschiedlicher Archetypen wie Heiliger Krieger, Naturverbundener Mystiker, Finsterer Untoter Ritter etc. 237

243 Kontexten, insbesondere in Guides wird die offizielle Nomenklatur bewahrt, denn dort wird der Effizienz-Druck durch die Möglichkeit zur Planung von Formulierungen relativiert. Oft verwendete Datenbanken wie Wowhead verlangen zusätzlich wegen ihres Anspruchs auf komplette Wiedergabe der Spielinhalte nach den Original-Namen in unveränderter Schreibweise. Und nicht zuletzt bekommt jeder SpielerIn vom Spiel selbst über die Benutzeroberfläche regelmäßig die von den Designern intendierte Lexik angezeigt. Bei der Wahl eines Oberbegriffs zur Zusammenfassung von mehreren funktional identischen Fähigkeiten, wie im Fall von Spott und Dispellen, sind die SpielerInnen nicht fest an die von den Spieldesignern vorgegebene Lexik gebunden. Auch etablierte Begriffe aus breiteren Themenbereichen wie dem MMOG-Genre, Taktik-/Strategiespielen und Videospielen allgemein werden herangezogen, wenn diese einen bestimmten Aspekt von WoW effizienter und/oder akkurater beschreiben können. Viele spielmechanische Funktionen, Mechanismen und Spielregeln werden innerhalb eines Genres von Spiel zu Spiel übernommen. So gibt es z.b. bei vielen Spielen mit taktischen Kampfsystemen, sowohl digital wie analog, eine Gruppe von Fähigkeiten, die als HOTs/Hots bezeichnet werden (die Schreibweise ist nicht normiert, in diesem Text wird fortan die Variante in Majuskeln verwendet). HOT steht für heal over time, grob übersetzt Heilung über einen Zeitraum. Darunter fallen Fähigkeiten, die nach ihrer Aktivierung über längere Zeit auf einem Ziel aktiv bleiben und in dieser Zeit regelmäßig eine gewisse Menge Schaden heilen, im Gegensatz zu einer einzigen, massiven Heilung. Auch bei WoW verfügt jede Charakterklasse, die die Rolle des Heilers übernehmen kann, über entsprechende HOT-Fähigkeiten. So erhalten beispielsweise Druiden die Fähigkeit Verjüngung, diese Heilt das Ziel um 4234 [+ 39.2% of Spell power] und zusätzlich 12 Sek. lang alle 3 Sek. um 4234 [+ 39.2% of Spell power]. 42 Die Fähigkeit Erneuerung der Priester-Klasse Regeneriert 12 Sek. lang alle 3 Sek [+ 20.7% of Spell power] Gesundheit des Ziels. 43 Die namentlichen und minimalen rechnerischen Unterschiede zwischen den Fähigkeiten spielen aus taktischer Sicht viel seltener eine Rolle als die grundsätzliche Funktionsweise, 42 ZAM Network LLC (2013g); Klammern im Original 43 ZAM Network LLC (2013h), Klammern im Original 238

244 dass über einen Zeitraum schrittweise die Gesundheit eines Charakters regeneriert wird. Daher werden diese Fähigkeiten in entsprechenden Gesprächskontexten regelmäßig zusammenfassend als HOTs bezeichnet. Die entsprechende Verbform zum Substantiv HOT ist hotten, wie in diesem Beispiel zu sehen (Hervorhebung nachträglich eingefügt): Danke, auch wenn du meine Befürchtung bestätigt hast. Das Sofortheilen und Hotten geht ja ne Zeit ganz gut, aber es verzögert mein Sterben ja nur da ich keinen Schaden anbringen kann. [Goreska 2008] In vielen Gesprächssituationen ist die taktische Funktion einer Fähigkeit also die entscheidende Information, während es weniger wichtig ist, um welche spezifische Klassenfähigkeit es sich handelt. In entsprechenden Gesprächssituationen ist es effizienter, auf HOTs zu verweisen, z.b. mit Aufforderungen wie So, jetzt schmeißen die Heiler mal langsam ihre HOTs an, da sich abgesehen von den verantwortlichen SpielerInnen niemand mit den konkreten Fähigkeiten befassen muss. Hätten sich die Spieldesigner dafür entschieden, jeder Fähigkeit eine eigene charakteristische Wirkungsweise zuzuweisen, wäre der Nutzen eines Sammelbegriffs wie HOT fraglich schon die Existenz vergleichbarer Begriffe im Fach-Wortschatz der SpielerInnen lässt so ein Stück weit darauf schließen, wie stark sich ein Spiel wie WoW auf etablierte Konventionen stützt. Weitere Beispiele für spielmechanische Funktionen, die als Oberbegriff für Fähigkeiten bei WoW verwendet werden, sind die Folgenden: DOT ( damage over time, dt. Schaden über einen Zeitraum ), Verbform dotten: Fähigkeit, die Schaden über einen bestimmten Zeitraum verursacht (das offensive Gegenstück zu HOTs); AOE ( Area of Effect, dt. Flächenwirkung ): Fähigkeit, deren Wirkung sich über eine bestimmte Fläche erstreckt; cooldown (dt. Abklingzeit ): Fähigkeit, die ab ihrem Start für einen längeren Zeitraum wirkt und erst nach Ende dieses Zeitraums wieder einsetzbar ist. Üblich ist, diese Begriffe zu verbalisieren, um die aktive Anwendung der entsprechenden Fähigkeiten auszudrücken, wie in diesem Beleg aus einem der aufgezeichneten Raids (Hervorhebung nachträglich eingefügt): 239

245 A: wir werden die auch regelmäßig mal wennes zu viele werden einmal kurz [WEGaoeen ] müssen 44 Hier wird das Substantiv AOE durch das Suffix -en verbalisiert und das Verb anschließend durch das Präfix weg- modifiziert, analog zu gebräuchlichen Verbformen wie wegwischen oder wegräumen. Auch derivierte Adjektivformen sind gebräuchlich, um Zustände von Entitäten im Spiel zu beschreiben, hier ein Besipiel aus einem Forum (Hervorhebung nachträglich eingefügt): Ich war jetzt einige Wochen nicht online, kann es sein daß seit neuestem ein zugedottetes Ele den Magier aus der Unsichtbarkeit reißt? [Fancy 2011] Die Adjektivierung zugedottet folgt hier dem bewährten Muster ge-[substantiv]-(e)t, plus das Präfix zu-, analog Formen wie zuqualmen oder zukleistern. Die verbreitete Verwendung von Lexemen wie HOT, DOT und AOE legen nahe, dass die durch sie beschriebenen spielmechanischen Prinzipien in vielen Situationen als Verweis in der Praxis nützlicher sind als die offiziell vorgegebene Nomenklatur für individuelle Fähigkeiten. Dies ist letzlich eine Folge des Designprinzips, welches hinter WoW steht: Die gesamte Spielmechanik ist auf Nachvollziehbarkeit und Balance ausgelegt, um allen Charakterklassen die gleichen Chancen einzuräumen. Keine Fähigkeit hat eine willkürliche, einzigartige Funktion, sondern alle gliedern sich nachvollziehbar in das bestehende Geflecht aus Regeln und Formeln ein. Alle spielmechanischen Vorgänge sind bei Wunsch offen einsehbar, so dass SpielerInnen sie analysieren können. 45 Das Vorhandensein dieses Regelgeflechts fördert die Bildung von Generalisierungen, besonders wenn die Generalisierungen teilweise über die Grenzen von WoW hinaus zutreffen und aus anderen Spielen bekannt sind. HOT, DOT, AOE und cooldown sind als Begriffe in ihrer grundlegenden Bedeutung vielen SpielerInnen bereits vertraut. Die Bildung von Generalisierungen ist Teil des kognitiven Prozesses, sowohl als Teil der mentalen Speicherung von Informationen als auch bei der zugehörigen Wortbildung. Es ist also möglich, dass ein direkter Zusammenhang besteht zwischen den spielmechanischen Prinzipien, denen die Designer von WoW folgen, 44 Sartharion 3D 10er-Raid; 03/08/09, 19:34 21:48 45 Das Verstecken von spielmechanischen Abläufen hält erfahrungsgemäß engagierte SpielerInnen auch nicht davon ab, diese Abläufe trotzdem offenzulegen und zu betrachten notfalls indem sie den Programmcode analysieren, wie bei vielen anderen Spielen bereits geschehen. 240

246 und dem Ausmaß, in dem fachsprachlicher Wortschatz für den Umgang mit diesen Prinzipien von der SpielerInnenschaft gebildet wird. Dies ist keine Selbstverständlichkeit, die auf Computer-/Videospiel-Mechaniken generell zutrifft: Der Fokus in einem Spiel kann auch beispielsweise auf der Erkundung und Entdeckung der virtuellen Landschaft liegen, was die Bedeutung von Raum-bezogener Lexik anstelle der Regelmechanik stärken würde. Ebenso kann eine Spielmechanik auch Fähigkeiten enthalten, deren Funktion nicht generalisiert werden kann hätte jede Charakterklasse bei WoW wirklich einzigartige Werkzeuge, so würde dies die Gruppendynamik und Handhabung im Gruppenspiel grundlegend anders prägen, als es im existierenden Spiel der Fall ist, und würde wahrscheinlich auch eine anders gewichtete Fachsprache prägen. Talente Neben den aktiven Fähigkeiten und den passiven Attributen spielt noch ein weiteres Spielelement beim Ausbau von WoW-Charakteren eine wichtige Rolle: die sog. Talente. Ab der zehnten Stufe bekommt ein Charakter regelmäßig bei Stufenanstieg Talentpunkte verliehen, die in einem Talentbaum verteilt werden können. Jedes Talent modifiziert die bereits vorhandenen Fähigkeiten oder fügt neue Fähigkeiten hinzu. Jeder Klasse stehen drei Bäume zur Auswahl, die jeweils einem gewissen thematischen Stil folgen. Magier z.b. haben die Talentbäume Arkan, Feuer und Frost zur Verfügung, Priester haben die Wahl zwischen Disziplin, Heilig und Schatten. Einer der Talentbäume muss als Schwerpunkt gewählt werden, allerdings dürfen einige Talentpunkte auch auf die Nicht-Schwerpunkt-Bäume verteilt werden, sobald der Hauptbaum gemeistert ist. Eine spezifische Konfiguration von Talenten wird als Skillung bezeichnet, nach dem englischen Wort für Talente, Skills. Eine einmal gewählte Skillung kann später verworfen und neu verteilt werden, daher wird in Gesprächen zwischen SpielerInnen häufig thematisiert, welche Skillung unter bestimmten Bedingungen ideal wäre. Die Auswahl der Talente beeinflusst deutlich die Art und Weise, wie sich die Fähigkeiten eines Charakters genau auswirken. Daher werden Charaktere regelmäßig anhand von Determinativkomposita beschrieben, die aus dem Namen des gewählten Haupt- Talentbaums als Erstglied und dem der Charakter-Klasse als Zweitglied bestehen. Auch 241

247 Kurzformen für eines der Glieder sind üblich. Die übliche Schreibweise variiert zwischen Bindestrich- und Zusammenschreibung: Schattenpriester/Schatten-Priester; Diszi-Priester; Heiligpriester/Heilig-Priester; Feuermagier/Feuer-Magier; Dämo-Hexer (Kurzform für Dämonologie-Hexenmeister); Resto-Druide (Kurzform für Restoration-Druide, die englische Version eines Wiederherstellung-Druiden). Erfahrene SpielerInnen sind mit den Inhalten der Talentbäume i.d.r. zumindest so weit vertraut, dass sie eine Vorstellung davon haben, was ein Dämo-Hexer oder Schattenpriester in etwa leisten kann. Komposita aus Skillung und Charakter-Klasse sind daher eine effiziente Erleichterung zur Beschreibung komplexer Konfigurationen, insbesondere weil die Skillung häufig Thema bei Gesprächen über das Einsatzgebiet von Charakteren ist, z.b. bei der Raid- Planung. Dabei sind sie eng verwandt mit Determinativkomposita aus Charakter-Klasse und taktischer Rolle wie Heiler-Druide. Letztere stellen eine übergeordnete Kategorie dar zur detaillierteren Beschreibung anhand der Skillungen. 242

248 Abbildung 30: Talentbaum-Darstellung aus einem Guide mit dem Titel Welche Skillung für den (Schadens-) Krieger? (aus: Zero 2013, (zuletzt besucht )) Mobs, NPCs und Bosse: Die Kreaturen von WoW Es mag zunächst konterintuitiv wirken, die Lexik zur Bezeichnung von Mobs, NPCs und Bossen, sprich der computergesteuerten Einwohner der Spielwelt, dem Überbegriff der Spielmechanik unterzuordnen. Der Grund für diesen Schritt liegt darin, dass die Designer von WoW sich nicht in erster Linie darauf konzentrieren, glaubwürdige, individuelle Figuren im literarischen Sinne zu erstellen, die eine nach einer eigenen Kategorie verlangen würden, 243

249 sondern vielmehr spielmechanische Funktionalität bei der Gestaltung in den Vordergrund stellen. Dies trifft auf solche Figuren zu, die als Antagonisten für SpielerInnen fungieren Mobs, Bosse etc. wie auch auf solche, die Dienste anbieten Quest-Geber, Händler, das Auktionshaus. Insbesondere letztere Form von NPCs als Dienstleister hat einiges mit den virtuellen Orten gemeinsam: Trotz des Versuchs von Seiten der Spiel-Autoren, diese als Charaktere mit Eigenleben zu gestalten, werden die virtuellen Kreaturen in der World of Warcraft von der Mehrzahl der SpielerInnen früher oder später fast ausschließlich über ihre spielmechanische Funktion definiert. Aus programmiertechnischer Sicht wäre es durchaus möglich, die NPCs/Mobs/Bosse mit einem autonomen, SpielerInnen-unabhängigen Verhalten auszustatten. Dies wäre aber vergleichsweise aufwändig und stünde wohl nicht allzu hoch auf der Wunschliste der meisten SpielerInnen. Diese legen bei WoW im Großen und Ganzen mehr Wert auf eine komplexe, konsistente Spielmechanik mit vielen taktischen Optionen und eine benutzerfreundliche Bedienung. Aus diesem Grund steht die spielmechanische Bedeutung der computergesteuerten Figuren auch bei der semantischen Einteilung im Vordergrund. Die Unterscheidung in NPCs, Mobs und Bosse an sich beinhaltet bereits eine spielmechanische Differenzierung. Fast alle computergesteuerten Kreaturen sind im Grunde Mobs im Sinne von Mobile Objects. In der WoW-Fachsprache werden mit Mobs aber in erster Linie Kreaturen bezeichnet, die ausschließlich als Gegner oder Beute fungieren. NPCs unterscheiden sich von diesen dadurch, dass sie zusätzliche Funktionen z.b. als Händler haben, eine wichtige Rolle in einer Queste spielen oder anderweitig auffällig sind. Bosse wiederum sind dadurch charakterisiert, dass sie einzigartige Gegner sind, besonders aufwändige Kampftaktiken zu ihrer Bezwingung erfordern und außergewöhnliche Beutegegenstände versprechen. Zudem stechen Bosse oft dadurch hervor, dass sie Sprecherrollen haben, d.h. sie geben während ihres Auftritts per Text- und Sprachausgabe charakteristische Sprüche von sich und haben insgesamt einen spektakulärer inszenierten Auftritt. Aus der obigen Unterscheidung folgt, dass NPCs und Bosse üblicherweise einzigartig sind, während Mob-Namen eine ganze Kategorie von Kreaturen bezeichnen. Die Einzigartigkeit von NPCs und Bossen wird aber ein Stück weit relativiert durch die Tatsache, dass diese Kreaturen selbst im Falle ihres Ablebens nach einem kurzen Zeitraum wieder auftauchen und 244

250 ihre Funktion wieder aufnehmen. So ist es möglich, dass eine Raidgruppe den mächtigen Riesen Kologarn an jedem Raidabend aufs Neue erschlägt, oder dass mehrere getrennte Gruppen in getrennten Instanzen gleichzeitig jeweils gegen ihren eigenen Kologarn antreten. Einzigartigkeit muss in diesem Sinne also etwas anders verstanden werden als im Alltag. Die Unterscheidung in NPCs, Bosse und Mobs, wie sie hier vertreten wird, ist nicht offiziell vorgegeben oder in der SpielerInnengemeinschaft absolut fest etabliert. Im weiteren Verlauf wird sie verwendet, weil sie zumindest von einem großen Teil der SpielerInnen so gehandhabt wird und dazu geeignet ist, diesen Bereich der Spielmechanik anschaulich zu gliedern. Die Namengebung für NPCs, Bosse und Mobs erfolgt wie schon bei den Ortsnamen auch von offizieller Seite, sobald neue Figuren im Spiel eingeführt werden. Über die Benutzeroberfläche können die Namen jederzeit sichtbar gemacht werden. NPCs Bei den Namen für NPCs lassen sich mehrere unterschiedliche Stile beobachten: a) Echte Eigennamen mit arbiträrer Form: Ainethil, Cyroen, Gereck, Piznik, Veenix, Adair Gilroy, Billy Namen dieser Form haben keine nachvollziehbare Motivation. Allerdings werden hier häufig Fantasienamen gebildet, die in kein aus der Alttagswelt bekanntes Muster passen, um die Exotik eines NPCs zu signalisieren. Man könnte die Vermeidung von Ähnlichkeit zu herkömmlichen Namens-Mustern fast als eine Art Motivation bezeichnen allerdings ist diese Motivation i.d.r. nur für jene Leute nachvollziehbar, die in den Konventionen des Fantasy- und Science-Fiction-Genres besonders versiert sind. b) Teilmotivierte Namen, die bestimmte Charaktereigenschaften konnotieren: Borgus Stahlhand, Brohann Fassbauch, Dashel Steinfaust, Elisara Sonnensturm, Lilyssia Nachtluft, Gan'rul Blutauge, Kardris Traumsucher, Kelgruk Blutaxt, Ogunaro Wolfsläufer 245

251 Namen dieses Typs verfügen über ein Element mit nachvollziehbarer Bedeutung, meist in Form eines Kompositums als Nachnamen. Diese deskriptiven Namensteile können entweder direkt auf narrative Eigenschaften des NPCs hindeuten (Brohann Fassbauch) oder signalisieren in der Logik der Spielwelt die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe, Charakterklasse o.ä. So tragen die Namen elfischer Charaktere beispielsweise oft Konnotationen aus dem Bereich Natur (Nachtluft), Orks neigen zu brutal-martialischen Namen (Blutauge, Blutaxt) und Zwergennamen haben oft etwas mit Geologie oder Schmiedkunst zu tun (Stahlhand, Steinfaust). c) Klar deskriptive Namen: Apothekerin Thedra, Champion Schnellklinge, Kundschafterin Alarion, Näherin Bernglanz, Hauptfeldwebel Zischelbolz Namen dieses Typs machen es einfach, den betroffenen NPC in einem bestimmten Kontext zu identifizieren, Funktionen zuzuordnen oder klar zu charakterisieren. Eine Näherin oder Kundschafterin wäre nach visuellen Kriterien evtl. in der Spielgrafik kaum als solche zu identifizieren, da der Detailgrad der Figuren nicht hoch genug ist und/oder SpielerInnen für gewöhnlich nicht nah genug an diese heranzoomen. Anhand der deskriptiven Zusätze ist es möglicherweise im Kontext mancher Questen leichter, eine bestimmte Person zu finden, die ansonsten schwer von anderen unterscheidbar wäre. Wichtig bei dieser Kategorie ist, dass es sich nicht um Namen handelt, die nur in einer begrenzten Situation um einen Titel, eine Berufsbezeichnung o.ä. erweitert wurden. Die Namen tauchen vielmehr ausschließlich in Verbindung mit dem deskriptiven Glied auf. Bosse Die Namensgebung für Bosse ähnelt an der Oberfläche der von NPCs, allerdings haben Bosse eine ganz andere Position innerhalb der Spielwelt: Es sind kaum deskriptive Elemente in den Namen nötig, um ihre Identifikation zu erleichtern, da sie ohnehin die Höhepunkte von Instanzen, Dungeons und Questen und somit einen Ankerpunkt des Spielerlebnisses darstellen. Die Begegnung mit einem Boss-Gegner ist im Spiel ein spektakuläres Ereignis und es ist nicht nötig, in dieser Situation mit Hilfe der Namensgebung zur Identifikation 246

252 beizutragen. Die Namen von Bossen dienen eher dazu, deren Platz im narrativen Kontext zu unterstreichen und/oder eine abenteuerlich-epische Atmosphäre zu vermitteln. Beispiele: Archavon, Die Bestie, General Drakkisath, Gizrul der Geifernde, Hohepriesterin Jeklik, Onyxia, Schattenjägerin Vosh'Gajin Viele Namen haben neben dem arbiträren Eigennamen ein weiteres Glied, das eine Beschreibung, einen Titel oder Vergleichbares darstellt. In manchen Fällen wie Die Bestie stellt dieser Titel das einzige Glied dar. Der Titel dient dazu, den besonderen Status der Bosse hervorzuheben, entweder indem er sich in ein etabliertes Rang-System eingliedert, das schon bei Mobs/NPCs in der Instanz zu finden ist (z.b. eine Hohepriesterin unter Priestern, Akolyten u.ä.), oder indem der Titel durch Einzigartigkeit hervorsticht. Mit Namenszusätzen, die auf hierarchische Strukturen verweisen, wie General Drakkisath oder Hohepriesterin Jeklik, werden die so bezeichneten Bosse von Anfang an als Spitze einer Rangordnung dargestellt, die im jeweiligen narrativen Kontext der Instanz etabliert wird. Die Position an der Spitze einer solchen Hierarchie geht in der traditionellen Logik von Computerspielen (zumindest solcher mit kampfbetonter Spielmechanik) mit besonders starken Kampffähigkeiten einher. In anderen Fällen wiederum beziehen sich die Titel nicht auf eine Rangordnung, sondern beschreiben in irgendeiner Form (idealisierte) Eigenschaften des Bosses. Gizrul der Geifernde oder Die Bestie vermitteln den Eindruck wilder, gefährlicher Monstrositäten, welche die Horden an Mobs überragen. Die von den Spieldesignern gewählten Boss-Namen sind also eher narrativ motiviert denn funktional. Aus praktischer Sicht sind die Namen kaum informativ die Tatsache, dass es sich um außergewöhnliche Gegner handelt, wird schließlich bereits durch Positionierung und Präsentation der Bosse in den virtuellen Umgebungen vermittelt. Für den Großteil der SpielerInnen ist aber der narrative Gehalt der Namen nach den ersten Begegnungen mit einem Boss (zur Erinnerung: Bosse erstehen wieder auf und können immer wieder in Angriff genommen werden) nur noch von marginaler Bedeutung. Der Handlungsstrang um einen bestimmten Boss, in dessen Rahmen dessen Name evtl. eine bestimmte Motivation hat, mag bei der ersten Begegnung interessant sein, die große Mehrheit der SpielerInnen bekämpft den gleichen Boss jedoch viele Male hintereinander, bis dieser besiegt ist oder einen gesuchten Gegenstand droppt (d.h. den Gegenstand als Beute hinterlässt). Über die Gesamtheit des typischen Spielverhaltens betrachtet spielt der narrative Rahmen von 247

253 Bossen eine zu vernachlässigende Rolle gegenüber den spielmechanischen Werten und sonstigen taktischen Rahmenbedingungen des Kampfes. Diese Werte und Rahmenbedingungen bilden für erfahrene SpielerInnen i.d.r. ein Gesamtkonzept, dass unter dem Namen des Bosses zusammengefasst wird. Der Name gewinnt in dieser Verwendung eine Funktion, die über das reine Bezeichnen der computergesteuerten Entität hinausgeht und u.a. das umgebende Spielfeld des Kampfes mit umfasst. Man betrachte folgende Aussage, die so in einem mündlichen Gespräch gefallen ist: Wir machen morgen Sartharion 3D. Sartharion ist der Name eines Boss-Gegners, der in die Instanz Das Obsidiansanktum eingebettet ist. Der Zusatz 3D bezieht sich auf eine spezielle Konstellation, bei der dem Boss- Gegner von drei weiteren Drachen unterstützt wird, wodurch der Kampf besonders herausfordernd wird. Für erfahrene SpielerInnen evoziert der Name Sartharion 3D eine ganze Reihe von zusätzlichen Informationen, die über die reine Identität des Bosses hinausgehen: der Grundriss der betroffenen Instanz, die darin vorhandenen Mobs, die spezifisch benötigte Ausrüstung, die Sonderbedingung bezüglich der drei Drachen-Helfer. Die Namen von Bossen können stellvertretend für die gesamte Instanz stehen, sofern der Boss eine dominante Rolle darin spielt. Grund dafür ist, dass fast jeder Boss an einen festen Ort, quasi eine Kampf-Arena gebunden ist, die seine Stärken und Schwächen im Design berücksichtigt. Der Gegner selbst und die Arena bilden insofern eine Einheit. Die Instanzen als Orte allein wären ohne die Bosse auch keine besonders attraktiven Ziele, da alle lohnende Beute an diese Bosse gebunden ist. Eine alternative Designmöglichkeit, bei der Orte und Bosse autonom voneinander existieren, wäre beispielsweise denkbar, wenn Beute/wertvolle Ressourcen an festen Orten befänden, die Boss-Gegner sich aber frei bewegen könnten dann wüssten Raidgruppen im Vorhinein nicht, welche Gefahren an welchem Ort zu erwarten wären und müssten sich entsprechend separat auf Terrain und Gegner vorbereiten. Es ist davon auszugehen, dass sich dies auch auf die Verwendung von Boss-Namen (und Orts-Namen) und die mit ihnen bezeichneten Konzepte auswirken würde, allerdings fehlen für vergleichende Untersuchungen mit alternativ designten Spielen (noch?) die nötige Daten. 248

254 Mobs Im typischen Verständnis der SpielerInnenschaft sind Mobs im Gegensatz zu NPCs und Bossen von vornherein nicht als einzigartige Figuren konzipiert, sondern eher als generische Gegnertypen, die in Gruppen auftreten können. Die Lexeme zur Bezeichnung von nichtindividuellen Mobs verweisen also auf eine Kategorie von Entitäten. Innerhalb dieser Ketegorie stehen Mobs oft in hyponymischen bzw. hyperonymischen Beziehungen zueinander. Diese Beziehungen dienen in erster Linie dazu, spielmechanische Wertunterschiede innerhalb thematisch zusammengehöriger Gruppen im Spiel auszudrücken, d.h. schwache Mobs von stärkeren Mobs beispielsweise innerhalb einer Monsterrasse oder Fraktion im Spiel zu unterscheiden. Lexikalisch bieten sich zur Bildung entsprechender Namen Determinativkomposita an, bei denen ein Glied die allgemeine Gruppenzugehörigkeit angibt und das andere Glied die Funktion/Position genauer determiniert. Ebenfalls verbreitet sind Phraseologismen, die eine Entität explizit nach dem Muster X von Y beschreiben, z.b. Wache der Leibgarde. So existiert beispielsweise im narrativen Rahmen des Spiels eine Fraktion namens Argentumdämmerung, deren Untergruppe Der Argentumkreuzzug in der Erweiterung Wrath of the Lich King eine große Rolle spielt. SpielerInnen treffen im Spielverlauf regelmäßig auf Mobs und NPCs, die diese Fraktion in verschiedenen Positionen vertreten. Beispiele: Argentumbauarbeiter; Argentumchampion; Argentumfriedensbewahrer; Argentumfußsoldat; Argentumhimmelsklaue; Argentumkreuzfahrer; Argentumschlachtross; Ingenieur des Argentumkreuzzugs; Scharfschütze des Argentumkreuzzugs. Ähnlich verhält es sich mit diversen Rassen/Volksgruppen, die bestimmte Regionen der Spielwelt bevölkern. Sie prägen den Charakter dieser Region mit und sind dort in vielerlei Rollen und Funktionen anzutreffen. Ein Beispiel dafür sind die Goblins, die u.a. in Gestalt folgender Mobs anzutreffen sind: Goblinartillerist; Goblinbürger; Gobliningenieur; Goblinsupermodel; Goblintechniker; Gefangener Goblin; Goblinischer Akkordminenarbeiter; Goblinischer Belagerungsarbeiter. 249

255 Die narrative Einordnung der Mobs steht bei der Wahl der Namen im Vordergrund, die Tätigkeit eines Ingenieurs, Technikers oder Supermodels der Goblins wird kaum durch spielmechanische Funktionen abgedeckt. Im Zuge bestimmter Questen kann es aber durchaus sein, dass eine SpielerIn nach Mobs einer spezifischen Rasse oder Funktion suchen muss, woraufhin diese deskriptiven Namen von praktischem Nutzen sind. Diese Questen bestehen auch oft darin, mit den Mobs auf andere Weise zu interagieren als durch Kampf, z.b. indem Gegenstände verteilt oder Informationen gesammelt werden müssen. Die relative Stärke im Kampfsystem wird in diesen Beispielen höchstens vage angedeutet, abgesehen von offensichtlichen Unterschieden wie zwischen Scharfschützen und Fußsoldaten. Ein Argentumfußsoldat mag kämpferisch stärker sein als ein Argentumbauarbeiter, aber der Vergleich mit einem Argentumkreuzfahrer verlangt schon eher nach weiteren Hinweisen oder einer Datenbank mit konkreten Werten. Eine klare Abstufung nach Kampfkraft, die sich auch in deskriptiven Namen wiederspiegelt, ist eher in solchen Kontexten zu finden, in denen die Interaktion sich tatsächlich auf kämpferische Auseinandersetzungen zwischen Mobs und SpielerInnencharakteren beschränkt, z.b. Instanzen. Die Namensgebung für Mobs durch die Spieldesigner folgt keinem festen System, mit dem spielmechanische Informationen oder Informationen zur Gruppenzugehörigkeit im Namen codiert werden, obwohl es durchaus möglich wäre und von manchen anderen Spielen so gehandhabt wird einem Mob automatisch einen seiner Stärke angemessenen Rang-Namen hinzuzufügen. Im Fall von WoW ist dies nicht nötig, weil das Spiel über ein Darstellungs-System verfügt, welches die relative Stärke von Mobs anderweitig vermittelt: Ein per Maus anvisierter Mob wird mit einem Portrait und seinem Namen auf der Benutzeroberfläche eingeblendet. Bei außergewöhnlich starken Mobs wird das Portrait von einem goldenen Drachen eingerahmt, besonders seltene Mobs (d.h. mit einer Chance auf seltene Beute) erhalten einen silbernen Drachen. Mobs, die sowohl selten als auch besonders stark sind, werden durch einen silbernen Drachen mit Flügeln markiert. Fachsprachlich werden die beiden Typen als Elite Mobs und Rare Mobs bezeichnet. Unter den beobachteten deutschsprachigen SpielerInnen ist für ersteren Typ die deutsche Aussprache üblich, für letzteren die englische. Abgesehen von der visuellen Markierung auf der Benutzeroberfläche haben Elite- und Rare Mobs immer auch einen eigenen Namen. Elite Mobs stellen mit ihrer gesteigerten Kampfkraft oft den Höhepunkt von Questen dar und 250

256 werden oft auch als NPCs behandelt je nach den Begleitumständen und der Charakterisierung des Mobs. Der Anteil von spezifischen Mob-Namen am aktiven Wortschatz der SpielerInnen ist von mehreren Faktoren abhängig, in erster aber Linie davon, mit welchen Questen, Orten oder Spielzielen eine SpielerIn sich gerade befasst. Bei einem schnellen Wechsel durch die Spielinhalte wechselt der Anteil der relevanten Mob-Namen meist ebenso schnell, und da im Gegensatz zu Bossen und vielen NPCs die (nicht-elite-/rare) Mobs kaum herausstechende Eigenschaften haben, hinterlassen sie auch nicht oft einen bleibenden Eindruck. Anders verhält es sich mit den spielmechanischen Kategorien Elite und Rare selbst, deren Beschreibungskraft sich auf immer neue Spielsituationen anwenden lässt, solange die WoW- Designer die Spielmechanik nicht radikal ändern. Der folgende Foren-Eintrag zeigt sowohl die Verwendung der Kategorie als auch von individuellen Mob-Namen: Bei Elite Mobs bin ich mir niemals sicher wieviel sie aushalten. Die meisten sind so ~ HP und gut machbar, wenn keine Adds dazu kommen. Das bislang stärkste was ich umgehauen hab war der große Elekbulle mit HP. Dann hab ich mir Durn der Verfressene (?) vorgeknöpft. Der hat HP, hab ich ihm runter gekloppt, dann hat er mich platt gemacht. Was sind die bislang stärksten Mobs, die ihr solo gelegt habt? [Tyco 2008] Die Kategorie Elite Mobs genügt hier, um alle Beteiligten auf einen bestimmten Bedeutungsrahmen zu verweisen, nämlich ein besondere Form von Gegner, der allen Kommunikanten bekannt ist. Die individuellen Namen Elekbulle und Durn der Verfressene dienen zur Hervorhebung konkreter Beispiele innerhalb der Kategorie es ist aber zu erwarten, dass sie nur so lange mental präsent bleiben, bis sie durch den jeweiligen führenden Kandidaten in der Kategorie Stärkster Mob ersetzt werden. Für die meisten SpielerInnen spielt in Bezug auf Mobs in erster Linie eine Rolle, ob sie eine angemessene Herausforderung darstellen und ob sie wertvolle Ressourcen hinterlassen. Aus diesem Grund werden Mobs in Gesprächen zwischen SpielerInnen und auch in Guide-Texten regelmäßig zuerst anhand dieser Wertigkeiten identifziert die Funktion eines Elite- oder Rare Mob ist in diesem Hinblick immer gleich. Die offiziellen Namen werden früher oder später austauschbar, weil Mobs nicht die besonderen, oft spektakulären Rahmenbedingungen eines Boss-Kampfes mit sich bringen. 251

257 Betrachtet man den Umgang mit den Namen der simulierten Kreaturen in WoW und dessen Einfluss auf den Fachwortschatz der SpielerInnen, so lässt sich ein Mechanismus erkennen, der ähnlich auch bei den virtuellen Orten zu finden ist. Den Ausgangspunkt aller Namen bilden die offiziellen Vorgaben durch die Entwickler des Spiels. Diese Namen werden in ihrer Ursprungs-Schreibweise in den spielinternen Texten festgeschrieben und dienen in dieser Form den SpielerInnen auch als Schlüssel, wenn ein präziser Verweis erforderlich ist, z.b. bei Suchen in Datenbanken wie Wowhead. Zusätzlich werden in vielen Fällen weitere Gebrauchsformen innerhalb der SpielerInnenschaft geprägt, sowohl in schriftlicher wie auch mündlicher Sprache. Ob dies geschieht, hängt von der Relevanz einer virtuellen Figur für das konkrete Spielerlebnis der SpielerInnen ab. Zu den durch SpielerInnen gebildeten Namen gehören zum einen synonyme Varianten, die die Ursprungsform z.b. durch Kürzung vereinfachen im für diese Untersuchung aufgezeichneten Sprachgebrauch trifft dies in erster Linie auf Boss-Namen zu, da diese einen Schwerpunkt der spielerischen Bemühungen der VoS-Gilde darstellen. Zum anderen bilden/übernehmen SpielerInnen regelmäßig Ausdrücke wie Elite Mob und Rare Mob, um die wichtigsten spielmechanischen Prinzipien zu verbalisieren, wenn diese Prinzipien ebenso wichtig oder wichtiger werden als die individuellen Entitäten. Die Herausstellung von spielmechanischen Prinzipien wird bei WoW auch insbesondere dadurch gefördert, dass die Mechanik an vielen Stellen offen einsehbar ist Lexik der Benutzeroberfläche Die Benutzeroberfläche spielt in Computer- und Videospielen immer eine wichtige Rolle. Um die dargestellten Spielwelten wahrnehmen zu können und in ihnen agieren zu können, müssen SpielerInnen eine bestimmte Benutzeroberfläche verwenden. Je nach Design kann diese unauffällig und als Teil der dargestellten Welt konzipiert sein, oder deutlich als separate, abstrakte Ebene hervorstechen ähnlich den Armaturen eines Flugzeugcockpits, die den Ausblick nach draußen einrahmen. In Computer- und Videospielen kann beispielsweise die Gesundheit der Spielfigur abstrakt durch eine Skala auf dem Display angezeigt werden, oder aber auch durch grafische Veränderungen am Avatar repräsentiert werden, die reale Verletzungen simulieren. Beide Pole stellen Endpunkte auf einem Kontinuum dar, keine binäre Unterscheidung, d.h. es sind beliebige Abstufungen zwischen 252

258 den Interface-Stilen möglich, abhängig von Designphilosophie, Genre und technischen Möglichkeiten. Unauffällige Benutzoberflächen verbessern tendenziell die Immersion in die Spielwelt, also das Gefühl, sich in einer tatsächlich existierenden Welt zu befinden, da sie die spielmechanischen Vorgänge besser verbergen. Benutzoberflächen mit expliziten spielmechanischen Anzeigen haben dafür den Vorteil, dass auf ihnen eine große Menge Informationen gebündelt dargestellt werden kann, die die Übersicht über die Vorgänge im Spiel verbessert. Es ist ein typisches Merkmal der erfolgreicheren MMOGs, dass die Spielmechanik in ihnen weitgehend offen behandelt wird. Dementsprechend sind in diesem Genre auch explizite, auffällige Benutzeroberflächen die Regel. Bei WoW werden regelmäßig Zahlenwerte, Skalen, Icons und andere Hilfsmittel wie Übersichtskarten und Textnachrichten eingeblendet. Hinzu kommt, dass SpielerInnen die Benutzeroberfläche selbst nach eigenen Vorstellungen konfigurieren können, und diese Konfigurationen mit anderen SpielerInnen tauschen könne. Innerhalb der Community ist daher eine Vielzahl von Benutzeroberflächen- Konfigurationen im Umlauf, die z.b. spezifisch angepasst sind an die - Bedürfnisse von Raidgruppen, indem der Status der MitstreiterInnen ebenso angezeigt wird wie der eigene; - Aufgaben bestimmter Charakterklassen und/oder taktischer Rollen (Heiler können sich z.b. die Gesundheit der Gruppenmitglieder detailliert anzeigen lassen); - spezifischen Umstände von Boss-Kämpfen, bei denen z.b. Timer jede Handlung eines Bosses im Vorhinein ankündigen. Die Benutzeroberflächen von Computer- und Videospielen sind vergleichbar mit den charakteristischen Werkzeugen, die zur Ausübung von Fachberufen verwendet werden: Sie sind notwendiges Mittel zum Zweck bei der Durchführung der fachspezifischen Tätigkeiten. Da ein großer teil dieser charakteristischen Tätigkeiten quasi den Filter dieser Werkzeuge durchgeführt und erlebt wird, haben sie dementsprechend auch einen merklichen Anteil an der Fachlexik. Allerdings muss bei der Zuordung von Bezeichnungen für Elemente der Benutzeroberfläche zur WoW-Fachsprache beachtet werden, dass das Spiel auch lang etablierten Traditionen und Konventionen des Software- und Spiele-Design aufbaut. Viele Begriffe rund um GUIs und andere Bedienelemente haben ihren Ursprung lange vor WoW. Im weiteren Verlauf dieses Kapitels wird der Fokus so weit wie möglich auf jener Lexik 253

259 liegen, die mit ausreichender Wahrscheinlichkeit auf WoW als Ursprung zurückzuführen ist, aber stellenweise sind Überschneidungen mit anderen Fachgebieten nicht zu vermeiden. Letzlich spricht aber auch nichts dagegen, ein spezifisches Lexem mehreren Fachsprachen zuzuordnen, solange ein ausreichender Wortschatz bestehen bleibt, der für das jeweilige Fachgebiet exklusiv ist. Benutzergenerierte Programmerweiterungen, die zu einem Programm hinzuinstalliert werden können, werden als Mods (für Modifikation), Addons oder Plugins bezeichnet. Im weiteren Verlauf wird der Begriff Mods verwendet, da nach der Erfahrung des Autors dieser Begriff unter WoW-SpielerInnen am verbreitetsten ist und sich Addon ebenso oft auf die offiziellen Erweiterungen The Burning Crusade, Wrath of the Lich King, Cataclysm und (seit Sommer 2012) Mists of Pandaria bezieht. Mods müssen nach Vorgaben durch Blizzard von den AutorInnen kostenlos für die Community zur Verfügung gestellt werden. Ein kommerzieller Vertrieb ist nicht erlaubt, aber Blizzard selbst behält es sich vor, vielversprechende Mods zu übernehmen und per Update offiziell ins Spiel zu integrieren. Nützliche Mods verbreiten sich innerhalb der Gemeinschaft sehr schnell, da sich ihre Qualität über die vernetzten Kommunikationswege schnell herumspricht und Zeitschriften, Nachrichtenportale u.ä Quellen regelmäßig über Neuentwicklungen auf diesem Gebiet berichten. Für fast jeden Aspekt des Spielablaufs existieren maßgeschneiderte Mods, z.b. Ressourcensuche in der Wildnis, Aufspüren von Rare Mobs, Überwachung von Auktionen etc. Der Fokus soll im weiteren Verlauf dem Bereich des Raidens gelten. In viele Gilden mit Raid-Fokus ist die Verwendung bestimmter Mods Grundvoraussetzung für die Teilnahme an den entsprechenden Gruppenaktivitäten. Dies soll sowohl die Effizienz erhöhen als auch gleichmäßige Rahmenbedingungen für die Kommunikation innerhalb der Gruppe gewährleisten. JedeR SpielerIn bringt schließlich eine ernstzunehmende Zeitinvestition ins Spiel ein, die nicht durch mangelnde Vorbereitung Einzelner verschwendet werden soll. Neben den für die gesamte Gruppe vorgeschriebenen Mods benutzen die meisten SpielerInnen zusätzlich noch solche, die auf ihre taktische Rolle (Tank/Heiler/DD) und/oder ihre Charakterklasse zugeschnitten sind. Die effektive Zusammenstellung von Mods ist regelmäßig ein Gesprächsthema zwischen SpielerInnen inner- und außerhalb der Gilde. Die Konfiguration der Benutzeroberfläche ist im Grunde ebenso ein Teil der Spielstrategie wie 254

260 die Auswahl von optimaler virtueller Ausrüstung oder der optimalen Skillung. Angesichts der wechselnden Rahmenbedingungen von Boss-Kämpfen spielt die Mod-Auswahl fast immer eine Rolle bei der Planung von Raids. Abbildung 31: Aufnahme eines WoW-UI mit Mods für den Raid-Einsatz. Zu sehen sind zusätzliche und neu positionierte Icons, Textfenster, Skalen, sowie verschiedenfarbige Textnachrichten, die sich über den Bildschirm wandern und rotieren. Mods beeinflussen grundlegend die Art und Weise, wie sich das Spiel optisch präsentiert (vgl. Abb. 31), u.a. bestimmen sie Anzahl, Position und Typ grafischer Anzeigen auf dem Bildschirm sowie das Erscheinen schriftlicher Benachrichtigungen und akustischer Signale. Manche Mods sind nur in englischer Sprache verfügbar, so dass die spezifischen Text- Elemente ebenfalls englisch erscheinen, unabhängig von der Sprachversion der Spiel- Software. Dies ist ein weiterere Anreiz für SpielerInnen, auch mit der englischsprachigen Terminologie rund ums Spiel vertrtaut zu sein. Die genaue Gestalt, wie sich die virtuelle Welt durch den Filter der Benutzeroberfläche bei einem/einer spezifischen SpielerIn darstellt, ist also stark abhängig von den verwendeten Mods. Dies wiederum beeinflusst die Inhalte von Gesprächen in Raidgruppen, wenn TeilnehmerInnen die Informationen, die sie vom Spiel erhalten, verbalisieren. SpielerInnen kommunizieren verstärkt über jene Elemente der Spielmechanik, die durch Mods offen 255

261 gelegt werden, ebenso wie über die Mods selbst. Die Lexik zur Bezeichnung von spezifischen Mods und deren Bestandteilen muss also als ein weiteres charakteristisches Element der WoW-Fachsprache behandelt werden. Konkret fallen in diesen thematischen Bereich zunächst einmal die Namen der Mods, unter denen diese im Internet zum Download bereitstehen und unter denen sie innerhalb der Community bekannt sind. Da Mods von SpielerInnen für SpielerInnen entwickelt werden, ist offiziell vom Hersteller Blizzard gewählte Nomenklatur hier nicht zu finden, getauft werden diese vielmehr von den Personen, die sie entwickeln. Die folgenden Beispiele für Mod-Titel stammen von der Website Curse, die Modifikationen für viele gängige MMOGs anbietet (vgl. Curse Inc. 2013a): Deadly Boss Mods; Omen Threat Meter; Playerscore; Recount; Gatherer; Healbot Continued; GatherMate2_Data; Bagnon; QuestHelper; Titan Panel Die Mehrzahl der Mods wird auf englischer Sprache veröffentlicht und trägt entsprechende Titel. Übersetzungen ins Deutsche und andere Sprachen sind zwar üblich, betreffen aber meist die Inhalte der Mods, nicht die Titel. Ein Teil dieser Titel lässt Rückschlüsse über die Funktion des fraglichen Mods zu, solange ein gewisses Maß an Vertrautheit mit der WoW- Benutzeroberfläche und der Spielmechanik vorhanden ist: Gatherer unterstützt das Sammeln von Ressourcen während des Spiels, während QuestHelper bei der Verwaltung und/oder Durchführung von Questen hilft. Es existieren aber auch Titel, die ohne zusätzliche Informationen keinen Rückschluss auf ihre Funktion zulassen, z.b. VuhDo (Iza_Gilneas 2008) oder Carbonite (Rythal1/carboniteaddon 2011). Die Anbieter von Mods versuchen, die SpielerInnen als KundInnen zu gewinnen auch wenn der einzige Lohn in diesem Geschäft Prestige ist, deshalb ist es zunächst von Vorteil, wenn der Titel den Anwendungsbereich andeutet. Die erfoglreichsten Mods und ihre Funktion gehören allerdings praktisch zum Allgemeinwissen innerhalb der SpielerInnengemeinschaft. Dann ist nachvollziehbare Motiviertheit des Namens nicht mehr nötig, um die jeweilige Funktionalität zu vermitteln. Dieser Umstand fördert auch die Verwendung lexikalisierter Kurzwörter: Das Mod Deadly Bossmods beispielsweise wird in unterschiedlichen Kontexten regelmäßig durch das Initialkurzwort DBM ersetzt, z.b. in folgendem Foren-Posting: Hey, seit neuestem funktioniert mein DBM nichtmehr. Früher hat er immer perfekt funktioniert, aber seit neuestem passiert garnichts mehr. 256

262 Es wird in Optionen nicht Angezeigt es is nix x.x Nur abunzu wird angezeigt wenn nen Boss nen Skill macht. Aber keine Trigger oder so. Hab immer alles aktuallisiert, habs auch im Addon folder alles, keine Ahnung wieso es nichtmehr geht, brauch unbedingt hilfe. Ich bin mit DBM immer so gut klar gekommen. Lg Milune [Milune 2011] In mündlichen wie schriftlichen Kontexten ist es ebenfalls üblich, den Namen Deadly Bossmods zumindest auf Bossmods zu kürzen, wie in diesem Auszug aus einem Raid- Gespräch (Transkript 5, , Hervorhebung nachträglich eingefügt): 01 A: äh:m 02 [R]B: neee... dsa andere links 03 A: wird ANgesacht wer von den Augen anvisiert wird? oda- 04 C: n:::: njoa manchmal sachich es AN wenn sehe, hhh 05 A: ne ich mein ob BOSSmods das [ansacht. ] ((lacht)) 06 C: [manchma nich.] Der gleiche Vorgang lässt sich entsprechend auch regelmäßig bei anderen mehrgliedrigen Mod-Namen beobachten. In der Sprachpraxis der SpielerInnen werden Mods als integraler Bestandteil des Spiels behandelt. Aus Sicht der BenutzerInnen sind Mods ein selbstverständliches Element des Spielerlebnisses, egal ob sie ursprünglicher Teil des Spiels sind oder extern durch Dritte produziert und nachträglich zur Benutzeroberfläche hinzugefügt werden. Die Benutzoberfläche und ihre Bestandteile wurden hier zuvor bereits mit den spezialisierten Werkzeugen in Fachberufen verglichen. In wenigen Fachbereichen aber stehen die Werkzeuge so sehr der Anpassung und Veränderung durch die NutzerInnen offen, wie es bei WoW-Mods der Fall ist. Aus diesem Grund spielen die Mods eine entsprechend große Rolle in der Kommunikation der SpielerInnengemeinschaft, denn sie unterliegen ständigen Anpassungen an neue Umstände. 257

263 Lexik der WoW-spezifischen Web-Community Die Nutzung von externen Web-Ressourcen spielt für das Spielerlebnis von WoW eine essenzielle Rolle. Zwar wäre es prinzipiell möglich, auf diese Ressourcen zu verzichten, aber der größte Teil der SpielerInnengemeinschaft geht fest davon aus, dass Foren, Guides und Datenbanken zur Vor- und Nachbereitung des Spielgeschehens verwendet werden, und erwarten einen entsprechenden Wissensstand auch von anderen TeilnehmerInnen im Gruppenspiel. Viele SpielerInnen verwenden Web-Ressourcen auch zeitgleich zur Steuerung des Charakters, d.h. sie wechseln regelmäßig vom Spielprogramm zum Browser und zurück, um Informationen aus dem Web zu rezipieren. Der Zugriff darauf stellt keinen größeren Aufwand dar als die Nutzung eines spielinternen Menüs. Letztlich gehören häufig benutzte Ressourcen wie die Wowhead-Datenbank fest zum Spiel dazu, unbeachtet dessen, dass auf sie nicht über das Spielprogramm selbst zugegriffen wird. Dieses Kapitel befasst sich mit jenem Teil der WoW-Fachlexik, der den Umgang mit solchen Web-Ressourcen und der Internetcommunity betrifft. Die Betrachtung wird dabei so weit wie möglich fokussiert auf solche Phänomene, die WoW-spezifisch sind, denn natürlich sind hier Überschneidungen mit dem allgemeinen Themengebiet Internetnutzung und dem entsprechenden themenspezifischen Wortschatz zu erwarten. JedeR SpielerIn hat ein Repertoire an Internetressourcen, auf die er/sie regelmäßig zur Unterstützung des Spielfortschritts zugreift. Die genaue Zusammenstellung dieser Quellen variiert von SpielerIn zu SpielerIn, aber es existiert eine Reihe von Hilfsmitteln im Web, deren Nützlichkeit innerhalb der Community weitgehend anerkannt ist, z.b. die Datenbank Wowhead. Im Falle von Wowhead ist es sogar so, dass deren Nutzen auch von den Designern des Spiels anerkannt wurde und der Informationsaustausch mit der Datenbank als festes Merkmal in das Spiel übernommen wurde. Innerhalb einer Gilde besteht meist ein Konsens darüber, welche Web-Ressourcen in den Angelegenheiten verwendet werden, die Gruppenbelange betreffen. So kann zur Vorbereitung auf einen Raid und Boss-Kampf auf eine spezifischen Text- oder Video-Guide verwiesen werden, der im Gildenforum in einem entsprechenden Thread verlinkt wird und als Aufhänger für eine Taktik-Besprechung fungiert. Ebenso kann innerhalb einer Gilde die 258

264 Anforderung gestellt werden, dass SpielerInnen immer mit dem aktuellen Stand einer spezifischen Reihe von Guides o.ä. vertraut sein müssen. Als konkrete Beispiele aus der Sprachpraxis dienen nachfolgend eine Handvoll von Webseiten, die unter den Mitgliedern der Gilde Vault of Sages nach deren Angaben zu einem bestimmten Zeitpunkt in Gebrauch waren. In diesem Sinne handelt es sich dabei nur um eine Momentaufnahme, aber als stellvertretende Beispiele für vergleichbare Rahmensituationen sind sie ausreichend, solange sich das Spielprinzip und/oder die Auswahl an Ressourcen- Formaten nicht grundlegend ändert. Wenn SpielerInnen über eine spezifische Webseite kommunizieren, spielen sowohl deren Name als auch die Web-Adresse (URL) eine wichtige Rolle. Zwischen Namen/Titel einer Webseite sowie der URL besteht oft eine enge Verbindung, in vielen Fällen bildet die Buchstabenfolge bzw. Zeichenfolge des Titels auch gleichzeitig die URL (zusammen mit der Domain-Endung.de,.com etc.). Bei der Betrachtung einer Webseite wird für gewöhnlich der Name prominent auf der Startseite abgebildet, während die URL im Adressfenster des Browsers sichtbar ist letztere deckt sich zwar oft auf der Startseite mit dem Titel, aber spätestens bei der Navigation auf diverse Unterseiten wird die URL meist zu komplex und unhandlich, um als Titel-Anzeige zu dienen (s. Abb. 25). In der mündlichen Sprache kommt hinzu, dass die URL häufig auch Elemente enthält, die phonetisch zu schwierig zu realisieren sind, um die URL direkt als Titel der Webseite zu verwenden. Abbildung 32: Webseite mit Titel und URL. Die URL ist im Adressfenster des Browers zu sehen, der Titel Petopia grafisch hervorgehoben im Kopf der Startseite. 259

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