1. Teil: Die Fahrt zur Wohnung der G
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1 1 PROF. DR. HENNING RADTKE Übung im Strafrecht für Fortgeschrittene Sommersemester Besprechungsfall 1. Teil: Die Fahrt zur Wohnung der G Strafbarkeit des D I. 229, indem er während er der Autofahrt sein Radio neu einstellte und deshalb dem R nicht auswich 1. Erfolg: Körperliche Misshandlung und Gesundheitsgefährdung (+) 2. Objektive Sorgfaltswidrigkeit: D hat dadurch, dass er keinen ausreichenden Seitenabstand zum Radfahrer R einhielt, die Sorgfaltspflicht des 5 IV 2 StVO verletzt (+) 3. Kausalität und Zurechnung (+) 4. Rechtswidrigkeit (+) 5. Schuld, insbes. subjektive Sorgfaltswidrigkeit: D war auch nach seinen individuellen Fähigkeiten und seinem bisherigen Erfahrungswissen subjektiv in der Lage, das objektiv erforderliche Maß an Sorgfalt zu erbringen. (+) 229 (+) II. 142d I, indem er den Unfallort verließ a) Unfall im Straßenverkehr (+) b) D = Unfallbeteiligter i. S. v. 142d V (+) c) Sich Entfernen vom Unfallort: D ist weitergefahren d) Nr. 1 Anwesenheits- und Vorstellungspflicht: R war nicht feststellungsbereit (-) e) aber Nr. 2 Wartepflicht (+) D hatte keine Kenntnis vom Schadensereignis, daher Tatbestandsirrtum, 16 I Vorsatz (-) 142d I (-) III. 142d II Nr. 2, indem er sich später nicht bei der Polizei meldete a) in der Vergangenheit liegender Unfall im Straßenverkehr b) D = Unfallbeteiligter i. S. v. 142d V c) Berechtigtes oder entschuldigtes Sich Entfernen nach Nr. 2? Problem: D handelte unvorsätzlich. Str., ob das unvorsätzliche Sich Entfernen unter 142 II Nr. 2 fällt und damit eine Nachholungspflicht begründet.
2 2 M1 (BGH): Nachholungspflicht (+), wenn der Unfallbeteiligte in zeitlichem und räumlichem Zusammenhang mit dem Unfall Kenntnis davon erlangt hat (BGHSt 28, 129). M2: Das unvorsätzliche Sich Entfernen ist nicht mit dem berechtigten oder entschuldigten Sich Entfernen gleichzusetzen. Es besteht keine Nachholungspflicht. - Entschuldigt (oder berechtigt) meine nicht nur das Vorliegen von Entschuldigungs-, Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgründen, sondern erlaube eine eigenständige Auslegung. Der Gesetzgeber habe sich nicht in den Streit um die dogmatische Einordnung des Vorsatzes im Verbrechensaufbau einmischen wollen. - Eine Besserstellung des unvorsätzlich Handelnden im Vergleich zum rechtmäßig oder schuldlos Handelnden sei sachlich nicht gerechtfertigt. Nach M2 entstünden Strafbarkeitslücken. - Der klare Wortlaut verbiete eine Subsumtion des unvorsätzlichen Verhaltens unter 142 II Nr. 2. Mit M1 komme man zu einer Analogie zu Lasten des Täters. - Der sich unvorsätzlich Entfernende wisse im Gegensatz zum sich berechtigt oder entschuldigt Entfernenden nicht, dass er den objektiven Tatbestand des 142 I erfülle. Daher könne ihn die Appellfunktion der Norm nicht in gleicher Weise erreichen. Die Pflichten des 142 II seien ihm folglich nicht so zuzumuten wie demjenigen, der den Unfall bewusst wahrgenommen habe. - Dass der Täter den Unfall nicht bemerkt habe, werde man ihm häufig nicht glauben. Unvorsätzliches Handeln sei nicht so leicht nachzuweisen wie Berechtigtes oder Entschuldigtes. Lege man dem unvorsätzlich Handelnden die Pflichten des 142 II auf, werde sein Selbstbegünstigungsrecht unerträglich beschränkt. Je nachdem, welcher Ansicht gefolgt wird, ggf. weiter prüfen (s.u.) oder 142 II Nr. 2 ablehnen d) Verletzung der Nachholungspflicht (+) 3. Rechtswidrigkeit (+) 4. Schuld (+) 5. Kein Absehen von Strafe gem. 142 IV 142 II Nr. 2 (+) oder (-) 2. Teil: Die Heimfahrt A. Strafbarkeit des D I. 315c I Nr. 1a), indem er nach der Feier trotz seiner Alkoholisierung Auto fuhr
3 3 a) Führen eines Fahrzeugs im Verkehr (+) b) Fahruntüchtigkeit: relative Untüchtigkeit, Ausfallerscheinung (+) c) konkrete Gefährdung von Leib und Leben eines anderen oder Sachen von erheblichem Wert: eine Verkehrslage, bei der das Ausbleiben des Gefährdungserfolges auf unbeherrschbarem Zufall (und nicht auf normalen Maßnahmen des Gefährdeten zur Schadensvermeidung) beruht Gefährdungsobjekt könnte zunächst der von D gesteuerte Wagen sein. Dieser steht aber im Eigentum D, d.h. des potentiellen Täters, ist also keinesfalls fremde Sache. Zudem kann das Gefährdungsmittel nicht gleichzeitig Gefährdungsobjekt sein. In Frage kommen daher nur Leib und Leben der G. D aa) Notwendiges Ausmaß der Gefährdung eines Mitfahrers: Beinahe-Unfall reicht (+) bb) G ist mangels Gefährdungsvorsatz jedenfalls keine Teilnehmerin am 315c I Nr. 1a) d) Kausalität Fahruntüchtigkeit konkrete Gefahr (+) e) objektive Zurechnung, insbes. tatspezifischer Gefahrzusammenhang (+) a)vorsatz bzgl. alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit (+) b) Vorsatz bzgl. Gefährdung (-) 315c I Nr. 1a) (-) II. 315c I Nr. 1a), III Nr. 1 indem er nach der Feier trotz seiner Alkoholisierung Auto fuhr a) Führen eines Fahrzeugs im Verkehr (+) b) Fahruntüchtigkeit: relative Untüchtigkeit, Ausfallerscheinung (+) c) konkrete Gefährdung von Leib und Leben eines anderen oder Sachen von erheblichem Wert: In Frage kommen nur Leib und Leben der G. aa) Notwendiges Ausmaß der Gefährdung eines Mitfahrers: Beinahe-Unfall reicht (+) bb) Als Gefährdungsopfer kommt nur G in Betracht. Sie hat den D allerdings erst zu der hier betroffenen Autofahrt überredet. Gem. 11 II ist Teilnahme auch an der Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination des 315c I Nr. 1a), III Nr. 1 möglich. Die G hat Kenntnis von der Alkoholisierung des D. Daraus resultiert ein Sorgfaltspflichtverstoß der G hinsichtlich der konkreten Gefährdungen von Leib und Leben eines anderen oder Sachen von erheblichem Wert, die durch eine Trunkenheitsfahrt entstehen können. Eine Strafbarkeit der G gem. 315c I Nr.1a), III Nr. 1, 26 kommt daher ernsthaft in Betracht. Str., ob tatbeteiligte Mitfahrer zum von 315c geschützten Personenkreis gehören. M1: 315c erfasst auch die Gefährdung des Tatbeteiligten M2 (Rechtsprechung): Der teilnehmende Mitfahrer ist nicht geschützt - Das Strafrecht gelte auch zwischen Tatbeteiligten. Die Straßenverkehrsdelikte schützten die allgemeine Sicherheit des Straßenverkehrs, insofern dürfe es eine Verwirkung des Schutzes nicht geben.
4 4 - Der Tatbeteiligte stehe auf der Seite des Täters und sei deswegen nicht stellvertretend für die Allgemeinheit. Daher könne er nicht vom Schutzzweck der Norm erfasst sein. Je nachdem, welcher Ansicht gefolgt wird weiterprüfen (s.u.) oder 315c I Nr. 1a), II Nr. 1 mangels konkreter Gefährdung ablehnen. Vertretbar ist auch, zunächst 316 I als Haupttat des D, dann die Beteiligung der G daran zu prüfen. Im Rahmen der Prüfung der Strafbarkeit des D gem. 315c I Nr. 1a), III Nr. 1 wäre dann auf die Beteiligung der G zu verweisen. d) Kausalität Fahruntüchtigkeit konkrete Gefahr (+) e) objektive Zurechnung, insbes. tatspezifischer Gefahrzusammenhang (+) a) Vorsatz bzgl. alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit (+) b) Fahrlässigkeit bzgl. konkreter Gefahr (+) 3. Rechtswidrigkeit Problem: Kann der Gefährdete in die Gefährdung rechtfertigend einwilligen? Str.: M1: Einwilligung uneingeschränkt möglich M2: Keine rechtfertigende Einwilligung des Gefährdeten möglich - der Unrechtsschwerpunkt liege allein in der konkreten Individualgefährdung, die Allgemeinheit werde ausreichend durch 316 geschützt. - Die Individualrechtsgüter Leib und Leben seien im 315c nur von untergeordneter Bedeutung. Hauptsächliches Schutzgut sei die allgemeine Sicherheit des Straßenverkehrs. Das ergebe sich unter anderem aus dem systematischen Standort des 315c im Kapitel der gemeingefährlichen Straftaten Je nachdem, welcher Ansicht gefolgt wird weiterprüfen (s.u.) oder 315c I Nr. 1a), II Nr. 1 mangels Rechtswidrigkeit ablehnen. 4. Schuld 315c I Nr. 1a) (+) oder (-) III. 316 I (+) (Insbesondere kommt hier eine rechtfertigende Einwilligung nicht in Betracht: Schutzgut des 316 ist nur die Straßenverkehrssicherheit. Hierüber konnte die G keinesfalls disponieren) B.. Strafbarkeit der G I. 315 I Nr. 1a), III Nr. 1, 26 durch das Überzeugen des D, doch zu fahren (falls eine dementsprechende Strafbarkeit des D bejaht wurde) I. Objektiver Tatbestand a) Rechtswidrige, fremde Vorsatztat: 315 I Nr. 1a), III Nr. 1 des D (+)
5 5 b) Bestimmen = Hervorrufen des Tatentschlusses. G hat den D überzeugt, trotz Alkoholisierung zu fahren (+) a) Vorsatz bzgl. der Haupttat (+) b) Vorsatz bzgl. des eigenen Anstifterbeitrags (+) c) Sorgfaltswidrigkeit bzgl. der konkreten Gefährdung (+) 3. Rechtswidrigkeit 4. Schuld II. 316 I, 26 durch das Überzeugen des D, doch zu fahren (+) Konkurrenzen: 1. Sollte eine Strafbarkeit nach 142 II Nr. 2 bejaht werden, steht diese im Verhältnis der Tatmehrheit gem. 53 zur fahrlässigen Körperverletzung gem Falls eine Strafbarkeit des D gem. 315 I Nr. 1a), III Nr. 1 angenommen wurde, tritt 316 I dahinter als subsidiär zurück. Selbiges gälte für die Anstiftung der G gem. 316 I, 26 im Verhältnis zu einer Strafbarkeit gem. 315 I Nr. 1a), III Nr. 1, 26.
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