Funktionaler Zusammenhang zwischen Liegenschaftszins und internationalen Kapitalisierungszinssätzen
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- Dennis Adler
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1 Funktionaler Zusammenhang zwischen Liegenschaftszins und internationalen Kapitalisierungszinssätzen Dipl.-Wirt.-Ing. Moritz Menges Hrsg.: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Fritz Berner Reihe Bau- und Immobilienwirtschaft Band 1
2 Funktionaler Zusammenhang zwischen Liegenschaftszins und internationalen Kapitalisierungszinssätzen Dipl.-Wirt.-Ing. Moritz Menges Hrsg.: Univ.- Prof. Dr.-Ing. Fritz Berner Band 1 Reihe Bau- und Immobilienwirtschaft
3 Herausgeber: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Fritz Berner Dipl.-Wirt.-Ing. Moritz Menges Funktionaler Zusammenhang zwischen Liegenschaftszins und internationalen Kapitalisierungszinssätzen 1. Auflage, Stuttgart: Selbstverlag, Band 1, 2011 ISBN Universität Stuttgart Institut für Baubetriebslehre Pfaffenwaldring Stuttgart ibl@ibl.uni-stuttgart.de Bearbeitung: Dipl.-Ing. Dipl.-Wirt.-Ing. Christian Berthold Umschlagbild: LBBW Immobilien GmbH Alle Rechte, auch der Übersetzung vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlags ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf fotomechanischem Wege (Fotokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen sowie die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen vorzunehmen.
4 Vorwort des Herausgebers Seit 2001 gibt es an der Universität Stuttgart den grundständischen Studiengang Immobilientechnik und Immobilienwirtschaft. Die hierbei von den Studierenden angefertigten Diplomarbeiten erfahren immer wieder eine hohe Reputation. Um herausragende Arbeiten der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen, ist hierfür die neue Reihe Bau- und Immobilienwirtschaft im Selbstverlag am Institut für Baubetriebslehre der Universität Stuttgart eingerichtet worden. Der erste Band behandelt den funktionalen Zusammenhang zwischen Liegenschaftszins und internationalen Kapitalisierungszinssätzen. Im Rahmen der Immobilienbewertung führen eine mangelnde internationale Vereinheitlichung nationaler Bewertungsstandards sowie die Intransparenz der Verfahren zu hohen Schwankungsbreiten und Unsicherheiten in der Wertermittlung. In Deutschland betrifft dies speziell die Bewertung von im Ausland gelegenen Immobilien nach dem deutschen Ertragswertverfahren. Dieses Verfahren ist vielschichtig und wird durch zahlreiche Parameter, insbesondere den Liegenschaftszins, bestimmt. In anderen Staaten, wie z. B. Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden, wird auf abweichende Formen des Ertragswertverfahrens zurückgegriffen. Hier stellt der landesspezifische Kapitalisierungszinssatz den am stärksten wertbeeinflussenden Parameter dar. Er bildet das Pendant zum lediglich in Deutschland gebräuchlichen Liegenschaftszinssatz. Aufgrund der vorhandenen Unterschiede der angewandten Verfahren und Parameter ist es demnach nicht möglich, einen Kapitalisierungszinssatz direkt in das deutsche Ertragswertverfahren zu übernehmen. Vielmehr muss für die 5
5 Bewertung eines im Ausland gelegenen Objektes nach deutschem Ertragswertverfahren der Liegenschaftszins aus dem objektspezifischen Kapitalisierungszins des jeweiligen Landes abgeleitet werden. Derzeit erfolgt dies auf der Grundlage gutachterlichen Ermessens und subjektiver Erfahrungswerte. Für die Bewertungspraxis wäre es folglich hilfreich, über eine generalisierende Berechnungsfunktion einen verlässlichen Liegenschaftszins aus einem länderspezifischen Kapitalisierungszins bestimmen zu können. Der vorliegende Band nimmt sich dieser Thematik an. Am Beginn der Ausarbeitung steht eine differenzierte Darstellung der Marktwertermittlung von Immobilien nach dem für die Arbeit wesentlichen Ertragswertverfahren. Zu betrachten sind dabei die spezifischen Merkmale der Verfahren in den Ländern Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden. Anschließend ist eine Methodik darzustellen, welche der Bestimmung von Liegenschaftszinssätzen für im Ausland gelegene Immobilien zugrunde liegen soll. Im nächsten Schritt werden für britische und niederländische Büroobjekte verfügbare Marktwertgutachten ausgewertet, um eine geeignete Datengrundlage zu erhalten. Auf Basis der ermittelten Datensammlungen wird danach untersucht, ob und in welcher Form zwischen Liegenschaftszins und Kapitalisierungszins ein funktionaler Zusammenhang besteht. Im Anschluss an die Analyse wird überprüft, inwiefern mit den ermittelten generalisierenden Berechnungsfunktionen eine direkte Bestimmung der Marktwerte von in Großbritannien und den Niederlanden gelegenen Büroimmobilien nach deutschem Ertragswertverfahren möglich ist. Dies wird anhand von Bewertungsbeispielen aufgezeigt. Der vorliegende Band ist im Jahr 2010 am Institut für Baubetriebslehre als Diplomarbeit von Herrn Dipl.-Wirt.-Ing. Moritz Menges entstanden. Ich wünsche Ihnen Erkenntnisgewinn und viel Spaß bei der Lektüre. Stuttgart, im April 2011 Prof. Dr.-Ing. Fritz Berner
6 Inhalt Vorwort des Herausgebers...5 Abbildungen...10 Tabellen...12 Formeln...13 Abkürzungen Einleitung Ausgangslage Zielsetzung und Vorgehensweise Begriffsabgrenzungen Marktwertbestimmung unter Anwendung der länderspezifischen Ertragswertverfahren Grundlagen Marktwert: Länderspezifische Definitionen Verkehrswert (D) Market Value (GB) Onderhandse Verkoopwaarde (NL) Folgerungen Ertragswert: Definition und Anwendungsbereich Anwendung des Ertragswertverfahrens in Deutschland Verfahrensaufbau Wertbeeinflussende Parameter Bodenwert Rohertrag Bewirtschaftungskosten Liegenschaftszinssatz Restnutzungsdauer Beleihungswertermittlung Anwendung des Ertragswertverfahrens in Großbritannien Verfahrensaufbau Wertbeeinflussende Parameter
7 Rohertrag Kapitalisierungszinssatz Anwendung des Ertragswertverfahrens in den Niederlanden Verfahrensaufbau Wertbeeinflussende Parameter Rohertrag Bewirtschaftungskosten Kapitalisierungszinssatz Zusammenfassende Gegenüberstellung der landesspezifischen Verfahrensansätze Verfahren zur Bestimmung einer generalisierenden Berechnungsfunktion für Liegenschaftszinssätze von im Ausland gelegenen Immobilien Allgemeiner Ansatz zur Berechnung einzelner Liegenschaftszinssätze Landesspezifische Anwendung des Ansatzes Großbritannien Niederlande Parameter der länderspezifischen Ansätze Sensitivitätsanalyse und zweckgebundene Klassifizierung Festlegungen zur Erstellung einer Datensammlung Auswertung von Marktwertgutachten zur Parameterbestimmung Verfahrensweise der Auswertung Formalisierung der Auswertung Ableitung einer generalisierenden Berechnungsfunktion auf Basis einer Datensammlung Regressionsanalytische Betrachtung der Datensammlung Generalisierende Betrachtungen Erstellung von zwei Datensammlungen für Büroobjekte der Klassifizierung A in Großbritannien und den Niederlanden Datensammlung für Büroobjekte der Klassifizierung A in Großbritannien Datensammlung für Büroobjekte der Klassifizierung A in den Niederlanden
8 5 Untersuchung der Datensammlungen zum funktionalen Zusammenhang zwischen Liegenschaftszins und Kapitalisierungszinssätzen Bürogebäude der Klassifizierung A in Großbritannien Bürogebäude der Klassifizierung A in den Niederlanden Ergebnisbetrachtungen Anwendungsbeispiele Bürogebäude in London (GB) Marktwert nach britischer Investment Method Vergleichsrechnung nach deutschem Ertragswertverfahren Bürogebäude in Amsterdam (NL) Marktwert nach niederländischer NAR-Taxatie Vergleichsrechnung nach deutschem Ertragswertverfahren Ergebnisbetrachtungen Fazit und Ausblick Literaturverzeichnis Internetquellen Gesetze, Normen und Richtlinien Anhang
9 Abbildungen Abbildung 1: Internationale Wertermittlungsverfahren und ihre deutschen Pendants...25 Abbildung 2: Übersicht der Wertermittlungsverfahren nach 7 WertV Abbildung 3: Abbildung 4: Schematische Darstellung des Ertragswertverfahrens nach WertV...37 Abschreibung im Rahmen des Ertragswertmodells...47 Abbildung 5: Grundsätze zur Bemessung von Bewirtschaftungskosten Abbildung 6: Abbildung 7: Genauigkeit der Liegenschaftszinsermittlung...57 Schema zur rechnerischen Ableitung von Liegenschaftszinssätzen in Deutschland...58 Abbildung 8: Qualitativer Verlauf von Markt- und Beleihungswert Abbildung 9: Schematische Darstellung des Ertragswertverfahrens nach BelWertV...67 Abbildung 10: Term and Reversion Method...73 Abbildung 11: Hardcore / Layer Method...73 Abbildung 12: Schematische Darstellung der britischen Investment Method...75 Abbildung 13: Niederländisches Ballungsgebiet Randstad...82 Abbildung 14: Schematische Darstellung der niederländischen NAR- Methode...85 Abbildung 15: Vorgehensweise zur Bestimmung einer generalisierenden Berechnungsfunktion...96 Abbildung 16: Verteilung von Liegenschafts- und Kapitalisierungszinssätzen im Rahmen der Sensitivitätsuntersuchung Abbildung 17: Verteilung von Liegenschafts- und Kapitalisierungszinssätzen im Rahmen der Sensitivitätsuntersuchung zur Klassifizierung A Abbildung 18: Zusammenfassende Darstellung eines Marktwertgutachtens Abbildung 19: Parameterbestimmung über die Auswertung internationaler Marktwertgutachten
10 Abbildung 20: Formblatt zur Auswertung von Marktwertgutachten Abbildung 21: Regression über die Methode der kleinsten Quadrate Abbildung 22: Verteilung von k GB und lz GB aus britischer Datensammlung.138 Abbildung 23: Zinsverteilung aus Sensitivitätsanalyse und britischer Datensammlung Abbildung 24: Verteilung von k NL und lz NL aus niederländischer Datensammlung Abbildung 25: Zinsverteilung aus Sensitivitätsanalyse und niederländischer Datensammlung Abbildung 26: Marktwertermittlung für eine britische Büroimmobilie nach britischer Investment Method Abbildung 27: Marktwertermittlung für eine britische Büroimmobilie nach deutschem Ertragswertverfahren Abbildung 28: Marktwertermittlung für eine niederländische Büroimmobilie nach niederländischer NAR-Taxatie Abbildung 29: Marktwertermittlung für eine niederländische Büroimmobilie nach deutschem Ertragswertverfahren
11 Tabellen Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5: Tabelle 6: International angewandte Bewertungsstandards...24 Prozentuale Bodenwertanteile...44 Empfehlungen zur Wahl der Verwaltungskosten...51 Empfehlungen zur Wahl des Mietausfallwagnisses...51 Empfehlungen zur Wahl der Instandhaltungskosten...51 Durchschnittliche wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer bei ordnungsgemäßer Instandhaltung (ohne Modernisierung) Tabelle 7: Modernisierungsgrad baulicher Anlagen...61 Tabelle 8: Tabelle 9: Modernisierungselemente für Wohngebäude...61 Modernisierungselemente für Bürogebäude...62 Tabelle 10: Modifizierte Restnutzungsdauer für Gebäude mit 70 Jahren üblicher Gesamtnutzungsdauer...63 Tabelle 11: Variabel angesetzte Parameter zur Sensitivitätsanalyse (1) Tabelle 12: Variabel angesetzte Parameter zur Sensitivitätsanalyse (2) Tabelle 13: Klassifizierung von Büroimmobilien zum Zwecke der Ableitung einzelner Liegenschaftszinssätze Tabelle 14: Parameter zur Sensitivitätsanalyse der Klassifizierung A (1) Tabelle 15: Parameter zur Sensitivitätsanalyse der Klassifizierung A (2) Tabelle 16: Instandhaltungskosten für britische Büroobjekte Tabelle 17: Allgemeiner schematischer Aufbau einer Datensammlung Tabelle 18: Datensammlung für Büroobjekte der Klassifizierung A (GB) Tabelle 19: Übersicht der ermittelten Kapitalisierungszinssätze k GB_B und Liegenschaftszinssätze lz GB_B Tabelle 20: Datensammlung für Büroobjekte der Klassifizierung A (NL) Tabelle 21: Übersicht der ermittelten Kapitalisierungszinssätze k NL_B und Liegenschaftszinssätze lz NL_B
12 Formeln Formel 1: Formel 2: Formel 3: Allgemeine Ertragswertformel einer Kapitalanlage...31 Vereinfachte allgemeine Ertragswertformel einer Kapitalanlage...32 Bodenwertverzinsungsbetrag...35 Formel 4: Rentenbarwertfaktor (Vervielfältiger) im deutschen EWV Formel 5: Formel 6: Formel 7: Formel 8: Ertragswertermittlung nach deutschem Verfahren...38 Vereinfachte Ertragswertermittlung nach deutschem Verfahren...39 Ertragswertermittlung nach deutschem Verfahren unter Beachtung besonderer wertbeeinflussender Umstände...40 Bezug des Marktwertes zum Ertragswert...41 Formel 9: Bodenwertberechnung über prozentualen Bodenwertanteil Formel 10: Jährliche Erneuerungsrücklage im Ertragswertmodell...48 Formel 11: Liegenschaftszinsberechnung in Deutschland...55 Formel 12: Marktwertermittlung nach britischer Investment Method Formel 13: Marktwertermittlung nach niederländischer NAR-Taxatie Formel 14: Allgemeiner mathematischer Ansatz zur Berechnung einzelner Liegenschaftszinssätze für im Ausland gelegene Immobilien...98 Formel 15: Berechnung einzelner Liegenschaftszinssätze von in Großbritannien gelegenen Immobilien...99 Formel 16: Liegenschaftszinsberechnung in Abhängigkeit des Market Value net Formel 17: Berechnung einzelner Liegenschaftszinssätze von in den Niederlanden gelegenen Immobilien Formel 18: Ausgleichsfunktion im Rahmen der Sensitivitätsanalyse Formel 19: Ausgangsbedingung zur Bestimmung der Kleinsten-Quadrate-Schätzer
13 Formel 20: Generalisierende Berechnungsfunktion zur Liegenschaftszinsableitung in Großbritannien Formel 21: Generalisierende Berechnungsfunktion zur Liegenschaftszinsableitung in den Niederlanden
14 Abkürzungen Abs. ÄndVO AGVGA-NRW Art. ARY BAnz. BauGB BAR BelWertV BetrKV BGBl. BMVBS BVS bzw. ca. CBD D DCF Absatz Änderungsverordnung Arbeitsgemeinschaft der Vorsitzenden der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte in Nordrhein-Westfalen Artikel All Risk Yield Bundesanzeiger Baugesetzbuch Bruto aanvangsrendement / Bruttoanfangsrendite Beleihungswertermittlungsverordnung Betriebskostenverordnung Bundesgesetzblatt Bundesministerium für Verkehr, Bau u. Stadtentwicklung Bundesverband öffentlich bestellter und vereidigter sowie qualifizierter Sachverständiger e. V. beziehungsweise circa Central Business District Deutschland d. h. das heißt ERV EU EUR Discounted-Cash-Flow Estimated Rental Value Europäische Union Euro (Währungseinheit) e. V. eingetragener Verein EVS evtl. EW EWG EWV FRI GA GB Approved European Valuation Standards eventuell Ertragswert Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Ertragswertverfahren Full Repairing and Insuring Gutachterausschuss Großbritannien 15
15 GBP gem. ggf. Britisches Pfund (Währungseinheit) gemäß gegebenenfalls h. M. herrschende Meinung Hrsg. Herausgeber i. d. F. in der Fassung i. d. R. in der Regel ImmoWertV InvG IPD i. S. im Sinne Immobilienwertermittlungsverordnung Investmentgesetz Investment Property Database i. V. m. in Verbindung mit IVS IVSC KWG LTV max. MV MW NAR NL Nr. NWE International Valuation Standards International Valuation Standards Council Kreditwesengesetz Loan to Value maximal Market Value Marktwert Netto aanvangsrendement / Nettoanfangsrendite Niederlande Nummer Nationale Währungseinheit o. V. ohne Verfasserangabe PfandBG REIT RICS ROZ Pfandbriefgesetz S. Satz / Seite sog. TEGoVA Real Estate Investment Trust Royal Institution of Chartered Surveyors Raad van Onroerende Zaken (niederl. Immobiliendachverband) so genannte The European Group of Valuers Associations u. a. unter anderem / unter anderen UK United Kingdom 16
16 vdp Verband deutscher Pfandbriefbanken vgl. vergleiche VNG Vereniging van Nederlandse Gemeenten WertR Wertermittlungsrichtlinien WertV Wertermittlungsverordnung YP Years Purchase z. B. zum Beispiel z. T. zum Teil 17
17 1 Einleitung 1.1 Ausgangslage Mit Beginn der weltweiten Finanzkrise im August 2008 wurde deutlich, welche entscheidenden Auswirkungen die Bewertung von Immobilien und die Vergabe von Krediten in Kombination mit riskanten Finanzprodukten wie den forderungsbesicherten Wertpapieren nach sich ziehen können. Bereits im Rahmen der Immobilienbewertung führen eine fehlende internationale Vereinheitlichung nationaler Bewertungsstandards und die weiterhin nicht vorhandene Transparenz der angewandten Verfahren sowie deren Kenngrößen zu hohen Schwankungsbreiten und Unsicherheiten. Die Intransparenz entwickelt sich dabei unter anderem aus dem fehlenden Verständnis von Zusammenhängen der verschiedenen Bewertungsverfahren sowie der unzureichenden Offenlegung einzelner Bewertungsgrößen. Hierzu gehört eine mangelhafte Begründung der Erträge, der Bewirtschaftungskosten, der Kapitalisierungszinssätze und anderer wertbeeinflussender Parameter. 1 Ein e temporär erhöhte Intransparenz wurde zudem durch den Rückgang durchgeführter Immobilientransaktionen hervorgerufen, da nur beschränkt zur Verfügung stehende Vergleichsdaten eine adäquate Wertermittlung verhindern. 2 Bezüglich der Bewertungsverfahren ist hervorzuheben, dass weder europa- noch weltweit ein bestimmtes Verfahren einheitlich angewendet wird. Dies schränkt die unmittelbare Vergleichbarkeit der Immobilienwerte stark ein. Es ist somit stets zu hinterfragen, auf welcher Datengrundlage Wertermittlungen vorgenommen wurden und ob diese mit den im jeweiligen Land anzuwendenden Wertansätzen vergleichbar sind. Erst dann besteht die Möglichkeit, eine fundierte und sachgerechte Aussage über den Wert einer Immobilie zu treffen. Am Immobilienmarkt Europa und dessen Teilmärkten Großbritannien, Deutschland und den Niederlanden kann aufgezeigt werden, inwiefern sich die Bewertungsansätze und -methoden innerhalb der Staatengemeinschaft der EU im Detail unterscheiden. Die Verfahren grenzen sich hinsichtlich ihrer methodischen Ansätze, der Bewertungsparameter und deren Definitionen voneinander ab. Eine differenzierte Betrachtung der europäischen Verfahren ist im Zuge einer Immobilienbewertung demnach stets notwendig, um einen möglichst exakten Markt- und Beleihungswert ermitteln zu können. An diesen sind u. a. Investoren, Fonds und Banken interessiert. Erstgenannte leiten mit Hilfe des aktuellen Marktwertes einer Immobilie das Entwicklungspotenzial und die damit verbundenen Renditechancen des geplanten Investments ab. In Deutschland wird Offenen Immobilienfonds zudem nach 77 Investmentgesetz (InvG) vor- 1 Vgl. Kleiber (2007), S. 8 2 Vgl. Meister, D. ( ), Internetquelle 18
18 geschrieben, für die Bewertung ihrer Immobilien mindestens einen unabhängigen Sachverständigenausschuss zu bilden. 1 Bei diesen hat sich sowohl für im In- als auch im Ausland gelegene Immobilien die Anwendung des Ertragswertverfahrens durchgesetzt. 2 Geschlossenen Immobilienfonds und REITs wird demgegenüber eine Wahlmöglichkeit zwischen dem deutschen Ertragswertverfahren und der Discounted-Cash-Flow-Methode gewährt. 3 Weiter sind die Banken als Kreditgeber und Finanziers von Projekten verpflichtet, eine größtmögliche Sicherheit in Form des Grundstückswertes durch den Kunden zur Verfügung gestellt zu bekommen. Je exakter und marktkonformer der Wert der Immobilie ermittelt wurde, desto geringer liegt das Risiko bei der kreditgebenden Bank. Kreditverträge werden zudem durch die Beschränkung des Loan to Value (LTV) bzw. des Beleihungsauslaufs an den Marktwert bzw. den Beleihungswert der Immobilie gekoppelt. Somit weisen der Markt- und Beleihungswert während der gesamten Vertragslaufzeit eine starke Relevanz im Bankenwesen auf. 4 In Pfandbriefbanken (ehemals Hypothekenbanken) erfolgt die Berechnung der in Deutschland gebräuchlichen Beleihungswerte nach einheitlichen Standards. Diese sehen nach der geltenden Beleihungswertermittlungsverordnung die Anwendung des deutschen Ertragswertverfahrens vor. 5 Bei allen genannten Beteiligten besteht demnach ein verstärktes Interesse, ihre Immobilien anhand des Ertragswertverfahrens marktgerecht zu bewerten. Nachdem die Bedeutung der Immobilienbewertung sowie der Markt- und Beleihungswertermittlung für einen Bereich der Immobilienwirtschaft in einleitenden Zügen dargestellt wurde, stellt sich nun die Frage nach der wesentlichen Beeinflussung der Wertermittlung bebauter Grundstücke. Legt man das bei gewerblich genutzten Immobilien angewandte Ertragswertverfahren zu Grunde, so sind der in Deutschland gebräuchliche Liegenschaftszinssatz sowie die im Ausland angesetzten Kapitalisierungszinssätze als gewichtige Einflussgrößen hervorzuheben. 6 Diese Zinssätze unterscheiden sich jedoch hinsichtlich ihrer Definition und Datengrundlage, was eine direkte Übernahme der Zinssätze in andere landesspezifische Verfahren verbietet. Es ist somit zum Beispiel nicht möglich, einen objektspezifischen Kapitalisierungszinssatz aus Großbritannien, den Niederlanden oder einem anderen Staat ohne entsprechende Anpassung als Liegenschaftszinssatz in die deutsche Form des Ertragswertverfahrens zu übernehmen. 1 Vgl. Wiktorin A. (2009), S Vgl. Handstein, H. ( ), Internetquelle 3 Vgl. BIIS ( ), Internetquelle 4 Vgl. Meister, D. ( ), Internetquelle 5 Vgl. 4 Abs. 1 S. 1 BelWertV 6 Vgl. Handstein, H. ( ), Internetquelle 19
19 Für die Bewertung im Ausland gelegener Objekte nach dem Ertragswertverfahren deutscher Ausprägung hat dies entsprechende Konsequenzen: In der Marktwertermittlung ist ein für das ausländische Objekt gültiger Liegenschaftszinssatz so anzusetzen, dass nach deutschem und ausländischem Berechnungsverfahren zum gleichen Bewertungsstichtag ein einheitlicher Marktwert erzielt wird. Der für das deutsche Verfahren benötigte Liegenschaftszinssatz wird dabei aus dem Kapitalisierungszinssatz des Objektes abgeleitet. Da zum Zusammenhang zwischen Liegenschaftszinssatz und länderspezifischen Kapitalisierungszinssätzen keine gesicherten Untersuchungen vorliegen, erfolgt die Ableitung bisher allein auf Grundlage subjektiver Erfahrungswerte und Plausibilisierungen. Mit der Bestimmung objektiver Zusammenhänge zwischen den Zinssätzen wäre somit für die Marktwertermittlung ausländischer Objekte ein Transparenzgewinn erzielbar. In der Beleihungswertermittlung verhält es sich ähnlich. Die Gutachten zur Berechnung des Beleihungswertes ausländischer Objekte sind unter anderem auf Grundlage von Marktwertgutachten zu erstellen. Die Marktwertgutachten werden dabei mehrheitlich nach dem vor Ort üblichen Wertermittlungsverfahren durchgeführt. 1 Hieraus ist für die Beleihungswertermittlung in Deutschland jedoch kein Liegenschaftszinssatz, sondern ein angemessener, auf Nachhaltigkeitsbetrachtungen basierender Kapitalisierungszinssatz abzuleiten. 2 Für die Bewertungspraxis könnte es daher vorteilhaft sein, den für dieses Verfahren benötigten Kapitalisierungszins aus einem Liegenschaftszins zu entwickeln, für welchen schon gesicherte Zusammenhänge mit den ausländischen Kapitalisierungszinssätzen bestehen. Insgesamt kann festgehalten werden, dass die Bestimmung von Markt- und Beleihungswerten von im Ausland gelegenen Immobilien einen gewichtigen Teilbereich der Immobilienwirtschaft in Deutschland darstellt. Die Wertermittlungen nach deutschem Ertragswertverfahren sind wesentlich vom Zusammenhang zwischen dem Liegenschaftszinssatz und den internationalen Kapitalisierungszinssätzen abhängig. Die Bewertungsverfahren in Großbritannien und den Niederlanden grenzen sich dabei stark vom deutschen Verfahren ab. Untereinander weichen ihre Methoden jedoch nur begrenzt voneinander ab und zeigen hinsichtlich anderer internationaler Verfahren eine starke Konformität. Daher ist eine vergleichende Betrachtung der Verfahren und der Kapitalisierungszinssätze dieser beiden Länder mit dem deutschen Verfahren und 1 25 Abs. 2 BelWertV 2 12 Abs. 3 BelWertV 20
20 dem Liegenschaftszins sinnvoll. Es können so direkt Rückschlüsse auf andere Länder, wie z. B. Frankreich, und deren Verfahren gezogen werden. 1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise Auf Basis der im vorherigen Abschnitt erläuterten Thematik, hat diese Arbeit das übergeordnete Ziel, einen funktionalen Zusammenhang zwischen dem deutschen Liegenschaftszins und den Kapitalisierungszinssätzen der Länder Großbritannien und den Niederlanden für Immobilien der Nutzungsart Büro aufzuzeigen. Hierdurch soll im Idealfall die Bestimmung eines generalisierten Liegenschaftszinssatzes ermöglicht und die Anwendung des deutschen Ertragswertverfahrens für im Ausland gelegene Büroimmobilien im Rahmen der Markt- und Beleihungswertermittlung vereinfacht werden. Hierzu sind mehrere im Folgenden beschriebene Schritte erforderlich. Am Beginn der Ausarbeitung steht eine differenzierte Darstellung der Marktwertermittlung von Immobilien nach dem für die Arbeit wesentlichen Ertragswertverfahren. Zu betrachten sind dabei die spezifischen Merkmale der Verfahren in den Ländern Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden. Anschließend ist eine Methodik darzustellen, welche der Bestimmung von Liegenschaftszinssätzen für im Ausland gelegene Immobilien zugrunde liegen soll. Im nächsten Schritt sind für britische und niederländische Büroobjekte verfügbare Marktwertgutachten auszuwerten, um eine für den Zweck der Arbeit geeignete Datengrundlage zu erhalten. Auf Basis der ermittelten Datensammlungen ist danach zu untersuchen, ob und in welcher Form zwischen Liegenschaftszins und Kapitalisierungszins ein generalisierender funktionaler Zusammenhang festzustellen ist. Im Anschluss an die Analyse soll überprüft werden, inwiefern mit den ermittelten generalisierenden Berechnungsfunktionen eine direkte Bestimmung der Marktwerte von in Großbritannien und den Niederlanden gelegenen Büroimmobilien nach deutschem Ertragswertverfahren möglich ist. Dies ist anhand von Bewertungsbeispielen darzustellen. 1.3 Begriffsabgrenzungen Im Verlauf dieser Arbeit werden Begriffe verwendet, deren sinngemäß korrekte Zuordnung ohne Vorkenntnisse über entsprechende Zusammenhänge nicht sofort erfolgen kann. Mit einer vorweggenommenen Abgrenzung und Einordnung dieser Begriffe soll dem besseren Verständnis der folgenden Ausführungen Rechnung getragen werden. Zu Beginn ist das Ertragswertverfahren zur Berechnung der Marktwerte von Immobilien zu nennen. Durch die immer stärker fortschreitende Internationalisierung existieren mittlerweile zahlreiche Formen dieses Verfahrens. Anzu- 21
21 führen ist hier die Investment Method (auch: Direct Capitalization Method) und das deutsche Ertragswertverfahren. Da sich die DCF-Methode, eine Form der Investment Method, unter anderem durch periodisch variable Ertragsbetrachtungen und den Ansatz eines zusätzlichen Diskontierungszinssatzes stärker von den anderen Verfahren abgrenzt, wird in dieser Arbeit nur auf die Verfahren mit konstantem Ertragsansatz eingegangen. Dies sind die internationale growth implicit method und das deutsche Ertragswertverfahren. Ein weiterer Grund für diese Beschränkung ist die Tatsache, dass internationale bzw. deutsche Bewertungsunternehmen weiterhin vorwiegend auf die growth implicit method respektive auf das deutsche Ertragswertverfahren zurückgreifen. 1 Im Folgenden sind sofern kein anderer direkter Zusammenhang hergestellt wird mit der Verwendung der Bezeichnung Ertragswertverfahren (EWV) lediglich die in Großbritannien und den Niederlanden gebräuchlichen Investment-Methoden in Form der growth implicit method und das deutsche Ertragswertverfahren definiert. Weiter ist der Begriff Kapitalisierungszinssatz von seinen unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten abzugrenzen. Im Rahmen der Beleihungswertermittlung wird der zur angemessenen Kapitalisierung der Erträge verwendete Zinssatz als Kapitalisierungszinssatz bezeichnet. Auch im Bereich der internationalen Marktwertermittlung von im Ausland gelegenen Immobilien, oder im Rahmen von Investitionsrechnungen innerhalb von Unternehmen findet der Begriff des Kapitalisierungszinssatzes seine Anwendung. In Bezug auf diese Arbeit wird unter dem Kapitalisierungszinssatz der Zinssatz verstanden, der unter Anwendung der landesspezifischen Ertragswertverfahren zur Berechnung der Immobilienwerte in den untersuchten Ländern herangezogen wird. Der Liegenschaftszinssatz wird im Rahmen des deutschen Ertragswertverfahrens nur für in Deutschland gelegene Grundstücke statistisch ermittelt. Um dieses Ertragswertverfahren auch für im Ausland gelegene Immobilien anzuwenden, sind spezifische Liegenschaftszinssätze ebenfalls für diese Objekte anzusetzen. Ausgenommen von Kapitel 2 wird in dieser Arbeit sofern keine andere direkte Verbindung hergestellt wird der Begriff Liegenschaftszins oder Liegenschaftszinssatz auf in Großbritannien, den Niederlanden oder in anderen internationalen Staaten gelegene Grundstücke bezogen. 1 Vgl. vdp (2009b), S
22 Univ.-Prof. Dr.-Ing. Fritz Berner Universität Stuttgart Institut für Baubetriebslehre Pfaffenwaldring Stuttgart
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