Erwartungswert und Varianz von Zufallsvariablen
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- Walter Arnold
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1 Kapitel 7 Erwartungswert und Varianz von Zufallsvariablen Im Folgenden sei (Ω, A, P ) ein Wahrscheinlichkeitsraum. Der Erwartungswert von X ist ein Lebesgue-Integral (allerdings allgemeiner als in Analysis II). Zunächst wird der Erwartungswert für sogenannte Elementare Zufallsvariablen definiert. Definition 7.1 Eine Zufallsvariable X : Ω R heißt elementar, falls sie eine Darstellung m X(ω) = α i 1 Ai (ω) i=1 besitzt, mit A i A, α i R +,m N. M E sei die Menge aller elementaren Zufallsvariablen auf dem Warscheinlichkeitsraum. Für X M E sei das Integral von X bezüglich P definiert durch XdP := n i=1 α ip (A i ) Bemerkung 7.1 a) XdP ist unabhängig von der gewählten Darstellung von X (vgl. Analysis II) b) Sei X eine diskrete Zufallsvariable. Wir führen das Zufallsexperiment n-mal druch (n groß). Welchen Wert erhält man im Mittel für X? Der Wert x k tritt bei dem Experiment n k -mal auf ( n k = n). Mittelwert: 1 n n kx k Jetzt wird der Integralbegriff erweitert. Sei M + := {X : Ω > R + X ist Zufallsvariable}. Für X M + betrachte die Folge (X n ) n N mit X n := n 2 n i=0 { i 2 n 1 A n mit A n { i i i = 2 X i+1 n 2 }, falls i = 0, 1,..., n 2 n 1 n {X 1}, falls i = n 2 n Offenbar ist X n M E und x n (ω) x n+1 (ω) ω Ω. Außerdem gilt X n (ω) X(ω) punktweise ω Ω. XdP := lim X n dp. n Bemerkung 7.2 a) Der Grenzwert existiert wegen der Monotonie 33
2 34 KAPITEL 7. ERWARTUNGSWERT UND VARIANZ b) Der Grenzwert ist unabhängig von der gewählten Folge (X n ) x N : Sei (Y n ) n N eine weitere Folge elementarer Zufallsvariablen, die monoton wachsend gegen X konvergiert, so gilt lim n Xn dp = lim n Y n dp (vergleiche Analysis II). Für eine beliebige Zufallsvariable X : Ω R gilt: X = X + X wobei X + = max{x, 0} und X = min{x, 0}, also X +, X M +. Wir definieren durch XdP = X + dp X dp =: Ω X(ω)dP (ω) =: EX den Erwartungswert von X. X heißt integrierbar, falls X + dp < und X dp <, d.h. wenn X dp < Bemerkung 7.3 a) Für A A sei XdP := Ω X1 AdP b) In Stochastik II wird das Thema weiter vertieft. Satz 7.1 Es seien X,Y Zufallsvariablen mit existierendem Erwartungswert und a, b R a) Dann existiert auch E(aX + by ) und es gilt: E(aX + by ) = aex + bey b) Gilt X Y, d.h. X(ω) Y (ω) ω Ω, so folgt: Linearität EX EY Monotonie Beweis vgl. Analysis II Satz 7.2 Sei (Ω, A, P ) ein Wahrscheinlichkeitsraum und X : Ω R eine Zufallsvariable mit Verteiltung P X. g : R R sei messbar (Zufallsvariable). Dann ist (im Falle der Existenz): Eg(X) = g(x)dp = gdp X Ω Beweis Sei nunächst g M E, also g(ω) = m i=0 α i1 Bi (ω) für m N, α R +, B i B somit g(x) = m i=1 α i 1 Ai, A i = X 1 (B i ) und Ω g(x)dp = m i=1 α i P (A i ) = m i=1 α ip X (B i ) = R gdp X. Falls g 0, wähle {g n } M E mit g n g. Die Gleichung gilt für jedes g n, Grenzübergang liefert die Gleichheit für g. Falls g beliebig, betrachte g = g + g Behauptung. Wir unterscheiden jetzt die beiden Fälle dass X diskret bzw. absolutstetig ist. Hier ergeben sich relativ einfache Formeln. R
3 35 Satz 7.3 Sei X eine diskrete Zufallsvariable mit Werten x 0, x 1, x 2,... und Zähldichte {P (k) X } k N 0. g : R R sei messbar. Dann existiert Eg(X), falls g(x k) P X (k) < und es gilt: Eg(X) = g(x k )P X (k) Beweis Sei zunächst g M E, also g = m i=1 α i1 Bi für m N, α i R +, B i B. Es gilt (vgl. Beweis vorher): Eg(X) = m i=0 α ip X (B i ) = ( m ) i=1 α i x k B P i X(k) = m i=1 α i 1 B i (x k )P X (k) = m α i 1 Bi (x k )P X (k) = g(x k)p X (k). All- =g(x k ) gemeines g wie im Beweis von Satz 7.2 Beispiel 7.1 Sei X B(n, p) (binomialverteilt). Dann gilt: ( ) n P X (k) = p k (1 p) n k k = 0, 1,..., n k Also folgt: EX = i=1 n ( ) n k p k (1 p) n k = np k n 1 ( n 1 = np k n k=1 ( ) n 1 p k 1 (1 p) (n 1) (k 1) = k 1 ) p k (1 p) (n 1) k =(p+(1 p)) n 1 =1 = np Satz 7.4 Sei nun X : Ω R eine absolut stetige Zufallsvariable mit Dichte f X. g : R R sei messbar. Dann existiert Eg(X), falls g(x) f X(x)dx < und es gilt: Beweis ähnlich wie in Satz 7.3 Eg(X) = g(x)f X (x)dx Beispiel 7.2 Sei X N(µ, σ 2 ) (X normalverteilt). Also ist Es folgt: EX = 1 2πσ = 1 2π f X (x) = 1 exp( 1 (x µ) 2 2πσ 2 σ 2 ) (x µ)2 x exp( 2σ 2 ) dx = 1 σu exp( 1 2 u2 ) du =0 wg. Symmetrie +µ 1 2π (σu + µ) exp( 1 2π 2 u2 ) du exp( 1 2 u2 ) du = µ =1, da Dichte
4 36 KAPITEL 7. ERWARTUNGSWERT UND VARIANZ Definition 7.2 Sei X eine Zufallsvariable a) Ist k N und existiert E X k, dann heißt EX k, k-tes Moment von X und E(X EX) k, k-tes zentriertes Moment von X b) Das zweite zentrierte Moment heißt auch Varianz von X. Wir schreiben: Var(X) = E(X EX) 2 σ(x) := Var(X) heißt Standardabweichung Bemerkung 7.4 Die Varianz misst die mittlere quadratische Abweichung der Zufallsvariable X von ihrem Mittelwert. σ(x) hat die gleiche Dimension wie X. Satz 7.5 Sei X eine Zufallsvariable. Falls die entsprechenden Größen existieren, gilt: a) Var(X) = EX 2 (EX) 2 b) Var(aX + b) = a 2 Var(X) für a, b R c) Var(X) 0 und Var(X) = 0 P (X = c) = 1 für ein c R Beweis a) Var(X) = E(X 2 2XEX+(EX) 2 ) EX 2 (EX) 2 Satz 7.2a = EX 2 2(EX) 2 +(EX) 2 = b) Wir verwenden a): Var(aX + b) = E(aX + b) 2 (aex + b) 2 = = E(a 2 X 2 + 2abX + b 2 ) a 2 (EX) 2 2abEX b 2 = = a 2 EX 2 + 2abEX + b 2 a 2 (EX) 2 2abEX b 2 = = a 2 (EX 2 (EX) 2 ) = a 2 Var(X) c) Da 0 (X EX) 2 7.2b Var(X) 0 Ist X diskret, so gilt: Var(X) = k=1 (x k EX) 2 P (X = x k ) Var(X) = 0 X nimmt nur den Wert x 1 = EX (x k = EX k N) an. Analog im stetigen Fall. Beispiel 7.3 Sei X N(µ, σ 2 ) Bsp. 7.2 EX = µ ( Übung) Also: Var(X) = 1 2πσ (x µ) 2 (x µ)2 exp( Die folgende Ungleichung ist wegen ihrer Allgemeinheit nützlich: Satz 7.6 (Tschebyscheff-Ungleichung) Sei X eine Zufallsvariable mit E X < und ε > 0. Dann gilt: P ( X EX ε) 1 ε 2 Var(X) 2σ 2 )dx = = σ 2
5 37 Beweis Betrachte: { 1, falls x EX ε g : R {0, 1} g(x) = 0, sonst und h : R R h(x) = 1 (x EX)2 ε2 Offenbar gilt g(x) h(x) x R Also folgt g(x) h(x) und mit Satz 7.2 b P ( X EX ε) = Eg(X) Eh(X) = 1 ε 2 Var(X)
6 38 KAPITEL 7. ERWARTUNGSWERT UND VARIANZ
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