Untersuchungsbericht

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1 Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung Untersuchungsbericht Der Untersuchungsbericht wurde gemäß 18 FlUUG summarisch abgeschlossen, d.h. ausschließlich mit Darstellung der Fakten. Identifikation Art des Ereignisses: Unfall Datum: 31. Mai 2008 Ort: Luftfahrzeug: Hersteller / Muster: Personenschaden: Sachschaden: Drittschaden: Informationsquelle: nahe Teichel Flugzeug Moravan / Z43 zwei Personen tödlich und zwei Personen schwer verletzt Luftfahrzeug zerstört Forstschaden Untersuchung durch Beauftragte der BFU Aktenzeichen: BFU 3X058-08

2 Sachverhalt Ereignisse und Flugverlauf Das Flugzeug startete um 19:58 Uhr 1 auf dem Flugplatz Jena- Schöngleina (EDBJ) mit vier Personen an Bord zu einem privaten VFR-Flug nach Rudolstadt-Groschwitz (EDOK). Das Luftfahrzeug war zuvor um 18:44 Uhr aus Berlin-Schönhagen kommend in Jena unplanmäßig zwischengelandet, um nicht in ein Gebiet mit vorhergesagten Gewittern mit Sturmböen und Starkregen einzufliegen. Aufgrund der Wetterlage bzw. der weiteren Wetterentwicklung wurde von der Besatzung entschieden, das Luftfahrzeug in Jena abzustellen und das letzte Stück der Reise mit dem Auto fortzusetzen. Im Verlauf des Aufenthaltes in Jena erhielt einer der Luftfahrzeugführer den Telefonanruf eines Familienmitglieds mit der Aufforderung sich schnellstmöglich nach Hause (Region Rudolstadt) zu begeben. Ein Unwetter hätte zu schweren Überschwemmungen geführt und es seien große Wassermassen in das Haus eingedrungen. Nach dem Telefonat entschied die Besatzung, entgegen Ihrer ursprünglichen Absicht und gegen den ausdrücklichen Rat des in Jena anwesenden Flugplatzpersonals, mit den Worten wir fliegen doch den Flug durchzuführen. Die Gewitterfront war in der Zwischenzeit nach Norden abgezogen, sodass sich die Flugstrecke auf deren Rückseite befand. Den Radardaten des Flugsicherungsunternehmens war zu entnehmen, dass der Flug zunächst mit einem Kurs von 239 Grad in Richtung des 21 nautische Meilen (NM) entfernten Zielortes erfolgte. Nach der letzten dokumentierten Radarspur, etwa 5 NM vor dem Zielflugplatz, wich die Z 43 mit einer größeren Westkomponente um 30 bis 40 Grad nach rechts von ihrem bisherigen Flugweg ab. Gegen 20:18 Uhr kollidierte das Luftfahrzeug westlich der Ortschaft Teichel bzw. nordöstlich der Ortschaft Milbitz mit dem Gelände im Bereich einer bewaldeten Hanglage. Ein Zeuge, der sich innerhalb von Milbitz befand, gab an ein Motorengeräusch und kurz darauf einen doppelten Knall gehört zu haben. 1 Alle angegebenen Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet, entsprechen Ortszeit - 2 -

3 Flugweg und Unfallstelle Fotos (2): BFU/ ICAO Karte/ Google Earth Kurz vor 20:18 Uhr hatte ein weiterer Zeuge in der südöstlich der Absturzstelle befindlichen Ortschaft Clöswitz ein Flugzeug wahrgenommen, welches in geringer Höhe nach Westen flog

4 Bei dem Aufprall wurden die beiden Luftfahrzeugführer tödlich und zwei hinten sitzende Fluggäste schwer verletzt. Das Flugzeug wurde zerstört. Einer der beiden Fluggäste verstarb zu einem späteren Zeitpunkt im Krankenhaus. Angaben zu Personen Der auf dem linken Sitz befindliche verantwortliche Flugzeugführer war 46 Jahre alt und im Besitz einer bis zum gültigen Lizenz PPL (A) für Privatpiloten (Flugzeug), erstmals ausgestellt am nach den Regelungen ICAO. Eine eingetragene Klassenberechtigung für einmotorige Landflugzeuge SE piston (land) war bis zum gültig. Das flugmedizinische Tauglichkeitszeugnis Klasse 2 hatte eine Gültigkeit bis zum Die Lizenzen lagen als Kopien bei der Luftfahrtbehörde vor. Sie gaben den Stand zum Zeitpunkt der letzten Verlängerung wieder. Ob eine Verlängerung der Klassenberechtigung bis zum erfolgt und eingetragen war, konnte nicht ermittelt werden. Das Original der Lizenz mit einem möglichen Verlängerungseintrag wurde durch das Feuer an der Absturzstelle zerstört. Da das persönliche Flugbuch ebenfalls an der Absturzstelle verbrannte, lagen keine Angaben zur Flugerfahrung vor. Nach einer Zeugenaussage soll das auf dem rechten Sitz befindliche Besatzungsmitglied (Fluglehrer) davon gesprochen haben, dass der Pilot noch Flugstunden für die anstehende Verlängerung der Lizenz benötigte. Dies würde bedeuten, dass er weniger als zwölf Stunden Flugzeit seit dem absolviert hatte. Es konnte weiterhin festgestellt werden, dass der verantwortliche Pilot überwiegend zusammen mit dem rechts sitzenden Fluglehrer geflogen war. Nach Angaben des Halters der Z 43, habe es sich um einen Trainingsflug mit dem rechts sitzenden Fluglehrer gehandelt. Beide Piloten hätten in den letzten sechs Wochen vor dem Unfall ca. 20 Flugstunden zusammen durchgeführt. Das rechts sitzende 69-jährige Besatzungsmitglied war seit dem Inhaber einer Erlaubnis für Privatflugzeugführer. In dem nach den Regelungen JAR-FCL (deutsch) ausgestellten PPL (A) war die Berechtigung SE piston (land) einschließlich Lehrberechtigung eingetragen. Die Erlaubnis war bis zum und die darin eingetragenen Klassenberechtigung SE piston (land) sowie die Lehrberechtigung bis zum gültig

5 Das Tauglichkeitszeugnis Klasse 2 war bis zum gültig. Nach einer Zeugenaussage habe er bereits 1964 eine Pilotenlizenz für Motorflug in der ehemaligen DDR erworben und sei ab 1971 auch als Fluglehrer tätig gewesen. Er sei mit über Flugstunden ein enorm erfahrener Pilot gewesen. Auf den hinteren Sitzplätzen befanden sich die Eltern des verantwortlichen Luftfahrzeugführers als Fluggäste. Angaben zum Luftfahrzeug Die Moravan Z 43 ist ein einmotoriger Tiefdecker in Ganzmetallbauweise und einer maximalen Abflugmasse von kg. Das Flugzeug mit der Werknummer 82 wurde 1980 beim tschechischen Hersteller Moravan gebaut und seitdem ca Stunden betrieben. Es war ein Kolbentriebwerk vom Typ Avia M 337 A eingebaut. Die letzte Nachprüfung fand am statt. Seitdem wurden mit dem Luftfahrzeug etwa 20 Stunden geflogen. Die Z 43 war in Deutschland zum Verkehr zugelassen und befand sich in Halterschaft einer Flugschule. Moravan Z 43 Foto : BFU - 5 -

6 Meteorologische Informationen Am wurde vom Deutschen Wetterdienst (DWD) eine Unwetterwarnung für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen herausgegeben. Der Vorhersagebereich lag im Bereich des Zustroms schwülwarmer Luft aus Südwesten. Östlich davon war trockene Luft wetterbestimmend. Ab den Mittagsstunden waren in Thüringen, besonders im Bergland, teils kräftige unwetterartige Gewitter mit Sturmböen, Starkregen und Hagel, vorhergesagt. Die Routinewettermeldungen (METARS) der 30 km nordwestlich gelegenen Station Erfurt (EDDE) lauteten: METAR EDDE 17:50 Uhr UTC: Z 20008KT 2500 BR FEW030 SCT100 BKN200 17/17 Q1014 NOSIG= METAR EDDE 18:20 Uhr UTC: Z 23007KT 4000 BR FEW023CB BKN200 17/17 Q1013 BECMG 5000= METAR EDDE 18:50 Uhr UTC: Z 23007KT 4000 BR FEW023CB BKN200 17/17 Q1013 BECMG 5000= METAR EDDE 19:20 Uhr UTC: Z 20008KT 2500 BR FEW030 SCT100 BKN200 17/17 Q1014 NOSIG= Nach Angaben von mehreren Zeugen war zur Unfallzeit aufgrund von Nebel die Sicht sehr stark eingeschränkt. Nach dem Durchzug von Gewittern habe es gegen 20:00 Uhr starken Nebel gegeben, der sich aber zwischenzeitlich immer mal wieder aufgelöst habe. Die Höhenlagen um Milbitz lagen nach den Aussagen von Zeugen in Wolken. Vor dem Unfallzeitpunkt kam es im gesamten Landkreis Saalfeld-Rudolstadt zu starken Gewittern mit Starkregen, Hagel und Windgeschwindigkeiten von 100 km/h. Im Stadtgebiet von Rudolstadt wurde innerhalb von zwei Stunden eine Niederschlagsmenge von 109 l/m² gemessen. Die Temperatur sank nach dem Durchgang der Gewitter im Verlauf des Nachmittages von 30 C auf 18 C

7 Nach Aussage von Rettungskräften war die Luft beim Eintreffen an der Unfallstelle waschküchenartig und extrem feucht. Die Unfallstelle lag in Wolken und in den Tälern war Nebel ausgebildet. Die Aussagen und Beobachtungen der Kräfte vor Ort werden durch die METARS von Erfurt gestützt, die eine aktuelle Temperatur von 17 C und einen Taupunkt von ebenfalls 17 C zur Unfallzeit belegen. Die nachfolgenden Abbildungen zeigen den Durchzug des Niederschlagsgebietes im Bereich von Thüringen von bis 20:15 Uhr Ortszeit. Die Niederschlagsintensität nimmt von hellblau zu dunkelviolett zu. Die zweite Abbildung zeigt, dass zum Unfallzeitpunkt das Niederschlagsgebiet bereits nach Norden abgezogen war und nördlich einer Linie Gera-Erfurt lag. Niederschlagsradar Grafik (2): Wetteronline/ BFU - 7 -

8 Funkverkehr Es bestand beim Start und Abflug eine Funkverbindung mit dem Abflugort Jena- Schöngleina. Informationen über sonstige Funkverbindungen lagen nicht vor. Flugdatenaufzeichnung Der BFU stand ein GPS-Gerät zum Auslesen der Flugdaten zur Verfügung. Es konnte kein Flugweg rekonstruiert werden. Aus der Radaraufzeichnung des Flugsicherungsunternehmens ließ sich der Flugweg der Z 43 teilweise nachvollziehen. Angaben zum Flugplatz Der Flugplatz Rudolstadt- Groschwitz befindet sich etwa 30 km südöstlich von Erfurt und verfügt über eine 800 m lange Graspiste mit der Ausrichtung 070/ 250 Grad. Der Flugplatzbezugspunkt liegt 468 m AMSL. Medizinische und pathologische Angaben Die Leichname der beiden tödlich verletzten Luftfahrzeugführer wurden obduziert. Hierbei wurde festgestellt, dass sie sich beim Aufprall tödliche Verletzungen zugezogen hatten. Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug Die Unfallstelle befand sich ca. acht km nördlich von Rudolstadt und ca. 900 m westlich der Ortschaft Teichel. Sie lag in einer Höhe von ca. 518 m AMSL auf einem bewaldeten Hang. Die Unfallstelle hatte eine Länge von ca. 30 m. Das Flugzeugwrack wurde in Rückenlage vorgefunden. Der Rumpf war deformiert und der vordere Bereich mit Motor und Cockpit ausgebrannt. Die Blattspitzen des Propellers waren rechtwinklig verbogen. Die beiden Tragflächen, das rechte Hauptfahrwerk sowie das Bugfahrwerk waren vom Rumpf abgetrennt

9 Unfallstelle Fotos : BFU Die rechte Tragfläche befand sich in den Ästen eines Baumes etwa 15 m südöstlich von der Endlage des Rumpfes entfernt. Die linke Tragfläche lag zwischen rechter Tragfläche und Rumpf auf dem Waldboden. Beide Tragflächen wiesen vorne Abdrücke von Baumstämmen auf. Südöstlich der Endlage des Wracks standen mehrere Bäume mit gekappten Kronen

10 Untersuchungsbericht BFU 3X Das hintere Rumpfsegment war optisch intakt, Seiten und Höhenruder waren verbogen und teilweise abgeknickt. Über die gesamte Unfallstelle waren mehrere Kleinteile verstreut. Das linke Hauptfahrwerk befand sich am Luftfahrzeug. Die Durchgängigkeit der Steuerung konnte, soweit möglich, nachvollzogen werden. Die Stellung der Landeklappen war nicht feststellbar. Durch die abgetrennten Tragflächen und den Brand bedingt waren keine Rückschlüsse auf die Menge von etwaig zuvor ausgetretenem Kraftstoff möglich. Unfallstelle mit Endlage des Rumpfes und abgetrennter Tragfläche Foto : BFU Brand Es entstand ein Brand im Bereich des Triebwerks und des Cockpits. Der Brand wurde durch die Rettungskräfte mit Sand gelöscht

11 Zusätzliche Informationen Bei der Landung in Jena-Schöngleina war die Z 43 mit 60 Liter Kraftstoff betankt worden. Untersuchungsführer: Klaus-Uwe Fuchs Die Untersuchung wird in Übereinstimmung mit der Verordnung (EU) Nr. 996/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über die Untersuchung und Verhütung von Unfällen und Störungen in der Zivilluftfahrt und dem Gesetz über die Untersuchung von Unfällen und Störungen beim Betrieb ziviler Luftfahrzeuge (Flugunfall-Untersuchungs-Gesetz - FlUUG) vom 26. August 1998 durchgeführt. Danach ist das alleinige Ziel der Untersuchung die Verhütung künftiger Unfälle und Störungen. Die Untersuchung dient nicht der Feststellung des Verschuldens, der Haftung oder von Ansprüchen. Herausgeber Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung Hermann-Blenk-Str Braunschweig Telefon Telefax Mail Internet box@bfu-web.de