Vorlesung 4: Risikoallokation
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- Gerhard Jaeger
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1 Vorlesung 4: Risikoallokation Georg Nöldeke Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Universität Basel Versicherungsökonomie, FS 12 Risikoallokation 1/23
2 2 / Einleitung Bisher haben wir uns ausschliesslich mit Entscheidungsproblemen einzelner Individuen befasst. Nun betrachten wir eine Gruppe von Individuen und betrachten das Problem einer effizienten Allokation gegebener Risiken auf die Mitglieder dieser Gruppe. Die folgenden Überlegungen und Ergebnisse lassen sich unmittelbar im Kontext eines Versicherungssyndikats interpretieren sind aber auch im Kontext der Theorie der Rückversicherung und der Finanzmaärkte von Bedeutung.
3 3 / Modellrahmen Individuen (z.b. Mitglieder eines Versicherungssyndikats): i = 1,,n, beschrieben durch ihre Bernoulli-Nutzenfunktion u i mit u i > 0 und u i < 0. Mass der absolute Risikoaversion von i wird mit ρ i bezeichnet. Unsicheres Gesamtvermögen des Syndikats, beschrieben durch eine Zufallsvariable z. z = ( z(1),, z(s)) s = 1,,S sind die Zustände. Alle Individuen stimmen über die Wahrscheinlichkeit p(s) > 0 von Zustand s überein. Beachte: S s=1 p(s) = 1.
4 4 / Allokationen Eine erreichbare Allokation gibt für jeden Zustand s eine Aufteilung des Gesamtvermögens auf die Individuen an. Eine Allokation besteht aus Funktionen c i für i = 1,,n, so dass c i : S R und c i (s) = z(s), s = 1,,S i gilt. Hier ist c i die Zufallsvariable, die das unsichere Vermögen beschreibt, welches Individuum i in der Allokation erhält. Beachte: In unserer Definition einer Allokation haben wir erlaubt, dass c i negative Werte annimmt. Dieses erleichtert die Darstellung, da wir uns keine Gedanken über Randallokationen machen müssen. Andererseits ist es problematisch, da wir im Folgenden auch Bernoulli-Nutzenfunktionen betrachten werden, die nur für positive Vermögen definiert sind.
5 5 / Allokationen Beachte: In der Vorlesung werden wir zur Illustration und Erläuterung der folgenden Ergebnisse den Fall betrachten, in dem es nur zwei Individuen und zwei Zustände gibt. In diesem Fall kann man Allokationen und Präferenzen in einer sogenannten Edgeworthbox darstellen. Mit dieser grafischen Darstellung sollten Sie Sich vertraut machen auch wenn sie in den folgenden Folien nicht auftaucht.
6 6 / Allokationen Definition Eine Allokation c 1,, c n ist Pareto-effizient wenn für jede Allokation c 1,, c n gilt: i : E[u i ( c i)] > E[u i ( c i )] j : E[u j ( c j )] > E[u j ( c j)]. Dieses entspricht der Definition der Pareto-Effizienz aus der Intermediate Microeconomics. In Worten: Eine Allokation ist Pareto-effizient, wenn es keine Möglichkeit der Umverteilung gibt, die alle Individuen besser stellt.
7 7 / Charakterisierung Effizienter Allokationen Satz (Borch-Bedingungen) Eine Allokation ist genau dann effizient, wenn p(s)u i ( c i(s)) p(t)u i ( c i(t)) = p(s)u j ( c j(s)) p(t)u j ( c, i, j,s,t. (1) j(t)) Interpretation: p(s)u i ( c i(s)) p(t)u i ( c i(t)) ist der Absolutwert der Grenzrate der Substitution von Individuum i zwischen Konsum in Zustand s und Zustand t. Also besagt (1), dass für alle Individuen i und j und alle Zustände s und t die Grenzraten der Substitution der beiden Individuen zwischen Konsum in Zustand s und Konsum in Zustand t identisch sind.
8 8 / Charakterisierung Effizienter Allokationen Ob eine Allokation effizient ist oder nicht, hängt nicht von den Zustandswahrscheinlichkeiten ab p(s)u i ( c i(s)) p(t)u i ( c i(t)) = p(s)u j ( c j(s)) p(t)u j ( c j(t)) u i ( c i(s)) u i ( c i(t)) = u j ( c j(s)) u j ( c j(t)) Hierfür ist die Annahme wesentlich, dass alle Individuen die Zustandswahrscheinlichkeiten identisch einschätzen. Eine Allokation ist also genau dann effizient, wenn u i ( c i(s)) u i ( c i(t)) = u j ( c j(s)) u j ( c, i, j,s,t (2) j(t)) gilt und wir werden im die Borch-Bedingungen im folgenden in dieser Form verwenden.
9 9 / Charakterisierung Effizienter Allokationen Die Borch-Bedingungen sind offenkundig erfüllt, wenn es Konstanten (λ 1,,λ n ) mit λ i > 0 und eine Funktion µ : S R ++ gibt, so dass gilt. λ i u i( c i (s)) = µ(s), i,s (3) Die Umkehrung dieser Aussage gilt auch (Wieso?), so dass Bedingung (3) ebenfalls eine Charakterisierung effizienter Allokationen liefert.
10 10 / Gegenseitigkeitsprinzip und Monotonie Satz (Gegenseitigkeitsprinzip) Ist das Gesamtvermögen in zwei Zuständen identisch, so sind in jeder effizienten Allokation auch die individuellen Vermögen in diesen beiden Zuständen identisch: z(s) = z(t) c i (s) = c i (t), i. (4) Dieses besagt, dass Schwankungen in dem individuellen Vermögen nur auf Grund von Schwankungen im aggregierten Vermögen auftreten sollten: in einer effizienten Allokation werden alle idiosynkratischen Risiken versichert. Das Ergebnis folgt unmittelbar aus (2) und der Annahme, dass alle Bernoulli-Nutzenfunktionen streng konkav sind.
11 4.5 Gegenseitigkeitsprinzip und Monotonie Satz (Monotonie effizienter Allokationen) Ist das Gesamtvermögen in einem Zustand grösser als in einem anderen, so sind in jeder effizienten Allokation die individuellen Vermögen in diesen beiden Zuständen entsprechend geordnet: Effiziente Teilungsregeln sind streng steigend: z(s) > z(t) c i (s) > c i (t), i. Beweis ist wiederum unmittelbar aus (2) und der strikten Konkavität aller Bernoulli-Nutzenfunktionen. Das Ergebnis besagt, dass mit steigendem Gesamtvermögen auch jedes individuelle Vermögen ansteigen sollte. Werden Risiken effizient alloziert, stimmen alle Individuen überein, welches Zustand besser als ein anderer ist. 11 / 23
12 12 / Teilungsregeln Das Gegenseitigkeitsprinzip impliziert, dass in jeder effizienten Allokation das individuelle Vermögen eines Individuums als Funktion des aggregierten Vermögens geschrieben werden kann: c i (s) = f i ( z(s)). Auf Grund der Erreichbarkeitsbedingung muss für diese Funktionen gelten: i f i ( z(s)) = z(s), s. Diese Beobachtungen suggerieren, dass es hilfreich sein könnte, effiziente Allokationen an Hand der Eigenschaften, welche die Funktionen f i besitzen, zu beschreiben.
13 Beachte, dass die Funktionen f i in dieser Definition für alle z R - und nicht nur für diejenigen aggregierten Vermögensniveaus, die in einem gegebenen Allokationsproblem auftreten können - definiert sind. Wir werden im folgenden annehmen, dass die betrachteten Teilungsregeln differenzierbar sind. Für die Ableitungen muss gelten: f (z) = 1 13 / Teilungsregeln Definition Eine Teilungsregel besteht aus Funktionen f i : R R für i = 1,,n, welche die Bedingung für alle z erfüllen. i f i (z) = z
14 4.7 Effiziente Teilungsregeln Definition Eine Teilungsregel ist effizient wenn es Konstanten (λ 1,,λ n ) mit λ i > 0 und eine Funktion µ : R R ++ gibt, so dass gilt. λ i u i( f i (z)) = µ(z), i,z (5) Bedingung (5) hat die gleiche Form wie Bedingung (3). Insbesondere ist eine Teilungsregel genau dann effizient, wenn für alle Gesamtvermögen z : S R gilt, dass die Allokation. welche durch c i (s) = f i ( z(s)) definiert wird, effizient ist. Die Betrachtung effizienter Teilungsregeln erlaubt es also, die Eigenschaften effizienter Allokationen unabhängig von dem konkreten Gesamtvermögen zu betrachten. 14 / 23
15 15 / Effiziente Teilungsregeln Satz (Monotonie effizienter Teilungsregeln) Effiziente Teilungsregeln sind streng steigend: z > z f i (z ) > f i (z), i. Dies ist eine unmittelbare Konsequenz der Monotonie effizienter Allokationen. Da wie Differenzierbarkeit der Teilungsregel angenommen haben, können wir das Ergebnis auch als f i > 0 für alle i schreiben.
16 16 / Effiziente Teilungsregeln Satz Wegen (5) gilt für beliebige Individuen i und j als Identität. Leite nach z ab: λ i u i( f i (z)) = λ j u j( f j (z)) λ i u i ( f i (z)) f i (z) = λ j u j ( f j (z)) f j(z) Löse nach λ i /λ j auf und setze in Ausgangsgleichung ein: In einer effizienten Teilungsregel entspricht das Verhältnis der Anteile, die zwei Individuen von einem zusätzlichen marginalen Geldbetrag erhalten, dem umgekehrten Verhältnis ihrer Masse der absoluten Risikoaversion: f i (z) f j (z) = ρ j( f j (z)) ρ i ( f i (z)). (6)
17 17 / Effiziente Teilungsregeln Dieses Ergebnis ist intuitiv: Das Vermögen von Individuen mit einer vergleichsweise geringen Risikoaversion reagiert in einer effizienten Allokation stärker auf Änderungen des Gesamtvermögens; solche Individuen tragen in einer effizienten Allokation also einen grösseren Teil des aggregierten Risikos. Die Effizienzbedingung (6) lässt sich auch als T j ( f j (z)) T i ( f i (z)) f i (z) = f j(z) schreiben, wobei T i (w) das Mass der (absoluten) Risikotoleranz ist: T i (w) = 1/ρ i (w). Addiert man diese Gleichungen über alle j und bedenkt, dass j f j (z) = 1 gilt, erhält man:
18 18 / Effiziente Teilungsregeln Satz Ist eine Teilungsregel f 1,, f n effizient, so gilt f i (z) = T i( f i (z)) n j=1 T j( f j (z)) (7) Man nennt n T j ( f j (z)) j=1 die aggregierte Risikotoleranz Mit dieser Terminologie besagt das Ergebnis, dass der Anteil eines jeden Individums an einem zusätzlichen Geldbetrag dem Anteil seiner Risikotoleranz an der aggregierten Risikotoleranz entspricht.
19 19 / Effizienz Linearer Teilungsregeln Eine Teilungsregel f 1,, f n ) ist linear, wenn es Konstanten a 1,...,a n und b 1,...,b n gibt, so dass f i (z) = a i + b i z für alle i = 1,,n gilt. Eigentlich müsste man solche Teilungsregeln affin nennen... Beachte: In einer linearen Teilungsregel gilt: n i=1 a i = 0 und n i=1 b i = 1. Fragen: Wann gibt es zumindest eine effiziente Teilungsregel, die linear ist? Wann sind alle effizienten Teilungsregeln linear?
20 20 / Effizienz Linearer Teilungsregeln Satz (Identische Bernoulli-Nutzenfunktionen) Sind die Bernoulli-Nutzenfunktionen aller Individuen identisch, so ist die lineare Teilungsregel mit a i = 0 und b i = 1/n für alle i effizient. Beweis: Sind alle Nutzenfunktionen identisch, so gilt T i (w) = T j (w) für alle i und j. Mit f i (z) = f j (z) = z/n gilt also für alle i und somit n j=1 T j ( f j (z)) = nt i (z/n) T i ( f i (z) n j=1 T j( f j (z)) = 1/n. Also erfüllt die Teilungsregel mit a i = 0 und b i = 1/n für alle i die Effizienzbedingung (7).
21 21 / Effizienz Linearer Teilungsregeln Satz (Konstante Absolute Risikoaversion) Besitzen alle Individuen konstante absolute Risikoaversion, so ist eine Teilungsregel genau dann effizient, wenn sie linear ist und b i = τ i j τ j für alle i gilt. Sei τ i = 1/ρ i > 0 die konstante Risikotoleranz von Individuum i = 1,,n. Einsetzen von T j (w) = τ j in (7) führt zu f i (z) = τ i. j τ j Beachte: Die Parameter a i können unter der Nebenbedingung i a i = 0 beliebig gewählt werden. Solange die obige Bedingung an die b i erfüllt ist, resultiert eine effiziente Teilungsregel.
22 22 / Effizienz Linearer Teilungsregeln Satz (Identische Konstante Relative Risikoaversion) Besitzen alle Individuen identische konstante relative Risikoaversion, so ist eine Teilungsregel genau dann effizient, wenn sie linear ist und a i = 0 sowie b i > 0 für alle i gilt. Besitzen alle Individuen identische konstante relative Risikoaversion, so existiert eine Konstante α > 0, so dass T i (w) = αw für alle i und w gilt. Die Effizienzbedingung (7) vereinfacht sich dann zu f i (z) = α f i(z) αz f i(z) = f i (z)z. Hieraus folgt einerseits a i = 0; andererseits, dass b i > 0 beliebig gewählt werden kann.
23 23 / Effizienz Linearer Teilungsregeln Beachte: Die Charakterisierung effizienter Teilungsregeln in den beiden vorhergehenden Ergebnissen kann verwendet werden, um in einem gegebenen Allokationsproblem alle effizienten Allokationen zu bestimmen. CARA: Variation der a i erlaubt es, jede beliebige Aufteilung des Gesamtvermögens z(1) in Zustand s = 1 zu erreichen. Für alle anderen Zustände gilt dann c i (s) = c i (1) + τ i [ z(s) z(1)] für alle i. j τ j CRR: Variation der b i erlaubt es, jede beliebige Aufteilung des Gesamtvermögens z(1) in Zustand s = 1 mit c i (1) > 0 zu erreichen. Für alle anderen Zustände gilt dann c i (s) = z(s) z(1) c i(0) für alle i.
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