Überblick. Vernichtung von Unterlagen. Zulässigkeit der Vernichtung von Unterlagen. Nutzen der Vernichtung von Unterlagen. Exkurs: Legal Privilege
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- Ludo Kolbe
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1 FIW Kölner Seminar Neue Herausforderungen für die Compliance: Vernichtung von (kartellrechtlich) belastenden Unterlagen? Köln, den 20. November 2009 Rechtsanwalt Dr. Thomas Kapp, LL.M.
2 Überblick Vernichtung von Unterlagen Zulässigkeit der Vernichtung von Unterlagen Nutzen der Vernichtung von Unterlagen Exkurs: Legal Privilege Konsequenzen für die Compliance Fazit 1
3 Vernichtung von Unterlagen Begriff Anlässe für Frage der Vernichtung von Unterlagen: Interne Compliance-Maßnahmen Durchsuchung / Auskunftsersuchen von Kartellbehörden Streitigkeiten mit Dritten Zufall Datenvernichtung und Compliance: Ein Konflikt? In der Praxis zwei zentrale Fragen: Zulässigkeit der Vernichtung von Unterlagen Nutzen der Vernichtung von Unterlagen 2
4 Zulässigkeit der Vernichtung von Unterlagen Überblick über Themenbereiche Handelsrecht und Abgabenordnung Deutsches und europäisches Kartellrecht Deutsches Strafrecht Deutsches und US-amerikanisches Prozessrecht US-amerikanisches Strafrecht 3
5 Handelsrecht: Kartellrechtlich relevante Unterlagen: Handelsbriefe i.s.d. HGB? Aufbewahrungsfrist: Sechs Jahre, 257 HGB Abgabenordnung: Kartellrechtlich relevante Unterlagen: Handels- und Geschäftsbriefe i.s.d. AO? Aufbewahrungsfrist: I.d.R. sechs Jahre 4
6 Deutsches Kartellrecht: Vorlage-/Herausgabepflicht bei förmlichem Auskunftsersuchen, 59 Abs. 2 GWB Bis Zugang eines förmlichen Auskunftsersuchens: Vernichtung von Unterlagen nicht sanktioniert Nach Zugang eines förmlichen Auskunftsersuchens: Vernichtung von Unterlagen unzulässig Auskunftsverweigerungsrecht führt nach h. M. nicht zur Zulässigkeit der Vernichtung von Unterlagen 5
7 Europäisches Kartellrecht: Vorlagepflicht bei förmlichem Auskunftsersuchen der Europäischen Kommission, Art. 18 VO 1/2003 Bis Zugang eines förmlichen Auskunftsersuchens: Vernichtung von Unterlagen nicht sanktioniert Nach Zugang eines förmlichen Auskunftsersuchens: Einerseits: Kein Recht zur Verweigerung der Vorlage belastender Unterlagen Andererseits: Keine Pflicht, ein Geständnis abzulegen 6
8 Deutsches Strafrecht: Urkundenunterdrückung? Beweisführungsrecht Dritter (z. B. Vorlage-/Herausgabepflicht gem. 422 ff. ZPO i.v.m. 810 BGB)? Urkundenfälschung? Nur in Einzelfällen denkbar, wenn z. B. eine Gesamturkunde verfälscht wird Strafvereitelung? Straftat als Vortat? Kausalität? Persönlicher Strafausschließungsgrund des 258 Abs. 5 StGB 7
9 Bankrott bzw. Verletzung der Buchführungspflicht? Objektive Bedingung der Strafbarkeit: Einstellung der Zahlungen oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. Ablehnung des Eröffnungsbeschlusses mangels Masse Voraussetzung für Bankrott außerdem wirtschaftliche Krise in Form bestehender oder drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung 8
10 Prozessrechtliche Aspekte: Deutsches Prozessrecht: Anspruch auf Vorlage oder Herausgabe von Unterlagen gem. 422 ff. ZPO i.v.m. 810 BGB Vorlage- bzw. Herausgabepflicht, wenn auf Antrag durch das Gericht angeordnet Weitere Voraussetzungen Strafrechtliche Konsequenzen Prozessuale Konsequenzen 9
11 US-amerikanisches Prozessrecht: Pre-Trial Discovery (gerichtliches Vorverfahren) Prozessuale Pflicht zur Offenlegung von für den Klageanspruch oder die Verteidigung relevanter Dokumente Sanktionierung der Nichteinhaltung einer Discovery Order mit Vereitelungsabsicht gem. Doctrine of Spoliation Sanktionierung spätestens ab Zustellung einer formellen Klage ( Litigation Hold ), ggf. aber bereits ab Kenntnis vom bevorstehenden Rechtsstreit 10
12 US-amerikanisches Strafrecht: Bis zum Sarbanes-Oxley-Act 2002: Strafbarkeit gem. 18 U.S.C (b): Eine Person bestimmt eine andere Person mit missbräuchlichen Absichten zur Vernichtung von Unterlagen Mit Sarbanes-Oxley-Act 2002 Einführung weiterer Tatbestände: Strafbarkeit gem. 18 U.S.C (c): Vernichtung von Unterlagen in missbräuchlicher Absicht Strafbarkeit gem. 18 U.S.C. 1519: Bewusste Vernichtung von Unterlagen in der Absicht, Ermittlungen zu behindern oder zu beeinflussen 11
13 Nutzen der Vernichtung von Unterlagen Sind vernichtete Unterlagen und Daten wirklich vernichtet? Befinden sich die vernichteten Unterlagen evtl. auch bei Dritten? Werden die vernichteten Unterlagen evtl. noch zur Inanspruchnahme von Bonusregelungen benötigt? Evtl. Auslagerung von Unterlagen beim Rechtsanwalt? Legal Privilege Beschlagnahmefreiheit für Anwaltskorrespondenz 12
14 Exkurs: Legal Privilege Rechtsanwalt Deutsches Recht: Beschlagnahmeverbot gilt nicht für Unterlagen im Gewahrsam des Unternehmens, sondern nur für Unterlagen im Gewahrsam des Rechtsanwalts ( 97 II 1 StPO) Beschlagnahmeverbot für echte Verteidigerpost auch in Gewahrsam des Unternehmens ( 148 StPO) Vgl. hierzu z. B. LG Bonn, Beschluss vom 29. September 2006, Az. 37 Qs 27/05 Anwaltskorrespondenz, WuW/E DE-R,
15 Europäisches Recht: Unabhängiger Rechtsanwalt Zusammenhang zwischen Anwaltskorrespondenz und Gegenstand des Verfahrens Davon wird auch umfasst: Anwaltskorrespondenz vor Verfahrenseröffnung Anwaltskorrespondenz im Gewahrsam des Unternehmens Unternehmensinterne Kommunikation, wenn sie den Inhalt anwaltlicher Kommunikation zur unternehmensinternen Verbreitung festhält Vgl. hierzu z. B. EuGH, Urteil vom 18. Mai 1982, Rs. 155/79 AM & S, WuW/E EWG/MUV 575; EuG, Beschluss vom 4. April 1990, Rs. T-30/89 Hilti 14
16 Widerspruch zwischen europäischem und deutschem Recht Legal Privilege nach europäischem Recht weiter als nach deutschem Recht Damit Konflikt bei Tätigkeit des Bundeskartellamts: Amtshilfe unter Anwendung materiellen EU-Kartellrechts Eigenständige Anwendung des materiellen EU-Kartellrechts Anwendung des deutschen materiellen Kartellrechts Siehe zu dieser Thematik auch Kapp/Schröder, WuW 2002, 555 ff. 15
17 Syndikus Deutsches Recht: Uneinheitliche Rechtsprechung Beispiele: LG Frankfurt a.m., Beschluss vom 17. Dezember 1992, Az. 5/26 Qs 41/92: Beschlagnahmeverbot, wenn kein Mitgewahrsam des Beschuldigten (Unterlagen in abgeschlossenem Aktenschrank) LG Bonn, Beschluss vom 29. September 2005, Az. 37 Qs 27/05: Kein Beschlagnahmeverbot, wenn Syndikus für das Unternehmen und damit nicht weisungsfrei und nicht anwaltlich tätig 16
18 LG Berlin, Beschluss vom 30. November 2005, Az. 505 Qs 185/05: Beschlagnahmeverbot, wenn schutzwürdiges Vertrauen des Rechtsratsuchenden auf Vertraulichkeit der Kommunikation (auch, wenn als Syndikusanwalt in der Ablehnung/Annahme von Aufträgen nicht frei und er auf Verlangen des Arbeitgebers Unterlagen vorlegen und Auskünfte erteilen muss) Europäisches Recht: Kein Legal Privilege für Anwaltskorrespondenz zwischen Unternehmen und Syndikusanwalt Vgl. hierzu EuG, Urteil vom 17. September 2007, verbundene Rs. T-125/03 und T-253/03 Akzo Nobel und Akcros (Verfahren vor dem EuGH ist anhängig, Rs. C-550/07) 17
19 Konsequenzen für die Compliance Auffinden von evtl. kritischen Unterlagen durch interne Compliance- Maßnahmen Vermeidung von Fehlverhalten durch Einrichtung von Compliance- Programmen Keine missverständliche Unternehmenskommunikation intern und extern Schriftgutverwaltung Lösung finden für das Problem Legal Privilege 18
20 Fazit Zulässigkeit der Vernichtung von Unternehmensunterlagen Keine pauschale Bewertung möglich Vielzahl von Kriterien verschiedener Rechtsgebiete und gegebenenfalls Jurisdiktionen zu beachten Nutzen der Vernichtung von Unternehmensunterlagen Stets im Einzelfall zu entscheiden Prävention durch Optimierung der Compliance-Maßnahmen eines Unternehmens Ungelöstes Problem Legal Privilege 19
21 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 20
22 Ihr Ansprechpartner Dr. Thomas Kapp, LL.M. Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbh Augustenstraße Stuttgart Tel. +49 (711) Fax +49 (711) thomas.kapp@luther-lawfirm.com Rechtsanwalt seit Leiter der Service Line International Trade & Antitrust. Juristische Ausbildung in Tübingen und Los Angeles. Die Schwerpunkte seiner Tätigkeit liegen im Kartellrecht, Vertriebsrecht, Fusionskontrolle und Kartellbußgeldverfahren. Zahlreiche Publikationen und Vorträge. Autor des Praktikerhandbuchs Kartellrecht in der Unternehmenspraxis, Co-Autor des Frankfurter Kommentars (Art. 86 EG- Vertrag) und von Fabry/Augsten, Handbuch der Öffentlichen Hand. 21
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