VORLESUNG ÜBER LOGIK SOMMERSEMESTER Eike Best. Parallele Systeme, CvO Universität Oldenburg 0/ 393
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1 0/ 393 VORLESUNG ÜBER LOGIK SOMMERSEMESTER 2016 Eike Best Parallele Systeme, CvO Universität Oldenburg Foliensatz Stand: 10. Juli 2016
2 1/ 393 VORLESUNG 1 AUSSAGENLOGIK 1 Themen: Einleitung, Motivation Syntax, Semantik 5. April 2016
3 Einleitung und Motivation 2/ 393
4 3/ 393 Aussagenlogik (George Boole, ) Atomare Aussagen: entweder wahr oder falsch Verknüpfungen: Z.B. und, oder, nicht, wenn, dann Belegungen (Welten, Modelle) Auswertung von Formeln Keine Operatoren für Quantifizierung (alle, einige) Beispiel: Aussagen: Anna ist Architektin, Bruno ist Bierbrauer Formel F: (Anna ist Architektin und Bruno ist Bierbrauer) Vier mögliche Welten oder Belegungen: F ist: Anna ist keine Architektin, Bruno ist kein Bierbrauer falsch Anna ist keine Architektin, Bruno ist Bierbrauer falsch Anna ist Architektin, Bruno ist kein Bierbrauer falsch Anna ist Architektin, Bruno ist Bierbrauer wahr
5 4/ Beispiel zur Aussagenlogik: Eine Logelei Ein Mann schreit: Wer von Euch Halunken hat den Ball in mein Fenster geworfen? Zitternd stehen vier Kinder da. Anne sagt : Emil war es. Emil sagt : Gustav war es. Fritz sagt : Ich war es nicht. Gustav sagt : Emil lügt. Ein Passant sagt: Eines der Kinder war es, aber Vorsicht: Nur eines der Kinder sagt die Wahrheit. Frage: Wer hat den Ball geworfen?
6 5/ 393 Ein paar aussagenlogische Verknüpfungszeichen (1) p q bedeutet: sowohl p, als auch q wahr in einer Welt genau dann, wenn dort p und q wahr sind (2) p bedeutet: nicht p wahr in einer Welt genau dann, wenn p dort falsch ist (3) p q bedeutet: wenn p wahr ist, dann ist auch q wahr wahr in einer Welt genau dann, wenn dort nicht p ( q) gilt (4) p q bedeutet: sowohl p q, als auch q p genau dann wahr in einer Welt, wenn dort p, q beide wahr oder beide falsch sind
7 6/ 393 Formalisierung des Ballwurfbeispiels wa_x = X sagt die Wahrheit und tä_x = X ist der Täter (1) wa_f tä_f (Fritz sagt: ich war es nicht ) (2) wa_f wa_a wa_g wa_e (folgt aus: nur eins der Kinder sagt die Wahrheit) (3) wa_g wa_e (Gustav sagt, dass Emil lügt) Also: Aus tä_f folgt wegen (1): wa_f dann folgt aus (2): wa_g wa_e und dann aus (3): wa_g wa_g und das ist ein Widerspruch! Fritz war s! Widerspruchsbeweis
8 7/ Beispiel zur Aussagenlogik: Ein 2-Bit-Addierer X 1 X 2 Abk.: X 1 X 2 H H 1 H 2 H 1 H 2 identifiziere 1 =wahr und 0 =falsch X 1 X 2 H 1 H
9 8/ Beispiel zur Aussagenlogik: Sudoku Füllen Sie die leeren Felder so aus, dass in jeder Zeile, jeder Spalte und in jedem 3 3-Kästchen alle Zahlen von 1 bis 9 stehen
10 9/ 393 Warum 9? Zeile 7 hat höchstens eine 9 Zeile 8 hat höchstens eine 9 Spalte 7 hat höchstens eine 9 Kästchen unten rechts hat mindestens eine 9 Preisfrage: Wie viele Welten gibt es?
11 10/ 393 Prädikatenlogik (Frege, Russell, Tarski ± 1900) Logik als Grundlage der Mathematik und als formale Basis für die Vermeidung von Widersprüchen Die Prädikatenlogik erlaubt es Beziehungen zwischen Objekten zu beschreiben existenzielle Aussagen zu treffen: es gibt ein x, so dass... universelle Aussagen zu treffen: für jedes x gilt, dass... Beispiel: ( x y (y x)) (für jedes x gibt es ein y mit y x) ist wahr in der Welt (Z, <) (ganze Zahlen, < als ) und falsch in der Welt (N, <) (natürliche Zahlen, < als ) Der Belegungsbegriff ( Welt, Modell ) ist in der Prädikatenlogik viel komplexer als in der Aussagenlogik
12 11/ 393 Beispiel aus der Analysis Definition: Definition: Behauptung: f : R R ist stetig gdw. x R ɛ > 0 δ > 0 y R ( x y < δ f (x) f (y) < ɛ ) f : R R ist gleichmäßig stetig gdw. ɛ > 0 δ > 0 x R y R ( x y < δ f (x) f (y) < ɛ ) f gleichmäßig stetig f stetig
13 12/ 393 Die Behauptung kann rein logisch bewiesen werden Setze F = y R : x y < δ f (x) f (y) < ɛ Dann gilt: ɛ > 0 δ > 0 x R F (gleichmäßig stetig) impliziert { } ɛ > 0 x R δ > 0 F impliziert { -Vertauschung} x R ɛ > 0 δ > 0 F (stetig) NB: geht im Allgemeinen nicht!
14 13/ 393 Logik-Programmierung als Anwendung der Prädikatenlogik Direkte Flugverbindungen London Bremen Berlin New York Frankfurt
15 14/ 393 Logik-Programm Direkte Verbindungen: dir(bremen, London) dir(bremen, Frankfurt) dir(bremen, Berlin) dir(london, New York) dir(frankfurt, New York) Verbindungen: ver(x, Y ) dir(x, Y ) ver(x, Y ) dir(x, Z ), ver(z, Y ) Fakten Regeln Anfrage: Zielklausel? ver(bremen, New York) Gibt es eine Verbindung von Bremen nach New York?
16 15/ 393 Anwendungen der Logik in der Informatik (1) Schaltkreisentwurf: Schaltkreise lassen sich als logische Formeln darstellen Entwurf und Optimierung von Schaltungen Modellierung und Spezifikation: Eindeutige Beschreibung von komplexen Systemen Verifikation: Beweisen, dass ein Programm das gewünschte Verhalten zeigt Datenbanken: Formulierung von Anfragen an Datenbanken Abfragesprache SQL (Structured Query Language)
17 16/ 393 Anwendungen der Logik in der Informatik (2) Künstliche Intelligenz: Planung Mensch-Maschine-Kommunikation Theorembeweiser: der Computer beweist mathematische Sätze automatischer Beweis von wichtigen Sätzen, z.b. im Bereich der Booleschen Algebren Logikbasierte Programmierung: PROLOG Außerdem ist die formale Logik ein Paradebeispiel für Syntax und formale Semantik, was in der Informatik oft vorkommt Edsger W. Dijkstra: Informatik = VLSAL (Very Large Scale Application of Logics)
18 17/ 393 Parallele Programme Ein binäres Semaphor: var s : {0, 1} (init 1) Semaphor-Operationen: P(s) = await s = 1 then s := 0 end V (s) = s := 1 Ein einfaches Programm zum wechselseitigen Ausschluss: P 1 : loop P(s); P 2 : loop P(s); end %c 1 %c 2 V (s); V (s); end
19 18/ 393 Temporale Logik CTL (computation tree logic, EX) P 1 : loop P(s); P 2 : loop P(s); end %c 1 %c 2 V (s); V (s); end P = E X F bedeutet: es gibt einen direkten Nachfolgezustand, in dem F gilt E steht für es gibt, X steht für next P 1 P 2 = E X at c 1 P 1 P 2 = E X ( at c 1 at c 2 ) = steht für erfüllt oder modelliert at c bedeutet: die Kontrolle befindet sich am Punkt c
20 19/ 393 CTL (computation tree logic, EG) P 1 : loop P(s); P 2 : loop P(s); end %c 1 %c 2 V (s); V (s); end P = E G F bedeutet: es gibt in P eine maximale Ausführung, während der stets nur F gilt Maximal heißt dabei: nicht fortsetzbar oder unendlich lang G steht für globally P 1 P 2 = E G at c 1 P 1 P 2 = E G ( at c 1 at c 2 )
21 20/ 393 CTL (computation tree logic, EU) P 1 : loop P(s); P 2 : loop P(s); end %c 1 %c 2 V (s); V (s); end P = E ( F U G ) bedeutet: es gibt in P einen Ausführungspfad, auf dem irgendwann einmal G gilt, vorher aber stets F gilt U steht für until (lies: F bis G ) P 1 P 2 = E ( at c 2 U at c 2 ) P 1 P 2 = E ( at c 1 U at c 2 )
22 21/ 393 Was geht hier vor? (Paradox von Berry, 1890) Bezeichne M diejenigen natürlichen Zahlen, die man mit höchstens 14 englischen Wörtern definieren kann M ist endlich Sei n die kleinste natürliche Zahl / M n in M? Nein: Definition von n n in M? Ja: n =the smallest natural number which cannot be defined using at most fourteen English words Ausweg: Unterscheide genauestens Syntax: Welche logischen Formeln man bilden darf Semantik: Was solche Formeln bedeuten sollen / wie man sie auswertet
23 Syntax der Aussagenlogik 22/ 393
24 23/ 393 Aussagesymbole und Verknüpfungssymbole ASym ist eine Menge von Aussagesymbolen oder aussagelogischen Variablen (Bezeichnung: p, q, r,...) Die logischen Symbole (oder Junktoren) sind: Zeichen Name lies Stelligkeit Falsum bottom, false 0 Verum top, true 0 Negation nicht 1 Konjunktion und 2 Disjunktion oder 2 Implikation impliziert 2 Äquivalenz ist äquivalent zu 2
25 24/ 393 Aussagenlogische Formeln Die Menge AForm aller aussagenlogischen Formeln (mit Bezeichnungen F, G, H,... AForm) ist induktiv definiert: 1. Induktionsbeginn (elementare Formeln): Für jedes Aussagesymbol p ASym gilt p AForm und es gilt, AForm 2. Induktionsschritt (zusammengesetzte Formeln): Wenn bereits F, G AForm gilt, dann gilt auch ( F), (F G), (F G), (F G), (F G) AForm 3. Induktionsabschluss (keine anderen Formeln): Es gibt keine weiteren Elemente in AForm
26 25/ 393 Atomare Formeln und Teilformeln Definition: Formeln der Form p ASym heißen atomare Formeln oder Atome Eine Formel G, die in einer Formel F auftritt, heißt Teilformel von F Beispiel: F = ( ((( q) p 2 ) p 1 )) Atomare Teilformeln von F: p 1, p 2 und q Nichtatomare echte Teilformeln von F: ( q), (( q) p 2 ) und ((( q) p 2 ) p 1 ) (Einzige) unechte Teilformel von F : ( ((( q) p 2 ) p 1 ))
27 26/ 393 Strukturelle Induktion Ist eine Menge induktiv definiert, kann man: Eine Eigenschaft ihrer Elemente durch strukturelle Induktion definieren Dazu definiert man die Eigenschaft zunächst für alle elementaren Elemente und dann für alle zusammengesetzten Elemente, wobei man sie für deren Teile schon als definiert annehmen kann Eine Eigenschaft ihrer Elemente durch strukturelle Induktion beweisen Dazu beweist man die Eigenschaft zunächst für alle elementaren Elemente und dann für alle zusammengesetzten Elemente, wobei man sie für deren Teile schon als bewiesen annehmen kann
28 27/ 393 Zur Übung: Eine Definition durch strukturelle Induktion Zu einer Formel F definiere die Menge At(F) aller Atome in F Induktionsbeginn: Für p ASym: At(p) = {p} Für AForm: At( ) = Für AForm: At( ) = Induktionsschritt: Für ( F) AForm: At(( F)) = At(F) Für (F G) AForm: At((F G)) = At(F) At(G) Für (F G) AForm: At((F G)) = At(F) At(G) Für (F G) AForm: At((F G)) = At(F) At(G) Für (F G) AForm: At((F G)) = At(F) At(G)
29 28/ 393 Eine Anwendung dieser Definition Frage: Welches sind die Atome in F = ( ( (p q)))? At( F ) = At( ( (p q)) ) ( ) = At( ) At( (p q) ) ( ) = (At(p) At(q)) (, ) = ({p} {q}) (p, q) = {p, q} (Ausrechnen von ) Antwort: p und q
30 29/ 393 Zur Übung: Ein Beweis durch strukturelle Induktion G[F] df = Formel F besitzt eine gerade Anzahl von Klammern Es bezeichne #[F] die Anzahl der Klammern ( und ) in F 1. Induktionsbeginn: Für alle p ASym gilt G[p], weil #[p] = 0 Für F = oder F = gilt G[F], weil #[F] = 0 2a. Induktionsvoraussetzung: Seien G[F] und G[G] bereits bewiesen 2b. Induktionsschritt: Dann gilt: G[( F )], weil #[( F )] = #[F] + 2 G[(F G)], weil #[(F G)] = #[F ] + #[G] + 2 G[(F G)], weil #[(F G)] = #[F ] + #[G] + 2 G[(F G)], weil #[(F G)] = #[F ] + #[G] + 2 G[(F G)], weil #[(F G)] = #[F ] + #[G] + 2
31 30/ 393 Syntax: Klammereinsparung Vollständige Klammerung: ( ((( q) p 2 ) p 1 )) Klammereinsparung: Äußere Klammern weglassen Z.B. F G = df (F G) bindet stärker als und Z.B. F G = df ( F) G und binden stärker als und Z.B. F G H = df ((F G) H) und assoziieren nach links Z.B. F G H = df ((F G) H) Reduzierte Form obiger Formel: (( q p 2 ) p 1 ) ABER: Mehr Klammern als nötig schadet nicht! Natürlich nur, wenn sie korrekt gesetzt sind...
32 Semantik der Aussagenlogik 31/ 393
33 32/ 393 Semantik der Aussagenlogik B = {falsch, wahr} (Wahrheitswerte / Boolesche Werte) Abkürzungshalber wird 0 = df falsch und 1 = df wahr gesetzt: B = {0, 1} Idee: Wir kennen die Wahrheitswerte der Symbole in ASym Daraus folgen die Wahrheitswerte von Formeln in AForm Genauer: I : ASym B: sei eine Funktion (Interpretation / Belegung) Wir erweitern I zu einer Funktion I : AForm B induktiv über den Aufbau von Formeln aus AForm
34 33/ 393 Bottom up Semantik der Aussagenlogik I( ) = 0 I( ) = 1 { 1 falls I(F) = 0 I( F) = 0 sonst I(F G) = I(F G) = I(F G) = I(F G) = { 1 falls I(F) = 1 und I(G) = 1 0 sonst { 1 falls I(F) = 1 oder I(G) = 1 0 sonst { 1 falls I(F) = 0 oder I(G) = 1 0 sonst { 1 falls I(F) = I(G) 0 sonst
35 Bottom up Semantik I(p ( q r)) mit I(p) = 1 und I(q) = I(r) = 0 1) I( q) = 2) I( q r) = 3) I(p ( q r)) = { } 1 falls I(q) = 0 0 sonst { } 1 falls I( q) = 1 und I(r) = 1 0 sonst 1 falls I(p) = 0 oder I( q r) = 1 0 sonst = 1 = 0 = 0 D.h.: ( I(p) = 1 ) ( I(q) = I(r) = 0 ) I(p ( q r)) = 0 Praktisches Problem mit dieser Semantik: 2) ist Nebenrechnung von 3) und 1) ist Nebenrechnung von 2) Die 0 kann erst berechnet werden, wenn alle Nebenrechnungen abgeschlossen sind 34/ 393
36 35/ 393 Wahrheitstafeln Beobachtung (Koinzidenzlemma): der Wert I(F) hängt nur davon ab, wie I auf den in F vorkommenden Atomen definiert ist; Werte von I auf dem Rest von ASym sind egal Hat F n Atome, gibt es also 2 n relevante Belegungen Zusammenfassende Darstellung heißt Wahrheitstafel oder Wahrheitstabelle für F Wahrheitstafeln für die Junktoren,, und,,, : 1 0 p p p q p q p q p q p q
37 Vollständige Wahrheitstafel der Formel F = (p ( q r)) Belegung p q r p ( q r ) I I I I I I I I Für die Belegung I 5 (p) = 1, I 5 (q) = I 5 (r) = 0 entsteht der Wert I 5 (F) = 0 36/ 393
38 37/ 393 Top down Semantik der Aussagenlogik Benutzt man die Wahrheitstafeln für die Junktoren, kann die Interpretation I benutzerfreundlicher ausgedrückt werden Gegeben: I : ASym B, definiere: I : AForm B (TD- ) I( ) = 0 (TD- ) I( ) = 1 (TD- ) I( F) = I(F) (TD- ) I(F G) = I(F) I(G) (TD- ) I(F G) = I(F) I(G) (TD- ) I(F G) = I(F) I(G) (TD- ) I(F G) = I(F) I(G) Die Interpretation I wird in eine Formel hineingezogen
39 38/ 393 Eine Anwendung der Top Down -Semantik Gegeben seien p, q, r ASym und eine Interpretation I mit I(p) = 1 und I(q) = I(r) = 0 Frage: Was ist der Wert von F = (p ( q r)) unter I? I(p ( q r)) = I(p) I(( q r)) wegen (TD- ) = 1 (I( q) I(r)) wegen I(p)=1 und (TD- ) = 1 ( I(q) 0) wegen (TD- ) und I(r)=0 = 1 ( 0 0) wegen I(q)=0 = 1 (1 0) wegen Wahrheitstafel = 1 0 wegen Wahrheitstafel = 0 wegen Wahrheitstafel Antwort: I(F) = 0
40 39/ 393 Achtung bei der Implikation! p q besagt nicht, dass p eine Ursache für q ist Pinguine schwimmen Pferde wiehern ist wahr (in unserer Welt) p q sagt nichts darüber aus, ob p wahr oder falsch ist Herr H hinterzieht Steuern Herr H gehört hinter Gitter ist wahr (in unserer Welt) Eine falsche Aussage impliziert alles Pinguine fliegen Herr M ist ein Verbrecher ist wahr (in unserer Welt)
41 40/ 393 Die Wahrheitstabelle kann sehr groß werden! Hat eine Formel n Variablen, hat die Wahrheitstabelle 2 n Zeilen Beispiel Sudoku: Wir verwenden eine atomare Formel x yz für jedes Tripel (x, y, z) {1,..., 9} 3 : df x yz = auf der Zeile y, Spalte z, liegt die Zahl x Formel In der 1. Zeile stehen alle Zahlen von 1 bis 9 : 9 9 ( x 1z ) x=1 z=1 9 (NB: F x kürzt F 1... F 9 ab) x=1 Die Wahrheitstabelle hat insgesamt = Zeilen!
42 VORLESUNG 2 AUSSAGENLOGIK 2 Themen: Erfüllbarkeit, Allgemeingültigkeit Folgerung, Äquivalenz DNF, KNF, Klauseldarstellung Hornformeln, Markierungsalgorithmus 8. April / 393
43 42/ 393 Erfüllbarkeit und Allgemeingültigkeit
44 43/ 393 Wiederholung aus der 1. Vorlesung Sei F eine aussagenlogische Formel In F kommen Atome p 1,..., p n vor Eine Belegung ist eine Funktion I, die jedem p i einen Booleschen Wert I(p i ) {0, 1} zuordnet Aus einer Belegung I kann man ausrechnen, ob I(F) = 0 oder I(F) = 1 gilt Beispiel: F = (p ( q r)) Seien p, q so belegt: I(p) = 1, I(q) = I(r) = 0 Dann gilt I(F) = 0
45 44/ 393 Modelle Seien F eine Formel und I eine Belegung Falls I(F) = 1 so schreiben wir I = F und sagen F gilt unter I oder I ist ein Modell von F Falls I(F) = 0 so schreiben wir I = F und sagen F gilt nicht unter I oder I ist kein Modell von F Beispiel: Mit I(p) = 1 und I(q) = I(r) = 0 gilt I = (p ( q r))
46 Erfüllbarkeit und Allgemeingültigkeit Eine Formel F heißt erfüllbar, falls F mindestens ein Modell besitzt, andernfalls unerfüllbar Eine endliche oder unendliche Menge M von Formeln heißt erfüllbar, falls es eine Belegung gibt, die für jede Formel in M ein Modell ist, andernfalls unerfüllbar Eine Formel F heißt allgemeingültig oder gültig oder eine Tautologie, falls jede Belegung ein Modell von F ist Wir schreiben = F, falls F allgemeingültig ist, und = F sonst 45/ 393
47 46/ 393 Erfüllbarkeit und Allgemeingültigkeit (Aufgabe 1) allgemeingültig erfüllbar unerfüllbar p p q p p p q p p p p p q p (q p) p (p q)
48 47/ 393 Erfüllbarkeit und Allgemeingültigkeit (Aufgabe 2) Gelten die folgenden Aussagen? J/N Gegenbsp. Wenn F allgemeingültig dann F erfüllbar J Wenn F erfüllbar dann F unerfüllbar N p Wenn F allgemeingültig dann F unerfüllbar J Wenn F unerfüllbar dann F allgemeingültig J
49 48/ 393 Spiegelungsprinzip allgemeingültige Formeln erfüllbare, aber nicht allgemeingültige Formeln F F unerfüllbare Formeln G G
50 49/ 393 Test auf Allgemeingültigkeit / Erfüllbarkeit Wie kann man überprüfen, ob eine Formel allgemeingültig / nicht allgemeingültig / erfüllbar / unerfüllbar ist? Eine Möglichkeit: Wahrheitstafel aufstellen 1. Schritt: Bestimme alle n in F vorhandenen Variablen 2. Schritt: Berechne die Wahrheitstafel (Größe 2 n ) 3. Schritt: Die Resultatspalte der Wahrheitstafel besteht nur aus 1 en enthält mindestens eine 0 enthält mindestens eine 1 besteht nur aus 0 en Später: andere Algorithmen Ausgabe allgemeingültig nicht allgemeingültig erfüllbar unerfüllbar
51 50/ 393 Beispiel Ist F = (p (p q)) q allgemeingültig? 1. Schritt: F hat 2 Atome, p und q 2. Schritt: Wahrheitstafel Auswertung von innen nach außen p q (p (p q)) q Wahrheitswert für alle Belegungen gleich 1 3. Schritt: Also ist F allgemeingültig, d.h.: eine Tautologie
52 Folgerung und Äquivalenz 51/ 393
53 52/ 393 Folgerung Eine Formel G heißt eine Folgerung aus den Formeln F 1, F 2, F 3,..., falls für jede Belegung I gilt: Wenn I ein Modell von F 1 und ein Modell von F 2 und ein Modell von F 3... ist, dann ist I auch ein Modell von G Wir schreiben F 1, F 2, F 3,... = G falls G Folgerung von F 1, F 2, F 3,... ist Beispiel: (p q), (p q), ((q r) p), r = (r p) q
54 53/ 393 Folgerung (Aufgabe) M F Gilt M = F? p p q J p p q N p, q p q J p, q p q J p q p J p q p N p, p q q J
55 Folgerung, Allgemeingültigkeit und Unerfüllbarkeit Folgende Aussagen sind gleichwertig: F 1,..., F k = G ( k j=1 F j) G ist allgemeingültig ( k j=1 F j) G ist unerfüllbar k j=1 F j ist eine Abkürzung von F 1 F 2... F k 54/ 393
56 55/ 393 Äquivalenz Zwei Formeln F und G heißen (semantisch) äquivalent, falls für alle Belegungen I gilt Hierfür schreiben wir F G I(F) = I(G) Aufgabe: Gelten die folgenden Äquivalenzen? (p (p q)) p J (p q) ( p q) J (p (q r)) ((p q) r) N (p (q r)) ((p q) (p r))) J
57 56/ 393 Folgerung, Äquivalenz und Allgemeingültigkeit Zusammenhang zwischen und = und und Wenn (F G) allgemeingültig dann F = G Wenn F = G dann (F G) allgemeingültig Wenn (F G) allgemeingültig dann F G Wenn F G dann (F G) allgemeingültig
58 57/ 393 Eigenschaften der Äquivalenz reflexiv: Es gilt F F für jede Formel F symmetrisch: Falls F G gilt, so gilt auch G F transitiv: Falls F G und G H gelten, so gilt auch F H abgeschlossen unter Operatoren: Falls F 1 G 1 und F 2 G 2 gelten, dann auch F 1 G 1, (F 1 F 2 ) (G 1 G 2 ), (F 1 F 2 ) (G 1 G 2 ), (F 1 F 2 ) (G 1 G 2 ) und (F 1 F 2 ) (G 1 G 2 ) Reflexive, symmetrische, transitive Relation: Äquivalenzrelation Äquivalenzrelation und Abgeschlossenheit unter Operatoren: Kongruenzrelation
59 58/ 393 Ersetzbarkeitstheorem Die Abgeschlossenheit kann auch so charakterisiert werden: Satz (Leibnizsches Ersetzungsprinzip) Es gelte: H ist eine Formel mit einer Teilformel F F G H entsteht aus H durch Ersetzen eines beliebigen Vorkommens von F in H durch G Dann gilt H H
60 59/ 393 Logische Äquivalenzen 1 F G F G (Elimination von ) F G (F G) (G F) (Elimination von ) F F (Doppelnegation) F G G F (Kontraposition) (F G) F G (F G) F G F F F F F F F (F G) F F (F G) F (De Morgan) (Idempotenz) (Absorption)
61 60/ 393 Logische Äquivalenzen 2 F G G F F G G F (F G) H F (G H) (F G) H F (G H) F (G H) (F G) (F H) F (G H) (F G) (F H) F G F falls F Tautologie F G G falls F Tautologie (Kommutativität) (Assoziativität) (Distributivität) (Tautologieregeln) F G G falls F unerfüllbar F G F falls F unerfüllbar (Unerfüllbarkeitsregeln)
62 61/ 393 Algorithmische Probleme Modellprüfung Sei F eine Formel und I eine Belegung. Gilt I(F) = 1? Erfüllbarkeit Sei F eine Formel. Ist F erfüllbar? Beispiel Sudoku Allgemeingültigkeit Sei F eine Formel. Ist F allgemeingültig? Folgerung Seien F und G Formeln. Gilt F = G? Äquivalenz Seien F und G Formeln. Gilt F G? Welche Probleme lassen sich auf welche reduzieren?
63 Reduktion von Problemen Allgemeingültigkeit Unerfüllbarkeit: F allgemeingültig gdw F nicht erfüllbar Erfüllbarkeit Ungültigkeit: F erfüllbar gdw F nicht allgemeingültig Allgemeingültigkeit Folgerung: F allgemeingültig gdw = F Folgerung Allgemeingültigkeit: F = G gdw (F G) allgemeingültig Allgemeingültigkeit Äquivalenz: F allgemeingültig gdw F Äquivalenz Allgemeingültigkeit: F G gdw (F G) allgemeingültig gdw bedeutet: genau dann, wenn PLAN für das Folgende: gute Algorithmen! 62/ 393
64 KNF, DNF und Klauseldarstellung 63/ 393
65 Konjunktive/disjunktive Normalform Literal: Es gibt positive und negative Positive sind {p p ASym} (atomare Symbole) Negative sind { p p ASym} (negierte Symbole) Eine Formel F ist in konjunktiver Normalform (KNF), wenn n k i F = ( ( L ij ) ), i=1 j=1 wobei L ij ein Literal ist Eine Formel F ist in disjunktiver Normalform (DNF), wenn m l i F = ( ( L ij ) ), i=1 j=1 wobei L ij ein Literal ist KNF: Konjunktion von Disjunktionen von Literalen DNF: Disjunktion von Konjunktionen von Literalen 64/ 393
66 65/ 393 Konstruktion aus der Wahrheitstafel p q r F KNF Aus jeder Zeile mit Wahrheitswert 0 wird eine Disjunktion, aus einer 0 in der Spalte p wird p, aus einer 1 wird p (p q r) (p q r) ( p q r) ( p q r) DNF Aus jeder Zeile mit Wahrheitswert 1 wird eine Konjunktion, aus einer 0 in der Spalte p wird p, aus einer 1 wird p ( p q r) ( p q r) (p q r) (p q r) Achtung: Mindestens eine der beiden ist exponentiell groß
67 66/ 393 Erfüllbarkeit und Allgemeingültigkeit in DNF und KNF Erfüllbarkeit ist leicht lösbar für Formeln in DNF Leider haben die Sudoku-Formeln KNF-Form Eine Formel in DNF ist erfüllbar genau dann, wenn es eine Konjunktion gibt, die nicht gleichzeitig p und p für eine atomare Formel p enthält Erfüllbar: ( q p q) ( p r) Nicht erfüllbar: (p q p) (r r) Allgemeingültigkeit ist leicht lösbar für Formeln in KNF Eine Formel in KNF ist allgemeingültig genau dann, wenn jede Disjunktion gleichzeitig p und p für eine atomare Formel p enthält Allgemeingültig: ( q q p) ( r r) Nicht allgemeingültig: (p p) (p r) Beide Algorithmen laufen in linearer Zeit (in der Formelgröße)
68 67/ 393 Erfüllbarkeitstests für Formeln in KNF Bisher: Wahrheitstafel aufstellen Eine andere (hier nicht weiter behandelte) Möglichkeit: bringe Formel durch algebraische Manipulationen in DNF Im Folgenden: Ein effizienter Erfüllbarkeitstest für eine spezielle Klasse von KNF-Formeln, die Hornformeln In der nächsten Vorlesung: Resolution: Ein Erfüllbarkeitstest für allgemeine Formeln in KNF
69 68/ 393 Mengendarstellung einer Formel in KNF Klausel: Menge von Literalen (Disjunktion) {p, q} stellt p q dar Formel: Menge von Klauseln (Konjunktion) {{p, q}, { p, q}} stellt ((p q) ( p q)) dar Die leere Klausel ist äquivalent zu : Die leere Formel ist äquivalent zu : Vorteile: Kommutativität ist eingebaut: {p, q} stellt p q und q p dar Idempotenz ist eingebaut: {p, q} stellt auch p p q dar {{}} { } {} Assoziativität ist eingebaut: {p, q, r} stellt (p q) r und q (p r) dar
70 69/ 393 Hornformeln und Markierungsalgorithmus
71 70/ 393 Hornformeln Eine Formel F ist eine Hornformel, wenn sie in KNF ist und wenn jede Klausel höchstens ein positives Literal enthält Schreibweise für Klauseln: { p, q, r} entspricht ( p q r) entspricht (p q r) { p, q} entspricht ( p q) entspricht (p q ) (negative Klausel; Logikprogrammierung: Zielklausel) {p} entspricht (p) entspricht ( p) (Faktklausel) Beispiel MYCIN (Expertensystem zur Untersuchung von Blutinfektionen, ca. 1970): IF the infection is primary-bacteremial AND the site of the culture is one of the sterile sites AND the suspected portal of entry is the gastrointestinal tract THEN there is suggestive evidence (0.7) that infection is bacteroid
72 71/ 393 (Un-)Erfüllbarkeitstest für Hornformeln Die Idee: Markiere ein positives Literal q, wenn bekannt ist, dass es zu 1 gesetzt werden muss Eingabe: eine Hornformel F (1) Markiere jedes Vorkommen einer atomaren Formel q in F, falls es in F eine Klausel der Form {q} gibt; (2) while p 1,..., p k sind bereits markiert und es gibt in F eine Klausel G der Gestalt { p 1,..., p k } oder { p 1,..., p k, q}, so dass q noch nicht markiert ist do if G hat die erste Form then gib unerfüllbar aus und stoppe else markiere jedes Vorkommen von q end while; (3) gib erfüllbar aus und stoppe
73 72/ 393 Markierungsalgorithmus: Beispiel 1 Ist erfüllbar? {{ 2a (p q r ) ( s) (t p) t q (u r) u p, 1b q, 2b r }, { s}, { 1a t, 2a p }, { 1a t }, { 1b q }, { 1c u, 2b r }, { 1c u }} }{{} stopp: unerfüllbar! ix bedeutet, dass die darunter liegende atomare Formel in Schritt (i) in Iterationsstufe x markiert worden ist
74 73/ 393 Markierungsalgorithmus: Beispiel 2 Ist erfüllbar? (s p) (r p s) (p q ) s ( t) {{ 1a s, 2a p }, { r, 2a p, 1a s }, { 2a p, q}, { 1a s }, { t}} Hier stoppt der Algorithmus, ohne dass eine vollständig markierte Zielklausel gefunden wurde, und gibt erfüllbar aus Er liefert auch eine erfüllende Belegung, nämlich p q r s t Diese Belegung ist minimal (so wenige 1 wie möglich)
75 74/ 393 Terminierung und Effizienz des Markierungsalgorithmus Sei n die Anzahl der atomaren Formeln in F In jedem Schritt wird mindestens eine atomare Formel markiert Der Algorithmus terminiert also nach spätestens n Schritten Bei jedem Schritt wird die ganze Formel nach Vorkommen einer atomaren Formel abgesucht Die Laufzeit des Algorithmus wächst also ungefähr quadratisch mit der Zahl n Wäre Sudoku eine Hornformel, benötigte der Test auf Erfüllbarkeit nicht ca , sondern ca Schritte
76 75/ 393 Korrektheit und Vollständigkeit des Markierungsalgorithmus Fasse den Markierungsalgorithmus als Unerfüllbarkeitstest auf Satz (Korrektheit): Wenn der Markierungsalgorithmus unerfüllbar ausgibt, dann ist die eingegebene Formel unerfüllbar Satz (Vollständigkeit): Wenn die eingegebene Formel unerfüllbar ist, dann gibt der Markierungsalgorithmus unerfüllbar aus Kontraposition hiervon: Der Markierungsalgorithmus gibt genau dann erfüllbar aus, wenn die eingegebene Formel erfüllbar ist
77 Eine Invariante des Algorithmus Für atomare Formeln p der eingegebenen Formel F sei M(p) = { 0 wenn p unmarkiert ist 1 wenn p markiert ist (INV) Ist I eine erfüllende Belegung von F, dann M I M I bedeutet M(p) I(p) für alle atomaren Formeln p (INV) gilt anfänglich, weil M dann der Nullvektor ist (INV) bleibt über jedem Markierungsschritt erhalten, weil jede atomare Formel, die dort markiert wird, in einer erfüllenden Belegung I mit 1 belegt sein muss 76/ 393
78 77/ 393 Beweis der Korrektheit Wenn der Markierungsalgorithmus unerfüllbar ausgibt, dann ist F unerfüllbar Beweis durch Widerspruch Der Markierungsalgorithmus gebe unerfüllbar aus Annahme: F ist nicht unerfüllbar Sei I eine erfüllende Belegung Weil der Markierungsalgorithmus unerfüllbar ausgibt, wird eine Klausel K mit ausschließlich negativen Literalen gefunden, deren atomare Formeln alle markiert sind Laut (INV) belegt I die atomaren Formeln von K in I mit 1 Die Klausel K ist also mit 0 belegt, im Widerspruch dazu, dass I die Formel erfüllt Die Annahme war also falsch, d.h., F ist unerfüllbar
79 78/ 393 Beweis der Vollständigkeit Wenn die eingegebene Formel F unerfüllbar ist, dann gibt der Markierungsalgorithmus unerfüllbar aus Beweis durch Kontraposition Der Markierungsalgorithmus gebe nicht unerfüllbar aus Da der Algorithmus stets terminiert, wird stattdessen erfüllbar ausgegeben F ist durch die errechnete Belegung M erfüllt, da alle Klauseltypen unter M den Wert 1 haben: Eine Faktklausel K = {p} führt in Schritt (1) zu einer Markierung von p Für eine Klausel der Art K = { p 1,..., p k } oder der Art K = { p 1,..., p k, q} ist entweder q markiert oder mindestens eines der p j unmarkiert, denn sonst stoppt der Algorithmus in Schritt (2)
80 79/ 393 Zusammenfassung Vorlesung 2 Von aussagelogischen Formeln bzw. Formelmengen kennen wir jetzt Eigenschaften: Erfüllbarkeit, Unerfüllbarkeit, Allgemeingültigkeit Beziehungen: Folgerung, Äquivalenz, Äquivalenzgesetze Spezielle Formen: KNF, DNF Eine spezielle Darstellung: Klauselform, für Formeln in KNF Eine Klasse von Formeln: Hornformeln = Formeln in KNF mit höchstens einem positiven Literal Einen Algorithmus: Zur Prüfung der (Un-)Erfüllbarkeit von Hornformeln
81 VORLESUNG 3 RESOLUTION Themen: Kalküle Resolutionskalkül der Aussagenlogik Korrektheit und Vollständigkeit der Resolution Verfeinerungen der Resolution 12. April / 393
82 Ein Exkurs über Kalküle 81/ 393
83 82/ 393 Warum ein Kalkül? Wesen eines Kalküls: syntaktische Manipulation (in unserem Fall die Manipulation von Formeln) Gegensatz dazu: semantische Interpretation Ein Kalkül soll ein semantisches Ziel erreichen Beispiel: Der Markierungsalgorithmus Formelteile werden mit versehen Erreicht wird eine Prüfung der Erfüllbarkeit
84 83/ 393 Korrektheit und Vollständigkeit eines Kalküls Definition: Ein Kalkül heißt korrekt, wenn jede syntaktische Manipulation das semantische Ziel erreicht vollständig, wenn jedes semantische Ziel durch eine syntaktische Manipulation erreicht wird Beispiel: Der Markierungsalgorithmus Korrektheit: Stoppt der Algorithmus mit erfüllbar, dann ist die eingegebene Hornformel erfüllbar Vollständigkeit: Ist die eingegebene Hornformel erfüllbar, dann stoppt der Algorithmus mit erfüllbar
85 84/ 393 Kalkül zur Axiomatisierung von = Ein solcher Kalkül besteht aus Regeln der Form R : Prämisse Konklusion Bed Prämisse Formeln, die schon vorhanden sind Bed Bedingung zur Anwendung der Regel R Konklusion Formeln, die neu hinzugefügt werden dürfen Eine Regel mit leerer Prämisse heißt Axiom
86 85/ 393 Drei Beispielregeln Modus Ponens Verum-Axiom Falsum-Regel F, (F G) G O F, ( F) Semantische Rechtfertigungen: Modus Ponens Verum-Axiom Falsum-Regel F, (F G) = G = F, ( F) =
87 86/ 393 Ableitung (Herleitung, Deduktion) in einem Kalkül Sei G = {G 1,..., G n } eine Formelmenge Eine Ableitung aus G in einem Kalkül K ist eine Folge von Formeln F 1,..., F m, so dass für alle j mit 1 j m gilt: entweder F j {G 1,..., G n } oder es gibt in K eine Regel der Form F j1,..., F jr F j mit j 1,..., j r < j F ist ableitbar aus G = {G 1,..., G n } in K, falls es eine Ableitung F 1,..., F m = F aus G gibt Wir schreiben dann G K F
88 87/ 393 Eine Ableitung mit Modus Ponens MP F, (F G) G Sei G = { p, (p q), (q r) }{{}}{{}}{{} G 1 G 2 G 3 } Behauptung: Die Formel F = r ist aus G durch MP ableitbar 1) F 1 = p, F 2 = (p q) und F 3 = (q r) sind aus G durch MP ableitbar (weil alle in G liegen) 2) F 4 = q ist aus F 1 und F 2 durch MP ableitbar 3) F 5 = r ist aus F 4 und F 3 durch MP ableitbar 4) F 5 = F und fertig Insgesamt {p, (p q), (q r)} MP r
89 88/ 393 Korrektheit und Vollständigkeit eines Kalküls für = Ein Kalkül K heißt korrekt für =, wenn jede ableitbare Formel eine logische Folgerung ist, d.h. falls G K F stets G = F impliziert Ein Kalkül K heißt vollständig für =, wenn jede logische Folgerung ableitbar ist, d.h. falls G = F stets G K F impliziert K ist also korrekt und vollständig für =, wenn = und K zusammenfallen Analog für andere Kalküle
90 89/ 393 Ist MP korrekt und vollständig für =? MP ist korrekt, weil G logisch aus {F, (F G)} folgt MP ist nicht vollständig, weil z.b. (p q) aus {p, q} logisch folgt, aber nicht abgeleitet werden kann Später: MP + gut gewählte Axiome sind vollständig
91 Resolutionskalkül der Aussagenlogik 90/ 393
92 91/ 393 Die Idee Eine Formel F liegt in KNF vor Resolution testet die Unerfüllbarkeit von F Wir wissen: G = H genau dann, wenn G H unerfüllbar So benutzen wir Resolution später als Kalkül für =
93 92/ 393 Resolvent Für ein Literal L sei L = p falls L = p und L = p falls L = p Definition: Seien K 1 und K 2 Klauseln R heißt Resolvent von K 1 und K 2, falls R = (K 1 \ {L}) (K 2 \ {L}) für ein Literal L mit L K 1 und L K 2 Sprechweise: R wird aus K 1, K 2 nach L resolviert K 1 K 2 Darstellung: R Falls K 1 = {p} und K 2 = { p}, entsteht R = {} {} ist äquivalent zur unerfüllbaren Formel {} wird (aus Tradition) mit dem Symbol bezeichnet
94 93/ 393 Beispiel F = ( p) (p q) (q p) F in Klauselform: { { p}, {p, q} }{{}}{{} K 1 K 2, {p, q} } }{{} K 3 R 1 = {q} kann aus K 1 und K 2 (nach p) resolviert werden R 2 = {p} kann aus K 2 und K 3 (nach q) resolviert werden R 3 = { q} kann aus K 1 und K 3 resolviert werden R 4 = {} = kann aus R 1 und R 3 resolviert werden
95 94/ 393 Das Resolutionslemma Lemma Sei F eine Formel in KNF, dargestellt als Klauselmenge und sei R ein Resolvent zweier Klauseln K 1 und K 2 in F Dann sind F und F {R} äquivalent Beweis Dies folgt aus der logischen Äquivalenz (G p) }{{} (G } p) {{} (G p) (G }{{} K 1 K 2 K 1 p) }{{} K 2 (G G ) }{{} R
96 95/ 393 Resolutionskalkül der Aussagenlogik Es gibt eine einzige Regel, die Resolutionsregel R Res F F {R} Bed Res mit Bed Res : F ist eine Formel in KNF, dargestellt als Klauselmenge und R ist ein Resolvent zweier Klauseln in F
97 96/ 393 Definition von Res (F ) Sei F eine Formel in KNF, dargestellt als Klauselmenge Res(F) = F {R R ist Resolvent zweier Klauseln in F} Res 0 (F) = F Res n+1 (F ) = Res(Res n (F)) für n 0 Res (F) = n 0 Resn (F) Res (F) ist die Menge aller Klauseln, die entweder schon in F sind oder sich durch fortgesetzte Resolution aus F-Klauseln ergeben
98 97/ 393 Beispiel F = ( p) (p q) (q p) F als Klauselmenge: { { p}, {p, q}, {p, q} } Res(F) = { { p}, {p, q}, {p, q}, {q}, { q}, {p} } Res (F) = { { p}, {p, q}, {p, q}, {q}, { q}, {p}, }
99 Größe von Res (F ) Angenommen, F enthält n atomare Formeln Dann gilt Res (F ) 4 n Warum? Eine atomare Formel kann in einer Klausel gar nicht, positiv, negativ, oder positiv und negativ vorkommen Also ist 4 n die Maximalzahl möglicher Klauseln 98/ 393
100 99/ 393 Resolutionsalgorithmus Idee: Gegeben F; berechne schrittweise Res (F) Eingabe: eine KNF-Formel F in Klauseldarstellung H := F; repeat G := H; H := Res(H); if H then gib unerfüllbar aus und stoppe fi until G = H; gib erfüllbar aus und stoppe Beispiel: F = ( p) (p q) (q p) 0. Schritt: F = H = {{ p}, {p, q}, {p, q}} 1. Schritt: H = {{ p}, {p, q}, {p, q}, {p}, {q}, { q}} 2. Schritt: H = {{ p}, {p, q}, {p, q}, {p}, {q}, { q}, } Ausgabe: unerfüllbar
101 Korrektheit und Vollständigkeit 100/ 393
102 101/ 393 Resolutionssatz der Aussagenlogik Satz Eine Klauselmenge F ist unerfüllbar Res (F) Der Satz zerfällt in zwei Teile: ( ) liefert die Korrektheit des Algorithmus Wenn in Res (F) liegt, dann ist F unerfüllbar ( ) liefert die Vollständigkeit des Algorithmus Wenn F unerfüllbar ist, dann liegt in Res (F)
103 102/ 393 Beweis der Korrektheit Satz (Korrektheit) Wenn in Res (F) liegt, dann ist F unerfüllbar Beweis: (a) Res (F) ist genau dann unerfüllbar, wenn F unerfüllbar ist (mehrfache Anwendung des Resolutionslemmas) (b) Wenn in Res (F) liegt, ist Res (F) unerfüllbar... (weil sogar schon unerfüllbar ist) (c)... und dann ist auch F unerfüllbar (wegen Zeile (a))
104 103/ 393 Beweis der Vollständigkeit (1) Satz (Vollständigkeit) Wenn F unerfüllbar ist, dann liegt in Res (F ) Beweis: Sei F unerfüllbar Plan: zeige durch Induktion über die Anzahl n der in F vorkommenden Variablen, dass Res (F ) Induktionsanfang n = 0 F hat keine Variablen: F = {} ist ausgeschlossen, da F unerfüllbar ist, also F = { } und somit auch Res (F ) Induktionsvoraussetzung Für jede Klauselmenge G, die n Variablen enthält, gilt: Ist G unerfüllbar, dann ist Res (G)
105 104/ 393 Beweis der Vollständigkeit (2) Induktionsschritt: F enthalte n + 1 Variablen p 1,..., p n+1 Wir konstruieren aus F zwei Formeln mit n Variablen: Idee: F 0 stammt aus F durch Belegen von p n+1 mit 0 F 1 stammt aus F durch Belegen von p n+1 mit 1 Def.: F 0 entsteht aus F durch Streichen aller Vorkommen von p n+1 sowie aller Klauseln, die p n+1 enthalten F 1 entsteht aus F durch Streichen aller Vorkommen von p n+1 sowie aller Klauseln, die p n+1 enthalten F 0 und F 1 sind beide unerfüllbar! Gäbe es nämlich eine erfüllende Belegung, ergäbe sich durch passende zusätzliche Belegung von p n+1 auch eine erfüllende Belegung der Formel F, im Widerspruch zur Annahme
106 105/ 393 Beweis der Vollständigkeit (3) Da sowohl F 0 als auch F 1 unerfüllbar sind und beide nur n Variablen benutzen, gilt laut Induktionsvoraussetzung Res (F 0 ) und Res (F 1 ) Bestimme in F 0 und F 1 die Ableitung von und führe diese auf den passenden Klauseln auch in F durch Sei m die Gesamtzahl der Schritte Falls Res m (F), dann ist der Beweis schon fertig Falls / Res m (F), dann liefern die Schritte in F 0, dass {p n+1 } Res m (F ) die Schritte in F 1, dass { p n+1 } Res m (F) Insgesamt gilt {p n+1 }, { p n+1 } Res m (F) und Resolution bezüglich {p n+1 }, { p n+1 } liefert R = Res m+1 (F)
107 106/ 393 Zum Beweis (Konstruktion von F 0 und F 1 ) Induktion über die Anzahl der atomaren Formeln Hier: Induktionsschritt mit p n+1 = p 4 F 0 belegt p 4 mit 0 und F 1 belegt p 4 mit 1 F = {{p 1 }, { p 2, p 4 }, { p 1, p 2, p 4 }, {p 3, p 4 }, { p 1, p 3, p 4 }} {{p 1 }, { p 2, p 4}, { p 1, p 2, p 4}, { p 3, p 4 }, { p 1, 3, 4 }} {{p 1 }, { p 2, p 4 }, { p 1, p 2, p 4 }, {p 3, p 4}, { p 1, p 3, p 4}} F 0 = {{p 1 }, { p 2 }, { p 1, p 2 }} F 1 = {{p 1 }, {p 3 }, { p 1, p 3 }}
108 107/ 393 Zum Beweis (Herleitung von ) F 0 F 1 { p 2, p 4 } { p 1, p 2, p 4 } {p 1 } {p 3, p 4 } { p 1, p 3, p 4 } { p 1, p 4 } { p 1, p 4 } {p 4 } { p 4 }
109 108/ 393 Anwendung: ein Folgerungsbeweis Wir wollen zeigen, dass gilt (p q) (p q) (q r p) r = ( p q) Das ist genau dann der Fall, wenn (p q) (p q) (q r p) r (p q) unerfüllbar ist... (wegen G = H genau dann, wenn G H unerfüllbar)... also genau dann, wenn aus { {p, q}, { p, q}, { q, r, p}, {r}, {p, q} } ein Widerspruch abgeleitet werden kann (wegen des Resolutionssatzes) (Es geht! Aber wie?)
110 109/ 393 Zum Beispiel so: {p, q} { p, q} { q, r, p} {r} {p, q} {q} { r, p} { p} { q}
111 Verfeinerungen der Resolution 110/ 393
112 111/ 393 Verfeinerungen der Resolution Im Resolutionsalgorithmus werden alle Formeln in gebildet Res 0 (F), Res 1 (F), Res 2 (F),... Es genügt oft, die Formeln einer Ableitung zu kennen Um die kombinatorische Vielfalt einzudämmen, untersucht man Einschränkungen bei der Verwendung von Klauseln Solche Einschränkungen führen stets zu korrekten, aber nicht immer zu vollständigen Algorithmen
113 112/ 393 Einheitsresolution Regel: Es wird nur dann ein Resolvent von zwei Klauseln K 1 und K 2 gebildet, wenn K 1 = 1 oder K 2 = 1 Die Einheitsresolution ist vollständig für Hornformeln, aber nicht im Allgemeinen
114 113/ 393 Gegenbeispiel: keine Einheitsresolution {p, q} {p, q} { p, q} { p, q} {p} {q} { p} Hier ist keine Einheitsresolution möglich
115 114/ 393 Positive / negative Resolution Definition: Eine Klausel heißt positiv, wenn sie nur positive Literale enthält negativ, wenn sie nur negative Literale enthält Regel für P-Resolution: Es wird nur dann ein Resolvent von zwei Klauseln K 1 und K 2 gebildet, wenn entweder K 1 oder K 2 positiv ist Regel für N-Resolution: Es wird nur dann ein Resolvent von zwei Klauseln K 1 und K 2 gebildet, wenn entweder K 1 oder K 2 negativ ist Die P-Resolution und die N-Resolution sind vollständig für alle Formeln in KNF
116 115/ 393 Eine positive, aber nicht negative Resolution {p, q} {p, q} { p, q} { p, q} {p} {q} { p}
117 116/ 393 Lineare Resolution Definition: Die leere Klausel ist aus einer Klauselmenge F, basierend auf K, linear resolvierbar, falls es eine Folge von Klauseln K 0,..., K m gibt mit: K 0 = K F für j = 1,..., m: K j ist aus K j 1 und B j resolvierbar wobei entweder B j F oder B j = K i mit i < j und K m = K 0 heißt Basisklausel und die B j heißen Seitenklauseln Die lineare Resolution ist vollständig (genauer: für jede unerfüllbare Klauselmenge gibt es eine Basisklausel, so dass daraus durch lineare Resolution hergeleitet werden kann)
118 117/ 393 Lineare Resolution (Gegenbeispiel) So nicht: {p, q} {p, q} { p, q} { p, q} {p} { p}
119 118/ 393 Lineare Resolution (Beispiel) So aber schon: {p, q} {p, q} { p, q} { p, q} {p} {q} { p}
120 119/ 393 Inputresolution Regel: Es wird nur dann ein Resolvent von zwei Klauseln K 1 und K 2 gebildet, wenn K 1 F oder K 2 F gilt (also wenn mindestens eine der beiden Klauseln aus der ursprünglich gegebenen Formelmenge F stammt) Die Inputresolution ist vollständig für Hornformeln, aber nicht im Allgemeinen Jede Inputresolution ist auch linear
121 120/ 393 Gegenbeispiel: keine Inputresolution {p, q} {p, q} { p, q} { p, q} {p} {q} { p}
122 121/ 393 LUSH-Resolution LUSH: Linear resolution with unrestricted selection for Horn clauses Regel: Die LUSH-Resolution ist eine (lineare) Inputresolution, die auf einer negativen Klausel basiert, so dass bei jedem Resolutionsschritt eine der Elternklauseln eine nicht-negative Inputklausel ist Die LUSH-Resolution ist vollständig für Hornformeln Kommt noch eine Selektionsfunktion hinzu, entsteht die praktisch wichtige SLD-Resolution Dies wird später, im Kapitel über Logikprogrammierung, erklärt
123 122/ 393 LUSH-Resolution (Beispiel) Hornformel F = ( p q) ( r p) ( r q) r { p, q} { r, p} { r, q} {r} { q, r} { r} Basisklausel (negativ): { p, q} Input-Seitenklauseln (nicht-negativ): { r, p}, { r, q}, {r}
124 123/ 393 VORLESUNG 4 GENTZEN- UND HILBERT-KALKÜLE Themen: Der Gentzen-Kalkül KAL Korrektheit und Vollständigkeit von KAL Ein Hilbert-Kalkül 19. April 2016
125 Axiomatisierung von = Bisher zwei (Un-)Erfüllbarkeitsalgorithmen: Markierungsalgorithmus (nur für Hornformeln) Resolution (für Formeln in KNF) Jetzt Algorithmen für die Folgerungsbeziehung P = G (P eine Menge von Formeln, G eine Formel) Im Prinzip geht das (für endliche P) mit Resolution, denn P = G genau dann, wenn ( F) G unerfüllbar F P Historisch: Frege, Russell, Hilbert, Gentzen,...: direkte Axiomatisierung von = (erfolgreich für Aussagenlogik) 124/ 393
126 Der Gentzen-Kalkül KAL 125/ 393
127 Kalkül KAL für natürliches Schließen Beweisregeln haben die Form: [B 1 ] [B n ] (R) F 1 F n G F 1,..., F n, G sind Formelschemata dafür können Formeln aus AForm eingesetzt werden B 1,..., B n sind Schemata für Formelmengen schreibe [F] für [{F}] und lasse [ ] weg Die F 1,..., F n heißen Prämissen von R G heißt die Konklusion oder Schlussfolgerung von R Die Mengen B 1,..., B n sind die Annahmen oder Hypothesen, die beseitigt werden 126/ 393
128 127/ 393 Aufbau von KAL Aussagenlogische Operatoren (z.b. ) werden von zwei Regeln kontrolliert: Introduktion gekennzeichnet mit I (z.b. ( I)) Elimination gekennzeichnet mit E (z.b. ( E)) Die Annahmenbeseitigung soll menschliches Schließen mit Hilfe von Hypothesen modellieren Deduktion: P KAL F bedeutet: die Formel F ist mit Hilfe von KAL aus der Formelmenge P herleitbar Spezialfall: wenn KAL F, ist F eine Tautologie
129 128/ 393 Der Kalkül KAL: Konjunktion ( I) Und-Introduktion: ( E) Und-Elimination: F G F G Semantische Idee: wenn P = F und P = G, dann P = F G F G F und F G G Semantische Idee: wenn P = F G, dann P = F und wenn P = F G, dann P = G
130 129/ 393 Der Kalkül KAL: Implikation ( I) Implikationsintroduktion: [F] G F G Semantische Idee: wenn P {F} = G, dann P = F G ( E) Implikationselimination (modus ponens): F F G G Semantische Idee: wenn P = F und P = F G, dann P = G
131 130/ 393 Ein Beispiel: {p (p q)} KAL q Schrittweise Ableitung: 1 {p (p q)} KAL p ( E) 2 {p (p q)} KAL (p q) ( E) 3 KAL q 1+2+( E) Zur Erinnerung: ( E): F G F und F G G ( E): F F G G Etwas mühsam, deshalb Baumdarstellung
132 131/ 393 Baum für eine Deduktion {p (p q)} KAL q p (p q) p (p q) ( E) ( E) p p q ( E) q ( E): F G F und F G G ( E): F F G G Blätter: Annahmen Andere Knoten: Regelanwendungen des Kalküls KAL Wurzel: F (hier q)
133 132/ 393 Baumdarstellung einer Deduktion P KAL F Blätter Annahmen Klammern [ und ] haben spezielle Bedeutung: Annahme [...] j : Annahme j, die später beseitigt wird Annahme ohne Hochindex: wird später nicht beseitigt Nicht beseitigte Annahmen gehören zu den Prämissen P Andere Knoten Regelanwendungen des Kalküls KAL Regelanwendung (... j ): hier wird die Annahme j beseitigt F steht ganz unten als Wurzel
134 133/ 393 Deduktion von KAL (p (p q)) q [p (p q)] 1 [p (p q)] 1 p ( E) ( E) p q ( E) q ( I 1 ) (p (p q)) q ( I): [F] G F G
135 134/ 393 Der Kalkül KAL: Disjunktion ( I) Oder-Introduktion: ( E) Oder-Elimination: F F G und G F G Semantische Idee: wenn P = F, dann P = F G und wenn P = G, dann P = F G [F] [G] F G H H H Semantische Idee: wenn P = F G und P {F} = H und P {G} = H, dann P = H
136 Deduktion von KAL p (q r) (p q) (p r) [p] 1 [p] 1 [q r] 2 [q r] 2 ( I) ( I) ( E) ( E) (p q) (p r) q r ( I) (p q) (p r) ( I) ( I) (p q) (p r) ( I) (p q) (p r) [p (q r)] 3 ( E) [F] [G] F G H H H ( E 1,2 ) (p q) (p r) ( I 3 ) p (q r) (p q) (p r) 135/ 393
137 136/ 393 Der Kalkül KAL: Äquivalenz ( I) Äquivalenzintroduktion: [F] [G] G F F G Semantische Idee: wenn P {F} = G und P {G} = F, dann P = F G ( E) Äquivalenzelimination: F F G G und G F G F Semantische Idee: wenn P = F und P = F G, dann P = G und wenn P = G und P = F G, dann P = F
138 137/ 393 Der Kalkül KAL: Negation ( I) Negationsintroduktion: ( E) Negationselimination: [F] F Semantische Idee: wenn P {F} =, dann P = F F F Semantische Idee: wenn P = F und P = F, dann P =
139 138/ 393 Deduktion von KAL (p ( p)) [p] 1 [ p] 2 ( E) ( I 2 ) ( p) ( I): [F] ( I): [F] G ( I 1 ) F F G p ( p)
140 139/ 393 Der Kalkül KAL: Falsum und Verum ( ) Falsum-Regel: G Semantische Idee: wenn P =, dann P = G für alle Formeln G (ex contradictio quodlibet) ( ) Verum-Axiom: V Semantische Idee: P = für alle Formelmengen P
141 140/ 393 Der Kalkül KAL: RAA (RAA) Reductio ad absurdum: [ F] F Semantische Idee: wenn P { F} =, dann P = F Die Regel (RAA) spielt eine Sonderrolle: ohne sie geht klassische Aussagenlogik in intuitionistische oder konstruktivistische über (wird hier nicht vertieft)
142 Deduktion des tertium non datur: KAL (p p) [p] 1 ( I) (p p) [ (p p)] 2 ( E) ( I): (RAA): [F] F [ F] F ( I 1 ) p ( I) (p p) [ (p p)] 2 ( E) Alle Annahmen beseitigt, also KAL (p p)! (p p) (RAA 2 ) 141/ 393
143 142/ 393 Korrektheit und Vollständigkeit von KAL
144 143/ 393 Formalisierung: KAL-Deduktion von F aus A Sei A AForm Induktionsanfang: Für F A ist F eine KAL-Deduktion aus A Induktionsvoraussetzung: Sei n 1 und sei F i eine KAL-Deduktion aus A i (für alle 1 i n) Induktionsschritt: Sei (R) die Regel [B 1 ] [B n ] (R) F 1 F n F Dann ist F eine KAL-Deduktion aus (A 1 \B 1 )... (A n \B n ) entstanden durch Anwendung von (R)
145 144/ 393 Beispiel Oder-Elimination ( E) (R) [B 1 ] [B n ] F 1 F n F wird zu ( E) [F ] [G] F G H H H n = 3 B 1 = B 2 = {F } B 3 = {G} F 1 = F G F 2 = H F 3 = H F = H
146 145/ 393 Beispieldeduktion {p (q r)} KAL (p q) (p r) Beweis durch Anwendung von Oder-Elimination [F ] [G] F G H H H entspr [B 1 = ] [B 2 ={F }] [B 3 ={G}] F 1 =F G F 2 =H F 3 =H F = H 1 A 1 ={p (q r)} KAL F G mit F =p, G=(q r) 2 A 2 ={p} KAL H mit H = (p q) (p r) 3 A 3 ={(q r)} KAL H mit H = (p q) (p r) Also ist F = H = (p q) (p r) KAL-Deduktion aus (A 1 \B 1 ) (A 2 \B 2 ) (A 3 \B 3 ) = {p (q r)} zuvor abgeleitet
147 146/ 393 Korrektheit und Vollständigkeit von KAL Definition: P KAL F genau dann, wenn es eine Annahmenmenge A P und eine KAL-Deduktion von F aus A gibt Präzisiert den bisher benutzten Begriff von KAL Korrektheit (ohne genauen Beweis): Falls P KAL F, dann P = F Vollständigkeit (ohne Beweis): Falls P = F, dann P KAL F Ohne (RAA) ist der Kalkül nicht vollständig
148 147/ 393 Korrektheit einer KAL-Regel Eine Regel [B 1 ] [B n ] (R) F 1 F n F heißt korrekt, wenn aus A 1 = F 1,..., A n = F n stets auch (A 1 \B 1 )... (A n \B n ) = F folgt Satz: Alle bislang betrachteten KAL-Regeln sind korrekt Daraus folgt die Korrektheit von KAL (vorige Folie) durch Induktion über die Struktur einer Ableitung
149 148/ 393 Wie zeigt man, dass eine Regel korrekt ist? Beweise die Korrektheit von ( E) [F] [G] F G H H H Seien die drei Prämissen bereits aus A 1, A 2, A 3 hergeleitet und es gelte A 1 = F G, A 2 = H, A 3 = H Falls A 1 = F, dann A 1 (A 2 \{F}) (A 3 \{G}) = A 2 = H Falls A 1 = G, dann A 1 (A 2 \{F}) (A 3 \{G}) = A 3 = H Weitere Fälle gibt es wegen A 1 = F G nicht Damit ist die Korrektheitsaussage bewiesen A 1 (A 2 \{F}) (A 3 \{G}) = H
150 149/ 393 Wie zeigt man, dass eine Regel inkorrekt ist? Eine falsche Regel (FAL) [F G] F G und eine damit mögliche Herleitung: 1 { q} KAL ( ), Verum-Introduktion 2 FAL q 1+(FAL) mit F = und G = q Wäre diese Herleitung korrekt, müsste = q gelten, d.h., q müsste eine Tautologie sein. Das ist nicht der Fall, wie eine Interpretation I mit I(q) = 0 zeigt
151 Ein Hilbert-Kalkül 150/ 393
152 151/ 393 Zum Vergleich: ein Hilbert-Kalkül Einzige Regel zur Bildung neuer Formeln: modus ponens Axiome mit und als Junktoren: A1: F (G F) A2: (F (G H)) ((F G) (F H)) A3: ( F G) (G F) A4: F (( F) G) A5: (( F) F ) F F, G, H sind Platzhalter für aussagenlogische Formeln Wir schreiben P H G, wenn es eine Herleitung von G aus der Formelmenge P in diesem Kalkül gibt Korrektheit und Vollständigkeit: P H G genau dann, wenn P = G Nur für Formeln mit Junktoren und
153 152/ 393 Beispiel einer Herleitung in H modus ponens F, (F G) G Wir zeigen folgendermaßen: {p q, q r} H p r 1 (q r) Voraussetzung 2 (q r) (p (q r)) A1 (F, G (q r), p) 3 p (q r) modus ponens 4 (p (q r)) ((p q) (p r)) A2 (F, G, H p, q, r) 5 (p q) (p r) modus ponens 6 (p q) Voraussetzung 7 (p r) modus ponens
154 153/ 393 VORLESUNG 5 PRÄDIKATENLOGIK 1 Themen: Syntax logische und nichtlogische Symbole, Signatur, Term, Formel Semantik Struktur, Datenbereich, Interpretation, Belegung, Modell 26. April 2016
155 154/ 393 Prädikatenlogik Gottlob Frege Begriffsschrift (1879) später Bertrand Russell, et al. Weit verbreitete Sprache zur formalen Beschreibung von (mathematischen) Sachverhalten Logische und nicht-logische (anwendungsabhängige) Symbole Terme beschreiben Werte in einem bestimmten Datenbereich Formeln stellen Aussagen über diese Werte dar... und sind letztlich entweder wahr (1) oder falsch (0) Alfred Tarski et al.: Genaue Trennung Syntax / Semantik
156 Prädikatenlogik (einführendes Beispiel 1) Mathematik Wertebereich (Grundbereich, Datenbereich, Domain, Universum): Menge R der reellen Zahlen Variablen (für beliebige reelle Zahlen): X, Y, Z,... Terme: zero, 1, 1 3, 7, 123, , 1 + X, Y 2, ggt (X, 42),... Achtung: zero ist nicht die 0, sondern benennt 0 aber erst dann, wenn wir es so festlegen genau genommen, dito mit den anderen Termen: 1 ist Zahlzeichen, + und ggt sind Funktionsymbole,... Formeln: 1 < 7 7 < (4 + 2) (zero < X) (X < 1) X Y (X < Y Z ((X < Z ) (Z < Y ))) X < Y Y < (Y + 1) p < (X, Y ) p < (Y, f + (Y, f 1 )) 155/ 393
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