5. Weitere wichtige Funktionsklassen
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- Christina Ulrike Baumgartner
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1 57 Mathematik für Biologen, Biotechnologen und Biochemiker 5 Weitere wichtige Funktionsklassen 5 Potenzfunktionen und doppelt-logarithmisches Papier Die Funktionen der Form f() = a b (mit reellen Zahlen a, b) nennt man Potenzfunktionen, sie sind auf {r R r } definiert (Sollte b eine natürliche Zahl sein, also b {,,, }, so ist b auch für negative Zahlen definiert; sonst aber nicht!) Hier einige Graphen, dabei ist jeweils a = Links oben die Funktionen b mit b =,,, (hier ist also b ), rechts oben b mit b =, (hier ist also < b ), Entsprechend folgen dann links unten die Funktionen b mit b =,, 5,, (hier ist also b < ), und rechts unten b mit b =,, 5 (hier ist also b ) b < b b <,,5 b 5 Wie man den Bildern ansieht, gibt es die folgenden wesentlich verschiedene Verhaltensweisen: Ist b > (die beiden oberen Bilder), so ist die Funktion f() = b monoton wachsend Für b < (die beiden unteren Bilder) ist die Funktion f() = b monoton fallend Bei den unteren Bildern kann man das Verhalten für verschiedene Werte von b gar nicht so einfach unterschieden (die Graphen links und rechts ähneln sich sehr) Bei den oberen Bildern dagegen unterschieden sich die linken Graphen gravierend von den rechten: Es gibt den Spezialfall b =, der sowohl links als auch rechts eingezeichnet ist; in diesem Fall ist der Graph eine Gerade Ist b > (die anderen Graphen im linken oberen Bild), so ist der Graph links-gekrümmt; ist < b < (rechtes oberes Bild), so ist der Graph rechts-gekrümmt
2 Leitfaden 58 Die Bedeutung einiger Potenzfunktionen Wichtig sind als allererstes die beiden Funktionen und, da sie das Anwachsen der Oberfläche bzw des Volumens eines Körpers bei maßstäblicher Vergrößerung beschreiben Zum Beispiel bei Kugeln: Der Radius der Kugel K sei doppelt so groß wie der der Kugel K Dann ist die Oberfläche von K viermal so groß wie die von K, und das Volumen von K ist achtmal so groß wie das von K Entsprechendes gilt ganz allgemein für beliebige Körper Würde ein Mensch maßstäblich um % wachsen, so nähme sein Hüftumfang ebenfalls um % zu, seine Hautoberfläche um %, sein Volumen und damit auch sein Gewicht um % (denn es ist (, ) =, und (, ) =, ) Das Verhältnis Volumen:Oberfläche spielt eine wichtige Rolle bei vielen Lebensfunktionen Zur graphischen Darstellung einer Potenzfunktion f() = a b (mit a > ) arbeitet man meist mit doppel-logarithmischem Papier Aus folgt f() = a b log f() = log a + b log, wir sehen also, daß der Logarithmus log f() linear vom Logarithmus log abhängt (die entsprechende lineare Funktion lautet z c+bz, mit c = log a; dabei ist natürlich z = log ) Auch umgekehrt gilt: Ist eine Funktion f() gegeben, deren Graph auf doppelt-logarithmischen Papier eine Gerade ist, so ist f() im wesentlichen eine Potenzfunktion der Form f() = a b mit a >
3 59 Mathematik für Biologen, Biotechnologen und Biochemiker Hier drei Potenzfunktionen, nämlich 5 und darunter die entsprechenden Geraden, die sich auf doppelt-logarithmischem Papier ergeben Lesehilfe für die doppel-logarithmischen Darstellungen: Um den Koeffizienten a zu bestimmen, suche man die vertikale Gerade mit z =, also mit = Im ersten Bild schneidet sie den Graphen an der Stelle ( 5); es ist also a = 5 Im mittleren Bild schneidet die vertikale Gerade = den Graph im Punkt ( ), also ist a = ; im rechten Bild erhält man entsprechend a = Entsprechend bestimmt man in den drei unteren Bildern jeweils die Steigung b der Geraden Natürlich kann man die entsprechenden Informationen auch an den ursprünglichen Graphen ablesen, die Bedeutung der doppelt-logarithmischen Darstellung liegt nicht darin, daß man die Parameter einfacher bestimmen kann, sondern daß man durch die Linearität des Graphen überhaupt feststellt, daß die gegebene Funktion eine Potenzfunktion ist!
4 Leitfaden 6 5 Weber-Fechner-Gesetz und Stevens sche Potenzfunktionen Ernst Heinrich Weber ( ) untersuchte um 85 die menschliche Reaktion auf äußere phsikalische Reize Zum Beispiel gab er Versuchspersonen Gegenstände mit ähnlichem Gewicht in die Hand und ließ prüfen, bei welcher Gewichtsdifferenz ein Unterschied festgestellt wird Es stellt sich heraus: Bei Gewichten g und,5 g wird üblicherweise kein Unterschied empfunden, bei Gewichten g und g dagegen schon; die Gewichtsdifferenz muß hier mindestens g betragen, um erkannt zu werden Betrachtet man nun die Gewichte 4 g und 4 g (hier also auch Gewichtsdifferenz g), so wird kein Unterschied empfunden, bei Gewichten 4 g und 4 g dagegen schon; hier muß die Gewichtsdifferenz g betragen, um wahrgenommen zu werden Beim Ausgangsgewicht 8 g muß die Gewichtsdifferenz sogar 4 g betragen, um wahrgenommen zu werden, usw Allgemein gilt: nicht die Gewichtsdifferenz ist entscheidend, sondern der jeweilige Prozentsatz: 5 % Gewichts-Abweichung sind wahrnehmbar, kleinere Abweichungen dagegen nicht Das Weber sche Gesetz lautet: Für jede Art von Sinneswahrnehmung eines äußeren Reizes gibt es eine Konstante q, so daß eine Erhöhung der phsikalischen Stärke des Reizes r erst ab einer Erhöhung um mindestens qr wahrgenommen wird Außerdem gibt es eine Mindestgröße r des Reizes, ab der überhaupt der Reiz wahrgenommen wird, man nennt dies die Wahrnehmungsschwelle Gustav Theodor Fechner (8-887) hat vorgeschlagen, aufbauend auf dem Weber schen Gesetz, den subjektiven Sinnesempfindungen eine quantitative Skala zuzuordnen: Man beginnt mit der Wahrnehmungsschwelle r und bildet eine Skala der Reize, die gerade noch als verschieden wahrgenommen werden; diese Skala ist von der Form r, ( + q)r, ( + q) r, ( + q) r, Nummeriert man diese Reize durch, so erhält man eine Skala der Reizstufen; die Zuordnung, die jedem Reiz seine Reizstufe zuordnet, ist dann die Umkehrfunktion von n ( + q) n r, also eine Funktion der Form ( ) g(r) = A logr + B, hier ist r der (phsikalisch gemessene) äußere Reiz, und A und B sind geeignete Konstanten Die Formel ( ) heißt Weber-Fechner-Formel Beweis: Die Formel r = (+q) n r beschreibt den (phsikalisch gemessenen) äußeren Reiz in Abhängigkeit von der Reizstufe Wir wollen dies nach n auflösen, um die Reizstufe n = n(r) als Funktion des gemessenen äußeren Reizes zu geschreiben Logarithmieren liefert also log r = n log( + q) + log r, n log( + q) = log r log r Wir teilen durch log( + q) und erhalten: n = log(+q) log r log r log(+q) mit A = log(+q) und B = log r log(+q) geschrieben) = A log r + B, (statt n = n(r) haben wir oben g(r)
5 6 Mathematik für Biologen, Biotechnologen und Biochemiker Die Weber-Fechner-Formel kann folgendermaßen gelesen werden: Die Stärke der Sinnesempfindung ist eine lineare Funktion vom Logarithmus der Stärke des phsikalischen Reizes Warnung Hier wird die Stärke der Sinnesempfindung als quantitative Größe definiert; dies ist durchaus eine willkürliche Setzung Kann eine Sinnesempfindung nicht objektiv gemessen werden, so liefert die Weber-Fechner-Formel sicher einen nützlichen Weg zu einer ersten Skalierung der Empfindung Manchmal gibt es aber Modellbildungen, die zu anderen (und besseren) Skalierungen führen; darüber wird noch zu reden sein Beispiel : Lautstärke Die phsikalische Intensität r = I eines Tons wird in Watt/m gemessen (also als Energie, die pro Zeiteinheit durch eine Flächeneinheit hindurchtritt) Die üblicherweise verwendete Definition der Lautstärke in Abhängigkeit von I ist L(I) = logi + [db] (als Einheit wird db = Dezibel verwendet, benannt nach AGBell, der von 847 bis 9 lebte); man nennt L(I) den Lautstärke-Pegel zur Intensität I Dabei ist r = I = Watt/m, dies ist die Intensität eines Tons, der vom Menschen gerade noch wahrgenommen wird, also eben die Wahrnehmungsschwelle (Dies alles hängt aber eigentlich auch noch von der Tonhöhe ab; betrachtet werden dabei Töne der Frequenz Hz) Hier der Graph der Zuordnung L(I), mit logarithmischer horizontaler Achse: L [db] I [W/m ] Hörbarkeitsgrenze Gespräche Orchester Donner
6 Leitfaden 6 Beispiel : Dosis-Antwort-Beziehung Es wird davon ausgegegangen, daß das Weber sche Gesetz nicht nur für Sinneswahrnehmungen, sondern auch für andere Körperreaktionen auf äußere Reize gilt Wird einem Lebewesen eine bestimmte Dosis eines chemischen Präparats gegeben (Medikament, Gift, Vitamin, Hormon, etc), so hängt die Reaktion nicht linear von der Höhe der Dosis ab: Erhöht man zb eine Dosis von mg auf 5 mg, so wird der Körper wahrscheinlich verschiedenartig reagieren Erhöht man dagegen eine Dosis von mg auf 5 mg, so wird sich die Reaktion des Körpers kaum ändern Auch hier gilt: Ausschlaggebend ist nicht die Differenz, sondern der prozentuale Zuwachs: Die Reaktion wird üblicherweise linear vom Logarithmus des Dosis abhängen In neuerer Zeit (um 95) hat SSStevens vorgeschlagen, die Stärke von Sinnesempfindungen wirklich eperimentell zu messen: zum Beispiel kann man die Empfindungsintensität durch ein Handdnamometer messen: Je stärker der Reiz, desto größer wird die auf das Dnamometer ausgeübte Kraft sein Die Abhängigkeit dieser (nun phsikalisch gemessenen) Empfindungsintensität E von der (ebenfalls phsikalisch gemessenen) Reizintensität r läßt sich recht gut durch Potenzfunktionen der Form E(r) = k(r r ) b (mit reellen Konstanten k, b) beschreiben; auf doppelt-logarithmischem Papier erhält man Geraden der Form Handkraft [kp] 5 Schmerz Gewicht b= Kälte Geräusch kh Ton weißes Licht relative Reizintensität Wie wir wissen, läßt sich der Eponent b an der jeweiligen Steigung dieser Geraden ablesen und üblicherweise erhält man Eponenten mit, 5 b, 5 (die Graphen sind dem Buch von Reißland entnommen) Zusammenfassung Es gibt manchmal sehr verschiedenartige Versuche, biologische Vorgänge durch mathematische Modelle zu beschreiben Hier sehen wir ein derartiges Beispiel: Einerseits gibt es die logarithmische Skala des Lautstärke-Pegels, andererseits die Stevens sche Potenzfunktion der Lautstärkeempfindung In derartigen Fällen ist es oft gar nicht einfach zu entscheiden, welches Modell besser ist Immerhin ist daran zu erinnern, daß viele biologische Meßwerte mit großen Fehlertoleranzen versehen sind; dies gilt insbesondere für Meßwerte, die Empfindungen betreffen
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