WERT UND WIRKLICHKEIT

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1 Franz von Kutschera WERT UND WIRKLICHKEIT mentis PADERBORN

2 Einbandabbildung: Blue Sunrise Jose Ignacio Soto (fotolia.com) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlorfrei gebleichtem und alterungsbeständigem Papier ISO mentis Verlag GmbH Schulze-Delitzsch-Straße 19, D Paderborn Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk sowie einzelne Teile desselben sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zulässigen Fällen ist ohne vorherige Zustimmung des Verlages nicht zulässig. Printed in Germany Einbandgestaltung: Anna Braungart, Tübingen Satz: Rhema Tim Doherty, Münster [ChH] ( Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten ISBN

3 Vorwort Das zentrale Thema dieses Buches ist der ontologische Status von Werten, die Frage, welche Art von Realität Werten zukommt. In dieser Frage stehen sich zwei Positionen gegenüber, Subjektivismus und Wertrealismus. Subjektivistische Theorien behaupten, alle Werttatsachen leiteten sich aus Interessen von Personen ab. Für Realisten gibt es hingegen, insbesondere auf moralischem und ästhetischem Gebiet, objektive Werttatsachen, die nicht von unseren Interessen abhängen. Für Realisten ist etwas nicht gut oder schön, weil wir daran Interesse haben, sondern wir haben daran Interesse, weil wir es als gut bzw. schön erkennen. Meist wird der Realismus in Form eines Objektivismus vertreten, nach dem Wertbegriffe und Werttatsachen Konstituenten der Außenwelt sind, ähnlich wie physikalische Eigenschaften und Tatsachen. Die Diskussion dieser Kontroverse steckt gegenwärtig in einem Dilemma, denn gegen beide Positionen gibt es stichhaltige Einwände. Heute ist zwar der Subjektivismus so etwas wie die offizielle Doktrin, während es nur wenige Wertrealisten gibt, sachlich ist das aber unbegründet, denn die Einwände gegen den Subjektivismus sind nicht schwächer als jene gegen den Objektivismus. Das primäre Ziel dieses Buches ist es, einen Weg zwischen Subjektivismus und Objektivismus zu finden, der zu einer befriedigenden Vorstellung vom ontologischen Status von Werten führt, vor allem von ihrem Verhältnis zu unseren Interessen. Die Bedeutung dieser Aufgabe ergibt sich daraus, dass es dabei auch um die Möglichkeit einer brauchbaren Ethik geht, die uns sagt, was wir tun sollen, nicht nur, was wir zur Verwirklichung unserer eigenen Interessen tun sollten, die aber auch begründet, warum wir Interesse haben müssen, zu tun, was wir tun sollen. Eine subjektivistische Ethik, die Sollen auf Wollen reduziert, kann keine Pflichten begründen, die unserem Belieben entzogen sind. Eine objektivistische Ethik andererseits, für die Werte und Pflichten grundsätzlich nichts mit Interessen zu tun haben, kann nicht begründen, warum wir uns moralisch verhalten sollten. Ihre Forderungen bleiben uns fremd,»heteronom«, wie Kant sagt. Im ersten Kapitel des Buches stelle ich das gegenwärtige Dilemma der Werttheorien dar und bestimme damit das Problem, das es zu lösen gilt. Im zweiten Kapitel entwickle und begründe ich dann ein Verständnis von Wertaussagen, das einerseits der Intention des Realismus folgt und an der Unabhängigkeit vieler Werttatsachen von unseren faktischen Interessen festhält, sich andererseits aber von der objektivistischen Vorstellung verabschiedet, Werttatsachen hätten überhaupt nichts mit unseren Interessen zu tun. Eine Aussage zum ontologischen Status von Werten erfordert auch Überlegungen, wie sich Werttatsachen bei dieser Deutung erkennen lassen. Daher gehe ich im dritten Kapitel auf erkenntnistheoretische Aspekte meiner Wertkonzeption ein. Jede Werttheorie

4 10 Vorwort führt endlich zur Frage nach dem Sitz der Werte in der Gesamtwirklichkeit, nach dem Zusammenhang zwischen Werttatsachen und wertfreien Tatsachen und nach dem Nutzen von Werterkenntnissen für unser Verständnis der Welt und unserer selbst. Davon handelt das vierte Kapitel. Herrn Dr. Michael Kienecker und seinem Verlag habe ich wiederum für eine vertrauensvolle und angenehme Zusammenarbeit zu danken.

5 1 Subjektivismus und Realismus In diesem ersten Kapitel will ich darlegen, dass Werttheorien vor der Wahl zwischen zwei Alternativen stehen, Subjektivismus und Realismus, die beide starken Einwänden begegnen. Diese Aporie bildet den Ausgangspunkt der Überlegungen im nächsten Kapitel. Daneben werden in diesem Kapitel die für diese Überlegungen notwendigen Begriffe erläutert. 1.1 Wertbegriffe 1 Was sind Werte? Werttheorien handeln von Werten. Redet man von»werten«, kann man jedoch kein gemeinsames Verständnis dieses Wortes voraussetzen. Wir müssen also zunächst klären, wie das Wort im Folgenden verwendet wird. Unter»Werten«versteht man sowohl Wertbegriffe wie ihre Instanzen. Man bezeichnet z. B. sowohl die Eigenschaft des Gutseins als auch die Gesamtheit der guten Gegenstände, also all das, was gut ist, als»das Gute«. Deswegen hat man behauptet, Werte seien so etwas wie platonische Ideen. Auch für Platon waren ja Ideen sowohl Eigenschaften wie Objekte. Die primäre Bedeutung von»wert«ist Wertbegriff. Wenn das Wort im Folgenden ohne Zusatz verwendet wird, ist es in diesem Sinn zu verstehen. Gerechtigkeit und Schönheit sind nichts anderes als die Eigenschaften des Gerechtseins und des Schönseins. Werteigenschaften haben sowohl Objekte wie Zustände und Sachverhalte. Die Eigenschaft, im moralischen Sinn gut zu sein, trifft z.b. auf Menschen zu, auf soziale Zustände und damit auf Eigenschaften, sowie auf Handlungen. Handlungen sind aber Ereignisse und diese sind spezielle Sachverhalte. 1 Von Begriffen sind ihre Instanzen zu unterscheiden, von der Schönheit also das, was schön ist, schöne Gestalten etwa oder Gemälde. Instanzen von Werteigenschaften bezeichne ich nicht als»werte«. Im Fall positiver Werteigenschaften spricht man hier besser von Gütern. Gesundheit ist gut, also ein Gut. Oft sagt man aber auch, sie sei ein hoher Wert. Endlich werden auch Sachverhalte des 1 Ich fasse hier die drei Grundkategorien Objekt, Attribut, Sachverhalt unter dem Titel»Gegenstand«zusammen, statt von»seienden«oder»entitäten«zu reden. Gegenstände sind im Folgenden also nicht nur Objekte. Zur Analyse von Ereignissen als Sachverhalten und von Zuständen als Eigenschaften vgl. Kutschera (1993c). Ich mache im Folgenden ferner keinen Unterschied zwischen Begriffen und Attributen. Vgl. dazu Kutschera (2009), 2.6.