Altlastenrecht. Dres. iur. Thomas Ender und Erich Rüegg Rechtsanwälte und Notare Altlastenrecht 1
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1 Altlastenrecht Dres. iur. Thomas Ender und Erich Rüegg Rechtsanwälte und Notare Altlastenrecht 1
2 Teil I: Grundzüge und Abgrenzungen Altlastenrecht 2
3 Belastete Standorte: Begriff Belastete Standorte: Orte, deren Belastung von Abfällen stammt und die eine beschränkte Ausdehnung aufweisen (Art. 2 Abs. 1 Altlastenverordnung) Belastete Standorte Ablagerungsstandorte Betriebsstandorte Unfallstandorte Altlastenrecht 3
4 Kataster der belasteten Standorte (KBS) I Erfassung der Standorte, bei denen feststeht oder mit grosser Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass sie belastet sind. Einteilung der belasteten Standorte in zwei Kategorien: Belastete Standorte Belastet, keine schädlichen oder lästigen Einwirkungen zu erwarten Belastet, untersuchungsbedürftig Altlastenrecht 4
5 Kataster der belasteten Standorte (KBS) II Die kantonalen KBS sind nicht für alle belasteten Standorte zuständig. Der Bund ist zuständig für Grundstücke: der SBB; der Flughäfen; der Autobahnen; der Armee Altlastenrecht 5
6 Ausschnitt aus KBS des Kantons Luzern Altlastenrecht 6
7 Online-Quellen sind hilfreich! Auszug aus dem KBS: Luftbild aus dem Jahre 1931 ( Bilder/aerial-photo.html ) Altlastenrecht 7
8 Ausschnitt aus dem KbS VBS Altlastenrecht 8
9 Belastete Standorte: Prozess bis zur altlastenrechtlichen Beurteilung überwachungsbedürftig untersuchungsbedürftig Voruntersuchung (historische und technische Untersuchung) sanierungsbedürftig (=Altlast) Detailuntersuchung (Ziele und Dringlichkeit der Sanierung) Belasteter Standort belastet, keine schädlichen oder lästigen Einwirkungen zu erwarten weder überwachungsnoch sanierungsbedürftig Altlastenrecht 9
10 Beispiel: Auszug aus dem online KBS des Kantons Zürich Altlastenrecht 10
11 Belastete Standorte: altlastenrechtliche Beurteilung: Schutzgüter Schutzgüter Grundwasser Oberirdische Gewässer Luft Boden Altlastenrecht 11
12 Repetition: altlastenrechtlichen Beurteilung 1. Schritt: Erhebung des KBS 2. Schritt: altlastenrechtliche Beurteilung Belastete Standorte Belasteter Standort Belastet, keine schädlichen oder lästigen Einwirkungen zu erwarten Belastet, untersuchungsbedürftig überwachungsbedürftig sanierungsbedürftig (=Altlast) weder überwachungsnoch sanierungsbedürftig Altlastenrecht 12
13 Bauliche Veränderung von belasteten Standorten (Art. 3 Altlastenverordnung) Belastete Standorte dürfen durch die Erstellung oder Änderung von Bauten und Anlagen nur verändert werden, wenn: sie nicht sanierungsbedürftig sind und es durch die baulichen Massnahmen auch nicht werden (sog. «Entsiegelung»); oder die spätere Sanierung durch die baulichen Massnahmen nicht wesentlich erschwert; oder sie mit dem Bauvorhaben gleichzeitig saniert werden Altlastenrecht 13
14 «Bauherren-Altlast» Terminologie falsch! Gemeint sind belastete Standort, die zwar nicht sanierungsbedürftig sind, aber im Rahmen eines Bauvorhabens zu Mehrkosten für die Entsorgung von kontaminiertem Aushubmaterial führen. Also eben gerade keine Altlast im technischen Sinn! Altlastenrecht 14
15 Gebäudeschadstoffe BGE 136 II : Beschwerdeführerin erwirbt Grundstück im Kanton Genf mit Gebäuden aus dem Jahre 1958; 2004: Renovationsarbeiten: Kosten der Asbestsanierung ca. 1 Mio.; 2006: Beschwerdeführerin verlangt eine Kostenverteilungsverfügung gemäss Art. 32d USG; 2007: Zuständige Behörde verweigert Kostenverteilungsverfügung; 2007: Rekurskommission (erste Instanz) weist Beschwerde ab; 2009: Verwaltungsgericht (zweite Instanz) heisst Beschwerde gut: Es hielt dabei fest, dass rückblickend betrachtet im Zeitpunkt des Baus des Gebäudes durch die Verwendung von Asbest Abfall eingebaut wurde. Dadurch sei das Grundstück zum belasteten Standort im Sinne des Gesetzes geworden. Gegen diesen Entscheid hat das Bundesamt für Umwelt beim Bundesgericht Beschwerde erhoben. 2009: Das Bundesgericht hat den zweitinstanzlichen Entscheid aufgehoben und den erstinstanzlichen Entscheid bestätigt Altlastenrecht 15
16 Gebäudeschadstoffe II Art. 7 Abs. 6 USG: «Abfälle sind bewegliche Sachen, deren sich der Inhaber entledigt oder deren Entsorgung im öffentlichen Interesse geboten ist.» Belastete Standorte sind (Art. 2 Abs. 1 lit. a c AltlV): Ablagerungsstandorte; Betriebsstandorte; Unfallstandorte. Gebäudeschadstoffe begründen keine belasteten Standorte. Das gilt insbesondere für Asbest. Keine Erfassung im Kataster der belasteten Standorte (KBS); Keine behördliche Kostenverteilungsverfügung («Der Staat kümmert sich nicht!») Altlastenrecht 16
17 Gebäudeschadstoffe III: Radon Altlastenrecht 17
18 Exkurs: Werkeigentümerhaftung und Asbest Werkeigentümerhaftung (Art. 58 OR): «Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines andern Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Unterhaltung verursachen.» Muss der Werkeigentümer ein Gebäude an veränderte Vorschriften anpassen oder geniessen sie «Bestandesschutz»? BGE 4A_521/2013; «Dass Sicherheitsstandards für ein Werk oder ein Produkt erhöht werden, bedeutet nicht zwingend, dass alle älteren Modelle, die den neuen Standard nicht erfüllen, umgehend modernisiert oder aus dem Verkehr gezogen werden müssten. Zu prüfen ist vielmehr unter Berücksichtigung der konkreten Umstände, ob die nicht dem neusten Standard entsprechende Werkausführung noch hinreichende Sicherheit bietet oder ob mit Blick auf die vom Werk ausgehende Gefahr der korrekte Unterhalt eine Anpassung an den neuen Standard gebietet.» Altlastenrecht 18
19 Warum ist die Terminologie wichtig? BGE 4C.301/2004 Folgende Vertragsbestimmung stand zur Debatte: «Kosten im Zusammenhang mit einer allfälligen Altlastensanierung gehen zu Lasten der Verkäuferin. Die Definition "Altlast" richtet sich dabei nach Bundesrecht und bezieht sich auf solche Lasten, die bei Vorhandensein eines Altlastenkatasters aufgenommen würden». Das Bundesgericht hielt fest: Umgangssprachlicher Begriff «Altlast» gilt nicht. Juristisch-technische Begriffe sind im juristischen Sinne zu verstehen. Das Urteil des Bundesgerichts wurde in der Lehre kritisiert. Zu Recht? Altlastenrecht 19
20 Vertragsklausel aus der Praxis (aus dem Jahr 2013) Altlastenrecht 20
21 Aber wie ist es hier? Aus einer öffentlichen Urkunde (2001): Altlastenrecht 21
22 Teil II: Kostenverteilung Altlastenrecht 22
23 Kostenverteilungsverfügung gemäss Art. 32d USG: Welche Kosten? Gegenstand der Kostenverteilung: Kosten für notwendige Massnahmen zur Untersuchung; Überwachung; oder Sanierung von belasteten Standorten. Keine Kostenverteilungsverfügung für sog. «Bauherren-Altlasten». Keine Kostenverteilungsverfügung für Gebäudeschadstoffe Altlastenrecht 23
24 Kostenverteilungsverfügung gemäss Art. 32d USG: Wer trägt die Kosten? Art. 32d USG: Der Verursacher trägt die Kosten. Art. 32d Abs. 2 USG: «Sind mehrere Verursacher beteiligt, so tragen sie die Kosten entsprechend ihren Anteilen an der Verursachung. In erster Linie trägt die Kosten, wer die Massnahmen durch sein Verhalten verursacht hat. Wer lediglich als Inhaber des Standortes beteiligt ist, trägt keine Kosten, wenn er bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt von der Belastung keine Kenntnis haben konnte.» Verursacher = Störer: Verhaltensstörer; Zustandsstörer. Die Kosten trägt in erster Linie der Verhaltensstörer. Der Zustandsstörer trägt keine Kosten, wenn er bei Anwendung der gewöhnlichen Sorgfalt von der Belastung keine Kenntnis haben konnte. Für den Sorgfaltsnachweis ist auf den Zeitpunkt des Grundstückerwerbs abzustellen (BGE 142 II 232). Faustregel: Verhaltensstörer: 90 % - 70 %; Zustandsstörer: 10 % - 30 % Altlastenrecht 24
25 Kostenverteilungsverfügung gemäss Art. 32d USG: Wer trägt die Kosten? (Fortsetzung) In BGE 139 II 106 präzisierte das Bundesgericht die vorerwähnte Faustregel: Der schuldlose Zustandsstörer trägt nur dann einen Anteil in der Höhe von % der Kosten, falls neben die blosse Eigentümerstellung besondere Umstände treten, z.b.: falls der Zustandsstörer durch die Belastung und/oder Sanierung einen nicht unwesentlichen wirtschaftlichen Vorteil erlangt hat. Das zuständige Gemeinwesen trägt den Kostenanteil der Störer, die nicht ermittelt werden können oder zahlungsunfähig sind. Dies gilt auch dann, wenn ein Verursacher zwar bekannt ist, aber unter Fehlen einer Rechtsnachfolge nicht mehr existiert (BGE 142 II 232). Realleistungspflicht. Kostenverteilungsverfügung Altlastenrecht 25
26 Haftung für «Bauherren-Altlasten» (Art. 32b bis USG) Ausgangslage: «Bauherren-Altlast». Der Inhaber einer «Bauherren-Altlast» kann in der Regel zwei Drittel der Mehrkosten für die Untersuchung und Entsorgung des verschmutzten Aushubmaterials geltend machen, falls: der in die Pflicht genommene Verhaltensstörer keine Entschädigung geleistet bzw. der Zustandsstörer keinen Preisnachlass gewährt hat; die Entfernung des kontaminierten Materials für die Baute notwendig ist; und der Inhaber der «Bauherren-Altlast» das Grundstück zwischen dem 01. Juli 1972 und dem 01. Juli 1997 erworben hat. Zivilrechtlicher Anspruch. Verwirkung: 01. November 2021 (Art. 32b bis Abs. 3 USG). Verjährung? Altlastenrecht 26
27 Teil III: Vertragsgestaltung bei Grundstückkaufverträgen Altlastenrecht 27
28 Freizeichnung für Sachmängel Boden- und/oder Gebäudekontaminationen bilden regelmässig einen Sachmangel. Freizeichnungsklausel (Wegbedingung der Gewährleistung): Standard-Freizeichnungsklausel der Zürcher-Notariate: «Jede Gewährspflicht (Haftung) der veräussernden Partei für Rechts- und Sachmängel am Vertragsobjekt im Sinne des OR wird aufgehoben, soweit in diesem Vertrag nichts anderes vereinbart ist. Die veräussernde Partei hat auch ausserhalb dieses Vertrages keine Zusicherungen für das Vertragsobjekt abgegeben. Die Parteien sind von der Urkundsperson über die Bedeutung dieser Freizeichnungsklausel orientiert worden. Insbesondere darüber, dass diese Vereinbarung ungültig ist, wenn die veräussernde Partei der erwerbenden Partei die Gewährsmängel absichtlich oder grobfahrlässig bzw. arglistig verschwiegen hat (Art. 100 Abs. 1, 192 Abs. 3 und 199 OR).» Altlastenrecht 28
29 Wirksamkeit von Freizeichnungsklauseln Keine Freizeichnung für Personenschäden (Art. 27 ZGB); Keine Freizeichnung für absichtlich verschwiegene Mängel (Art. 199 OR): Der Käufer kennt den Mangel nicht; Der Verkäufer kennt dagegen den Mangel; Die Verschweigung verstösst gegen Treu und Glauben. Einschneidende Folgen: Gewährleistungsausschluss gilt nicht; Keine Prüfungs- und Rügeobliegenheit; Verjährung 10 Jahre Altlastenrecht 29
30 Tragweite von Freizeichnungsklauseln gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung (Auswahl) Freizeichnungsklauseln dürfen nicht floskelhaft sein; sie müssen klar sein und sind im Zweifel eng auszulegen; Eine Freizeichnungsklausel umfasst nicht Mängel, die gänzlich ausserhalb dessen liegen, womit ein Käufer vernünftigerweise rechnen musste: Dass der Mangel unerwartet ist, genügt noch nicht; Konkretisierung: Abstellen auf den wirtschaftlichen Zweck: Wenn das Ausmass des Mangels den Kaufgegenstand für den vorgesehenen Zweck untauglich macht; Verwendete Gesetzesterminologie ist juristisch-technisch zu verstehen Altlastenrecht 30
31 Wie würden Sie entscheiden? Vertrag zwischen einem Bezirk und einer Genossenschaft, die öffentliche Zwecke erfüllt: Altlastenrecht 31
32 Freizeichnungsklauseln und Kontaminationsmängel Nach derzeit wohl herrschender Lehrmeinung umfassen allgemein gehaltene Freizeichnungsklauseln Kontaminationsmängel nicht, falls: Das Grundstück kein offensichtliches Kontaminationsrisiko aufweist; und Der Käufer in Immobilienfragen unerfahren ist. Muss man Einträge im KBS kennen? Freizeichnungsklauseln erfassen Ansprüche nach Art. 32b bis USG; Freizeichnungsklausel erfassen Kostenverteilungsansprüche gemäss Art. 32d USG nicht; Asbest: Auch hier gilt, dass für den unerfahrenen Immobilienkäufer Asbest- Kontaminationen regelmässig ausserhalb des vernünftigerweise Vorstellbaren liegen Altlastenrecht 32
33 Sicherstellungspflicht und Veräusserungsbewilligung nach Art. 32d bis USG Die Behörde kann vom Verhaltensverursacher einer Altlast (=sanierungsbedürftiger belasteter Standort) für seinen Kostenanteil Sicherheit verlangen. Zurückhaltende Anwendung; Z.B. bei einem Sanierungsunterbruch oder bei einer Langzeitsanierung. Die Veräusserung oder Teilung von Grundstücken, die im KBS eingetragen sind, ist bewilligungspflichtig. Die Bewilligung wird erteilt, falls: vom Standort keine schädlichen oder lästigen Einwirkungen zu erwarten sind; die Kostendeckung für die zu erwartenden Massnahmen sichergestellt ist; oder ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Veräusserung oder an der Teilung besteht Altlastenrecht 33
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