Staatssekretär Karl-Josef Laumann. Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung
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- Arthur Althaus
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1 Staatssekretär Karl-Josef Laumann Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung Hintergrundinformationen zur Pressekonferenz in der Geschäftsstelle des Patientenbeauftragten und Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung am 27. November 2014 I. Die flächendeckende hausärztliche Versorgung ist bedroht Wer krank ist, sucht in den meisten Fällen als erstes seine Hausärztin oder seinen Hausarzt auf. Sie sind unverzichtbare Lotsen in unserem oftmals komplizierten Gesundheitssystem. Eine gute und ortsnahe allgemeinmedizinische Versorgung ist ein wichtiger Grundpfeiler unseres Gesundheitssystems. Daher ist es äußerst besorgniserregend, dass die flächendeckende hausärztliche Versorgung in Deutschland bedroht ist. Gerade die ländlichen Regionen und einige Stadtteile stehen hier vor einer großen Herausforderung. Die Statistiken sprechen eine klare Sprache: Im Jahr 1995 sind bundesweit noch niedergelassene Allgemeinmediziner und praktische Ärzte in Deutschland tätig gewesen ist diese Zahl auf und zum Stichtag 31. Dezember 2013 weiter auf gesunken (Zahlen: Bundesärztekammer) Der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten sowie Bevollmächtigter für Pflege Postanschrift: Friedrichstraße 108, Berlin Hausanschrift: Mohrenstraße 62, Berlin Tel.: +49 (0) Fax: +49 (0) Karl-Josef.Laumann@bmg.bund.de
2 2 Nach Angaben der Bundesärztekammer lag im Jahr 2013 das Durchschnittsalter aller niedergelassenen Ärzte bei rund 53,1 Jahren aller in Deutschland berufstätigen Allgemeinmediziner sind demzufolge 65 Jahre oder älter gewesen also fast jeder zehnte. Etwa ein Drittel hat mindestens das 60. Lebensjahr erreicht. Laut der Kassenärztlichen Bundesvereinigung stehen derzeit Hausarztpraxen in Deutschland leer. Ein wesentlicher Grund hierfür ist, dass Deutschland derzeit zu wenige Mediziner ausbildet. Bestandene Prüfungen in der Humanmedizin (ohne Zahnmedizin) in Deutschland: Bundesland Baden-Württemberg Bayern Berlin Brandenburg Bremen Hamburg Hessen Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Saarland Sachsen Sachsen-Anhalt Schleswig-Holstein Thüringen Gesamt (Zahlen: Statistisches Bundesamt, Hinweis zu Brandenburg und Bremen: In beiden Bundesländern war es in dem betreffenden Zeitraum an keiner Hochschule möglich, Humanmedizin zu studieren. Am 28. Oktober 2014 ist in Brandenburg inzwischen die Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane (MHB) gegründet worden.) Absolvierten im Jahr 1993 noch rund Studierende erfolgreich ein Studium der Humanmedizin (ohne Zahnmedizin), waren es im Jahr 2012 nur noch Das war ein Minus von mehr als elf Prozent. Die prozentual höchsten Rückgänge waren
3 3 dabei im Saarland (minus 48 Prozent), in Nordrhein-Westfalen (minus 32 Prozent) und in Bayern (minus 28 Prozent) zu verzeichnen. Deutlich gesteigert hat sich dagegen die Zahl der Absolventen in den ostdeutschen Bundesländern Sachsen (plus 111 Prozent), Thüringen (plus 71 Prozent), Mecklenburg-Vorpommern (plus 45 Prozent) und Sachsen-Anhalt (plus 37 Prozent). Entwicklung der Zahl der Facharztanerkennungen Allgemeinmedizin / Innere und Allgemeinmedizin (Hausarzt): (Zahlen: Bundesärztekammer) Auch die Zahl der Facharztanerkennungen in den Bereichen Allgemeinmedizin sowie Innere und Allgemeinmedizin (Hausarzt) ist in der Tendenz rückläufig: Gab es 1993 noch Anerkennungen, waren es 2013 nur noch Zum Vergleich: Im selben Zeitraum ist die Zahl der Facharztanerkennungen ohne Allgemeinmedizin von auf gestiegen. Bei der Verteilung der Vertragsärzte hat sich das Verhältnis zwischen der hausärztlichen Versorgung (Allgemein-/Praktische Ärzte, Internisten und Kinderärzte) und der fachärztlichen Versorgung in den vergangenen rund 20 Jahren komplett umgedreht. Zu diesem Ergebnis kommt das in diesem Jahr veröffentlichte Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Demnach waren 1993 noch 59,7 Prozent der Vertragsärzte in der hausärztlichen Versorgung tätig sind es nur noch 45,9 Prozent gewesen. Anders herum ist der Anteil der fachärztlichen Versorgung von 40,3 auf 54,1 Prozent gestiegen.
4 4 Wie ernst die Situation der hausärztlichen Versorgung in einigen Regionen unseres Landes in Wahrheit heute schon ist, zeigen beispielsweise Statistiken des nordrheinwestfälischen Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter: Demnach droht in Nordrhein-Westfalen bereits jetzt in 92 Gemeinden eine Gefährdung der hausärztlichen Versorgung. In 48 weiteren Gemeinden erscheint eine solche Gefährdung zumindest auf mittlere Sicht möglich. Ein weiteres Problem sind in dem Zusammenhang auch die unterschiedlichen Vergütungen der Vertragsärzte in den jeweiligen Regionen: Es ist Aufgabe der jeweiligen Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen, hierüber die entsprechenden Vereinbarungen zu treffen. Ungerechtfertigte Unterschiede in den Vergütungen widersprechen dabei dem Grundsatz Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Gesamtvergütungen im Jahr 2012 je Versicherten: Kassenärztliche Vereinigung Gesamtvergütung Bremen 510,25 Berlin 497,51 Mecklenburg-Vorpommern 492,62 Bayern 480,32 Hamburg 479,87 Niedersachsen 479,12 Saarland 478,78 Hessen 462,62 Sachsen 462,61 Sachsen-Anhalt 459,33 Thüringen 459,28 Bundesdurchschnitt 458,71 Brandenburg 453,02 Nordrhein 448,71 Rheinland-Pfalz 448,59 Schleswig-Holstein 447,62 Westfalen-Lippe 428,71 Baden-Württemberg 428,24 (Zahlen: Kassenärztliche Bundesvereinigung)
5 5 II. Die Bundesregierung hat fast alle Niederlassungsschranken abgebaut Wenn wir nicht heute etwas gegen diese Entwicklungen unternehmen, wird sich die Situation weiter verschärfen. Die Politik hat die Verantwortung, die richtigen Rahmenbedingungen für eine gute und ortsnahe hausärztliche Versorgung zu setzen. Die Bundesregierung hat daher bereits in den vergangenen Jahren neue gesetzliche Grundlagen für die Bedarfsplanung und damit gelockerte Zulassungsregeln im hausärztlichen Bereich geschaffen. Fast sämtliche Schranken für die Niederlassung wurden beseitigt, fast alle möglichen Versorgungskonzepte können nun vor Ort umgesetzt werden: Hausärzte, die eine eigene Praxis betreiben, haben seit 2007 das Recht, weitere Zweigpraxen unabhängig von den Bezirksgrenzen der Kassenärztlichen Vereinigungen zu betreiben. Die Kommunen können seit 2012 eigene Einrichtungen zur unmittelbaren medizinischen Versorgung der Versicherten eröffnen und damit an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen können seit 2012 in überversorgten Gebieten frei werdende Vertragsarztsitze aufkaufen. Die hausärztlichen Leistungen, die in unterversorgten Regionen erbracht werden, sind seit 2012 von den Mengenbegrenzungen ausgenommen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen können seit 2012 Preiszuschläge für besonders förderungswürdige Leistungen oder Leistungserbringer vereinbaren. Den eingeschlagenen Weg der Sicherstellung der ambulanten flächendeckenden medizinischen Versorgung setzt die Bundesregierung auch in dieser Wahlperiode konsequent fort. Mit dem geplanten Versorgungsstärkungsgesetz werden die Handlungsspielräume der Selbstverwaltung noch einmal erweitert: Die unbegründeten Unterschiede in den Gesamtvergütungen zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen der Länder sollen abgebaut werden. Einige Regionen hatten hier viel zu lange das Nachsehen. Diese Ungerechtigkeit muss umgehend beendet werden, damit sich Ärzte auch dort wieder niederlassen (Änderung 87a SGB V).
6 6 Die von Fachärzten erbrachten hausärztlichen Leistungen sollen künftig nicht mehr den hausärztlichen Teil der Gesamtvergütung mindern (Änderung 87b SGB V). Die Zahl der geförderten Weiterbildungsplätze für Allgemeinmedizin soll bundesweit von derzeit auf Stellen erhöht werden (Änderung 75a SGB V). Die Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) sollen künftig auch arztgruppengleich tätig sein können. Zudem sollen auch Kommunen MVZ gründen können (Änderung 95 SGB V). Zur Stärkung der hausärztlichen Versorgung trägt auch bei, dass ab Januar 2015 bundesweit der Einsatz von nichtärztlichen Praxisassistenten in Hausarztpraxen gefördert wird. Dies soll vor allem denjenigen Hausarztpraxen zugute kommen, die viele Patienten betreuen und Unterstützung benötigen. Gerade in unterversorgten Regionen ist dies natürlich häufig der Fall. Die Kassenärztliche Bundesvereingung und der GKV-Spitzenverband haben sich dabei auf folgende Vergütung geeinigt: Eine Hausarztpraxis kann eine finanzielle Förderung von bis zu Euro im Quartal für einen nichtärztlichen Praxisassistenten erhalten, wenn die Praxis pro Hausarzt und pro Quartal im Schnitt insgesamt mindestens 860 Fälle hat oder mindestens 160 über 75-jährige Patienten behandelt. III. Die Selbstverwaltung und die Bundesländer müssen endlich ihre Verantwortung wahrnehmen Mit diesen und weiteren Maßnahmen nutzen wir alle Möglichkeiten, die in unserer Gestaltungskompetenz liegen, um die Situation sowohl kurzfristig als auch nachhaltig zu verbessern. Wir geben der Selbstverwaltung alle erdenklichen Gestaltungsräume an die Hand, um die hausärztliche Versorgung sicherzustellen. Einen flexibleren Instrumentenkasten haben Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen in der Geschichte der Bundesrepublik wohl noch nie zur Verfügung gehabt. Diese müssen davon allerdings auch Gebrauch machen. Und das ist bislang nicht ausreichend geschehen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen müssen ihren Sicherstellungsauftrag mit Kreativität und Engagement erfüllen. Ansonsten werden sie ihrer zentralen Aufgabe
7 7 nicht gerecht. Die Selbstverwaltung muss angehenden Medizinerinnen und Medizinern endlich mehr positive Anreize geben, Hausarzt zu werden und sich in unterversorgten Gebieten niederzulassen. Ob Zuschläge für Landarztpraxen oder die Gründung von Gemeinschaftspraxen oder Zentren mit familienfreundlichen Arbeitszeitmodellen: Die Liste des gesetzlich Möglichen ist lang. Sie muss allerdings mit Leben gefüllt werden. In der Pflicht stehen jedoch auch die Bundesländer, die in der Hochschulpolitik die Hauptverantwortung tragen. Gerade die westdeutschen Länder müssen die allgemeinmedizinische Ausbildung qualitativ und quantitativ besser fördern und ihr so ein stärkeres Gewicht geben. Die Allgemeinmedizin muss endlich aus ihrem Schattendasein herauskommen, das sie derzeit im inneruniversitären Wettbewerb der verschiedenen Ausbildungsschwerpunkte führt. Ansonsten ist die katastrophale Entwicklung nicht mehr aufzuhalten. Das Allgemeinmedizin-Studium braucht neue Impulse. Die organisatorischen und finanziellen Rahmenbedingungen müssen reformiert werden. Es braucht eine deutlich größere Anzahl der Studienplätze und die Auswahl der Studienplatzbewerber muss zielgerichteter erfolgen. Es braucht erheblich mehr eigene Lehrstühle für Allgemeinmedizin an den medizinischen Fakultäten. Eine gute Idee ist es zudem, eine Stipendienprogramm für diejenigen Studentinnen und Studenten zu schaffen, die sich bereit erklären und motiviert sind, sich später in unterversorgten Regionen niederzulassen.
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