Wirtschaftspolitik. Übung 4 - Medianwählermodell
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- Albert Gottlob Färber
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1 Dipl.-WiWi Kai Kohler Sommersemester 2006 Abteilung Wirtschaftspolitik Helmholtzstr. 20, Raum E 03 Tel UNIVERSITÄT CURANDO DOCENDO ULM SCIENDO Fakultät für Mathematik und Wirtschaftswissenschaften Universität Ulm Kai.Kohler@mathematik.uni-ulm.de Wirtschaftspolitik Übung 4 - Medianwählermodell 1 Annahmen 2 Anpassungsprozess 3 Ergebnis 4 Modifikationen und Ergänzungen Literatur: Fritsch Michael, Thomas Wein und Hans-Jürgen Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, Vahlen Verlag München, 6. Auflage 2005, Kapitel 14, 5. Auflage 2003, Kapitel 14, 4. Auflage 2001, Kapitel 14. Zur Vertiefung: Blankart, Charles B., Öffentliche Finanzen in der Demokratie, Vahlen Verlag München, 4. Auflage
2 1. Annahmen Voraussetzungen: Wähler entscheiden sich mit ihrer Stimme für das Parteiprogramm, das ihren Präferenzen am nächsten liegt. Wähler sind vollständig informiert und gehen wählen. Politiker sind Stimmenmaximierer. Die beiden betrachteten Parteien bieten öffentliche Güter zu identischen konstanten Stückkosten an. Es liegen eingipflige Präferenzordnungen vor: es gilt der Grundsatz der Transitivität, d.h. wenn B A und C B dann gilt auch C A. Beispiel: Fünf Wähler stimmen über die bereitzustellende Menge eines öffentlichen Gutes in fünf unterschiedlichen Mengen ab: Wähler 1: A B C D E Wähler 2: B C A D E Wähler 3: C D B E A Wähler 4: D C E B A Wähler 5: E D C B A 2
3 Abstimmungsverfahren: Abstimmung A oder B Wähler 1 stimmt für A Wähler 2,3,4,5 stimmen für B Alternative B gewinnt 4:1 gegen Alternative A Abstimmung B oder C Wähler 1,2 stimmen für B Wähler 3,4,5 stimmen für C Alternative C gewinnt 3:2 gegen Alternative B Abstimmung C oder D Wähler 1,2,3 stimmen für C Wähler 4,5 stimmen für D Alternative C gewinnt 3:2 gegen Alternative D Abstimmung C oder E Wähler 1,2,3,4 stimmen für C Wähler 5 stimmt für E Alternative C gewinnt 4:1 gegen Alternative E Kontrollabstimmung A oder C Wähler 1 stimmt für A Wähler 2,3,4,5 stimmen für C Alternative C gewinnt 4:1 gegen Alternative A Alternative C setzt sich in jedem Fall durch. 3
4 Präferenz höchste zweite mittlere Wähler 5 Wähler 4 vorletzte niedrigste Wähler 3 Wähler Wähler 2 1 A B C D E Alternativen Am Ergebnis ändert sich nichts, wenn die Wähler 2 und 4 ihre Zweitpräferenz ändern Wähler 2: B A C D E Wähler 4: D E C B A In diesem Fall gewinnt Alternative C die Abstimmungen A oder C bzw. C oder E nicht mehr mit 4:1, sondern mit 3:2, gewinnt aber in jedem Fall. Wähler 3 setzt seine höchste Präferenz durch, weil er in der Mitte ist (Medianwähler), nicht weil er stärker ist. 4
5 2. Anpassungsprozess Der Median ist die Position, bei der links oder auf dem Medianpunkt selbst mindestens 50 Prozent liegen und gleichzeitig rechts oder auf dem Medianpunkt selbst mindestens 50 Prozent liegen. 50 Prozent 50 Prozent Maximum Median Minimum Entsprechend den Annahmen bieten beide Parteien ein öffentliches Gut in unterschiedlichen Mengen an. Die Linkspartei bietet die Menge L, die Rechtspartei die Menge R an. Den Wählern wir dieses Angebot vor jeder Wahl durch die jeweiligen Wahlprogramme bekannt gegeben. Im Folgenden werden drei Wahlperioden betrachtet: 5
6 < 50 Prozent 1. Wahl > 50 Prozent L M Maximum Median Minimum R In diesem Beispiel gewinnt die Rechtspartei die Wahl. Vom Maximum bis zum Punkt L entscheiden sich Wähler für die Linkspartei, vom Punkt R bis zum Minimum für die Rechtspartei. Zwischen den Punkten L und R entscheiden sich Wähler für die Partei, die ihren Präferenzen am nächsten liegt. Punkt M liegt auf der Hälfte zwischen L und R. Vom Punkt L bis zum Punkt M wird die Linkspartei gewählt, vom Punkt M bis zum Punkt R wird die Rechtspartei gewählt. Insgesamt erhält die Linkspartei Stimmen vom Maximum bis zu M, die Rechtspartei Stimmen von M bis zum Minimum. Die Rechtspartei erhält mehr als 50 Prozent der Stimmen und gewinnt die Wahl. Der Medianwähler hat für die Rechtspartei gestimmt. Die Rechtspartei liegt mit ihrem Wahlprogramm näher an den Präferenzen des Medianwählers als die Linkspartei. 6
7 2. Wahl Für die nächste Wahl wird die Linkspartei ihre Strategie ändern, sie muss Wähler von der Rechtspartei gewinnen. Die Linkspartei ändert ihr Wahlprogramm und orientiert es mehr an den Präferenzen des Medianwählers. Graphisch bedeutet dies: > 50 Prozent L < 50 Prozent M R Maximum Median Minimum Bei dieser Folgewahl gewinnt die Linkspartei die Wahl. Insgesamt erhält die Linkspartei Stimmen vom Maximum bis zu M, die Rechtspartei Stimmen von M bis zum Minimum. Die Linkspartei erhält mehr als 50 Prozent der Stimmen, gewinnt die Wahl. Der Medianwähler hat für die Linkspartei gestimmt. Die Linkspartei liegt mit ihrem Wahlprogramm näher an den Präferenzen des Medianwählers. 7
8 3. Wahl Für die dritte Wahl wird die Rechtspartei ihre Strategie ändern. Sie orientiert ihr Wahlprogramm näher an den Präferenzen des Medianwählers. Graphisch ergibt sich folgendes Bild: < 50 Prozent LMR > 50 Prozent Maximum Median Minimum Bei der dritten Wahl gewinnt die Rechtspartei. Die Rechtspartei erhält mehr als 50 Prozent der Stimmen und gewinnt die Wahl. Der Medianwähler hat für die Rechtspartei gestimmt. Die Rechtspartei liegt mit ihrem Wahlprogramm näher an den Präferenzen des Medianwählers. 8
9 3. Ergebnis 50 Prozent R L 50 Prozent Maximum Median Minimum Bei zwei Parteien wird die Partei die Wahl gewinnen, die ihr Parteiprogramm an den Präferenzen des Medianwählers ausrichtet: beide Parteien haben identische Parteiprogramme. Der Zufall entscheidet, welche Partei die Wahl gewinnt. Wenn eine der beiden Parteien die Medianwählerposition verlässt, verliert sie sicher die nächste Wahl. Bei einem Nash-Gleichgewicht ist die bestmögliche Reaktion einer Partei auf die Strategie der anderen Partei bereits gefunden, eine Verbesserung nicht mehr möglich. Im Fall des Zweiparteiensystems liegt ein solches Nash-Gleichgewicht vor, wenn die Parteiprogramme beider Parteien den Präferenzen des Medianwählers entsprechen. Ein Dreiparteiensystem zeigt starke Tendenzen, sich zu einem Zweiparteiensystem zu entwickeln. 9
10 4. Modifikationen und Ergänzungen Entsprechen die Annahmen des Medianwählermodells der Realität? Eingipfligkeit der Präferenzen: Graphik zu einer möglichen Einordnung der Parteien im Deutschen Bundestag: PDS Grüne SPD FDP CDU/CSU Maximum Minimum Folgende Beispiele für Präferenzordnungen sind eingipflig und somit kein Problem für das Medianwählermodell: CDU/CSU FDP SPD Grüne PDS FDP CDU/CSU SPD Grüne PDS Folgende Beispiele für Präferenzordnungen sind mehrgipflig und verletzen die Voraussetzung für das Medianwählermodell: CDU/CSU SPD FDP Grüne PDS FDP Grüne PDS CDU/CSU SPD 10
11 Parteien haben loyale Wähler, die sich nicht durch geänderte Wahlprogramme davon abhalten lassen, ihre Lieblingspartei zu wählen. Informationsprobleme der Wähler: kennt Parteiprogramme nicht (komplett) kann nicht (richtig) beurteilen, ob Wahlversprechen eingelöst wurden Informationsbeschaffung verursacht Kosten Informationsprobleme der Parteien: Wer ist der Medianwähler? Was für Präferenzen hat der Medianwähler? Plötzliche größere Ideologiesprünge sind unglaubwürdig. Spender/Geldgeber erwarten Ausrichtung an ihren Interessen, nicht Ausrichtung an den Interessen des Medianwählers. Wahlbeteiligung liegt z.t. deutlich unter 100 Prozent. Warum gehen Individuen (nicht) wählen? Nutzen eines Individuums durch Stimmabgabe: N = P B K P : Wahrscheinlichkeit, durch die eigene Stimme die Wahl zu entscheiden 11
12 B: Positive Erträge, wenn die gewünschte Partei die Wahl gewinnt K: (Opportunitäts-)Kosten, die bei der Stimmabgabe anfallen Beispiel: Briefwahl in Florida: Die Wahrscheinlichkeit, mit seiner Stimme die Wahl zu entscheiden, betrage 0,01 Prozent. Der positive Ertrag pro Monat betrage 100 US-Dollar. Dies macht in 4 Jahren einen positiven Ertrag von US-Dollar. P B ergibt somit 0, Dollar = 0,48 US-Dollar Wenn die (Opportunitäts-)Kosten 5 US-Dollar betragen, geht ein Individuum nicht wählen. Bei den meisten Wahlen ist P kaum von Null verschieden, P B damit auch. Modifikation: N = P B K + D D: individuelles Demokratieverständnis Im Fall von mehr als zwei Parteien existieren andere Lösungsverfahren: Koalitionen Stimmentausch (Logrolling) bei mehreren abzustimmenden Problemen 12
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