Hat das Steuerrecht die Macht, den von der EU-Kommission vorgeschlagenen präventiven Restrukturierungsrahmen außer Kraft zu setzen?
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- Friederike Keller
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1 Hat das Steuerrecht die Macht, den von der EU-Kommission vorgeschlagenen präventiven Restrukturierungsrahmen außer Kraft zu setzen? Rechtsanwalt und Steuerberater Dr. Günter Kahlert, Hamburg Heidelberg, 20. Juni Deutscher Insolvenzrechtstag / Workshop V Der BFH
2 Agenda I. Drohende Insolvenz II. 1. Auslegung des Begriffs 2. Ertragswirksames Ausbuchen von Verbindlichkeiten? Aussetzung einzelner Durchsetzungsmaßnahmen 1. Auslegung des Begriffs 2. Ertragswirksames Ausbuchen von Verbindlichkeiten? 3. Steuerhaftung gemäß 69 AO? III. Literatur Zum Nachlesen: Kahlert, NZI-Beilage 2017, 52 2
3 I. Drohende Insolvenz (1/2) 1. Auslegung des Begriffs drohende Insolvenz Nach dem Vorschlag ist die drohende Insolvenz zwar Zugangsvoraussetzung für den präventiven Restrukturierungsrahmen. Der Begriff wird jedoch nicht definiert. Zum einen hat der Begriff den Zweck, den präventiven Restrukturierungsrahmen vom Insolvenzverfahren abzugrenzen. Zum anderen kommt ihm der Zweck zu, den Zeitpunkt zu bestimmen, in dem durch einen Restrukturierungsplan in das durch Art. 14 GG geschützte Forderungsrecht eines privaten Gläubigers eingegriffen werden darf. In der Literatur werden vor diesem Hintergrund verschiedene Ansätze diskutiert. M.E. sprechen, wie Thole ausgeführt hat, die besseren Gründe dafür, die drohende Insolvenz im Sinne einer drohenden Zahlungsunfähigkeit zu verstehen, ZIP 2017, 101, 102 ff. 3
4 I. Drohende Insolvenz (2/2) 2. Ertragswirksames Ausbuchen von Verbindlichkeiten? ( Nur ) Drohende Insolvenz Eine Verbindlichkeit hat der Schuldner nach dem BFH auch dann zu passivieren, wenn er zur Zahlung wegen Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit nicht in der Lage ist. Denn für den Schuldner stelle die Verbindlichkeit auch dann noch eine wirtschaftliche Belastung dar, weil er sie und sei es im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zu tilgen habe. So BFH, Urt. v I B 50/07, BFH/NV 2008, 616 Rz. 12; bestätigt u.a. durch BFH, Urt. v I R 25/15, DStR 2017, 925 im Zusammenhang mit einem Rangrücktritt. Ergebnis: M.E. kein ertragswirksames Ausbuchen von Verbindlichkeiten. ( Auch ) Rangrücktritt Die Voraussetzungen für den präventiven Restrukturierungsrahmen und für die vorinsolvenzliche Auszahlungssperre nach dem Rangrücktrittskonzept des BGH sind wegen der gemeinsamen Bezugnahme auf die drohende Insolvenz identisch. Nach dem BFH ist die Passivierung der Verbindlichkeit von der Spezifizierung des Rangrücktritts abhängig. Danach ist entscheidend, ob nach dem rechtlichen Gehalt der vereinbarten Durchsetzungssperre eine Tilgung der Verbindlichkeit aus Vermögenswerten vereinbart ist, die eine Passivierung in der Handelsbilanz nach handelsrechtlichen Grundsätzen oder in der Steuerbilanz nach 5 Abs. 2a EStG ausschließt, BFH, Urt. v I R 25/15, DStR 2017, 925. Siehe dazu Kahlert, WPg 2017, 602 und Schmidt, Der Konzern 2017, 86 jeweils m.w.n. Ergebnis: M.E. kein ertragswirksames Ausbuchen von Verbindlichkeiten. 4
5 II. Aussetzung einzelner Durchsetzungsmaßnahmen (1/4) 1. Auslegung des Begriffs Aussetzung einzelner Durchsetzungsmaßnahmen Aus der Definition der Aussetzung einzelner Durchsetzungsmaßnahmen in Art. 2 Nr. 4 des Vorschlags sowie der konkreten Regelungen in Art. 6 des Vorschlags folgt, dass der Gläubiger an der Durchsetzung seines Anspruchs nicht materiell-rechtlich, sondern nur prozessual gehindert ist. Die betroffene Forderung bleibt deshalb weiter fällig. Denn der Gläubiger verliert seinen Anspruch nicht, weil er an der Durchsetzung nur vorübergehend gehindert ist. Die Aussetzung einzelner Durchsetzungsmaßnahmen ist somit mit der Sicherungsmaßnahme im vorläufigen Insolvenzverfahren gemäß 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO vergleichbar. Danach kann das Gericht Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagen oder einstweilen einstellen, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind. So auch Thole, ZIP 2017, 101,
6 II. Aussetzung einzelner Durchsetzungsmaßnahmen (2/4) 2. Ertragswirksames Ausbuchen von Verbindlichkeiten? Weil die Forderung des Gläubigers mangels Verzichts materiell-rechtlich fortbesteht (siehe vorstehend unter II. 1.), die Durchsetzungssperre nichts daran ändert, dass der Gläubiger weiter zur Geltendmachung seiner materiell-rechtlich fortbestehenden Forderung entschlossen ist und keinerlei Beschränkung der Tilgung der Forderung aus bestimmten Vermögenswerten erfolgt, kommt nach der Rechtsprechung des BFH (siehe vorstehend unter I.2.) eine ertragswirksame Ausbuchung von Verbindlichkeiten nicht in Betracht. Das gilt wie vorstehend unter I.2. dargestellt auch dann, wenn zusätzlich ein Rangrücktritt nach dem Konzept des BGH vereinbart sein sollte. Ergebnis: M.E. kein ertragswirksames Ausbuchen von Verbindlichkeiten. 6
7 II. Aussetzung einzelner Durchsetzungsmaßnahmen (3/4) 3. Steuerhaftung gemäß 69 AO? (1/2) M.E. mit dem Fall vergleichbar, dass eine Aussetzung der Vollziehung (AdV)gewährt wird. Vergleichbar hat die AdV nach der h.m. zwar keinen Einfluss auf die Fälligkeit der Steuerforderung. Für die Dauer der AdV darf die Finanzbehörde vom Regelungsgehalt des Bescheides allerdings keinen Gebrauch machen, Boeker, in H/H/S, AO, 69, 04/2015, 69 Rz. 20a; Rüsken, in Klein, AO, 13. Aufl. 2016, 69 Rz. 20a. Deshalb wird für die AdV zu Recht allgemein die Meinung vertreten, dass, solange die Vollziehung des Bescheids ausgesetzt ist, der Vertreter, der aufgrund der Aussetzung die Steuer nicht bezahlt, seine Pflicht zur rechtzeitigen Entrichtung der Steuer nicht verletzt, vgl. die zuvor zitierte Literatur. Das Ergebnis wird m.e. dadurch bestätigt, dass der BFH dann, wenn im vorläufigen Insolvenzverfahren gemäß 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO die Zwangsvollstreckung untersagt ist, einen Antrag auf AdV mangels Rechtsschutzinteresse für unzulässig hält, wenn der Schuldner ausschließlich über bewegliches Vermögen verfügt. Der BFH hat dies damit begründet, dass das Finanzamt den Steueranspruch in diesem Fall bereits aufgrund des Zwangsvollstreckungsverbots nicht verwirklichen könne, BFH, Beschl. v V B 59/11, BFH/NV 2012, Aber I: Für die vergleichbare Situation in der vorläufigen Eigenverwaltung nehmen Finanzgerichte eine Steuerhaftung an, so FG Münster, Urt. v V 3973/16, juris, anders, wenn der vorläufige Sachwalter die nach dem Beschluss des Insolvenzgerichts erforderliche Zustimmung zur Steuerzahlung nicht erteilt, FG Münster, Beschl. v V 492/17 U, juris. 7
8 II. Aussetzung einzelner Durchsetzungsmaßnahmen (4/4) 3. Steuerhaftung gemäß 69 AO? (2/2) Aber II: Nach Ansicht Finanzverwaltung NRW Steuerhaftung des vorläufigen Sachwalters mit Kassenführungsbefugnis bei Nichtzahlung der Steuern, dagegen Kahlert, FS Pannen, 2017, 409. Aber III: Fraglich, ob den Geschäftsführer während der Aussetzung der Durchsetzung der Steuerforderung eine Mittelvorsorgepflicht trifft. Für den Fall, dass eine AdV gewährt worden ist, wird eine solche Mittelvorsorgepflicht in der Literatur bejaht, Boeker, in H/H/S, AO, 04/2015, 69 Rz. 28a; Rüsken, in Klein, AO, 13. Aufl. 2016, 69 Rz. 55. Aber IV: Fraglich, ob den Geschäftsführer vor dem präventiven Restrukturierungsverfahren eine Pflicht trifft, die spätere Zahlung der ausgesetzten Steuerforderung bei Fälligkeit sicherzustellen. So hat das FG Münster entschieden, den Geschäftsführer treffe bereits vor Insolvenzantragstellung die Pflicht, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Steuern zum späteren Fälligkeitstermin entrichtet werden, FG Münster, Urt. v K 2243/12 L, juris. Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde als unbegründet zurückgewiesen, BFH, Beschl. v VII B 80/16. Ergebnis: Steuerliche Haftungsrisiken könnten den Erfolg des präventiven Restrukturierungsrahmens in Frage stellen. 8
9 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
10 Kontaktdaten Dr. Günter Kahlert Rechtsanwalt, Steuerberater Hamburg Hamburg Amelungstraße Hamburg T / F / hamburg@fgs.de Bonn Friedrich-Ebert-Allee Bonn T / F / bonn@fgs.de Repräsentanz Zürich Bahnhofstraße 69a 8001 Zürich T / F / zuerich@fgs-zuerich.ch Berlin Unter den Linden Berlin T / F / berlin@fgs.de Frankfurt MesseTurm Friedrich-Ebert-Anlage Frankfurt a.m. T / F / frankfurt@fgs.de München Brienner Straße München T / F / muenchen@fgs.de Repräsentanz Wien Am Heumarkt Wien T +43 1/ F +43 1/ wien@fgs-wien.at 10
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