ARTEMIDOR DAS TRAUMBUCH

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1 ARTEMIDOR DAS TRAUMBUCH

2 DIE BIBLIOTHEK DER ALTEN WELT BEGRÜNDET VON KARL HOENN HERAUSGEGEBEN VON CARL ANDRESEN, OLOF GIGON, ERIK HORNUNG UND WALTER RÜEGG GRIECHISCHE REIHE ARTEMIDOR VON DAS TRAUMBUCH ÜBERSETZT, ERLÄUTERT UND MIT EINEM NACHWORT VON KARL BRACKERTZ ARTEMIS VERLAG ZÜRICH UND MÜNCHEN

3 3 INHALT Erstes Buch...4 Zweites Buch...40 Drittes Buch...77 Viertes Buch Fünftes Buch Nachwort Anmerkungen Zum Text Literatur Sachregister Namenregister Inhalt

4 4 ERSTES BUCH Artemidoros entbietet dem Cassius Maximus' seinen Gruß. Oft fühlte ich mich gedrängt, an die Abfassung des vorliegenden Werks zu gehen, doch zögerte ich immer, «nicht von Trägheit besiegt noch Unverstand des Geistes», wie der Dichter 2 sagt, sondern weil ich von der Großartigkeit der darin enthaltenen Erkenntnisse, besonders aber von der Fülle des Stoffes überwältigt war und die Kritik der Leute fürchtete, namentlich jener, die der festen Überzeugung sind, es gäbe weder eine Weissagekunst noch eine göttliche Vorsehung 3, und dementsprechend argumentieren, oder jener, die sich lediglich Übungsstoffe 4 und Themen für rhetorische Zwecke verschaffen wollen. Jetzt aber bewog mich die gegenwärtige Nachfrage, die sich wegen des Nutzens nicht nur für uns selbst, sondern auch für die kommenden Generationen als zwingend erweist, nicht länger abzuwarten und das Vorhaben aufzuschieben, sondern die Dinge, über die ich durch Erfahrung ein Urteil besitze, aufzuzeichnen. Ich werde damit, wie ich glaube, zweierlei erreichen; einerseits werde ich denen, die die Weissagekunst selbst und ihre Disziplinen 5 beseitigen wollen, ohne jede Polemik, aber mit einem Rüstzeug entgegentreten, das nicht gewöhnlicher Art ist, indem ich die Erfahrung ins Feld führe und das Zeugnis der Traumerfüllungen, das ausreichen dürfte, um aller Welt gegenüber standzuhalten. Andererseits werde ich denen, die zwar von der Weissage kunst Gebrauch machen, die aber, weil sie keinen zuverlässigen Leitfaden in die Hand bekommen haben, völlig ratlos und schon nahe daran sind, dieselbe zu verachten und ihr den Rücken zu kehren, eine heilsame Anleitung geben, die statt der bisherigen Ratlosigkeit Rettung verspricht. Fast alle meine nur wenig älteren Vorgänger 6 haben in ihrem Streben nach schriftstellerischem Ruhm und in der Meinung, sich einzig dadurch einen Namen zu machen, wenn sie Bücher über Traumdeutung hinterließen, voneinander abgeschrieben; dabei haben sie entweder die trefflichen Darlegungen der Alten verkehrt ausge legt oder zu deren knappen Ausführungen eine Menge unwahrer Zusätze gemacht; denn sie ließen sich nicht von der Erfahrung leiten, sondern schrieben aus dem Stegreif, so wie einem gerade der Sinn stand, und die einen bekamen die gesamt e Fachliteratur der Alten in die Hand, die anderen nur einen Bruchteil; denn einige Werke, die wegen ihres hohen Alters selten und verderbt sind, entgingen ihnen. Was meine anbetrifft, so gibt es kein Buch Traumdeutung, das ich nicht erworben hätte, weil ich in dieser Hinsicht von einem großen Ehrgeiz erfüllt bin. Außerdem habe ich viele Jahre hindurch mit Wahrsagern, Märkten ihre Kunst anbieten, verkehrt, obwohl sie verschrien sind und von den Herren mit den ehrwürdigen Mienen und den hochgezogenen Augenbrauen 7 Landstreicher, Schwindler und Bettelpack tituliert werden; ich gab aber nichts auf diese Verleumdung und unterzog mich in den Städten und auf den Festversammlungen Griechenlands, in Kleinasien, Italien und auf den größten und bevölkertsten Inseln der Mühe, alte Traumgesichte und ihre Ausgänge in Erfahrung zu bringen. Es war rein unmöglich, auf andere Weise Übung in dieser Kunst zu erwerben. Daher kommt es, daß ich aus dem vollen schöpfen und über jede einzelne Frage Auskunft geben kann und so, daß ich ohne unnützes Geschwätz die reine Wahrheit sage; zu allen Punkten, die ich vorbringe, werde ich einleuchtende und allgemeinverständliche Nachweise geben, in einfacher Form, von den Fällen abgesehen, wo etwas so klar ist, daß man eine Bemerkung darüber für überflüssig halten müßte. So sei nun mit der Aufgabe begonnen, soll die Vorrede doch nicht länger als nötig sein. Wozu noch jedes weitere Wort ohne die Tatsachen selbst, dir, einem so gewaltigen Redner gegenüber, wie noch keiner unter den Griechen aufgetreten ist, und der du so scharfsinnig bist, daß du den Sprecher nicht erst ausreden lassen mußt, sondern schon im voraus dessen Gedanken erfaßt, worauf er hinaus will? Zuerst ist es notwendig, über einige Grundbegriffe sachgemäß zu sprechen. Erstes Buch

5 5 1 Die Unterscheidung zwischen dem Traum (enhypnion) und dem Traumgesicht (oneiros) ist von grundlegender Wichtigkeit, und ich habe darüber auch in anderen Büchern geschrieben. (...) 8 Da dir aber dieses Werk ohne gedankliche Ordnung und gewissermaßen ohne rechten Anfang erscheinen müßte, halte ich es für angezeigt, mit denselben Fragen jetzt wieder zu beginnen. Das Traumgesicht unterscheidet sich vom Traum dadurch, daß jenes die Zukunft, dieser Zustände der Gegenwart enthüllt. Du kannst dir die Sache folgendermaßen begreiflich machen: Es gibt gewisse Affekte, die so geartet sind, daß sie im Schlaf wieder emporsteigen, sich der Seele wieder darbieten und Träume 9 hervorrufen. So träumt z.b. der Liebhaber zwangsläufig von einem Zusammensein mit seinem Lieblings knaben, der von Angst Geplagte vom Gegenstand seiner Angst, der Hungrige wieder vom Essen, der Durstige vom Trinken und einer, der sich den Magen überladen hat, vom Erbrechen oder Ersticken. Daraus kann man erkennen, daß Träume, deren Grundlage Affekte bilden, nichts über die Zukunft aussagen, sondern nur an Zustände der Gegenwart erinnern. Bei diesem Sachverhalt sind die einen Affekte offensichtlich rein körperlicher, die anderen seelischer, andere wiederum körperlicher und seelischer Natur, so wenn der Liebhaber davon träumt, mit seinem Lieblingsknaben zusammenzusein, der Kranke, behandelt zu werden und Ärzte zu konsultieren; das sind Vorgänge, an denen Körper und Seele beteiligt sind. Erbrechen und Schlafen aber, andererseits Trinken und Essen sind ebenso dem Körper wie Freude und Schmerz der Seele zugeordnet. Daraus erhellt, daß körperliche Zustände aus Mangel oder Übermaß, seelische aus Furcht oder Hoffnung geschaut werden. So viel sei über den Traum gesagt. Der Name selbst ist zutreffend, nicht weil jedermann im Schlaf nur Träume schauen würde - denn auch das Traumgesicht ist eine Leistung des Schlafs -, sondern insofern der Traum nur so lange wirksam ist, wie der Schlaf andauert, in dem Augenblick aber verschwindet, wo jener endet. Das Traumgesicht aber wirkt als Schlaferleben in der Weise, daß es die Aufmerksamkeit des Träumenden auf die Vorhersage der Zukunft lenkt; nach dem Schlaf aber erweckt und erregt 10 es seiner Natur gemäß die Seele, indem es zu aktivem Handeln antreibt; deshalb wurde ihm auch von Anfang an dieser Name gegeben, oder weil man es von den Bestandteilen on und eirein, das soviel wie legein bedeutet, ableitete"; heißt es doch bei dem Dichter: «Dieses verkünde ich untrüglich.» 12 Botschaft ging, wenn es einer verlangte» 14. Und die Bewohner von Ithaka nannten den Bettler Iros 13, «weil er gerne mit 2 Von den Traumgesichten sind ferner die einen theorematisch, die anderen allegorisch. Theorematisch heißen diejenigen, welche ihrem Erscheinungsbild vollkommen entsprechen. So trä umte z.b. jemand, der auf See war, er erleide Schiffbruch, und tatsächlich geriet er in diese schlimme Lage. Denn als er aus dem Schlaf erwachte, sank das Schiff und ging unter, er selbst aber wurde nur mit Mühe und Not mit wenigen Begleitern gerettet. Ein anderer wiederum träumte, er sei von einem Mann, mit dem er für den folgenden Tag eine Jagdpartie verabredet hatte, verwundet worden. Tatsächlich wurde er bei diesem Zusammentreffen von jenem an der Schulter verletzt, genau dort, wo es ihm auch im Traum erschienen war. Einem dritten träumte, er nehme von einem Freund Geld entgegen, und am Morgen darauf übernahm er von jenem einen Betrag von zehn Minen 15 zu treuen Händen. Noch viele ähnliche Beispiele ließen sich anführen. Allegorisch sind diejenigen Traumgesichte, die ein Ding durch ein anderes anzeigen, wobei die Seele auf natürliche Weise in ihnen mit verhüllten Anspielungen spricht. Nun halte ich es für notwendig, so gut ich es kann, über die Ursache zu sprechen, warum man die Traumge sichte so schaut, warum sie so ausgehen, und auch die wahre Bedeutung des Namens anzugeben. Zuerst will ich eine allgemeine Begriffsbestimmung des Traumgesichtes geben, wobei ich keine lange Rede zu machen brauche, ausgenommen, ich hätte es mit Leuten zu tun, die gerne in Worten streiten. Das Traumgesicht ist eine Bewegung oder ein vielgestaltiges Bilden der Seele, das das bevorstehende Gute oder Böse anzeigt. Unter dieser Voraussetzung prophezeit die Seele alles, was sich im Lauf der Zeit über kurz oder lang ereignen wird, durch eigene natürliche Bilder, die auch Grundformen genannt werden, weil sie glaubt, wir vermöchten in der Erstes Buch

6 6 Zwischenzeit mit Hilfe vernünftigen Denkens die Zukunft erkennen. Aber wenn Geschehnisse keinen Aufschub leiden, weil die Seite, wer immer sie ist, die uns zum Nachdenken über sie anleitet, keine Verzögerung zuläßt, dann zeigt uns die Seele die Dinge unmittelbar so, wie sie wirklich sind; denn die Voraussagung, so glaubt sie, nütze uns nichts, wenn wir die Dinge nicht eher begreifen, als bis wir durch die Erfahrung klug geworden sind; und so wartet sie nicht erst auf Aufklärung von außen, die uns die Zeichen deutet, sondern ruft gewissermaßen einem jeden von uns zu: «Schau dies und laß dich von mir belehren, so gut du kannst!» Und daß dem tatsächlich so ist, werden alle bestätigen. Denn nie wird jemand behaupten wollen, daß solche Dinge nicht unmittelbar nach dem Traumgesicht oder bald danach in Erfüllung gehen; verwirklicht sich ja einiges davon sozusagen im Augenblick, während das Traumgesicht noch gegenwärtig ist. Daher bekamen sie sehr zutreffend ihren Namen, weil Schau und Erfüllung fast gleichzeitig erfolgen. In dieselbe Kategorie wie der Traum, der für die Voraussage der Zukunft bedeutungslos ist, gehört das Phantasma 16, über das unter vielen anderen Artemon von Milet und Phoibos von Antiocheia 17 gehandelt haben; in die Kategorie des Traumgesichts gehören die Vision und das Orakel. Ich habe mit Absicht darauf verzichtet, eine schärfere Unterscheidung dieser Phänomene zu geben; denn wem ihre Bedeutung nicht klar ist, der ist meines Erachtens auch nicht imstande, den Gedankengängen eines Erklärers zu folgen. Innerhalb der allegorischen Traumgesichte unterscheiden einige fünf Klassen. Erste Klasse: Die persönlichen Traumgesichte, in denen man sich selbst handelnd oder leidend wähnt; sie gehen einzig und allein für den Träumenden in Erfüllung, gleichviel ob sie Gutes oder Schlechtes bedeuten. Zweite Klasse: Die fremden Traumgesichte, in denen man einen anderen tätig oder leidend schaut; sie erfüllen sich nur für den Betreffenden, gleichviel ob sie Gutes oder Schlechtes bedeuten, vorausge setzt, man kennt denselben und es besteht ein gewisser Grad von näherer Beziehung. Dritte Klasse: Die gemeinsamen Traumgesichte bedeuten, wie schon der Name besagt, die Handlungen, die wir gemeinsam mit irgendeinem Bekannten zu verrichten glauben. Diejenigen Traumgesichte, die sich auf Häfen, Mauern, Marktplätze, Gymnasien und öffentliche Bauten der Stadt beziehen, nennt man die politischen; sie gehören in die vierte Klasse. Fünfte Klasse: Das Verschwinden oder die vollständige Finsternis von Sonne, Mond und den übrigen Gestirnen sowie außergewöhnliche Umwälzungen von Land und Meer sind Vorboten kosmischer Veränderungen und heißen deshalb zutreffend kosmische Traumge sichte. (...) Diese allgemeine Einteilung ist aber nicht schlechthin verbindlich, weil persönliche Traumgesichte durchaus nicht immer nur für die Träumenden in Erfüllung gehen, und es Fälle gibt, wo etliche schon für die nächsten Ange hörigen einen Ausgang nahmen. So träumte z.b. jemand, er sterbe. Es geschah aber, daß sein Vater starb, der an Körper wie an Geist gewissermaßen sein anderes Ich war. Einem anderen träumte, er wäre geköpft worden. Auch hier trat der Fall ein, daß der Vater starb, der, wie der Kopf für den gesamten Körper, der Urheber seines Lebens und Webens war. So bedeutet z.b. der Traum, erblindet zu sein, nicht dem Träumenden selbst, sondern seinen Kindern den Tod, und noch viele andere Beispiele dieser Art könnte man anführen. Auch die fremden Traumgesichte erfüllen sich, wie jeder feststellen wird, der aus der Erfahrung lernt, gelegentlich für die Träumenden selbst. So träumte z.b. einer, er sehe seinen Vater in den Flammen umkommen. Nun geschah es, daß der Träumende selbst starb, so daß sein Vater, aus Gram darüber und vom Schmerz wie vom Feuer sozusagen verzehrt, den Tod erlitt. Ein anderer wiederum träumte, seine Geliebte sei gestorben. Bald darauf schied er selbst aus dem Leben, seines angenehmsten Verkehrs beraubt. Ebenso verhält es sich, wenn man träumt, die Mutter oder Gattin seien krank, was schmale und unregelmäßige Einkünfte im Berufsleben anzeigt. In der Tat ist diese Auslegung keineswegs ungereimt, vielmehr stimmen alle darin überein, daß der Beruf der Mutter gleicht, weil er ernährt, der Gattin, weil er das Persönlichste ist, was der Mann sein eigen nennt. Ferner bringt es Kummer, wenn man seine Freunde betrübt sieht, Freude dagegen, wenn sie heiter sind. Nach demselben Grundsatz kann man auch die gemeinsamen Traumgesichte untersuchen, von denen schon etliche entgegen ihrer Wesensbestimmung nur für den Träumenden in Erfüllung gingen. Indes sen hat doch obige Einteilung, Erstes Buch

7 7 wie die Alten sie vorgenommen haben, im großen und ganzen ihre Gültigkeit. Die zuletzt angeführten Fälle kommen zwar selten, aber doch dann und wann, wie bemerkt, vor und können selbst Fachleute in Verlegenheit bringen. Hier ist folgende Unterscheidung zu beachten: pie persönlichen Traumgesichte, die sich nicht auf die nächsten Verwandten beziehen, einzig im Träumenden Mittelpunkt und Ziel haben, nicht für andere und um anderer willen wirken, diese nehmen nur für den Träumenden selbst einen Ausgang, z.b. sprechen, singen, tanzen; ferner boxen, wettkämpfen, sich erhängen, sterben, gekreuzigt werden, schwimmen, einen Schatz finden 18, sich den Freuden der Liebe hingeben, erbrechen, Notdurft verrichten, schlafen, lachen, weinen, mit den Göttern sprechen und ähnliches. Alles aber, was den Körper oder einen Körperteil und die Dinge um uns herum betrifft, z.b. Ruhelager, Truhen, Kästen oder sonstiger Hausrat, Kleidungsstücke und ähnliches, geht gewöhnlich, obwohl es rein persönliche Dinge sind, infolge der Gemeinsamkeit der Bedürfnisse oft für unsere Angehörigen in Erfüllung. So weist der Kopf auf den Vater hin, der Fuß auf den Sklaven, die rechte Hand auf den Vater, den Sohn, den Freund und den Bruder, die linke auf die Gattin, die Mutter, die Freundin, die Tochter und die Schwester, das Geschlechts glied auf die Eltern, die Gattin, die Kinder, das Schienbein auf die Gattin und die Freundin. Was die übrigen Dinge angeht, so hat man, kurz gesagt, jedes einzelne auf diese Weise aufzufassen. Alle gemeinsamen und fremden Traumgesichte, die für uns und um unsertwillen entstehen, muß man als Gesichte beurteilen, die uns persönlich betreffen; diejenigen aber, welche nicht für uns oder um unsertwillen entstehen, gehen für andere in Er füllung. Sind letztere Freunde und ist das Bezeichnete etwas Gutes, bringt es ihnen und zum Teil auch uns Freude und Vergnügen. Ist es etwas Schlimmes, trifft es die Freunde, uns aber erwächst Kummer, doch nicht wegen ihres Mißgeschicks, sondern ein rein persönlicher. Sind es Feinde, so muß man auf das Gegenteil von dem Gesagten schließen.und dann habe ich über die politischen und kosmischen Traumgesichte folgendes zu sagen: Worüber sich einer keine Gedanken gemacht hat, darüber wird er auch kein Traumgesicht haben, da ja schon etliche Leute selbst über persönliche Dinge, wenn sie nicht darüber nachge dacht haben, kein Gesicht geschaut haben. Daß aber ein Mensch aus kleinen Verhältnissen über seine Fähigkeiten hinaus ein Gesicht über große Staatsaktionen erhält, ist unmöglich. Denn es ist gegen die Vernunft, weil diese Traumgesichte persönlicher Natur sind und sich nur für die Träumenden erfüllen, ausgenommen, es schaute sie ein Herrscher, ein hoher Beamter oder einer von den Mächtigen 19. Denn diese tragen Sorge für das Gemeinwesen und können auch im Gegensatz zu einfachen Bürgern, die nur wenig Verantwortung haben, in ihrer Eigenschaft als Gebieter und als Männer, die sich im Interesse des Allgemeinwohls mit öffentlichen Angelegenheiten beschäftigen, ein derartiges Traumgesicht erwarten. Derselben Ansicht über sie ist auch der Dichter; äußern sich doch die Greise in der Ratsversammlung über das Traumgesicht des Agamemnon folgendermaßen: von solchem Traum ein anderer Mann uns erzählet, Lug wohl nennten wir ihn und wendeten uns mit Verachtung. Doch ihn sah, der den ersten vor allem Volk sich rühmet.» 20 will sagen: Brächte ein einfacher achaiischer Krieger das Traumgesicht würden wir ihn gewiß nicht für einen Lügner halten, wohl aber glauben, das Traumgesicht sei ein Trug und werde sich für uns nicht erfüllen. Deshalb würden wir es nicht weiter beachten. Jetzt aber müsse es unter allen Umständen für uns in Erfüllung gehen, da es ja der König geschaut hat. Nun hört man den Einwand, es hätten schon etliche einfache und arme Leute aus dem Volk politische Traumgesichte gehabt, sie öffentlich bekanntgemacht oder aufgezeichnet und verbreitet, und man habe ihnen Glauben geschenkt, weil die Ausgänge den Traumgesichten entsprachen. Indessen blieb ihnen selbst der wahre Grund davon verborgen. Denn noch nie hat sich ein Traumgesicht für das Gemeinwesen erfüllt, wenn es nur ein einzelner Bürger schaute, sondern wenn es viele über ein und dieselbe Sache hatten, wobei die einen es öffentlich, die anderen im privaten Kreis bekanntmachten. Somit ist es nicht ein einzelner Bürger, der davon träumte, sondern das Volk, das in keiner Weise an Bedeutung einem hohen Beamten mit militärischer oder ziviler Gewalt nachsteht. Wenn irgend et was Gemeinnütziges dem Staat bevorsteht, so bekommt man unzählige Traumgesichte zu hören, die alle durch eine andere Erstes Buch

8 8 und verschiedene Schau die Zukunft voraussagen. Ebenso verhält es sich, wenn ein Unheil sich ankündet; träumen nicht viele davon, sondern nur ein einzelner, braucht derselbe die Traumerfüllung nicht auf sich allein zu beziehen, ausgenommen, er sei Träger eines hohen militärischen oder zivilen Amtes, ein Priester oder Weissager des Gemeinwesens. Derselben Meinung sind Nikostratos von Ephesos und Panyasis von Halikarnassos 21, Männer, die allseits bekannt und berühmt sind. 3 Ferner erklären die Sachkenner, daß man alles günstig beurteilen muß, was im Einklang mit Natur, Gesetz, Sitte, Kunst, Namen und Zeit ist 22 ; dabei haben sie jedoch nicht bedacht, daß Traumgesichte, die der Natur entsprechen, für die Träumenden schwerere Folgen haben als die, welche nicht der Natur gemäß sind, wenn sie durch die zugrundeliegenden Tatbestände sich als nicht günstig erweisen. So ist für die Reichen (...) z3 nicht günstig und für die in Heimlichkeit Wirkenden klare Tage, nachts «der hell leuchtende Reigen der Gestirne» 24, Auf gang von Sonne und Mond und ähnliches mehr. Und was dem Brauch und der Sitte entspricht, ist ganz und gar nicht passend, wenn es zu den Zeitumständen in Beziehung gesetzt wird. Entsprechendes hätte ich von den übrigen Kategorien zu sagen. Man hat aber auch auf das richtige Verhältnis zu achten. Da dies e sechs Kategorien keines wegs alle Fälle erfassen, erklärten einige, es seien in Wirklichkeit achtzehn, andere hundert, und wieder andere zweihundertfünfzig. Mit dieser Behauptung ernteten sie jedoch bei den Leuten nur reichlich Gespött, denn niemandem entgeht es, daß, was immer sie sagen, letztlich doch auf eine der sechs Kategorien zurückzuführen ist. Diese Bemerkungen dürften als Ergänzung zu den spärlichen Hinweisen der Alten genügen. Man hat aber zwei universelle Arten von Traumgesichten anzusetzen, erstens die allgemeine, zweitens die besondere. Bei der ersten verfährt man folgendermaßen: 4 Von den Traumgesichten weissagen die einen vieles durch vieles, die anderen weniges durch weniges, die drit ten vieles durch weniges und die vierten weniges durch vieles. Vieles wird durch vieles geweissagt: Es träumte z.b. einer, er schwinge sich in die Lüfte und fliege aus freiem Entschluß zu einem vorgesteckten Punkt, den er unbedingt erreichen wollte. Dort angekommen, kam es ihm vor, als ob ihm Flügel gewachsen wären und er mit den Vögeln auf und davonfliege, und danach sei er wieder nach Hause zurückgekehrt. Es traf sich, daß er wegen des Flugs die Heimat verließ und, weil er das Ziel nicht verfehlt hatte, seine Unternehmungen, die er mit großer Energie betrieben, erfolgreich abschloß. Nach Erwerb eines stattlichen Vermögens - man nennt ja die Reichen die Beflügelten 25 - und nach einem Aufenthalt in der Fremde - denn die Vögel sind von anderem Schlag als wir Menschen - ließ er sich wieder in der Heimat nieder. Weniges wird durch weniges geweissagt: Es träumte z. B einer, er habe Augen aus Gold. Der Mann erblindete, weil Gold den Augen unverträglich ist. Vieles wird durch weniges vorausgesagt: Es träumte z.b. einem, er habe seinen Namen verloren. Es geschah, daß er seinen Sohn verlor (nicht nur, weil er das Teuerste verlor, was er besaß, sondern weil der Sohn ebenso hieß wie der Vater). Dazu büßte er noch sein gesamtes Vermögen ein, denn es wurden Prozesse gegen ihn angestrengt, auf Grund derer er wegen politischer Vergehen angeklagt und verurteilt wurde. Ehrlos und landesflüchtig geworden, machte er seinem Leben durch den Strick ein Ende, so daß er nicht einmal nach dem Tod mehr einen Namen hatte 26. Denn Selbstmörder werden von den Verwandten bei den Totenmählern nicht mit Namen herbeigerufen 27. Es dürfte jedem klar sein, daß alle Geschehnisse von ein und demselben Traumerlebnis ausgingen, weil sie ein und dieselbe Bedeutung haben. Schließlich wird weniges durch vieles vorausgesagt: Es träumte z.b. einer, Charon 28 spiele mit einem Mann ein Brettspiel 29, er selbst aber kiebitze zum Vorteil dieses Mannes, wodurch Charon die Partie verliere, wütend werde und ihn verfolge. Er aber suche eilends das Weite, gelange zu einer Herberge, «Zum Kamel» benannt, in ein Zimmer und verriegele die Tür. Der Dämon entferne sich schnell, ihm aber wachse aus einem Schenkel Gras heraus. Alle diese Traumvorgänge erfüllten sich in einem einzigen Geschehen: Es stürzte das Haus ein, in welchem der Betreffende wohnte, und die zusammenbrechenden Balken zerquetschten ihm völlig einen Schenkel. Denn der mit dem Brettspiel Erstes Buch

9 9 beschäftigte Charon zeigte die Beziehung auf den Tod an. Der Umstand aber, daß der Gott ihn nicht eingeholt hatte, offenbarte ihm, er werde zwar nicht sterben, doch werde ihm wegen der Verfolgung der Schreck in die Beine fahren. Die Herberge «Zum Kamel» kündigte den Schenkelbruch an, weil das Tier, das Kamel heißt, die Schenkel in der Mitte krümmt und dadurch seine langen Beine verkürzt; daher trägt es zu Recht den Namen Kamel, d.h. «Schenkelbeuger» 30, wie Euenos 31 seinen dem Eunomos gewidmeten Liebesgedichten sagt. Das Hervorsprießen des Grases schließlich besagte, er werde den Schenkel nicht mehr rühren können, weil Gras gewöhnlich auf nicht beackertem Boden sprießt. Wer sich über diese Dinge ein sachliches Urteil zu bilden vermag, wird die Aufzählung in allem als zutreffend bezeichnen. 5 Vier Klassen unterscheidet man auch bei der besonderen Art von Traumgesichten: Die einen sind nach innen wie nach außen günstig, die anderen in beider Hinsicht ungünstig; die dritten nach innen günstig, nach außen ungünstig, die vierten nach innen ungünstig, nach außen günstig. Unter dem «nach innen» hat man das Traumgesicht, unter dem «nach außen» die Traumerfüllung zu verstehen. Nach innen nach außen günstige Traumgesichte sind z.b. folgende: Man schaut die olympischen Göttersie selbst oder ihre aus unvergänglichem Material ge schaffenen Standbilder - mit heiterer Miene, lächeln, et was Gutes geben oder sprechen; ebenso die Eltern, die Freunde, die Haussklaven, wie sie den Wohlstand des Hauses vermehren, ein Vermögen von ziemlicher Größe, ein ansprechendes Äußeres, Körperkraft mehr. Ist schon der Anblick dieser Dinge überaus erfreulich, so gilt das in noch viel höherem Maß von ihrer Erfüllung. Nach innen wie nach außen ungünstige Traumerlebnisse sind folgende: Man glaubt, von schroffen Felsen herabzustürzen, unter die Räuber zu fallen, einen Kyklopen 32 oder dessen Höhle zu sehen, gelähmt zu sein, krank daniederzuliegen oder etwas zu verlieren, was einem lieb und teuer ist. Denn den Affekten, die durch das Traumerlebnis in der Seele ausgelöst werden, müssen die Traumausgänge entsprechen. Nach innen günstig, nach außen ungünstig sind folgende Gesichte: Es träumte einer, mit Kronos 33 zu speisen; tags darauf wurde der Mann hinter Schloß und Riegel gebracht. Der Anblick eines Mahles mit dem Gott ist ohne Zweifel angenehm, nicht aber der von Fesseln und Kerker. Einem anderen träumte, er bekomme von Helios 34 zwei Brote; ebenso viele Tage blieb er noch am Leben; denn für eine solche Frist reichte ihm der von dem Gott gewährte Lebensunterhalt. Dasselbe Schicksal erleidet man, wenn man träumt, aus Gold zu sein, einen Schatz zu finden, von einem Toten 35 Salböl, eine Rose oder etwas Ähnliches zu bekommen. Nach innen ungünstig, nach außen günstig sind folgende Traumgesichte: Wenn ein Armer träumt, vom Blitz getroffen zu werden, oder ein Sklave, als Soldat zu dienen, oder einer, der eine Seereise antreten will, (auf dem Meer zu wandeln glaubt) 36, oder (wenn ein Jungge selle) träumt, als Gladiator aufzutreten. Von diesen Traumgesichten prophezeit das erste Reichtum 37, das zweite Freiheit 38, das dritte eine günstige Seefahrt und das vierte Hochzeit. Hierbei sind die Traumgesichte ungünstig, die Erfüllungen aber günstig. 6 Man hat darauf zu achten, daß Traumerscheinungen, die Leuten zuteil werden, die sich Sorgen um etwas machen und deswegen von den Göttern ein Traumgesicht fordern 39, dem Gegenstand ihrer Sorge nicht ähneln, weil Wunschbilder für die Vorhersage der Zukunft bedeutungslos und vom Traum eingegeben sind, wie die vorhergehende Untersuchung gezeigt hat. Einige nennen sie deswegen von Sorgen hervorgerufene oder geforderte Traumgesichte; dagegen heißen diejenigen, welche ganz unverhofft sich einstellen und ein bevorstehendes Glück oder Unglück voraussagen, gottgesandte. Für mich gibt es nicht mehr das Problem wie für Aristoteles 40, ob die Ursache des Träumens außerhalb von uns liegt und göttlichen Ursprungs ist oder ob etwas in unserem Innern der Grund ist, das die Seele dazu befähigt und einen natürlichen Vorgang in ihr auslöst, vielmehr nennen wir schon in der Umgangssprache alles Unerwartete gottgesandt. 7 Sodann muß man auf alle Gesichte sein Augenmerk richten, deren Veranlassung nicht ganz deutlich ist, gleichgültig, Erstes Buch

10 10 ob man sie des Nachts oder am Tag geschaut hat 41, da hinsichtlich der Vorhersage kein Unterschied zwischen Tag oder Nacht, noch zwischen Morgen- oder Abenddämmerung besteht, falls der Träumende, bevor er schlafen legte. Maß im Essen hielt. Denn ein überladener Magen macht es einem selbst in den Morgenstunden unmöglich, das Wahre zu schauen Sodann besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen den allen Menschen gemeinsamen Sitten und Gebräuchen und denen, welche individueller Natur sind. Beachtet das einer nicht, können ihm dadurch große Irrtümer unterlaufen. Zu den allen gemeinsamen Sitten und Gebräuchen gehören Götterfurcht und Götterverehrung; denn es gibt kein Volk auf Erden, das nicht an Götter glaubte, so wenig als es eines ohne Obrigkeit gibt, nur verehren die einen diese, die anderen jene Götter, alle aber meinen schließlich dasselbe. Ferner ist zu nennen: das Aufziehen von Kindern, Schwäche für Frauen und der Verkehr mit ihnen, tagsüber zu wachen, nachts zu schlafen, Nahrung zu sich zu nehmen, nach der Arbeit auszuruhen, unter einem Dach und nicht unter freiem Himmel zu wohnen. Das sind also gemeinsame Sitten und Gebräuche. Die anderen aber nennen wir individuelle oder Völkersitten. So werden z.b. bei den Thrakern die freigeborenen Kinder tätowiert 43, bei den Geten 44 die Sklaven; die einen wohnen im Norden, die anderen im Süden. Die Mossyner 45 am Schwarzen Meer üben den Geschlechtsverkehr in aller Öffentlichkeit aus und begatten sich wie die Hunde, ein Verhalten, das bei den übrigen Menschen als schamlos gilt. Fische essen alle Menschen mit Ausnahme der Syrer 46, welche die Astarte 47 verehren. Tiere und alle Arten von giftigen Schlangen verehren als Abbilder der Götter einzig die Ägypter und beten sie an, doch nicht alle dieselben. Einen uralten Brauch lernte ich in Italien kennen; Geier 48 tötet man dort nicht, und diejenigen, die sie jagen, gelten als Frevler. In lonien treten junge Ephesier aus Lust und Liebe als Stierkä mpfer 49 auf, in Attika bei den Festspielen zu Eleusis «die Jünglinge der Athener im Kreislauf der Jahre», und in der thessalischen Stadt Larissa tun es die adligen Bürger, in der ganzen übrigen Welt aber nur die zum Tod verurteilten Verbrecher. Ebenso ist bei allen anderen Sitten und Gebräuchen von Fall zu Fall zu unterscheiden, ob sie nur bei einzelnen Völkern beobachtet werden, weil die einheimischen Gutes, die fremdländischen dagegen Schlimmes bedeuten, ausgenommen, es würden besondere Umstände dem Traumausgang eine andere Richtung weisen. 9 Es ist für den Träumenden und für den Ausleger nützlich, und nicht nur nützlich, sondern geradezu notwendig, daß der Traumdeuter genau weiß, wer der Träumende ist, daß er über dessen Beruf, seine Herkunft, seine Vermögensverhältnisse, seinen Gesundheitszustand und über sein Alter unterrichtet ist. Sodann hat er das Traumgesicht seinem Inhalt nach genau zu untersuchen. Denn daß ein Zusatz oder eine Auslassung, so geringfü gig sie auch sein mögen, den Ausgang verändern, werden die folgenden Ausführungen zeigen. Wenn einer diese Regeln nicht beachtet, so sollte er sich selbst, nicht aber mir Vorwürfe machen, falls er einen Schnitzer macht. 10 Ich will nun erörtern, nach welchen Regeln die Traumge sichte auszulegen sind. Folgende Gliederung wird meiner Untersuchung zugrunde liegen: Mit den Göttern werde ich nicht den Anfang machen, wie die Alten, wenn mir auch Mangel an Götterfurcht vorgeworfen -werden sollte, vielmehr will ich mit Rücksicht auf eine sachgerechte Ordnung mit der Geburt beginnen, sodann (über) die Kinderpflege (sprechen), weiter über den Körper und die Körperteile, die hinzukommen oder schwinden, grö ßer oder kleiner werden, sich in eine andere Form oder in einen anderen Stoff verwandeln, dann über die Unterweisung in den verschiedenen Handwerken, Arbeiten und Berufen, über das Dienstjahr der Epheben, über Sportarten, Wettkämpfe, über das Badewesen und die verschiedenen Bäder, über die flüssigen und trockenen Nahrungsmittel, über Salben und Kränze, über den Geschlechtsverkehr und den Schlaf. Mit diesen Themen wird sich das erste Buch befassen. Das zweite (wird) über das Erwachen (handeln), über die Formen des Grußes, über die gesamte Männer- und Frauenmode, über die Luft und die Lufterscheinungen, über die Jagd, den Fischfang, die Schiffahrt, die Landwirtschaft, das Rechtswesen, die öffentlichen Ämter und die Dienstleistungen von Bürgern 50, das Heerwesen, über die Götterverehrung und die Götter, über den Tod und andere Dinge, auf die im Verlauf der Darstellung einzugehen sein wird. Erstes Buch

11 11 11 Der Traumdeuter muß die Traumgesichte in der Weise auslegen, daß er sein Augenmerk einmal vom Anfang auf das Ende, das andere Mal vom Ende auf den Anfang lenkt; denn mitunter erhellt der Anfang das dunkle und schwer zu deutende Ende, bisweilen ist es umgekehrt. Bei den Traumgesichten, die verstümmelt sind und die man sozusagen nicht in den Griff bekommt, ist eine gewisse Kombinationsgabe vonnöten, ganz besonders bei denen, in welchen etwas Geschriebenes geschaut wird, das keinen selbständigen Gedanken enthält, oder nur ein sinnloses Wort; hier kann durch Umstellung, Änderung oder Zugabe von Buchstaben oder Silben, zuweilen auch durch Auffinden eines gleichwertigen Wortes 51 der Zusammenhang geklärt werden. 12 Deshalb muß der Traumdeuter, so behaupte ich, von Haus aus eine gute Anlage mitbringen, er muß gesunden Menschenverstand und nicht nur ein Buchwissen haben; denn glaubt jemand, er könne nur mit Kunstgriffen, ohne natürliche Begabung ein Meister in diesem Fach werden, so wird stets ein ausgemachter Stümper bleiben, und umso mehr, je festgelegter er in seiner Art ist. Denn hat man schon von Anfang an die falsche Richtung einge schlagen, dann führt der Weg immer mehr in die Irre. Ferner halte man solche Traumgesichte für undeutbar, welche nicht vollständig wiedergegeben werden, sei es, daß dem Träumenden die Mitte oder das Ende entfallen ist. Denn der Ausgang jeder Traumwahrnehmung ist auf einen heilen Zusammenhang hin zu untersuchen, einzig das lückenlos wiedergegebene aber erschließt sich dem Verständnis. So wie die Opferpriester in den Fällen, in denen die Zeichen zweideutig sind, nicht behaupten, dieselben wären unwahr, sondern erklären, sie könnten sie aus den Opfern nicht beurteilen, so darf auch der Traumdeuter sich nicht über Traumgesichte äußern, über die er sich kein klares Urteil zu bilden vermag, noch sie aus dem Stegreif deuten, weil er selbst dadurch um seinen guten Namen kommen, der Träumende aber Schaden erleiden wird. Folgendes ist noch zu beachten: Alle Traumge sichte, die etwas Unheilvolles bedeuten, haben für den Träumenden weniger unheilvolle oder vielleicht gar keine Folgen, wenn seine seelische Stimmung dabei gehoben ist. Umgekehrt gehen alle Traumgesichte, welche etwas Gutes bedeuten, nicht in Erfüllung oder jedenfalls in ge ringerem Maß, wenn seine seelische Stimmung gedrückt ist. Deswegen soll man jeden einzelnen danach befragen, ob er in guter oder schlechter Gemütsverfassung ge träumt hat. 13 Träumt jemand, er werde von einer Frau geboren, so ist folgende Deutung angezeigt: Einem Armen bringt es Glück; er wird gleich den Säuglingen jemanden bekommen, der ihn ernährt und bemuttert, ausgenommen, der Betreffende ist ein Handwerker; einem solchen kündigt es Arbeitslosigkeit an; denn die Kleinen arbeiten nicht und ihre Hände sind eingewickelt. Einem Reichen bedeutet es, daß er nicht Herr im Haus ist, sondern von Leuten bevormundet wird, die ihm zuwider sind; denn Säuglinge werden von anderen, die nicht nach ihrem Willen sind, bevormundet. Einem Mann, dessen Ehefrau nicht schwanger ist, bedeutet es, er werde sie verlieren; denn Säuglinge pflegen mit Frauen keinen Geschlechtsverkehr. Wessen Ehefrau aber guter Hoffnung ist, dem kündet es die Geburt eines Sohnes an, der ihm in allem aufs Haar gleichen wird; auf diese Weise wird es ihm vorkommen, als werde er selbst noch einmal geboren. Einem Sklaven bedeutet es die Liebe seines Herrn und, im Fall einer Verfehlung, Verzeihung, aber noch nicht die Freilassung; denn Säuglinge verfügen nicht über sich selbst, auch wenn sie freigeboren sind. Athleten bringt es Unglück; Säuglinge können nämlich weder gehen noch laufen, noch viel weniger jemanden zu Boden strecken, wo sie nicht einmal einen Fuß vor den anderen setzen können. Demjenigen, der in der Fremde lebt, verheißt es die Rückkehr in die Heimat, so daß er, wie ein Neugeborenes, an den Ursprung zurückkehrt, daß er wiederum die Mutter Erde, d.h. den Heimat boden, betritt; denn die Mutter Erde ist allen ohne Unterschied Heimat. Einem Kranken zeigt es den Tod an, weil Verstorbene ebenso wie Säuglinge in zerrissene Tücher eingewickelt und auf die Erde gelegt werden 52, und wie der Anfang zum Ende in Beziehung steht, so das Ende zum Anfang. Denjenigen, der einen Fluchtversuch unternimmt, läßt dieses Traumgesicht nicht entkommen und einen, der auf Reisen gehen will, nicht die Heimat verlassen; denn die Kleinen können nicht dem aus dem Weg gehen, was vor ihren Füßen ist, stolpern sie doch jedes Mal. Bei Prozes sen ist das Traumgesicht für den Kläger von ganz schlimmer Vorbedeutung; er wird die Richter wegen seiner stammelnden Zunge nicht überzeugen, dagegen kann ein gerichtlich Angeklagter und besonders einer, der einen Schuldspruch befürchtet, nach diesem Traumgesicht unbesorgt sein; denn kleinen Kindern Erstes Buch

12 12 verzeiht man, wenn sie eine Dummheit begangen haben. 14 Träumt ein Armer, schwanger zu sein, so wird er ein stattliches Vermögen erwerben, Geld in Hülle und Fülle verdienen und auf diese Weise dick und rund werden. Einen Reichen dagegen werden Prüfungen und Sorgen heimsuchen. Ein Verheirateter wird seine Gattin verlieren; er benötigt gewissermaßen keine Frau mehr, die Kinder zur Welt bringt. Ein Lediger wird eine so herzensgute Frau heiraten, daß er Lust und Schmerz mit ihr zu teilen vermeint. Allen übrigen prophezeit es Krankheit. Gebären aber und Entbinden bedeutet nicht das selbe wie die Schwangerschaft, sondern zeigt einem Kranken raschen Tod an, weil jeder gebärende Leib Lebensatem abgibt, und so wie sich das Neugeborene vom bergenden Körper trennt, so auch der Lebenshauch vom Körper. Ein Armer, ein Schuldner, ein Sklave und jeder, der sich in einer argen Bedrängnis befindet, wird sich von den betreffenden Widrigkeiten freimachen. Der Grund ist klar. Ferner bringt dieses Traumgesicht verborgene Dinge zutage, weil das bis dahin verborgene Kind ans Licht kam. Reichen, Gläubigern, Geschäftsleuten und allen Personen, die eine Vertrauensstellung haben, bringt es Schaden; sie werden verlieren, was sie früher besaßen. Großhändlern und Reedern dagegen ist es günstig; sie werden ihre Waren absetzen. Viele verloren infolge des Abgangs des Kindes, das von demselben Blut stammt, nahe Verwandte. 15 Träumt man, ganz kleine Kinder zu haben oder zu schauen, so ist das, wenn es die eigenen sind, für Mann und Frau von übler Vorbedeutung; es zeigt Sorgen, Bit ternisse und Kummer wegen mancher unvermeidlicher Plackereien an, weil man ohne diese die Kleinen nun einmal nicht groß bekommt. Es gibt auch ein altes Wort, das dasselbe besagt. Es lautet: «Angst oder Sorge bereitet dem Vater allezeit das Kind.» 53 Dabei nimmt das Traumgesicht von Knaben noch einen guten Ausgang, während das von Mädchen ein Ende anzeigt, das schlecht er als der Anfang ist, und einen materiellen Verlust prophezeit. Denn Knaben nehmen von den Eltern nichts, wenn sie groß geworden sind, Mädchen aber benötigen eine Mitgift. Ich kenne jemand, dem es träumte, ihm wäre ein Töchterchen geboren; er mußte ein Darlehen aufnehmen. Ein anderer wiederum träumte, er begrabe seine verstorbene Tochter. Es geschah, daß er ein Darlehen zurückzahlte. Ein gutes Vorzeichen dage gen ist der Anblick fremder Kinder, wenn sie wohlge wachsen, anmutig und von kindlicher Unbefangenheit sind. Es deutet das Zusammentreffen glücklicher Umstände an, unter denen größere Hoffnung besteht, ein Vorhaben zu vollenden und zu gutem Ende zu führen. Denn wenn auch den Kindern die Arbeit zunächst nicht von der Hand geht, so werden sie doch, wenn sie älter geworden, etwas Tüchtiges leisten können. 16 Träumt jemand, er liege wie ein Kind in Windeln und nehme von einer bekannten oder unbekannten Frau die Brust, so wird er eine langwierige Krankheit durchzustehen haben, das heißt, falls seine Frau nicht guter Hoffnung ist. Trifft dies zu, wird sie ihm einen Sohn schenken, der ganz nach dem Vater kommt und auf diese Weise großgezogen werden wird. Einer Frau kündigt es die Geburt eines Töchterchens an. Einem Eingekerkerten wird das Schicksal nach diesem Traumgesicht noch andere Leiden aufbürden, außerdem wird er nicht begnadigt werden. Ganz einleuchtend ist auch die Beziehung auf die Krankheit; denn Kinder, die gestillt werden, sind schwächlich, und auch Erwachsene leben von Milch, wenn sie im Krankenbett keine feste Nahrung zu sich nehmen können. In den eigenen Brüsten Milch haben verheißt einer jungen Frau, sie werde empfangen, das Kind austragen und glücklich zur Welt bringen; einem alten, aber armen Weib bedeutet es Wohlstand, einem reichen Geldausgaben und einem heiratsfähigen jungen Mädchen die Ehe; denn ohne ehelichen Verkehr kann sie niemals Milch haben. Einem ganz kleinen und noch lange nicht heiratsfä higen Mädchen prophezeit es den Tod. Denn mit geringen Ausnahmen ist alles, was der Altersstufe nicht ange messen ist, von schlimmer Vorbedeutung. Einem Armen, der nichts zu leben hat, verspricht es Geld und Gut im Überfluß, so daß er auch noch anderen zu essen und trinken geben kann. Oft habe ich die Erfahrung gemacht, daß dieses Traumerlebnis einem Unverheirateten die Ehe, einem Kinderlosen Kindersegen voraussagt. Der eine bekam eine so herzensgute Frau, daß es ihm vorkam, er teile Lust und Schmerz mit ihr, der andere zog Kinder groß. Einem Athleten, Gladiator und jedem, der Sport treibt, prophezeit es Krankheit, weil nur das Erstes Buch

13 13 schwache Geschlecht Milch hat. Ich habe noch folgende Beobachtung gemacht: Einer, der Frau und Kinder hatte, verlor nach diesem Traumgesicht seine Frau und zog seine Kinder groß, indem er an ihnen die Pflichten von Vater Mutter zugleich erfüllte. So viel über das Aufziehen von Kindern. Jetzt will ich über den Körper und die Körperteile sprechen, die hinzukommen oder schwinden, größer oder kleiner werden, sich in eine andere Form oder in einen anderen Stoff verwandeln, wobei ich diejenigen Leser um ein wenig Nachsicht bitte, die an meinen allzu genauen Unterscheidungen Anstoß nehmen. Ich persönlich ärgere mich nicht nur über diejenigen, welche dergleichen Dinge oberflächlich behandeln, sondern bin sogar der Meinung, daß allen ein Schaden daraus entsteht, wenn man nicht jede Einzelheit sorgfältig und gewissenhaft ausarbeitet. Deswegen will ich in meinen Erklärungen zunächst mit dem wichtigsten Körperteil beginnen. 17 Träumt man, einen großen Kopf zu haben, so bringt das einem Reichen, der noch kein politisches Amt bekleidet hat, ferner einem Armen, einem Athleten, einem Gläubiger, einem Bankier und einem Eranarchen 54 Glück. Dem ersten prophezeit es ein hohes Amt, das ihn verpflichtet, einen Ehrenkranz, eine Priester- oder Stirnbinde zu tragen, dem zweiten Wohlstand und Zuwachs an Hab und Gut, und daß beide in dieser Hinsicht mächtigere Häup ter sein werden. Einem Athleten verheißt es selbstverständlich den Sieg; denn dann dürfte sein Kopf größer werden. 55 Einem Gläubiger, einem Bankier und einem Eranarchen verspricht es höhere Geldeinnahmen. Denn das Geld wird Kapital genannt. 56 Einem Reichen dagegen, der schon zu Amt und Würden gekommen ist, einem Redner und Demagogen kündigt es Schikanen und Beschimpfungen von selten der großen Menge an, einem Kranken Kopfschmerzen, einem Soldaten Strapazen, einem Sklaven, daß er nicht so bald freigelassen werden wird, und einem, der sich ein geruhsames Leben erwählt hat, prophezeit es Aufregungen und Kränkungen. Ein Kopf, der kleiner ist und nicht die normale Größe hat, bedeutet im Hinblick auf die einzelnen Traumausgänge das Gegenteil von dem oben besprochenen. 18 Langes, schönes Haar tragen und damit glänzen ist besonders für eine Frau glückbringend. Denn Frauen pflegen der Schönheit wegen bisweilen auch falsches Haar tragen. Von guter Vorbedeutung ist es ferner für einen Philosophen, einen Priester, einen Weissager, einen Herrscher, einen hohen Beamten und für Theaterleute. 57 Die einen tragen nach Sitte und Brauch wallendes Haar, bei den anderen bringt es ihr Beruf mit sich. Glück bringt es auch allen anderen Menschen, nur in geringerem Maß. Denn an und für sich bedeutet es Reichtum, aber keinen angenehmen, sondern einen beschwerlichen, weil die Pflege langen Haars viel Mühe kostet. 19 Langes, aber ungepflegtes Haar, das nicht den Eindruck einer sauberen Frisur, sondern eines struppigen Haarschopfes macht, kündigt allen Trauer und Leid an. Denn «das Haar pflegen» heißt komein, jenes aber, das man in Trauerfällen wirr wachsen läßt 58, nennt man thrix (Haarschopf). 20 Träumt man. Schweineborsten zu haben, so führt das ernste Gefahren herauf, und zwar solche, die dem Tier selbst, ich meine dem Schwein, drohen. Pferdehaare zu haben bedeutet Freigeborenen Sklaverei und ein kümmerliches Leben; Sklaven legt es in Fesseln; denn meistens wird Pferdemähne zusammengebunden Wolle statt Haare auf dem Kopf zu haben kündigt langwierige Krankheiten und Schwindsucht an, weil es demjenigen, der häufig etwas Wollenes auf dem Kopf trägt, schließlich so vorkommt, als sei dasselbe ihm angewachsen. Verwandeln sich die Haare in einen anderen Stoff, hat man bei der Auslegung nach dem Grundsatz der Ähnlichkeit zu verfahren. 22 Träumt man, daß einem die ganze Partie um die Stirn herum kahl ist, so sagt es für die Gegenwart Verspottung und zugleich Stillstand der Geschäfte voraus; träumt einer, sein Hinterkopf sei kahl, so wird er im Alter Armut und bitterste Not leiden. Denn der ganze Hinterkopf ist das Symbol der Zukunft, Kahlheit unterscheidet sich aber in nichts von Mangel, entweder weil sie infolge eines Verlustes an Wärme entsteht oder weil sie keine Möglichkeit bietet, etwas in Erstes Buch

14 14 die Hand zu bekommen. Ist die rechte Kopfseite kahl, wird der Betreffende alle männlichen Blutsverwandten verlieren; hat er keine, wird ihm selbst Schaden erwachsen. Ist es die linke Seite 60, wird er die weiblichen Blutsverwandten verlieren; hat er keine, wird er ebenfalls selbst zu Schaden kommen. Der Kopf ist nämlich das Symbol der nächsten Verwandten, und zwar die rechte Seite der männlichen, die linke der weiblichen. Schaut jemand, der kein reines Gewissen hat, daß eine Hälfte seines Kopfs kahl ist, wird er zu Zwangsarbeit verurteilt werden; denn das ist dort Erkennungszeichen der Verurteilten. Am ganzen Kopf kahl zu sein, ist für einen Angeklagten und einen Menschen, der befürchtet, von anderen gewaltsam festgehalten zu werden, von guter Vorbedeutung; es wird für ihn kinderleicht sein, zu entkommen, da man ihn nicht packen kann. Den übrigen Menschen bedeutet es den Verlust all dessen, was das Leben verschönt. 22 Sich den Kopf ganz kahl zu scheren, bringt Priestern ägyptischer Gottheiten 61, Possenreißern und Leuten, die es gewohnheitsmäßig tun. Glück, allen anderen aber Unglück. Denn es bedeutet dasselbe wie Kahlköpfigkeit, nur ist das Unheil, welches das Traumgesicht heraufführt, ge waltsamer und bricht plötzlich herein. Seefahrern prophezeit es bestimmt einen Schiff bruch und Kranken Lebensgefahr, doch nicht den Tod. Denn Schiffbrüchige und Leute, die von schwerer Krankheit genesen sind, pflegen sich den Kopf scheren zu lassen 62, eine Sitte, die bei Verstorbenen nicht geübt wird. Sich von einem Barbier scheren zu lassen ist für jedermann ohne Ausnahme von guter Vorbedeutung; denn man kann mit einer geringfügigen Buchstabenänderung aus «Frisieren» ein «Amüsieren» machen 63, und gewiß geht niemand zum Barbier, der sich in einer argen Klemme oder im Unglück befindet, sondern nur Leute, die großen Wert auf ein gepflegtes Äußeres legen; das können sich aber nur solche leisten, die ohne Sorgen leben und die nötigen Mittel haben. Es heißt ausdrücklich «von einem Barbier», denn wenn sich einer schert, der nicht selbst von der Zunft ist, sagt es ihm Trauer um Verwandte oder einen plötzlichen Schicksalsschlag voraus, der große Leiden mit sich bringt. Denn Menschen, die vom Unglück heimgesucht sind, pflegen sich selbst das Haar abzuschneiden. An den Nägeln beschnitten zu werden bedeutet einem Gläubiger, daß der Zins fällig ist, allen anderen Menschen aber Schaden von selten derer, die ihnen die Nägel ge stutzt haben, vorausgesetzt, daß ihnen von fremden Personen die Nägel beschnitten worden sind. Denn wir pflegen in der Umgangssprache von einem Menschen, der auf einen Betrüger hereingefallen ist, zu sagen:»dem wurden die Nägel beschnitten» 64. Über das Kämmen, das Haarflechten, das Sich-im- Spiegel-Beschauen und alles, was dazu gehört, will ich im zweiten Buch sprechen, wenn ich die gesamte Männer- und Frauenmode behandele. 23 Eine gesunde, fleischige Stirn bringt jedem Glück und bedeutet Freimut und Mannestum, während eine durch Wunden entstellte oder kränkliche Schande und Schaden offenbart. Im Traum eine Stirn von Erz, Eisen oder Stein zu haben nützt nur Zöllnern, Schankwirten 65 und Leuten, die sich mit Rücksichtslosigkeit durchs Leben schlagen, allen übrigen bringt es nur Haß ein. 24 Mehr als zwei Ohren zu haben ist für den von guter Vorbedeutung, der Menschen bekommen will, die ihm gehorchen werden, z.b. eine Frau, Kinder oder Haussklaven. Einem Reichen bedeutet es einen guten Leumund, wenn die Ohren wohlgestaltet, einen schlechten, wenn sie mißgestaltet und ungleich groß sind. Schlimm ist das Traumgesicht für einen Sklaven und einen Prozes sierenden, für den Kläger sowohl wie für den Beklagten. Dem Sklaven bedeutet es, er werde noch lange Zeit ge horchen müssen, dem anderen, es drohe ihm, falls er als Kläger auftritt, eine Gegenklage; ist er aber der Beklagte, so werden abgesehen von den schon bekannten Anklage punkten noch weitere gegen ihn erhoben werden; es sagt ihm gewissermaßen, er habe noch mehr Ohren nötig. Einem Handwerker bringt es Glück; er wird viele Aufträge von Kunden zu hören bekommen. Der Verlust der natürlich gewachsenen Ohren bedeutet in jedem einzelnen Falle das Gegenteil von den oben besprochenen. Reinigt man sich die Ohren von Schmutz oder Eiter, so hat man gute Nachrichten von irgendwoher zu gewärtigen, schlechte dagegen, wenn man bei den Ohren gezogen wird. Ameisen, die in die Ohren kriechen, bringen nur Sophisten 66 Glück; die Ameisen gleichen nämlich den jungen Leuten, Erstes Buch

15 15 die zum Unterricht kommen. Allen übrigen Menschen kündigt das Traumerlebnis den Tod an 67 ; denn die Ameisen sind Kinder der Erde und verschwinden in der Erde. Ich kenne jemand, dem es träumte, es wären aus seinen Ohren Weizenähren gewachsen und er fange die herausfallenden Körner mit beiden Händen auf. Er bekam die Nachricht, daß er zum Erben seines in der Fremde verstorbenen Bruders eingesetzt worden sei. Die Ähren bedeuteten die Erbschaft, die Ohren den Bruder, weil sie gleichsam verbrüdert sind. Eselsohren zu haben ist nur für Philosophen von guter Vorbedeutung, weil der Esel nicht gleich auf den ersten besten hört 68. Den übrigen Menschen zeigt es Sklaverei und ein kümmerliches Leben an. Schaut man sich mit den Ohren eines Löwen, Wolfs, Panthers oder eines anderen Raubtieres, so deutet das auf verleumderische Anschläge. Entsprechend muß man bei den übrigen Tieren ihren Eigenschaften gemäß die Deutung finden. Ohren in den Augen zu haben prophezeit Taubheit und daß die Hörkraft durch die Sehkraft ersetzt werden wird. In den Ohren aber die Augen zu haben, zeigt Erblindung an und daß die Sehkraft durch die Hörkraft ersetzt werden Buschige, glänzende Augenbrauen sind für jedermann, besonders für Frauen glückbringend; denn diese färben sich gewöhnlich der Schönheit wegen die Augenbrauen mit schwarzer Tinktur. Daher zeigen sie Vergnügungen und gute Geschäfte an. Kahle Augenbrauen dagegen sagen nicht nur Stillstand der Geschäfte und Mißvergnügen voraus, sondern auch einen bevorstehenden Trauerfall; denn es ist ein alter Brauch, sich bei einem Trauerfall die Augenbrauen auszurupfen 69. Scharfsichtigkeit ist für alle ausnahmslos gut. Kurzsichtigkeit dagegen zeigt Geldmangel an, weil auch die Augen «Pupillen» 70 haben; ferner Stillstand der Geschäfte, weil Kurzsichtige das, was vor ihren Füßen ist, schlecht sehen. Einem, der Kinder hat, bedeutet es, daß sie erkranken werden; die Augen gleichen den Kindern 71, weil sie uns lieb und teuer sind und dem Menschen als Wegweiser und Führer dienen, wie die Kinder den ergrauten Eltern. Auf beiden Augen blind zu sein prophezeit den Kindern, Geschwistern und Eltern des Träumenden den Tod. Den Kindern, aus dem eben erwähnten Grund, den Geschwistern, weil auch die Augen untereinander verschwistert sind, den Eltern, weil die Augen das Sonnenlicht vermitteln, wie jene Urheber des Lebenslichtes sind. Der Verlust der Augen kündigt den Verlust dessen was ihnen entspricht. Glück dagegen bringt es einem Gefangenen oder einem, der von anderen gewaltsam festge halten wird, und einem Bettelarmen, wenn er träumt, zu erblinden. Die ersteren werden das Elend um sich herum nicht weiter schauen, der letztere hilfreiche Menschen finden; denn ein Blinder erfährt von allen Seiten Beistand und ist damit selbst alleranstrengungen enthoben. Den Antritt einer Reise vereitelt das Traumgesicht, und einem Verreisten sagt es, er werde nicht mehr in seine Heimat zurückkehren; denn ohne Augenlicht bekommt man weder die Fremde noch die Heimat zu Gesicht. Unglück bringt es auch einem Soldaten und jedem, der am kaiserlichen Hof lebt. Wettkämpfern, die in schwerathletischen Disziplinen antreten, prophezeit es eine Niederlage, Wettläufern aber einen Sieg. Ich kenne einen Wettläufer, dem es träumte, als er sich an den in Italien veranstalteten Gedächtnisspielen beteiligen -wollte, die der Kaiser Antonmus zu Ehren seines Adoptiwaters Hadrian gestiftet hatte 72, er wäre erblindet. Der Mann errang den Sieg; denn ebenso wie ein Blinder kann der, welcher im Lauf vorne liegt, seine Konkurrenten nicht sehen. Von schlimmer Vorbedeutung ist das Gesicht für Steuerleute, Astronomen und Weissager. Wer auf der Suche nach etwas Verlorenem ist, wird dasselbe nach diesem Traumgesicht nicht wiederfinden, und wer hinter einem flüchtigen Sklaven her ist, denselben nicht ergreifen. Dichtern aber bedeutet solches Traumerlebnis höchstes Glück; denn diese müssen innerlich ganz gelöst sein, wenn sie dichten wollen; sie sind es aber am ehesten dann, wenn sie infolge des Verlustes ihres Augenlichtes weder durch Formen noch durch Farben abgelenkt werden. Kranken prophezeit dieses Traumgesicht in jedem Fall den Tod, weil sie des Lichtes beraubt sind. Ich kenne jemand, dem es träumte, es sage ihm einer von den glaubwürdigen Gewährsmännern (die Frage, wer zu ihnen zu zählen ist, werde ich im zweiten Buch erörtern): «Dein Vater ist nicht tot, er schläft nur.» Der Vater dieses Mannes war schon erblindet, da erhielt der Sohn kurze Zeit danach die Nachricht von diesem Vorfall. Träumt jemand, er sei bloß auf einem Auge blind, so trifft das Angedeutete nur teilweise und sozusagen nur zur Hälfte Erstes Buch

16 16 zu. Ferner ist noch folgendes zu beachten: Das rechte Auge bedeutet den Sohn, den Bruder und den Va ter, das linke die Tochter, die Schwester und die Mutter 73. Bei zwei Söhnen, zwei Töchtern oder zwei Brüdern bezeichnet das rechte Auge den älteren Sohn oder Bruder oder die ältere Tochter, das linke die jüngere Tochter, den jüngeren Bruder oder Sohn. 25 Drei, vier oder noch mehr Augen haben ist für einen Heiratslustigen und einen Kinderlosen von guter Vorbedeutung; der eine wird eine Frau, der andere ein Kind bekommen; auf diese Weise werden um eine Person mehr Augen sein. Glück bringt es ferner einem Gläubiger, denn er wird mehr «Steinchen» (Geld) bekommen. Aus dem gleichen Grund ist es wegen der «Steinchen» für einen Schuldner von schlimmer Vorbedeutung. Einem Reichen rät es, sich wegen seiner Person und seines Vermögens sehr in acht zu nehmen, weil Anschläge drohen; es sagt ihm gewissermaßen, er bedürfe vieler Augen. Dem, der auf Reisen gehen will, zeigt es eine Irrfahrt an und einem, der zur See fährt, die Rückkehr in den Hafen, weil die vielen Augen durch das Licht und den Sonnenglanz hierhin und dorthin gezogen werden. Ich kenne jemand, dem es träumte, er habe drei Augen; der Mann erblindete, nicht etwa wegen des Märchens vom Kyklopen, sondern weil das dritte Auge ihm andeutete, er habe noch fremdes Augenlicht nötig, da das eigene nicht ausreiche. Einem Schurken und einem hübschen jungen Frauenzimmer sind viele Augen von Übel. Den ersteren werden mehr Augen überwachen, letzteren mehr Verehrer den Hof machen. 26 Träumt einer, die Augen sonstwo zu haben, an den Händen oder Füßen, so wird er erblinden; haften sie an einem anderen Körperteil, so wird derselbe erkranken oder verwundet werden, so daß er, mit den Händen oder Füßen herumtastend, gewissermaßen sehen kann oder daß er den betreffenden Körperteil, als ob Augen sich darauf befänden, mit nichts in Berührung bringen kann. Ich kenne jemand, dem es träumte, seine Augen fielen heraus und ihm auf die Füße. Er erblindete zwar nicht, doch verheiratete er seine Töchter mit Haussklaven, und auf diese Weise paarte sich das Bessere mit dem Minderwertigeren. Träumt einer, fremde Augen zu besitzen, so wird er erblinden und von einem anderen an der Hand geführt werden müssen. Weiß er aber, wessen Augen er hatte, so wird er dessen Kind adoptieren. 27 Eine schöne, wohlgeformte Nase haben ist für jedermann ein gutes Vorzeichen; es bedeutet großes Einfühlungsvermögen, Weitblick in den Unternehmungen und Verkehr in den besten gesellschaftlichen Kreisen; denn durch die Nase ziehen die Menschen bessere Luft ein und profitieren dadurch. Keine Nase haben zeigt allen Menschen Mangel an Empfindung, Haß gegen hervorragende Persönlichkeiten und einem Kranken den Tod an. Denn die Totenschädel findet man ohne Nasen. Zwei Nasen haben bedeutet Zwist mit den Verwandten; Zwist, weil alles Zwiefache, das wider die Natur ist, Sinnbild des Zwistes ist; mit den Verwandten, weil die Nase zu uns gehört. 28 Volle Wangen sind für jedermann, besonders für Frauen, von guter Vorbedeutung, hohle oder zerkratzte dagegen bedeuten Gram oder Trauer, und zwar hohle Gram, zerkratzte Trauer; denn in Trauerfällen pflegen die Menschen sich die Wangen zu zerkratzen Die Kinnladen hat man als Lagerräume 75, die Lippen als diejenigen Personen zu deuten, die jeder Zeit auf uns zukommen und uns mit einem Kuß begrüßen. Erleidet einer dieser Körperteile Schaden, so wird dadurch ange zeigt, daß es um die gelagerten Güter oder um das Befinden der Personen, die uns am nächsten stehen, nicht gut bestellt ist. 30 Ein großer, buschiger Kinnbart bringt einem Redner, einem Philosophen und allen, die ein Unternehmen in Angriff genommen haben. Glück; denn den einen verleiht er Würde, den anderen Respekt. Träumt eine Frau, einen Bart zu haben, so wird sie, falls sie verwitwet ist, wieder heiraten; hat sie einen Mann, wird sie sich von ihm trennen; die erstere wird einen so herzensguten Mann bekommen, daß es ihr vorkommt, als ob beider Antlitz eins geworden sei; die letztere wird ihren Mann verlassen ihren Haushalt allein führen, so als wäre sie Frau und Mann zugleich, ausgenommen, sie geht schwanger oder ist in einen Prozeß verwickelt. Im ersten Fall wird sie einem Knaben das Leben schenken; ist dieser zum Mann gereift, wird es ihr bei seinem Anblick scheinen, als habe sie selbst einen Bart; im zweiten Fall wird sie einen nicht zu verachtenden Gegner abgeben und wie ein Mann den Prozeß durchstehen. Einem kleinen Bübchen kündigt es den Tod an, weil es der Altersstufe vorgreift; demjenigen, der schon im Jünglingsalter ist und binnen kurzem Erstes Buch

17 17 einen Bart tragen wird, bedeutet es, er werde über sich selbst bestimmen, sei er Sklave oder Freier, so daß er volljährig ist und für sich selbst sorgt. Schaut man, wie ein Bart ausfällt oder abgeschoren oder von jemand gewaltsam ausgerissen wird, so zeigt es den Tod von Blutsverwandten und obendrein Schaden und Schande an Was die Deutung der Zähne anbetrifft, die eine vielfache Bestimmung zuläßt, so ist erst in unseren Tagen von ganz wenigen Traumdeutern ein echtes Verständnis erarbeitet worden, wobei Aristandros aus Telmessos 77 die meisten und besten Richtlinien gegeben hat. Es verhält sich damit folgendermaßen: Die oberen Zähne weisen auf die Bessergestellten und Standespersonen im Haus des Träumenden hin, die unteren auf die kleinen Leute. Man hat nämlich den Mund als ein Haus, die Zähne als die Menschen im Haus aufzufassen 78 ; dabei bezeichnen die der rechten Reihe Männer, die der linken Frauen; von dieser Regel gibt es nur wenige Ausnahmen, z. B. wenn ein Bordellbesitzer nur Frauenzimmer oder ein Landwirt nur Männer in Dienst genommen hat; bei diesen bedeuten die rechten Zähne die älteren, die linken die jüngeren Männer oder Frauen. Ferner bezeichnen die sogenannten Schneidezähne, d.h. die Vorderzähne, die ganz jungen Leute, die Eckzähne Personen von mittlerem Alter, die Backenzähne die bejahrten. Welcher Art der Zahn ist, den einer zu verlieren träumt, dementsprechend wird er den Verlust eines Menschen 79 beklagen, dessen Symbol er ist. Da die Zähne aber nicht nur Menschen, sondern auch das Hab und Gut bedeuten, hat man die Backenzähne auf die Kostbarkeiten, die Eckzähne auf die weniger wertvollen Gegenstände, die Schneidezähne auf die Hausgeräte zu beziehen. Ganz folgerichtig zeigt also ihr Ausfallen den Verlust eines Hab und Gutes an 80. Sodann bedeuten die Zähne die Lebensbedürfnisse, und zwar die Backenzähne die geheimen und unaussprechlichen, die Eckzähne diejenigen, die nur wenigen Leuten bekannt sind, die Schneidezähne aber die ganz offenkundigen und die durch Wort und Stimme verrichtet werden. Ausfallende Zähne sind somit ein Hindernis in der Befriedigung der entsprechenden Bedürfnisse. Ich will nunmehr ins einzelne gehen. Schuldnern bedeutet das Ausfallen irgendwelcher Zähne Rückzahlung der Schulden. Verliert jemand einen Zahn, wird er nur einem Gläubiger oder vielen auf einmal seine Schulden abtragen; verliert er viele, wird er vielen Gläubigern oder einem einzigen mehrmals zurückzahlen. Empfindet er beim Ausfallen keine Schmerzen, wird er seine Schulden mit dem Geld tilgen, das er in fleißiger Arbeit verdient hat, stellen sich aber beim Zahnausfall Schmerzen ein, wird er etwas aus seinem Vermögen verkaufen müssen. Ausgefallene Vorderzähne besagen, man werde bei einem Unternehmen mit Worten nichts erreichen. Kommen noch Schmerzen oder Blutverlust oder Loslösung des Zahnfleisches hinzu, werden geplante Vorhaben gänzlich durchkreuzt und vereitelt; geht es ohne Schmerzen ab, verzögert es nur für den Augenblick deren Ausführung. Fallen alle Zähne auf einmal aus, so bedeutet es - jedoch nur den Gesunden, Freien und Leuten, die keinen Großhandel betreiben -, daß das ganze Haus veröden wird; Kranken aber prophezeit das Traumerlebnis Siechtum und Schwindsucht, gibt ihnen jedoch die Gewißheit, daß sie am Leben bleiben werden; denn ohne Zähne kann man keine kräftige Nahrung zu sich nehmen, sondern nur Brei und Saft, kein Verstorbener aber verliert seine Zähne. Einem Sklaven verheißt es die Freiheit, wenn er keine Zähne im Mund hat. Entweder wird er seinem Herrn kein Mietgeld 81 mehr geben so wie den Zähnen keine Nahrung, oder er wird von keinem anderen mehr die Kost erhalten, also gewissermaßen von den Zähnen nicht mehr ernährt, in jedem Fall frei werden. Großhändlern verspricht dieses Traumgesicht schnellen Absatz ihrer Waren, vor allem wenn diese verfrachtet sind. Wenn einige Zähne sich vermehren oder ihre Größe verändern, kündigt es durch den Verlust des Ebenmaßes Zwietracht im Haus des Träumenden an. Dagegen werden alle, die träumten, daß sie ihre schwarzen oder faulen oder verstümmelten Zähne verloren haben, von jeder Plage und jeglichem Übel frei werden. Häufig verloren manche ihre alten Eltern. Elfenbeinerne Zähne zu haben verheißt jedermann Glück; Literaten 82 zeigt es Wortgewandtheit an, allen anderen Menschen häuslichen Wohlstand. Goldene Zähne 83 sind einzig für Literaten von gu ter Vorbedeutung; ihre Worte werden wie aus goldenem Mund tönen; allen anderen kündigen sie Feuersgefahren im Haus an. Zähne aus Wachs weisen auf einen jähen Tod hin; denn man kann mit ihnen keine Nahrung zerkleinern. Zähne aus Blei oder Zinn Erstes Buch

18 18 bedeuten Entzug des Bürgerrechts und Schande, Zähne aus Glas oder Holz ge waltsame Todesfälle. Silberne Zähne zeigen Geldeinnahmen durch Redegewandtheit an, Reichen aber große Geldausgaben für Tafelfreuden. Träumt jemand, er verliere seine alten Zähne und es wüchsen neue nach, so steht ihm ein Wechsel in seinen Lebensverhältnissen bevor, und zwar zum Besseren, wenn die zweiten Zähne besser als die ersten sind, zum Schlechteren, wenn sie schlechter sind. Träumt man. Fleischfasern, Dornen oder sonst etwas zwischen den Zähnen zu haben, so hindert das, über dringende Angelegenheiten zu sprechen, und prophezeit außerdem Stillstand der Geschäfte. Entfernt aber einer im Traum derlei Dinge aus dem Mund, so wird die Geschäftsflaute ein Ende haben, und der Betreffende wird durch Redegewandtheit manches erreichen. 32 Eine gleichmäßig geformte, dem Mund angepaßte Zunge haben und klar und deutlich sprechen ist für jedermann Vorbedeutung, -während Nicht-sprechen-Können oder eine gebundene Zunge Stockung der Geschäfte und Armut bedeuten; denn die Armut raubt dem Menschen die Freiheit der Rede. Hier könnte man das Wort Theognis 84 anführen: «Ja, wenn in Not hinschmachtet ein Mann, nie freut er des Wortes, Nie sich der Tat, und der Zwang hält ihm die Zunge gelähmt.» Eine geschwollene Zunge kündigt der Ehefrau des Träumenden, falls dieser verheiratet ist, Krankheit an, ist er es nicht, ihm selbst. Eine aus dem Mund heraushängende Zunge bedeutet Schaden infolge frecher Reden, häufig auch Verleumdung der Gattin des Träumenden als Ehebrecherin. Glaubt man, Haare auf der Zunge zu haben, weiße oder schwarze, so ist es kein gutes Vorzeichen. Man behauptet zwar, Rednern von Beruf brächte es Glück, doch geht das Traumgesicht nach meiner Erfahrung für jedermann übel aus. Denn alles, was träge liegt und nicht abgenützt wird, fördert das Wachsen von Haaren, des Menschen Zunge darf aber nicht träge sein. Schwarze Haare beschleunigen, weiße verzögern die Traumerfüllung. Meine persönlichen Ermittlungen hinsichtlich dieses Traumerlebnisses sind folgende: Öffentlichen Rednern versagte die Zunge ihren Dienst zum Reden, den übrigen Menschen zur Aufnahme von Nahrung; entweder lagen sie lange krank danieder und konnten ihre gewohnte Kost nicht zu sich nehmen, oder die Krankheit raffte sie sogar dahin. Das bestätigt auch Apollonios aus Attaleia 85 im zweiten Buch seiner Schrift, wo er ausführlich über dieses Traumgesicht spricht. Es macht dabei keinen Un Gaumen, dem Zahnfleisch, aus den Zähnen oder den Lippen hervorgesprossen sind; es bedeutet immer dasselbe. 33 Viel Blut erbrechen, das von guter Farbe und unverdorben ist, bringt einem Armen Glück; es verheißt Zuwachs an Vermögen und Geld in Hülle und Fülle 86, weil Geld und Blut dieselbe Bedeutung haben, eine Beobachtung, die bereits die alten Weisen gemacht haben. Gut ist es ferner für einen Kinderlosen und jeden, der einen nahen Verwandten in der Fremde hat. Der erstere wird die Geburt eines Kindes, der letztere die Rückkehr eines Verwandten - in beiden Fällen Blutsverwandte - erleben. Fließt das Blut in ein Geschirr, wird das Kind groß werden, und der Verreiste wird noch lange Zeit nach seiner Heimkehr leben; fließt es aber auf die Erde, werden beide sterben (...), und der, welcher in der Fremde weilte, wird in seine Heimat, das heißt in den Schoß der Mutter Erde zurückkehren, welche die allen Menschen gemeinsame Heimat ist. Blut fließen zu sehen ist für einen, der unentdeckt bleiben will, unheilvoll; man wird ihn aufspüren und überführen. Verdorbenes Blut kündigt allen Menschen ohne Unterschied Krankheit an. Ist es nur wenig, so daß es eher einem Blutspucken als Bluterbrechen ähnelt, bedeutet es nach meiner Erfahrung Streit mit den Verwandten. Auswurf von Galle oder Schleim verheißt jedem, der sich im Unglück, in einer Bedrängnis oder Krankheit befindet, Befreiung von seinen gegenwärtigen Übeln; denn alle diese Stoffe verursachen keine Beschwerden mehr, wenn man sie ausgeschieden hat. Einem, dem es ganz nach Wunsch ergeht, bringt es zuerst etwas Schlimmes, dann befreit es ihn davon. Das Erbrechen von Speisen bedeutet irgendeinen Schaden, weil der Körper keine Nahrung annimmt. Das Ausscheiden der eigenen Gedärme oder Eingeweide durch den Mund sagt Mann und Frau den Tod von Kindern voraus 87. Kinderlosen den Verlust des Teuersten, was sie besitzen. Einem Kranken weissagt das Traumgesicht den Tod. Die Begründung dafür werde ich im Verlauf meiner Ausführungen geben. Erstes Buch

19 19 34 Träumt man von einem Geschwür oder Leiden am Hals oder an der Oberlippe, so zeigt das allen ohne Unterschied Krankheit an; denn irgendwie hängt vom Kopf und vom Hals das Wohlbefinden des ganzen Menschen ab; sind diese gesund, ist es auch der betreffende Mensch, sind sie es nicht, ist er krank und schwach. 35 Träumt man, geköpft zu sein - in Folge eines richterlichen Urteils, durch Räuberhand, im Gladiatorenkampf oder sonstwie: das macht keinen Unterschied - so droht dem, der Eltern, und dem, welcher Kinder hat, Unglück. Der Kopf gleicht den Eltern, weil er die Ursache des Lebens ist; den Kindern wegen der Ähnlichkeit des Gesichtsausdrucks. Einige verloren nach diesem Traumerlebnis ihre Gattin, einen Freund und einen guten Hausverwalter, und es fehlte ihnen von da ab eine zuverlässige Person, die auf ihr Hab und Gut ein wachsames Auge gehabt hätte. Ein Hausbesitzer kam um sein Haus; denn der Kopf ist sozusagen das Haus der Sinne. Besitzt aber einer alles dies zusammen, so erfüllt sich das Traumge sicht selbstverständlich nicht in jeder der erwähnten Beziehungen, sondern nach meiner Erfahrung nur im Hinblick auf die Person, welche der Träumende am meisten schätzt, die er liebt und die ihm besonders nahe steht. Von guter Vorbedeutung ist dieses Traumerlebnis für den, der in einen Prozeß verwickelt ist, bei dem es um Kopf und Kragen geht; denn alle Geschehnisse, die sich nur einmal ereignen, unmöglich aber ein zweites Mal, werden, wenn sie sich im Traum abgespielt haben, sich nicht mehr verwirklichen. Sie haben sich ja bereits im Traumgesicht ereignet. Bankiers, Gläubigern, Eranarchen, Reedern, Großkaufleuten und allen, die Gelder eintreiben, droht, wegen der Gleichnamigkeit 88, Verlust des Kapitals. Aus demselben Grund ist es für Schuldner gü nstig. Wer in der Fremde lebt, wird in die Heimat zurückkehren, und jemand, der einen Prozeß um Grund und Boden führt, denselben gewinnen. Ist nämlich der Kopf abgehauen, fällt er zur Erde, bleibt dort liegen und bereitet dem übrigen Körper keine Pein mehr. Ein Sklave, der das Vertrauen seines Herrn genießt, wird dieses verlieren; denn niemand wird vor der Verurteilung enthauptet, und kein «Kopfloser» genießt Vertrauen; nennen wir doch einen, der sein Bürgerrecht verloren hat, einen «Kopflosen» 89. Allen übrigen Sklaven verheißt das Traumgesicht die Freiheit; denn der Kopf ist Herr über den Körper; wird er abgeschlagen, wird der Sklave von seinem Herrn getrennt und somit frei sein. Viele wurden jedoch nur an andere Herren verkauft. In Prozessen um das Bürgerrecht oder um Geldforderungen prophezeit das Traumgesicht Verurteilung; der Grund dafür liegt auf der Hand. Hat jemand, der zur See fährt, dieses Traumerlebnis, bedeutet es den Verlust der Segelstange, ausgenommen, der Träumende gehört zu den Schiffsleuten. In diesem Fall prophezeit es nach meiner Erfahrung den Tod ihrer Vorgesetzten. Es steht aber über dem Ruderer der Aufseher über die Ruderer, über diesem der Untersteuermann, über diesem der Obersteuermann, über dem Obersteuermann der Reeder. In bez ug auf die Kaufleute und Passagiere hingegen kann man die Segelstange als Kopf bezeichnen 90. Ich kenne jemand, dem es träumte, er sei geköpft worden; er war Grieche, erlangte das römische Bürgerrecht und büßte auf diese Weise seinen frü heren Namen und seine frühere gesellschaftliche Stellung ein. Zwei oder drei Köpfe zu haben ist für einen Athleten von guter Vorbedeutung; er wird in ebenso vielen Wettkämpfen als Sieger bekränzt werden. Segen bringt es auch einem Armen. Er wird nicht nur ein großes Kapital ansammeln und ein stattliches Vermögen erwerben, sondern obendrein brave Kinder und eine Frau nach Herzenswunsch bekommen. Einem Reichen zeigt es Auflehnung von selten einiger Verwandten an; wenn nun der ursprüngliche Kopf die anderen überragt, so werden seine Widersacher ihn nicht unterkriegen; wird jener aber von den anderen überragt, kündigt es dem Träumenden Gefahr und Tod an. 36 Sieht man seinen Kopf derart nach rückwärts gedreht, daß man die Dinge im Rücken wahrnehmen kann, so ist das ein Hindernis für jeden, der seine Heimat verlassen will 91, indem es eine diesbezügliche Sinnesänderung voraussagt; außerdem vereitelt es jedes andere Vorhaben; das Traumerlebnis besagt, man solle nicht auf die augenblicklichen Wünsche und Anliegen sein Augenmerk richten, sondern auf das Zukünftige. Leuten, die in der Fremde weilen, verheißt es eine späte und unerwartete Rückkehr in die Heimat. Es bedeutet, daß man seine Heimat auch wieder eigenes Vermögen sehen wird. Erstes Buch

20 20 37 Schaut man sich im Traum mit dem Kopf eines Löwen, eines Wolfs, eines Panthers oder Elefanten statt seines eigenen, ist das ein gutes Vorzeichen; der Träumende wird sich in Auseinandersetzungen einlassen, die seine Kräfte übersteigen, daraus als Sieger hervorgehen, aus seiner Überlegenheit großen Gewinn ziehen und auf diese Weise seinen Feinden furchtsamen Respekt einflö ßen, bei seinen eigenen Leuten aber (in Gunst kommen). Viele, die sich um hohe zivile oder militärische Ämter bewarben, gelangten nach diesem Traumgesicht (an das Ziel ihrer Wünsche). Schaut man sich mit dem Kopf eines Hundes, Pferdes, Esels oder eines anderen Vierfüßlers oder mit einem Vogelkopf statt seines eigenen, so bedeutet es Sklaverei und ein kümmerliches Leben, wenn es der Kopf eines Vierfüßlers ist, es kündigt das Verlassen der Heimat an, wenn es ein Vogelkopf ist, entweder wegen des Fliegens oder weil es die flüggen Vögel nicht lange bei den Eltern hält. 38 Seinen eigenen Kopf in den Händen zu halten ist für einen Kinderlosen, einen Junggesellen und für den, der jemand von der Reise zurückerwartet, von guter Vorbedeutung. Pflegt einer seinen Kopf, so wird er einige Mißstände in seinem Haus abschaffen und manche Widerwärtigkeit im Leben los werden. Dasselbe bedeutet es, wenn einer seinen eigenen Kopf in den Händen hält und zugleich einen anderen als den natürlich gewachsenen (auf dem Hals) zu haben glaubt. 39 Sind einem Hörner eines Ochsen oder sonst eines gewalt tätigen Tiers angewachsen, führt das gewaltsame Todes fälle herbei; meistenteils bedeutet es, daß der Trä umende geköpft werden wird. So ergeht es ja auch den gehörnten Tieren. 40 Starke, fleischige Schultern sind für jedermann von guter Vorbedeutung, ausgenommen für Leute, die hinter Schloß und Riegel sitzen. Denn wenn sie auch Manneskraft und Erfolg bedeuten, bringen sie letzteren allein Unheil; diese werden die Leiden noch länger ertragen müssen, da ihre Schultern noch widerstandsfähig sind. Kranke Schultern bedeuten das Gegenteil von dem eben Beschriebenen, vielfach auch Tod oder Krankheit eines Bruders; denn die Schultern sind gewissermaßen untereinander verbrüdert. 41 Eine gesunde, heile Brust ist ein gutes Vorzeichen; eine zottige und dicht behaarte prophezeit nur Männern Glück und Gewinn, Frauen dagegen Witwenschaft; denn fehlt die Mannsperson, für die sie sich putzen und pflegen, lassen sie sich gehen und werden haarig. Glückbringend sind auch Frauenbrüste, wenn sie keinerlei Spuren von Krankheit zeigen. Werden sie dazu noch größer, ohne ihr Ebenmaß und ihre Anmut zu verlieren, verheißen sie Zuwachs an Kindern und Sklaven. Befällt sie aber ein Leiden, sind sie z.b. voller Geschwüre, bedeuten sie Krankheit und, wenn sie abfallen, den Kindern des Träumenden den Tod. Sind Kinder nicht vorhanden, sind sie das Symbol von Mangel, vielfach auch von Trauer, besonders für Frauen. Diese pflegen sich ja bei einem Trauerfall die Brüste zu entstellen 92. Bei einer Amme, die ein Kind nährt, wird sich das Gesicht im Hinblick auf den Säugling erfüllen. Viele Brüste haben bedeutet dasselbe wie das Größerwerden derselben, einer Frau auch Ehebruch. Von irgendeinem Bekannten an der Brust verwundet zu werden, kündigt alten Leuten eine betrübliche Nachricht von irgendwo an, während es jungen Leuten beiderlei Geschlechts Liebesleidenschaft offenbart. 42 Kräftige, schöne Arme verheißen geschäftlichen Erfolg, besonders Handwerkern und Leuten, die sich durch Tauschgeschäfte ihren Lebensunterhalt verdienen. Dage gen droht jedem, der in Angst lebt, eingekerkert zu werden, ernste Gefahr. Ich will nun, Teil für Teil, über die Arme sprechen. Befällt die Oberarme ein Leiden, bedeuten sie Trauer; sind es die Unterarme, vereiteln sie Geschäfte, die man gerade abwickeln will, und berauben uns der Helfer. Ich hörte einmal von einem Sachkundigen eine Auslegung, die mir einleuchtet, weil sie, wie ich feststellte, den Traumerfüllungen entspricht. Sollte meine Darstellung irgend jemand nicht überzeugen, so mag der Betreffende sich selbst daraus einen Vers machen. Es bedeutet nun, wie jener ausführte, die rechte Hand das, was man sich erst erwirbt, die linke das bereits Erworbene; denn die Rechte betätigt sich im Zupacken, die Linke ist mehr auf das Bewahren hin angelegt. Es gibt eine alte Unterscheidung, die das Wahre trifft und folgendermaßen lautet: Die rechte Hand bezeichnet den Sohn, den Vater, den Freund und denjenigen, von dem wir in der Umgangssprache im übertragenen Sinn zu sagen pflegen: ist seine rechte Hand»; die linke bedeutet die Gattin, die Mutter, die Schwester, die Tochter, die Sklavin. Träumt nun jemand, er habe eine Hand eingebüßt, so wird er eine von den Personen, die durch sie bezeichnet werden, Erstes Buch

21 21 verlieren. Allgemein bedeuten beide Hände zusammen die Handwerke, Handschriften und Reden; die Handwerke, weil diese mittels der Hände ausgeübt werden, Handschriften, weil diese schlechthin «die Hände» heißen 93, Reden, weil man während des Redens gestikuliert. Daß es für Seeleute, Pantomimen und Taschenspieler nichts Gutes voraussagt, wenn sie keine Hände haben, weil sie ohne diese ihren Beruf nicht ausüben können, ist wohl jedem klar. Verliert man Finger von den Händen, alle oder nur einzelne, zeigt das Verluste und Tod von Gehilfen an, Malern und Literaten Arbeitslosigkeit und Untätigkeit, Schuldnern die Auszahlung einer größeren Summe, als sie schuldig sind, und Gläubigern geringere Einnahmen. Ich kenne jemand, der sich Geld leihen wollte und dem es träumte, er habe keine Finger. Diesem Mann gewährte der Geldgeber auch ohne Schuldverschreibung einen Kredit. Mehr Finger als normal haben bedeutet das Gegenteil von dem, was das Traumgesicht von den zu wenigen Fingern anzeigt. Denn alle Finger, die zu den natürlich gewachsenen hinzukommen, sind selbst untauglich und machen auch die anderen, aus denen sie hervorgewachsen sind, untauglich. Einige Deuter legten das irrtümlich als ein günstiges Zeichen aus. An den Handwurzeln gewachsene Haare zeigen Fesselung an, an den inneren Handflächen bedeuten sie jedermann, besonders Bauern und Handwerkern, Arbeitslosigkeit und Untätigkeit; denn arbeiten sich die Hände beim Werken nicht weiter ab und verhärtet sich nicht ihre Oberfläche, bildet sich ganz natürlich ein Haarwuchs. Viele Hände zu haben ist günstig für einen Handwerker; er wird rastlos zu tun haben. Das Traumerlebnis sagt ihm gewissermaßen: «Du hast wegen der Fülle der Aufträ ge mehr Hände vonnöten.» Segen bringt es ferner denen, die einen rechtschaffenen Handel und Wandel treiben; das Traumgesicht bedeutet ihnen, wie ich häufig festgestellt habe, Zuwachs an Kindern, Haussklaven und materiellen Gütern. Verbrechern dagegen prophezeit es Fesselung und daß sich auf diese Weise viele Hände um einen Menschen werden zu schaffen machen. 43 Die Hüften, den Unterleib und die ganze Körperpartie bis zu den Leisten hat man als Symbol der Körperkraft und des Vermögens aufzufassen. Befällt diese Körperteile irgendein Leiden, prophezeit es folglich einerseits dem Körper Krankheit, andererseits kümmerliche Lebensverhältnisse. Der Nabel bezeichnet die Eltern, wenn diese noch am Leben sind, wenn nicht, das Vaterland, dem man, wie dem Nabel, sein Werden und Wachsen verdankt. Stößt dem Nabel etwas Widriges zu, bedeutet es den Verlust der Eltern oder des Vaterlandes, und für den, welcher in der Fremde weilt, gibt es keine Rückkehr in die Heimat mehr. 44 Träumt man, sein Leib sei aufgeschnitten und man erblicke seine Eingeweide, jedes natürlich gewachsen und in der richtigen Lage, so ist das für einen Kinderlosen und einen Armen ein gutes Vorzeichen; der eine wird eigene Kinder, der andere eigenes Hab und Gut zu Gesicht bekommen. Denn die Kinder nennt man Eingeweide 94 wie sein Inneres, und wie das Haus Hab und Gut birgt, so sind die Eingeweide zwischen den Hüften geborgen. Einem Reichen und jedem, der unentdeckt zu bleiben trachtet, zeigt es Schande und Überführung an. Unheil droht jedermann, falls die Eingeweide von einem Fremden 95 betrachtet werden; es deutet das Bevorstehen übler Rechtsstreitigkeiten und Prozesse an und bringt Verborgenes zutage. Schaut man seinen Leib aufgeschnitten und im Innern leer und keines der Eingeweide an seinem Platz, so droht dem Haus des Träumenden Verödung, dessen Kindern Verderben und einem Kranken der Tod. Heil bringt es nur einem, der von vielen Übeln geplagt und von Kummer bedrückt ist; es weissagt das Ende der gegenwärtigen Übel; denn wer diejenigen Organe verliert, welche die Sorgen in sich bergen, ist selbstverständlich von Kummer frei. Man beachte noch folgendes: Das Herz bedeutet die Ehefrau des Träumenden beziehungsweise den Ehemann, wenn eine Frau träumt, weil es der Mittelpunkt unseres Lebens ist; ferner den Mut und den Lebensatem des Träumenden; beide schließt es nämlich ein. Dasselbe bezeichnet die Lunge; die Leber aber das Kind, die Lebenskraft 96 und die Sorgen; die Galle den Zorn, das Geld die Ehefrau; die Milz die Vergnügungen, das Lachen und den Hausrat. Der Bauch und die Eingeweide bedeuten zuerst die Kinder, dann die Gläubiger, weil sie mit großem Ungestüm Nahrung Erstes Buch

22 22 verlangen; die Nieren die Brü der, nahe Verwandte, und (außerdem noch Namensvet tern und ) die Kinder. Verharren diese Organe in ihrer normalen Lage, bleibt das durch sie Bezeichnete unverändert, verdoppeln sie sich, alle insgesamt oder jedes einzelne für sich, wird das Angedeutete zweifach sich erfüllen. 45 Das männliche Glied gleicht den Eltern, weil es zum Samen in Beziehung steht, den Kindern, weil es deren Ursache ist; der Gattin und der Geliebten, weil es für die Freuden der Liebe geschaffen ist; den Brüdern und allen Blutsverwandten, weil vom Geschlechtsglied das verwandtschaftliche Verhältnis der ganzen Familie abhängt. Sodann bedeutet es Körperstärke und Manneskraft, weil es auch deren Urheber ist; deshalb wird es von einigen «Mannheit» genannt. Ferner bezeichnet es die Rede und die Bildung, weil das Geschlechtsglied, ebenso wie das Wort, das Allerzeugungsfähigste ist. Ich habe einmal in Kyllene ein Kultbild des Hermes gesehen, das auf Grund einer natürlichen Auffassung lediglich als männliches Glied gearbeitet war. 97 Ferner zeigt es Überfluß und Besitz an, weil es sich bald vergrößert, bald wieder zurückgeht und sowohl gewähren als auch ausscheiden kann. Weiterhin bedeutet es geheime Pläne, weil diese auch medea genannt werden ebenso wie das Glied; dann gleicht es Armut, Knechtschaft und Fesseln, weil es «das Notwendige» heißt und das Symbol von Not und Zwang ist. Ferner gleicht es der Würde; denn aidos bedeutet Scham und Würde. Daraus folgt: Ist das Glied vorhanden und befindet es sich in der gehörigen Ordnung, so werden auch alle durch dasselbe angedeuteten Dinge und Verhältnisse in ihrer alten Ordnung verharren; es vergrößert sie, wenn es sich vergrößert, es zeigt deren Verlust an, wenn es abge nommen wird. Verdoppelt es sich, wird sich alles verdop peln, mit Ausnahme der Gattin oder der Geliebten; diese verliert man, denn zwei Geschlechtsglieder kann man nicht auf einmal gebrauchen. Ich kenne jemand, der als Sklave träumte, er habe drei Geschlechtsglieder. Er wurde freigelassen und erhielt anstatt des einen Namens ihrer drei, indem er vom Freilasser zwei dazunahm. Dieser Fall ereignete sich jedoch nur einmal. Man hat aber bei den Deutungen nicht von den seltenen, sondern von den Regelfällen auszugehen. 46 Die Leisten (befinden sich) dicht bei Schamgliedern und bedeuten dasselbe wie letztere. Daher muß man die Leisten nach denselben Regeln auslegen wie die Schamglieder. Die Oberschenkel bedeuten im großen und ganzen dasselbe wie die Schamglieder, nur sind sie, feist geworden, den Reichen erfahrungsgemäß von übler Vorbedeutung. Meistenteils bedeuten sie große Geldausgaben für Liebesfreuden, besser gesagt, nicht Ausgaben, sondern Verluste. 47 Das Knie muß man zu Körperkraft und Mannestum, zu Bewegungen und Unternehmungen in Beziehung setzen. Sind sie stark und gesund, lassen sie es ratsam erscheinen, eine Reise oder sonst eine andere Veränderung durchzuführen, und prophezeien dem Träumenden Unternehmungen und Gesundheit; das Gegenteil, wenn sie ein Leiden befällt. Träumt man, daß aus den Knien ein Gewächs hervorgesprossen sei, so werden einem die Knie ihren Dienst versagen; ein Kranker wird nach diesem Traumerlebnis sterben. Denn aus der Erde sprossen die Gewächse, und in Erde lösen sich die Bestandteile des Körpers auf. Ich kenne jemand, dem es träumte, aus seinem rechten Knie sei ein Schilfrohr herausgewachsen; es geschah, daß sich eine Fistel im Knie des Betreffenden bildete; denn das Schilfrohr hat Knoten, und man verfertigt aus ihm «Fisteln» 98. Vielfach weisen die Knie auf die Brüder und Gefährten, weil auch sie untereinander verbrüdert und Weggefährten sind. Ferner bezeichnen sie Freigelassene; denn sie leisten genauso ihre Dienste wie die Füße, nur befinden sie sich oberhalb derselben und bedeuten folglich nicht Sklaven, sondern Freigelassene. 48 Die Unterschenkel bedeuten von vorn und von hinten dasselbe wie die Knie. Die Knöchel und die Zehen bezeichnen in allem übrigen dasselbe wie die Knie, mit dem Unterschied, daß sie nicht Freigelassene, sondern Sklaven bedeuten. Mehr als zwei Füße zu haben bringt einem Großhändler, einem Reeder und jedem, der Tagelöhner hält. Glück; sie werden einer noch größeren Zahl von Untergebenen gebieten. Einem Steuermann prophezeit das Gesicht Windstille; denn er wird viel mehr Füße nötig haben, wenn die Ruder des Schiffs ausgelegt werden. Von guter Vorbedeutung ist es für einen Armen; er wird Haussklaven erwerben. Einem Reichen hingegen droht Krankheit"; denn da er sich nicht auf die eigenen Füße allein stützt, sondern auch auf die seiner Träger, glaubt er, mehr Füße zu haben. Viele verloren nach Erstes Buch

23 23 diesem Traumerlebnis ihr Augenlicht, so daß sie sich eines Blindenführers bedienen mußten. Verbrechern prophezeit es Fesselung, so daß sie nur unter Bewachung und nicht allein ausgehen können. Ich kenne jemand, der träumte, sein Körper sei ganz und gar regungslos und nur seine Füße rührten sich; diese machten keinen Schritt vorwärts, bewegten sich aber dennoch. Es traf ihn, daß er zur Schiffspumpe verurteilt wurde. Denn diejenigen, die Wasser aus dem Schiff pumpen müssen, schreiten wie beim Gehen aus, bleiben aber immer auf demselben Fleck. Ein anderer träumte, von seinen Füßen fließe Wasser herab; auch er teilte, weil er ein Verbrecher war, das gleiche Schicksal, und auf diese Weise rann Wasser von seinen Füßen herab. Ein dritter, der dasselbe Gesicht hatte, aber kein Verbrecher war, erkrankte an der Wassersucht. Schaut man, daß einem die Füße verbrennen, so droht jedermann ohne Unterschied Unheil und vollständiger Verlust von Hab und Gut, ja sogar der von Kindern und Sklaven. Denn die Kinder gehen den Eltern, ebenso wie die Sklaven, an die Hand und hegen und pflegen sie wie diese. Dies e Tatsache beachteten die meisten Traumdeuter nicht, wenn sie meinten, die Füße bedeuteten lediglich Sklaven. Einzig Wettläufern ist das Traumerlebnis günstig, wenn sie es kurz vor dem Wettkampf schauen. Sie werden hurtiger und sozusagen brandeilig ihre Beine in Bewegung setzen. 49 Der Rücken und alle rückwärtigen Körperteile gelten allgemein als Symbol des Alters. Deswegen bezeichnen einige sie zutreffend als den Bereich Plutons 100. In welchem Zustand sie also dem Träumenden erscheinen, dementsprechend wird es ihm im Alter ergehen. 50 Bei den Verwandlungsträumen muß man erstens auf die Quantität achten, zweitens auf die Qualität und drittens auf die äußere Erscheinung. Zur Quantität: Günstig ist es, wenn einer, der von kleinem Wuchs ist, träumt, groß zu werden oder über seine natürliche Gestalt hinauszuwachsen, jedoch nur dann, wenn er die normale Größe eines Menschen nicht überschreitet 101. Das Traumgesicht kündigt nämlich nicht ein körperliches Wachsen, sondern eine Steigerung der Unternehmungen und der Vermö gensverhältnisse des Träumenden an. Dagegen bedeutet es ihm den Tod, wenn er sich in übermenschlicher Größe schaut; träumt jemand, sein Kind, das eben noch klein war, sei zum Mann herangewachsen, so wird dieses sterben. Ein schlimmes Vorzeichen ist es für einen alten Menschen, wenn er sich in ein Kind verwandelt; es bedeutet ihm den Tod. Ein gutes Vorzeichen dagegen ist es für einen Mann, zum Jüngling, für einen Jüngling, zum Knaben zu werden. Beide wechseln ja in das jugendlichere Alter über. Glück bringt es einem Knaben, in einen Jüngling, einem Jüngling, in einen Mann, und einem Mann, in einen Greis sich zu verwandeln. Denn jeder von ihnen kommt in das ehrenvollere Alter. Wird ein Jüngling zu einem Greis, wird er zwar nicht sterben, wie der Knabe, aber erkranken. Verwandelt sich ein Mann in einen Knaben, wird er durch unbesonnene Geschäfte Verluste erleiden. Treffend sagt das Dichterwort: «Stets ist Jünglingen ja ihr Herz voll flatternden Leichtsinns.» 102 Mit der Qualität der Verwandlung verhält es sich folgendermaßen: Verwandelt sich ein Mann in eine Frau, so ist das für einen Armen und einen Sklaven ein gutes Vorzeichen. Der eine wird wie eine Frau einen Ernährer finden, der andere bei seiner Sklavenarbeit weniger schuften müssen; denn die Arbeiten der Frauen sind weniger anstrengend. Für einen Reichen hingegen ist es von Übel, besonders wenn er im politischen Leben steht; denn für gewöhnlich walten und schalten die Frauen im Haus. Deswegen wird das Traumgesicht ihn von allen höheren Ämt ern ausschließen. Sportlern bedeutet es Krankheit; denn Frauen sind von zarterer Natur als Männer. Verwandelt sich eine Frau in einen Mann, so wird sie, falls sie unverheiratet ist, heiraten, ist sie kinderlos, einen Knaben gebären, und auf diese Weise wechselt sie in die männliche Natur über. Hat sie einen Mann beziehungsweise einen Sohn, wird sie als Witwe ihr Leben beschließen; denn der Mann bedarf nicht des Mannes, sondern der Frau. Einer Sklavin legt dieses Traumerlebnis ein noch schwereres Sklavenjoch auf, einer Hetäre dagegen bringt es Glück. Die eine wird noch länger wie ein Mann schuften müssen, die andere ständig in Anspruch genommen werden. Erstes Buch

24 24 Träumt jemand, sei Mann oder Frau, aus Silber oder Gold zu sein, so wird er, falls er ein Sklave ist, verkauft werden, so daß er mit Silber oder Gold aufgewogen wird, ein Armer wird zu Reichtum kommen, so daß Gold und Silber ihn umgeben, ein Reicher aber wird Anschlägen ausgesetzt sein, weil alles Gold und Silber zahlreiche Spitzbuben anlockt. Jedem Kranken aber prophezeit das Traumgesicht mit Sicherheit den Tod, ebenso, wenn man glaubt, zu Erz geworden zu sein; ausgenommen sind nur der Athlet und der Sklave; der erstere wird einen Sieg erringen und ein Standbild bekommen, der letztere freigelassen werden. Denn aus Erz sind die Standbilder der Freien, die als Weihgeschenke gestiftet werden. Dasselbe bedeutet es, wenn jemand sein Bild oder seine Statue aus Erz auf öffentlichem Marktplatz aufgestellt erblickt. Die Verwandlung in Eisen dagegen prophezeit unerträgliche Schicksalsschläge; der Träumende wird sie jedoch überstehen und ein hohes Alter erreichen. Denn Menschen aus Eisen nennen wir diejenigen, welche viele Widrigkeiten ertragen haben. Träumt man, zu Lehm oder Ton geworden zu sein, so droht jedermann der Tod, ausgenommen Leute, die mit Ton oder Lehm ihren Lebensunterhalt verdienen. Glaubt man, zu Marmor geworden zu sein, zeigt das dem Träumenden Wunden und Verletzungen an; denn ohne eiserne Werkzeuge kann niemand in Marmor ge hauen werden. Entsprechend hat man zu urteilen, wenn es sich um die Verwandlung in einen anderen Stoff handelt. Verwandelt sich jemand in ein Tier, muß man von der Natur desselben ausgehen und dementsprechend die Auslegung treffen; Näheres wird das zweite Buch im Kapitel über die Jagd bringen. Glückverheißend sind ferner nach meiner Erfahrung Schönheit, edler Wuchs und Körperkraft, sofern sie nicht Menschenmaß überschreiten 103, denn träumt jemand, ungewöhnlich schön, stattlich oder stark zu sein, bedeutet es dasselbe, wie wenn man glaubt, häßlich oder gelähmt oder kraftlos zu sein. Alles dies bringt Kranken den Tod, Gesunden Kraftlosigkeit und Siechtum. 51 Hinsichtlich der Unterweisung in den Handwerken, Arbeiten und Berufen gilt im allgemeinen und für alle Fälle folgende Regel: Die Arbeit oder das Handwerk, das man erlernt hat, in dem man ausgebildet wurde, in dem man tätig gewesen ist und schafft, im Traum zu betreiben und auszuüben und ein Vorhaben glücklich zu Ende zu führen, bringt jedermann Segen; denn was einer sich vorge nommen hat, wird er erreichen und nach Wunsch erledigen. Von schlimmer Vorbedeutung hingegen ist das Mißlingen eines Vorhabens; es bedeutet das Gegenteil von dem, was man wünscht. Träumt jemand, etwas zu schaffen, was er nicht erlernt oder womit er sich nicht beschäftigt hat, so bedeutet es, wenn er das Werk meistert, einen Erfolg, der freilich Anstrengung kostet und nur mit großer Mühe errungen werden wird. Mißlingt es ihm aber, kommt zum vergeblichen Bemühen um alles, was er sich vorgenommen, noch Spott der Leute hinzu. Im einzelnen verhält es sich damit folgendermaßen: Das Bestellen des Ackers, das Säen, Pflanzen oder Pflü gen für Heiratslustige und für Kinderlose von guter Vorbedeutung; das Ackerland bedeutet ja nichts anderes als die Frau, die Samen und die Pflanzen die Kinder, und zwar Weizen Söhne, Gerste Töchter, Hülsenfrüchte aber Fehlgeburten 104 ; allen übrigen Menschen zeigt es Anstrengung und Drangsal an. Ist jemand im Hause des Träumenden krank, wird der Betreffende sterben; denn Samen und Pflanzen werden ebenso wie die Verstorbenen mit Erde bedeckt. Schaut man, wie Kornernte, Traubenlese und Beschneiden der Schößlinge zur Unzeit vorgenommen werden, so verschieben sich alle unsere Handlungen und Unternehmungen auf denselben Zeit punkt und dieselbe Jahreszeit. Das Steuern bringt allgemein Glück, wenn man glatt landet oder gefahrlos in See sticht, doch wird es nicht ohne Anstrengung und Furcht abgehen. Gerät man in einen St urm oder erleidet man Schiffbruch, ist das nach meinen Beobachtungen ein ganz übles Vorzeichen. Schustern und Zimmern ist wegen der Maße allen denen günstig, die im Einklang mit dem Gesetz leben, ferner, wegen der Nähte und Zusammenfügungen, Leuten, die heiraten oder sich einer Gemeinschaft anschließen möchten. Das Gerben bringt jedermann Unsegen; denn der Gerber kommt mit Kadavern in Berührung und wohnt außerhalbder Stadt; ferner deckt es wegen des Geruchs Verborgenes auf. Für Ärzte ist es am allerschlimmsten. Handwerk eines Goldschmieds auszuüben bedeutet, weil seine Arbeiten eine Substanz haben, die Erstes Buch

25 25 verdeckt ist und wegen der verschlungenen Zusammenfügungen 105, daß der Träumende Schurkereien zu gewärtigen hat. Das Bildhauern, Malen, Ziselieren und Verfertigen von Statuen ist für Ehebrecher, Rhetoren, Fälscher und alle Sorten von Betrügern von guter Vorbedeutung, weil diese Künste das nicht Existierende als existierend darstellen; den übrigen Menschen bedeutet es üble Nachreden und das Zusammenlaufen der großen Menge, weil Kunstwerke für die breite Öffentlichkeit bestimmt 52 Das Schmieden und das Stehen am Amboß zeigt Aufregungen und Kümmernisse an, einem Heiratslustigen hingegen eine Frau, die einerseits gutmütig ist, wegen der Blasebälge - sie blasen nämlich zusammen -, andererseits streitsüchtig, wegen der Hämmer; denn diese schlagen Lärm. Was die übrigen Handwerke anbetrifft, so hat man nach dem Muster der angeführten Beispiele die Auslegungen entsprechend zu treffen, wobei man sowohl die Eigenschaften der Handwerke als auch die des Träumenden berücksichtigt. Ferner ist noch auf folgendes hinzuweisen: Alles, was die Handwerke bedeuten, wenn man sie auszuüben träumt, bedeuten auch die Handwerker, ihre Werkstätten und Werkzeuge, wobei nur hinsichtlich der Werkzeuge eine geringfügige Unterscheidung zu beachten ist; denn alle Werkzeuge, die schneiden und zerteilen, bedeuten Zwistigkeiten, Aufruhr und Verluste, während diejenigen, welche zusammenfügen und verbinden, materielle Vorteile, Ehen und Gemeinschaften prophezeien, eine Reise aber vereiteln. Werkzeuge, die glätten, schlichten Feindschaften; solche, welche strecken oder die Gerade anzeigen, bringen Verborgenes zutage. Des wegen sind nach meiner Auffassung die Feldmeßkunst und auch die Feldmesser, wenn man sie im Traum schaut, in dieser Hinsicht von guter Vorbedeutung. 53 Lesen- und Schreibenlernen bedeutet einem, der beides noch nicht kann, etwas Gutes, das jedoch mit Plackerei und Angst verbunden sein wird; denn Schulanfänger sind ängstlich und müssen sich placken, lernen aber zu ihrem Nutzen. Fängt jemand, der schon lesen und schreiben kann, zum zweiten Mal damit an, so muß man das als ein ganz schlimmes Vorzeichen deuten; denn solcher Unterricht ist nur für das Kindesalter gedacht. Deswegen bedeutet es Stillstand der Geschäfte und obendrein Ängste und Qualen. Glück bringt es nur einem, der sich einen Sohn wünscht; nicht er selbst, sondern sein eigen Fleisch und Blut wird das Lesen und Schreiben erlernen. Lernt ein Römer die griechischen oder ein Grieche die römischen Schriftzeichen, so wird der eine in griechische, der andere in römische Lebensverhältnisse kommen. Viele Römer heirateten nach diesem Traumgesicht Griechinnen, Griechen Römerinnen. Ich kenne aber jemand, dem es träumte, er lerne die römische Schrift, und der dann zur Sklaverei verurteilt wurde; denn das Griechische wird einem Sklaven auf keinen Fall beigebracht. Träumt man, barbarische 106 Schrift gut und fließend zu lesen, wird man in barbarische Lande und Lebensverhältnisse kommen und dort glänzende Erfolge erringen; liest man sie aber schlecht, wird man daselbst schlecht davonkommen oder, im Fall einer Krankheit, wegen der Fremdartigkeit der Sprache um seinen Verstand kommen. Wenn einer gewisse Schriftzeichen nicht schreiben oder nicht lesen kann, so wird er ohne Tatkraft sein, und zwar für Tage, wenn es wenige, für Monate, wenn es viele sind. 54 Träumt ein Sklave, er leiste den Ephebendienst 107 ab, so wird er die Freiheit erlangen, weil dieser nach dem Gesetz nur Freien offensteht. Jedem Handwerker und Rhetor bedeutet es für die Dauer eines Jahres Arbeitslosigkeit und Untätigkeit; denn der Ephebe muß ein ganzes Jahr lang die rechte Hand unter der Chlamys halten und kann sie weder zum Arbeiten noch zum Gestikulieren wä hrend des Sprechens betätigen, noch darf er sie zeigen. Ein Jahr, ich, wegen der Dauer des Ephebendienstes. Beträgt er anderswo drei Jahre, ist die Auslegung im Hinblick auf die örtliche Regelung zu treffen. Eine Reise vereitelt dieses Traumgesicht und führt den, der in der Fremde weilt, in die Heimat zurück; denn der Ephebe muß im Land bleiben. Einem Unverheirateten prophezeit es die Ehe; denn nach dem Gesetz legt man die Chlamys an, nach dem Gesetz geht man eine Ehe ein. Ist die Chlamys weiß, wird der Träumende eine Freigeborene heiraten, ist sie schwarz 108, eine Freigelassene; ist sie purpurn, eine Frau, die von edlerer Abkunft ist als er selbst, in keinem Fall aber eine Sklavin. Schaut jemand dieses Traumgesicht, der sich Kinder wünscht oder der schon einen Sohn hat, so wird nicht er selbst, sondern sein Sohn den Ephebendienst ableisten. Einem alten und hochbejahrten Mann prophezeit dieses Traumerlebnis den Tod und Gesetzesverächter überführt es; dagegen verspricht es Leuten, die Erstes Buch

26 26 einen rechtschaffenen Handel und Wandel treiben, Hilfe. Denn der Ephebendienst ist geradezu der Maßstab einer ordentlichen und gesunden Lebensführung. Für einen Wettkämpfer ist es vor der Zulassung zum Wettkampf ein böses Zeichen, weil es ihm wegen Überschreitung der Altersstufe den Ausschluß ankündigt; es dauert nämlich nicht lange, und der Ephebe wird zum Mann. Einem Ringkämpfer, der Wettkämpfe bestreitet, bedeutet es, daß er nicht rechtzeitig zum Wettkampf antreten wird; und wenn er antritt, daß er am Wettbewerb nicht teilnehmen wird; denn Epheben beteiligen sich nicht an Wettkämpfen außerhalb ihres Landes. 55 Einen Reifen treiben bedeutet, man werde Anstrengungen unterworfen, aus denen dem Träumenden ein Nut zen entstehen wird. Fang- und Wurfball bedeuten endlosen Zank und Streit, oft auch Liebe zu einer Hetäre; Fang- und Handball gleichen einer Hetäre, weil sie nirgendwo bleiben, sondern von Hand zu Hand wandern. Sprunghanteln und Übungen mit ihnen prophezeien für den Augenblick Stillstand der Geschäfte und Plackereien, dann aber wieder Unternehmungen, die mit Leichtigkeit vonstatten gehen; diese Sportart ist ja nichts anderes als ein Training der Arme. Sackhüpfen, Kegeln, Hürdensprung und andere Turnspiele für junge Leute sind Vorboten von Zank und Streit. Über den Ringkampf werde ich in dem Abschnitt über die Wettkämpfe sprechen, damit ich nicht zweimal dasselbe erkläre. 56 Auf der heiligen Trompete blasen 109 verheißt denen Glück, die mit anderen zusammenkommen wollen, und Leuten, die Sklaven oder irgendwelche Familienangehö rigen verloren haben; denn im Krieg sammelt dieses Instrument die Versprengten. Verborgenes spürt es wegen seiner Klangfülle auf. Kranke rafft es hinweg; denn die Trompete besteht aus Bein und Erz, durch welche der Atem entweicht, ohne wieder zurückzukehren. Sklaven und alle, die Frondienste leisten müssen, befreit es von Knechtschaft; denn dieses Instrument ist ein Vorrecht der Freien. Das Blasen auf einer gewundenen Trompete bringt Unheil; es ist ja kein heiliges, sondern ein Kriegsinstrument, und was der, welcher darauf bläst, mit seinem Mund verkündet, fällt auf sein eigenes Haupt zurück. Deswegen verbietet es auch, als Ankläger gegen jemand aufzutreten. Hört man jemand auf einem dieser Instrumente blasen, wird man Aufregungen erleben. Schaut man lediglich eine Trompete, wird man sich unbegründeter Furcht hingeben. Als Herold ausrufen bedeutet dasselbe wie das Blasen auf der Trompete, mit einer Ausnahme: Sklaven werden nicht durch die Gnade ihrer Herren, sondern durch eigenen öffentlichen Ausruf für frei erklärt werden. Auf Klageflöten blasen bedeutet Trauer oder ein Leid, das der Trauer gleichkommt, und rafft Kranke hinweg. Auf einer Rohrflöte blasen, bringt jedermann Glück, desgleichen, wenn man beim Trankopfer flötet. Auf einer Harfe oder einer Kithara 110 spielen ist wegen der Harmonie der Töne in bezug auf eine Heirat und eine Gemeinschaft von guter, für alle anderen Unternehmungen dagegen von übler Vorbedeutung und führt wegen des Spannens der Saiten zu Streitigkeiten, hat aber auch schon vielen Gicht angekündigt, weil Saiten aus Sehnen 311 hergestellt werden. Das Singen unter Kitharabegleitung hat man genauso auszulegen.träumt Jemand, er trete in einer Tragödie auf, er besitze tragische Stücke oder Dichtungen, er höre Tragöden oder rezitiere tragische lamben, so wird alles dem Inhalt entsprechend eintreten, wenn er sich an das Gesprochene erinnert; wenn nicht, kommen über ihn Plagen, Sklavendienste, Hader, Mißhandlungen, Gefahren und noch Entsetzlicheres oder Gräßlicheres als dieses; denn davon sind die Tragödien voll. Dagegen zeigt das Auftreten in einer Komödie, das Anhören von Komödianten oder der Besitz von komischen Dichtungen oder Büchern, wenn es sich um Stücke der alten Komödie handelt, Verspot tungen und Zwistigkeiten an; sind es Stücke der zeitge nössischen Komödie 112, bedeutet es in allem übrigen dasselbe wie die Tragödie, nur daß sie ein gutes und glückliches Ende verheißen; denn darauf läuft für gewöhnlich die Handlung der Komödien hinaus. Chöre und Lobge sänge bedeuten leere Deklamationen und Betrügereien; die lyrischen Dichter pflegen nämlich aus persönlicher Gewinnsucht anderen Leuten Vorzüge anzudichten, die diese gar nicht besitzen. Dichter, Lobredenschreiber und alle, die für Geld Reden verfassen, sind in dieselbe Klasse mit den Chören einzureihen, wobei es keinen Unterschied macht, ob einer träumt, er schaffe selbst solche Dinge oder er sei nur Zeuge, wie sie entstehen. Über den Waffentanz und den Chorreigen werde ich in dem Abschnitt über die Kränze sprechen, wo auch zweckmäßig über die Gesänge zu handeln sein wird. Jetzt will ich der Reihe nach über den Pferdesport und die athletischen Wettkämpfe sprechen. Ein Rennpferd zu reiten, Erstes Buch

27 27 das dem Zügel und Reiter willig gehorcht, bringt jedermann ohne Unterschied Glück; denn das Pferd hat dieselbe Bedeutung wie die Gattin und die Geliebte" 3, weil es auf seine Schönheit stolz ist und seinen Lenker trägt; ferner gleicht es einem Schiff; denn der Dichter nennt die Schiffe Pferde des Meeres" 4, und wir nennen Poseidon" 5 «Hippios»; und wie das Pferd zum Land, so steht das Schiff zum Meer in Beziehung. Sodann ist es einem Lohnherrn vergleichbar und einem Freund, der Unterhalt gewährt, und jedem, der Lasten trägt. Wie nun das Pferd den Träumenden trägt, dementsprechend wird sich ihm gegenüber die Gattin, die Geliebte, der Lohnherr, der Freund und das Schiff verhalten. Ein Zweige spann unterscheidet sich in keiner Weise von einem Rennpferd, ausgenommen für Kranke. Es prophezeit ihnen den Tod" 6, ebenso wie das Viergespann, das seinerseits in allem übrigen dasselbe bedeutet wie ein Rennpferd, während es Wettkämpfern, die in den schwerathletischen Disziplinen antreten. Glück und Sieg verheißt; sie werden einen triumphalen Einzug halten. Wettläufern kündigt es eine Niederlage an; das Traumgesicht sagt ihnen, sie seien nicht fähig, die eigenen Füße zu gebrauchen. Ich erkläre aber ausdrücklich, daß es für freie und reiche Frauen und Jungfrauen Gutes bedeutet, mit einem Wagen durch die Stadt zu fahren; es verschafft ihnen angesehene Priesterämter. Armen Mädchen dagegen kündigt es Hurerei an, wenn sie zu Pferd durch die Stadt reiten; Sklaven verheißt es die Freiheit; denn nur Freie haben das Vorrecht, durch die Stadt zu reiten. Das Hineinfahren in die Stadt bringt einem Athleten und einem Kranken Glück; der eine wird bei den heiligen Spielen" 7 Sieger werden, der andere nicht sterben. Dagegen bringt das Hinausfahren aus der Stadt beiden Unglück; der eine wird zu Grabe getragen werden, der andere nicht den Sieg erringen. Mit einem Wagen durch die Wüste zu fahren prophezeit jedem, der davon träumt, gewiß baldigen Tod" Am Fünfkampf 119 teilzunehmen bedeutet nach meiner Erfahrung in allen Fällen erstens eine Reise oder einen Umzug von einem Ort nach einem anderen, und zwar wegen des Laufes, zweitens, wegen der Wurfscheibe, die aus Erz ist und aus den Händen geschleudert wird, Strafgelder, ungelegene Geldausgaben oder unerwartete Zahlungen; vielfach, wegen der Sprünge mit den Hanteln, Beschwerden und obendrein Sorgen; wir sagen ja auch von Menschen, die über plötzliche Zwischenfälle bestürzt sind, fast springe ihnen das Herz 120. Weiter prophezeit es Rechtsstreitigkeiten und Gegenreden, wegen des Speerwerfens, wegen des Schwirrens und der Geschwindigkeit, was wohlgezielten Reden gleicht; dann Wohlhabenden einen Rechtsstreit um Grund und Boden, Armen wegen des Ringkampfes Krankheit. Den Grund dafür werden die folgenden Ausführungen geben. 58 Der Kurzstreckenlauf ist für alle, Kranke ausgenommen, glückbringend, wenn sie zu siegen wähnen; die ersteren werden ans Ziel ihrer Wünsche gelangen (aus diesem Grund werden auch Sklaven nach diesem Traumgesicht freigelassen werden), die letzteren durch den Tod an das Ziel ihres Lebens. Der Doppellauf 121, der dasselbe wie der Kurzstreckenlauf bedeutet, pflegt alles nach einem Aufschub, so wie der Langlauf nach vielen Aufschüben, zu vollenden. Insbesondere prophezeit der Langlauf Frauen Hurerei und die Lebensweise einer Hetäre. 59 Zum Wettkampf zugelassen zu werden ist für jedermann von guter Vorbedeutung; für Wettkämpfer im Knabenalter ist der Traum wegen der altersbedingten Zulas sung 122 ohne Bedeutung, Männern dagegen ist er von Übel; die Zulassung erfolgt nämlich im Knabenalter. Träumt man, ausgeschlossen zu werden, so bringt es jedermann Schaden, und außerdem rafft es Kranke hinweg. Ich kenne jemand, dem es träumte, er werde von den Olympischen Spielen ausgeschlossen; er wurde zu Zwangsarbeit im Bergwerk verurteilt, weil er nicht an dem heiligen Wettkampf teilnehmen durfte. 60 Mit einem Blutsverwandten oder Freund zu ringen kündigt Zank und Streit mit dem Betreffenden an. Besteht schon eine Feindschaft, wird derjenige, der im Traum den Sieg erringt, auch am Tag der Überlegene sein 123, ausgenommen, sie stritten um Grund und Boden; denn bei derartigen Streitfällen ist es besser, zu unterliegen, falls nicht auch der, welcher den Gegner zu Boden wirft, es von unten erreicht. Denn dem, der mit dem Boden in Berührung ist, gehört der Grund und Boden 124. Ich kenne jemand, dem es träumte, er ringe und strecke seinen Gegner mit dem sogenannten Kunstgriff «Zwei-Finger-um-Einen» 125 zu Boden. Derselbe gewann den Prozeß, indem er Schriftstücke in die Hand Erstes Buch

28 28 bekam, die sein Gegner verfaßt hatte. Mit einem Unbekannten zu ringen, führt Gefahren durch Krankheiten herauf; denn wie der Ringer seinen Gegner zu überwältigen trachtet, so auch die Krankheit den Kranken, das heißt, sie will ihn der Erde überge ben 126. Dem Unterlegenen winkt der Tod, dem Sieger Genesung. Ferner bedeutet es nichts Gutes, ein Mann mit einem Knaben ringt. Wirft er ihn nieder, wird er jemanden begraben; wird er aber von dem Knaben niedergerungen, wird er zu der vergeblichen Anstrengung noch Spott und Krankheit ertragen müssen; Spott, wegen des Ausganges des Kampfes, Krankheit, weil er einem körperlich Schwächeren unterlag. Einem Knaben hingegen bringt es Glück, einen Mann zu Boden zu werfen; er wird unerwartet Großes erreichen. Dagegen ist es für einen Wettkämpfer im Knabenalter kein gutes Vorzeichen; er wird nicht mehr in die Alt ersgruppe der Knaben eingetragen werden. Ringt man mit einem Toten, wird man erkranken oder mit einem Nachkommen oder Erben des Verstorbenen in Streit geraten. In jedem Falle ist es im Ringkampf zu siegen, 61 Der Faustkampf ist für jedermann verlustreich; er bedeutet Schande und Verluste; denn es wird dabei das Gesicht verunstaltet und Blut vergossen, welches allgemein als Symbol des Geldes gilt. Glück bringt diese Kampfesart nur denen, welche mit Blut ihren Lebensunterhalt verdienen, nämlich Ärzten, Opferpriestern und Köchen. 62 Der Allkampf 127 bedeutet dasselbe wie der Ring- und Faustkampf, den Schaden ausgenommen, doch sind die Streitigkeiten, die er heraufführt, wegen der Kampfes weise heftiger. Immer aber ist es vorteilhafter, in beiden zu siegen. Nimmt ein Sklave an einem heiligen Wettkampf teil und erringt er Sieg und Kranz, so wird er durch öffentlichen Ausruf für frei erklärt werden; denn diese Wettkämpfe stehen nur Freien offen. Es sei aber daran erinnert, daß dies nur für den heiligen Wettkampf gilt, denn anderswo ist es nicht der Fall. Allen anderen Menschen bringen die Wettkämpfe das Ende glücklicher oder unglücklicher Umstände, vorausgesetzt, daß man es bis zum Siegeskranz schafft Der sogenannte Waffenlauf zeigt in jedem Fall Verzögerungen an; dieser Wettkampf kommt ja als letzter und wenn alles abgeschlossen ist. Kranken prophezeit er aus ebendemselben Grund den Tod. 64 Die ganz Alten hielten das Baden nicht für ein übles Vorzeichen; denn öffentliche Bäder waren ihnen noch unbekannt, und man badete in sogenannten Sitzwannen; die Späteren aber erklärten, als es schon Badeanstalten gab, sowohl das Baden als auch den Anblick einer Badeanstalt für unheilvoll, selbst wenn man kein Bad nahm. Nach ihrer Meinung bedeutete ein öffentliches Bad wegen des darin herrschenden Lärms Aufregung, wegen des ausströmenden Schweißes Schaden, ferner seelische Angst und Beklemmung, weil Haut und Oberfläche des Körpers im Bad die Farbe wechseln. Noch heutzutage gibt es Leute, die an der alten Auffassung festhalten und die Träume dementsprechend auslegen; sie sind jedoch im Irrtum und stellen nicht die Erfahrung in Rechnung. Ehedem bedeuteten Bäder ganz natürlich etwas Schlimmes, weil die Leute nicht regelmäßig badeten und Badeanstalten in so großer Zahl nicht zur Verfügung hatten, sondern man nur nach Beendigung eines Kriegsdienstes oder nach Überstehen großer Strapazen ein Bad zu nehmen pflegte (Bad und Baden waren für sie also eine Erinnerung an Strapazen oder Krieg). Heutzutage aber speisen gewöhnlich die einen nicht eher, bevor sie ein Bad genommen, andere tun es auch nach dem Essen; und dann baden sie vor dem Abendessen noch einmal. So ist in unserer Zeit das Baden nichts anderes als ein Mittel zu einem genußreichen Leben. Des halb ist das Baden in schönen, hellen und gut temperierten Hallen ein gutes Vorzeichen und beschert Gesunden Reichtum und geschäftlichen Erfolg, Kranken Gesundheit; denn Baden ist ein Zeitvertreib der Gesunden, sie tun es nicht aus Not oder Zwang. Badet jemand auf unschickliche Art und Weise, so steht ihm nichts Gutes bevor. Steigt z.b. einer mitsamt den Kleidern in das Warmbad, hat er Krankheit und große Beklemmungen zu gewärtigen; denn Kranke steigen bekleidet ins Bad, und Leute, die wegen wichtiger Entscheidungen in arger Bedrängnis sind, schwitzen auch in den Kleidern 128. Schlimm ist es für einen Armen, mit großer Dienerschaft und vielen Leuten um sich herum zu baden; es zeigt ihm langwierige Krankheit an; denn ein Armer badet gewöhnlich ohne einen Schwärm von Dienern. Entsprechend ist es für einen Erstes Buch

29 29 Reichen ein böses Zeichen, allein zu baden. Für alle Menschen aber ohne Unterschied ist es unheilvoll, nicht schwitzen zu können oder die Badeanstalt ohne Dach unter freiem Himmel zu sehen oder kein Wasser in den Becken vorzufinden; letzteres ist am allerschlimmsten. Denn was einer erhofft, wird er nicht zustande bringen 129, vor allem dann, wenn er unmittelbar oder mittelbar seinen Lebensunterhalt durch die große Menge verdient. Ich kenne einen Kitharaspieler, der in Smyrna an dem heiligen Wettkampf zu Ehren Hadrians teilnehmen wollte und dem es träumte, er wolle ein Bad nehmen, finde aber kein Wasser in der Halle vor; nun traf es ihn, daß er beim Übertreten der Wettkampfregeln entdeckt, bestraft und von der weiteren Teilnahme am Wettbewerb ausgeschlossen wurde; und das war es, was ihm das Traumerlebnis ankündigte, er werde nicht das finden, was er wünschte; die Badeanstalt bedeutete dabei das Theater. In warmen Wassern zu baden, d.h. in solchen, die es von Natur aus sind, zeigt Kranken Genesung, Gesunden Stillstand der Geschäfte an; denn warme Bäder pflegen nur Erholungssuchende oder Leute, die nichts zu tun haben, aufzusuchen. Segensreich ist es, in Quellen, Seen, Brunnen und Flüssen von reinem und klarem Wasser zu baden, aber keinesfalls zu schwimmen, weil letzteres jedermann Unheil bringt und das Symbol von Gefahr und Krankheit ist. Die Ursache davon hat Panyasis aus Halikarnassos 130 eingehend dargelegt. Striegel, Schabeisen und Badetücher bedeuten Sklaven. Verliert jemand einen dieser Gegenstände, wird er einen von seinen Leibsklaven verlieren. Insbesondere zeigen Schabeisen Schaden an, weil sie den Schweiß wegnehmen und dem Körper nichts hinzufügen. Bisweilen bezeichnen sie auch eine Hetäre; denn diese bewirkt beim Verkehr mit dem Liebhaber das selbe. Ein ölfläschchen und ein Behältnis für Schabeisen bedeutet den einen eine häusliche Gattin oder zuverlässige Sklavin, den anderen einen anstelligen Haussklaven. 65 Was Nahrungsmittel anbetrifft, einer klaren Anleitung notwendig, genau zu unterscheiden und die trockenen sowie die flüssigen Nahrungsmit tel gesondert zu behandeln. Weiter will ich die Qualität der trockenen wie auch der flüssigen, jedes für sich, berücksichtigen. Zuerst will ich über die flüssigen Nahrungsmittel sprechen. 66 Kaltes Wasser trinken bringt jedermann Glück; warmes dagegen zeigt allen mit Ausnahme derer, die es gewohnt sind, Krankheit oder Stillstand der Geschäfte an; denn das Trinken von warmem Wasser ist nicht naturgemäß. Wein in bescheidenem Maß aus nicht zu großen Bechern zu trinken und sich nicht zu berauschen ist gut. Passend kann man hier den Ausspruch des Sokratesschülers Xenophon anführen: «Der Wein schläfert die Sorgen ein wie der Alraun die Menschen, den Frohsinn weckt er so wie das öl die Flamme 131.» Deshalb ist es günstig, im Traum maßvoll und wenig Wein zu trinken, denn reicher und unmäßiger Genuß verursacht allen ohne Unterschied viele Übel. Hier gilt das Wort des Theognis: «Maßlos getrunkener Wein wirkt schlecht, doch trinkt man vernünftig, wirkt er gewiß nicht schlecht, sondern im Gegenteil gut». 131 Aber nicht nur das viele Weintrinken ist von Übel, so behaupte ich, sondern auch, in der Gesellschaft vieler Zecher zu sein. Denn immer folgt dem Rausch der Leichtsinn, aus welchem Entzweiung entsteht, die Mutter des Krieges. Das Trinken von Met, honigsüßem Quit tenwein, Quittensaft, Myrtenwein und jeder Art von künstlich zubereitetem Wein ist für Reiche wegen des Schwelgens und Prassens ein gutes, für Arme ein böses Vorzeichen; denn letztere greifen nur dann zu solchen Getränken, wenn Krankheit sie dazu zwingt. Essig zu trinken kündigt Zank und Streit mit den Verwandten an, weil Essig den Mund zusammenzieht. Fischextrakt bedeutet Schwindsucht; dieser ist ja im Grunde nichts anderes als ein Produkt der Fäulnis. Das Trinken von öl zeigt Vergiftung oder Krankheit an. Immer ist es gut, aus Durst zu trinken. Wenn man nichts zu trinken vorfindet oder zu einem Fluß, einer Quelle oder Zisterne kommt, ohne Wasser schöpfen zu können, so wird man nichts von dem zustande bringen, wonach man trachtet. Dürsten ist ja nichts anderes als ein Verlangen, und Trinken stillt das Verlangen. Folgendes ist noch zu beachten: Trinkgefäße aus Gold, Silber oder Ton bringen jedermann Glück und bezeichnen große Zuverlässigkeit, die einen, weil sie aus festem, die anderen, weil sie aus alltäglichem Material sind. Becher aus Hörn sind wegen ihrer Altertümlichkeit und Unzerbrechlichkeit von guter, Gläser dagegen wegen des Stoffes von übler Erstes Buch

30 30 Vorbedeutung, bisweilen kündigen sie auch wegen ihrer Zerbrechlichkeit Gefahren an und bringen wegen ihrer Durchsichtigkeit Verborgenes ans Licht. Eine andere zutreffende Auffassung besagt, daß die Trinkgefäße diejenigen Personen bezeichnen, die mit unseren Lippen in Berührung kommen. Deswegen bedeutet es den Tod eines uns nahestehenden Menschen, wenn sie zerspringen. Lebt aber einer mutterseelenallein, droht ihm selbst der Tod. Diese Beobachtung kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Leuten auf hoher See prophezeit das Zerspringen ihrer Trinkgefäße Schiffbruch. Das ist die alte Einteilung und Auslegung. Heutzutage kommt noch folgendes Traumbild hinzu, das sich häufig erfüllt hat: Es gibt gewisse enghalsige Trinkgefäße, die man vor nicht allzu langer Zeit erfunden hat. Gehen sie in Scherben, verheißen sie Befreiung von jeglicher Drangsal und Beklemmung. 67 Es folgt die Besprechung der trockenen Nahrungsmittel; ich will mit der Pflanzenkost beginnen. Alles Gemüse, das einen übelriechenden Atem verursacht, wenn man es gegessen hat, bringt Verborgenes zutage und weckt Haß gegen die Hausbewohner; dazu zählen z.b. der Rettich, die Endivie und der Schnittlauch. Dasjenige Gemüse, das geschält und roh gegessen wird, zeigt wegen des Abfalls an Schalen Schaden an, wie der Lattich und anderes dieser Art. Artischocken bedeuten wegen ihrer Stacheln und Schärfe Schmerzen, ferner Verdienstausfälle; denn die Pflanze hat keinen Nährwert. Mangold, Malven, Ampfer, Sauerampfer und Melde sind nur für Schuldner gut, weil sie den Magen reizen und den Stuhlgang fördern; es gleichen nämlich speziell der Magen und die Eingeweide einem Gläubiger. Knollengewächse, Mohrrüben und andere nahrhafte Pflanzenkost bringen materielle Vorteile; einzig Leuten, die um Grund und Boden prozessieren, sind sie ungünstig; denn diese Gewächse werden mitsamt den Wurzeln ausgerissen. Kohl ist zu nichts nütze und zeigt besonders Schankwirten, Winzern und allen Theaterleuten Unheil an, weil die Weinrebe sich nie um den Kohl schlingt 133. Von den sogenannten weißen Gemüsen bedeuten Kohlrüben, Futterrüben und Kürbis eitle Hoffnungen, weil sie samt und sonders den Magen beschweren und keinen Nährwert haben. Kranken und Reisenden prophezeien sie chirurgische Eingriffe und Wunden, hervorgerufen durch Eisen, weil man diese Gemüsearten zerhackt. Geschälte Gurken sind für Kranke gut, weil sie Säfte ausscheiden, Wassermelonen fördern Freundschaften und Gemeinschaften; denn pepon nennen die Dichter das, was einem besonders lieb und teuer ist; geschäftliche Unternehmungen dagegen vereiteln sie; denn pepon bedeutet auch Schlaffheit. Zwiebel und Knoblauch essen bringt Unglück, ihr Besitz aber Glück. Nur für Kranke geht der Traum von Zwiebeln anders aus. Über diesen Punkt ist Alexander aus Myndos 134 in großer Verlegenheit gewesen und zu keiner Lösung gekommen. Ich vertrete folgende Auffassung: Träumt einer, der krank ist, er esse viele Zwiebeln, so wird er zwar wieder auf die Beine kommen, aber den Tod eines anderen beklagen. Ißt er nur wenige, wird er sterben. Denn die Sterbenden vergießen nur wenig Tränen, die Trauernden dagegen viele, weil sie ja lange Zeit weinen. 68 Hülsenfrüchte sind samt und sonders von schlimmer Vorbedeutung, ausgenommen Erbsen wegen des Namens 135 ; denn diese sind das Symbol der Überredung, besonders für Steuermänner und Anwälte. Den einen wird das Steuerruder, den anderen werden die Richter gehorchen. Geschrotene Hülsenfrüchte 136 und Bohnen 137 sind Vorboten von Zwist und Streit, die ersteren, weil sie gespalten sind, die letzteren, weil sie unanständige Winde verursachen; aber nicht nur deswegen, sondern weil sie von jeder kultischen Feier und jeder heiligen Stätte verbannt sind. Linsen zeigen Trauer an 138, Gerstengraupe Anstrengung, weil sie schwer zu zerreiben sind. Kolbenhirse, Rispenhirse und Dinkel bedeuten Armut und Bedürftigkeit, Glück bringen sie nur Leuten, die von der großen Menge leben. Weiße Graupen und Spelt zeigen, insoweit sie nahrhaft sind, materiellen Gewinn an, insofern sie unter großer Mühe angebaut werden, übermäßige Strapazen, einem Armen aber Krankheit. Sesam, Leinsamen und Senf sind nur Ärzten nützlich, allen übrigen Menschen verursachen sie heftige Schmerzen und bringen Verborgenes zutage. 69 Träumt man, sein gewohntes Brot zu essen, so bringt das Segen; dabei ist einem Armen Graubrot, einem Reichen Weißbrot angemessen. Im umgekehrten Fall hat man nicht nur nichts Gutes, sondern sogar Schlimmes zu ge wärtigen; denn Weißbrot zeigt Armen Krankheit, Graubrot den Reichen Entbehrung an. Gerstenbrot bringt allen Glück; denn nach der Sage war dies die erste Nahrung, die die Götter den Menschen geschenkt haben 139. Weizen- und Gerstenmehl Erstes Buch

31 31 bezeichnen dasselbe wie das Brot, nur in geringerem Maß. 70 Die Erfahrung lehrt, daß das Verzehren und Zubereiten von Fleisch, abgesehen von ein paar Einschränkungen, von guter Vorbedeutung ist. Schaffleisch freilich ist für alle ein unheilvolles Zeichen und kündigt Trauer in der eigenen Familie an (denn Schafe bedeuten nichts anderes als Menschen), ebenso Rindfleisch wegen seiner Zähigkeit; dieses bedeutet außerdem wegen seines niedrigen Kaufpreises geringe Geschäftseinnahmen; Sklaven drohen wegen der Riemen und des Ochsenziemers Folterqualen. Ziegenfleisch zeigt allgemein Leuten, die sich auf See in einem Sturm befinden, Rettung an, allen übrigen schlechte Geschäfte; den ersteren wendet es die Gefahren ab, weil man der Sturmflut gleichnamige 140 Tiere opfert, den letzteren bringt es wegen des knochigen Fleisches nur schmale Einkünfte. Am günstigsten für jedermann ist Schweinefleisch, und ganz zu Recht. Denn einem lebenden Schwein niemand Nutzen, ist es aber geschlachtet, ist sein Fleisch schmackhafter als das der übrigen Tiere; letztere dagegen haben lebend größeren Wert, als wenn sie geschlachtet sind. Gebratenes Schweinefleisch zu essen ist in jedem Fall ein gutes Vorzeichen; wegen des Feuers werden die materiellen Gewinne sich rascher einstellen. Einfach gekocht, zeigt es dieselben Gewinne an, doch mit Verzögerung, während das von Köchen entsprechend zubereitete einen Profit bringt, der mit Ärger oder vorausgehenden Aufwendungen verbunden ist. Das Verzehren rohen Fleisches kündigt in keinem Fall etwas Gutes an; es bedeutet den Verlust eines Teils von unserem Hab und Gut, weil unsere Natur rohes Fleisch nicht verträgt. Das größte und höchste Glück bringt nach meiner Beobachtung der Genuß von Menschenfleisch 141, wenn es nur nicht das eines Bekannten oder Familienangehörigen ist; denn wer vom Fleisch eines Angehörigen gegessen hat, wird diesen begraben, und er selbst (wird nur mit geringen Bissen sein Leben fristen). Denn es ist ganz natürlich, daß man nur unter dem Zwang großer Entbehrung, wie es in Kriegszeiten und Hungersnöten der Fall ist, zu solcher Nahrung greift. Am allerschlimmsten aber wäre es, das Fleisch seines eigenen Sohnes zu verzehren; es prophezeit jähen Tod, ausgenommen, man träumt, von denjenigen Körperteilen des Sohnes zu essen, durch welche dieser sich seinen Lebensunterhalt verdient; wenn er ein Läufer ist, von den Füßen, wenn er ein Handwerker ist, von den Händen, oder wenn er ein Ringkämp fer ist, von den Schultern. In diesem Fall beschert das Traumerlebnis dem Sohn Reichtum, dem Vater Nutzen von seinem Sohn. Vorteilhaft ist es, das Fleisch aller anderen Menschen zu essen; denn irgendwie leben die einen der Substanz der anderen, wenn sie sich wechselseitig nützen. Immer ist es besser, das Fleisch von Männern als das von Frauen zu essen, desgleichen das von Kindern als das von alten Leuten. Geflügel oder Gänsefleisch ist jedermann zuträglich; Geflügel bringt Nutzen von Frauen oder von Rechtshändeln, Gänsefleisch von Prahlern. Etwas Gutes bedeutet es auch, Wildpret jeder Art zu essen; es verspricht großen materiellen Gewinn auf Kosten des Vermögens seiner Feinde. Was für Feinde damit gemeint sind, wird die Beschaffenheit und die Gestalt des Wildes aussagen. Ich werde darauf in dem Abschnitt über die Jagd noch näher eingehen. Auch Fische zu essen ist günstig, besonders gebratene, aber genauso alle anderen, die sonstwie zubereitet sind, die kleinen ausgenommen; diese haben mehr Gräten als Fleisch und bedeuten deswegen in keinem Fall materiellen Gewinn, sondern Feindschaft mit den engsten Verwandten und leere Hoffnungen. Nähere Anga ben über die Fische werde ich in dem Abschnitt über den Fischfang machen. 71 Gepökeltes und eingesalzenes Fleisch aller Art bedeutet Verzögerungen und Aufschub geplanter Unternehmungen; denn durch das Salz werden diese Nahrungsmittel auf lange Zeit hinaus frisch erhalten. In anderen Fällen prophezeien sie Abzehrung und Trauer. Häufig kündigen sie auch Krankheit an, weil sie durch das Salz mürbe geworden sind. 72 Feine Kuchen, ohne Käse gebacken, zeigen Gutes an, mit Käse, Anschläge und Überfälle; denn auf diese deutet der Käse hin 142. Sesam- und Honigkuchen bringen allen Glück, besonders denen, die einen Prozeß führen; denn Honigkuchen wurden bei den Alten als Siegespreis verge ben 143. Was das übrige Backwerk anbetrifft, das bei Festen und Opferfeiern verwendet wird, so treffe man die Auslegungen im Hinblick auf die Art und Weise der Feste und Feiern. Kuchen von Kapern, Oliven, alle Arten von Gemüsepasteten, Gewürzkuchen und was es sonst ähnliches gibt, Erstes Buch

32 32 habe ich absichtlich beiseite gelassen, weil sie offensichtlich nichts Gutes bedeuten. 73 Der Anblick und das Verzehren von süßen, reifen Sommeräpfeln ist gut; es bedeutet reichen Liebesgenuß, besonders denen, die um eine Frau oder Geliebte werben 144 ; denn der Apfel ist der Aphrodite 145 geweiht. Saure Äpfel dagegen bezeichnen Aufruhr und Streitigkeiten; denn sie sind der Eris 146 zugehörig. Die Winteräpfel, die man auch Quitten nennt, bringen wegen ihrer zusammenziehenden Wirkung Kummer. Mandeln, Nüsse, die sogenannten Haselnüsse und alles, was aufgeknackt wird, bedeutet wegen des Geräusches Aufregungen und, weil sie von Natur bitter sind, Kümmernisse. Ich kenne einen vornehmen Griechen, dem es träumte, er bekomme von jemand eine Nuß, und als er aus dem Schlaf erwachte, hielt er sie tatsächlich in der Hand. Es ergab sich, daß viel Unheil über ihn (hereinbrach) und er schließlich seine bürgerlichen Rechte verlor. Zeit ihrer Reife bringen Glück, zu jedem anderen Zeitpunkt kündigen sie Denunziationen und Bedrohungen an; denn für bedrohen gebrauchten die Alten das Wort sykazein 147. Einzig Leuten, die unter freiem Himmel arbeiten, bedeuten helle Feigen schönes, heiteres Wetter, dunkle aber Sturm und Regen, während sie den übrigen Menschen nichts über den kommenden Wetterstand vorhersagen. Weintrauben sind sowohl außer der Zeit als auch während der Reife segenbringend, meistenteils bescheren sie Gewinn von oder durch Frauen; helle Trauben verheißen offenen, dunkle heimlichen Gewinn. Granatäpfel deuten wegen ihrer Farbe auf Wunden, wegen ihrer Stacheln auf Folterungen und wegen der Eleusinischen Sage 148 auf Knechtschaft und Unterwerfung hin. Pfirsiche, Aprikosen, Kirschen und alles ähnliche Obst, Maulbeeren ausgenommen, bezeichnen zur Reifezeit flüchtige Genüsse und Täuschungen, außerhalb der Reifezeit aber vergebliche Anstrengungen. Maulbeeren, d.h. die Früchte, bedeuten dasselbe wie die Granatäpfel, während der Baum auf das Geschlecht des Träumenden hinweist. Steht er in voller Blüte, kündigt er ein bevorstehendes glückliches Ereignis an, wird er samt der Wurzel ausgerissen, bringt er dem Geschlecht des Träumenden Tod und Verderben. Veredelte Birnbäume sind günstig; denn deren Früchte faulen nicht, falls man sie einlagert, und wenn sie gleich gegessen werden, sind sie nicht nur nahrhaft, sondern auch von einem dem Wein ähnlichen Geschmack. Ich weiß, daß es Leute gibt, die aus ihnen auch Wein bereiten. Holzbirnen und die gewöhnlichen Landbirnen sind nur Bauern von Nutzen, "allen anderen aber abträglich. Was die Obstarten anbetrifft, die hier nicht erwähnt sind, so hat man an Hand der Beispiele von obigen Ausführungen auszugehen und die Auslegung nach dem Grundsatz der Ähnlichkeit zu treffen. 74 Da auf den Abschnitt über die Nahrungsmittel der über den Hausrat sinngemäß folgt, halte ich es für angezeigt, auch darüber zu sprechen. Es verhält sich damit folgendermaßen: Trinkgefäße bedeuten, wie schon gesagt, das Leben, Teller und Schüsseln die eigentliche Lebensführung. Man muß diese Gegenstände nach ihrem Wert beurteilen oder danach, ob sie aus kleiner Form größer oder aus großer Form kleiner geworden sind, ob sie zerbrachen, wenn sie ganz waren, oder wieder ganz wurden, wenn sie zerbrochen waren, wobei die Veränderung zum Besseren als ein gutes, die zum Schlechteren als ein böses Vorzeichen aufzufassen ist. Dieselbe Auslegung hat auch bezüglich der anderen Gegenstände zu gelten. Der Leuchter bedeutet die Gattin, die Lampe den Hausherrn und den Lebensatem des Träumenden 149, ent weder weil sie die Vorgänge im Haus überwacht oder weil sie leicht erlischt; ferner, wegen des Aufflammens, Liebesleidenschaft. Der dreifüßige Tisch und der Herd bezeichnen das Leben, die Lebensverhältnisse insgesamt und die Gattin des Träumenden. Nehmen Tisch oder Herd Schaden, so muß man folgern, daß das durch sie Bezeichnete Schaden erleidet. Der vierfüßige Tisch unterscheidet sich in keiner Weise von dem dreifüßigen, ebensowenig wie irgendein anderes Stück der Einrichtung, auf dem man speist 150. Die Matratze, das Ruhebett 151 und alles, was zur Schlafstätte gehört, bedeutet die Gattin des Träumenden und die Lebensverhältnisse insgesamt. Ebenso die Pritsche. Von den aufgeführten Gegenständen bezeichnen die Füße Haussklaven, von den Bettstollen der äußere speziell die Gattin, der innere den Ehemann, das Kopfende die Söhne, das Fußende die Töchter. Den Bettstollen entsprechend hat man die Außenwände der Betten zu deuten. Sodann bezeichnen die Halblitermaße Sklaven, die Amphoren Gehilfen, die Kredenztische die Erstes Buch

33 33 Hausverwalter, die Getreidebehälter die Wirt schafter, ebenso auch die Vorratskammer. Vasen und alle an den Wänden angebrachten Gegenstände bedeuten den Schmuck des Lebens. Truhen aber, Schränke und Schatzkästchen die Gattin des Träumenden, weil man das Wert vollste ihnen anvertraut. Bettsäcke und Decken die Nebenfrauen oder weibliche Freigelassene. Es wäre zu weit schweifig, wenn ich auf die übrigen Einrichtungsgegenstände einginge; des halb bitte ich meine verehrten Leser, mit wachem Urteil zu lesen und von sich aus das Fehlende zu ergänzen. 75 Kosmetik zu betreiben ist für alle Frauen, Ehebrecherinnen ausgenommen, vorteilhaft, während es Männern, mit Ausnahme jener, die es gewohnheitsmäßig tun, Schande bringen wird. 76 Im Traum die Vorstellung haben, man tanze daheim im Kreis seiner Angehörigen, ohne daß eine fremde Person anwesend ist und zuschaut, ist für jedermann ohne Unterschied ein glückliches Vorzeichen. Desgleichen, wenn man seine Frau, seine Kinder oder einen von den nächsten Verwandten tanzen sieht; es zeigt große Lebensfreude und Wohlleben an, weil kein Mensch ans Tanzen denkt, ehe er nicht (dem Bauch) wie einem strengen und grausamen Gebieter seinen schuldigen Tribut entrichtet hat; erst dann gibt man sich dem Tanz hin und lockert die Glieder. Dagegen ist es für einen kranken Menschen, Mann oder Frau, von übler Vorbedeutung; er wird wegen der vielen Bewegungen beim Tanz um Sinne und Verstand kommen. Ein böses Zeichen ist es ferner für den, der einen Kranken im Haus hat; denn einem Tanzenden ergeht es wie einem heftig Trauernden, und er gebärdet sich auch so. Niemandem, weder einem Gesunden noch einem Kranken, bedeutet es etwas Gutes, träumen, das man in Gegenwart fremder Leute, mögen es viele oder wenige sein, tanzt, oder daß man einen seiner Angehörigen tanzen sieht 152 ; im ersten Fall wird jemand im Haus sterben, im letzten der Tanzende einen großen Skandal erregen. Ein Kind tanzen zu sehen, zeigt an, daß dasselbe taubstumm werden wird, so daß es seine Wünsche durch Zeichen kundtun muß. Im Theater zu tanzen, geschminkt und in der entsprechenden Kostümierung, und Anerkennung und Beifall zu ernten, prophezeit einem Armen Reichtum, der jedoch nicht bis ins hohe Alter währen wird; denn ein Pantomime spielt auf der Bühne Rollen von Königen und hat viele Diener um sich, nach der Vorstellung aber bleibt er sich wieder allein überlassen. Einem Reichen dagegen zeigt es wegen der vielfachen Verwicklungen in den Stücken Aufregungen oder Prozesse an. Sodann ist dieses Gesicht erfahrungsgemäß weder für eine reiche noch für eine arme Frau von guter Vorbedeutung; sie werden in große, aufsehenerregende Skandale verwickelt werden. Tanzt ein Sklave, wie und wo auch immer, wird er viele Hiebe beziehen; wer zur See fährt, wird Schiff bruch erleiden oder allein über Bord gehen und kräftig schwimmen müssen; der eine wird unter den Schlägen, der andere beim Schwimmen den ganzen Körper in Bewegung setzen. Glück dagegen bringt das Tanzen einem Mann, der in Fesseln schmachtet; denn weil der Körper beim Tanz beschwingt und gelöst ist, wird jener aller Fesseln ledig werden. Vollführt jemand beim Tanzen Sprünge, wird ihn Furcht Angst befallen, ein Verbrecher wird gekreuzigt -werden, und zwar wegen der Höhe und wegen des Ausstreckens der Hände. Der Waffentanz 153 hat dieselbe Bedeutung wie der gewöhnliche Tanz. Das Radschlagen, der Schwertertanz oder der Überschlag und Salto ist nur für Leute, die es berufsmäßig tun, ohne üble Folgen; allen anderen droht äußerste Gefahr. Dasselbe bedeutet es, wenn man jemand seiltanzen sieht. Darsteller von Mimen und Spaßmacher aller Art bezeichnen Betrü gereien und Hinterhältigkeiten. Mit schöner, wohlklingender Stimme Lieder singen bringt Sängern, Musikern und allen übrigen Menschen Glück; schlecht und unrein singen ist dagegen ein Zeichen von schlechten Geschäften und Armut. Erinnert man sich noch der Lieder, die man gesungen hat, so gehe man bei der Deutung von ihrem Inhalt aus. Unterwegs zu singen, ist günstig, besonders wenn man einem Zugtier folgt, ungünstig dagegen, wenn man es in einer Badeanstalt tut. Jenes bedeutet, man werde sein Leben anständig und wohlgemut verbringen, dieses, man könne keine deutliche Sprache führen. Viele erhielten nach diesem Traumgesicht eine Kerkerstrafe. Lieder auf öffentlichem Marktplatz oder auf Straßen zu singen bedeutet einem Reichen Skandale und Verspottungen, einem Armen Wahnsinn. 77 Mit einem Kranz geschmückt zu sein, der aus Blumen geflochten ist, die im großen und ganzen der Jahreszeit, in der man sich befindet, entsprechen, bringt Segen; unheilvoll dagegen ist es, wenn sie einer anderen Jahreszeit angehören. Da es der Klarheit wegen notwendig ist, über jeden einzelnen Kranz zu sprechen, will ich gleich damit beginnen. Erstes Buch

34 34 Kränze aus Narzissen kündigen, auch wenn man sie in ihrer Jahreszeit schaut, jedermann Unglück an, besonders Leuten, die unmittelbar oder mittelbar ihren Lebensunterhalt durch das Wasser gewinnen, ferner jenen, die eine Seereise planen 154. Kränze aus Veilchen, zur Zeit ihrer Blüte, sind von guter, zu jeder anderen Zeit von schlechter Vorbedeutung; näherhin bedeuten Kränze aus weißen Veilchen offenbare und arge Widrigkeiten, die aus safranfarbigen weniger arge, während die purpurnen sogar Vorboten des Todes sind; denn irgendwie besteht eine geheimnisvolle Beziehung zwischen der Purpurfarbe und dem Tod 155. Kränze aus Rosen, zur Zeit ihrer Blüte, verheißen jedermann Segen, ausgenommen Kranken 156 und Leuten, die unentdeckt bleiben wollen; denn die einen raffen sie dahin, weil sie schnell verwelken, die anderen verraten sie durch ihren Geruch. Überall dort, wo man auch im Winter Rosen bekommt, deute man sie in jedem Fall als ein gutes Vorzeichen. Kränze aus Amarant 157 sind für jedermann glückbringend, besonders für Leute, die einen Prozeß führen, weil der Amarant, wie schon der Name besagt, das ganze Jahr über seine frische Farbe behält. Kranken bedeuten sie Unheil, man weiht diese Blumen Toten oder Göttern, aber nur selten Menschen. Lilienkränze verschieben die Geschäfte auf bessere Zeiten. Unglück bringt es jedem, sich mit einem Kranz aus Minze, phrygischem Amaracus, Ampfer, Alante, Anemone und Majoran zu schmücken 158 ; meist kündigt es Krankheit an. Die Blüte der Malven und des Oleanders 159 bringt nur Gärtnern und Bauern Glück, während sie allen anderen Plackereien und Reisen ankündigt. Dieselbe Bedeutung haben der Thymian, sein Schmarotzer und der Klee, ausgenommen für Ärzte; diesen sind sie von Nutzen. Ein Kranz aus Eppich 160 rafft Kranke, besonders solche, die an der Wassersucht leiden, hinweg, weil die Pflanze kalt und feucht ist und weil dieser bei den Totenspielen als Siegespreis verliehen wird. Athleten bringt er Glück, allen anderen dagegen großes Unglück. Kränze von der Dattelpalme und vom ölbaum begünstigen wegen der Verflechtungen eheliche Verbindungen 161 mit freigeborenen Frauen und prophezeien wegen des Immergrüns Kinder, denen ein langes Leben beschieden ist; näherhin verheißt die Dattelpalme einen Sohn, der ölbaum eine Tochter. Athleten und Armen sind sie günstig; die letzteren machen sie reich, die ersteren berühmt. Sklaven bringen sie die Freiheit; denn das Tragen solcher Kränze ist ein Vorrecht der Freien. Das Verborgene aber decken sie auf, weil das Erringen solcher Kränze für Aufsehen sorgt. Dasselbe bedeuten Kränze aus Eichenlaub oder Lorbeer. Ein Myrtenkranz bezeichnet dasselbe wie ein Kranz vom ölbaum, bringt er wegen der Demeter Bauern und wegen der Aphrodite Frauen größeren Segen; die Pflanze ist ja beiden Göttinnen geweiht. Kränz e aus Wachs kündigen allen Tod und Verderben an, besonders Kranken, weil die Dichter den Tod auch «Ker» nennen 162. Kränze aus Wolle deuten wegen ihrer Buntfarbigkeit 163 auf Zauberei und magische Bindungen hin; Kränze aus Salz oder Schwefel zeigen dem Träumenden Belastungen von selten Mächtiger an; denn diese Kränze sind von Natur aus von lastender Schwere und haben nichts Er freuliches an sich. Einen goldenen Kranz zu tragen ist für einen Sklaven von schlimmer Vorbedeutung, es sei denn, er habe auch die anderen Dinge, die dazu gehören, nämlich das Purpurkleid und das Gefolge. Unglück bringt es auch einem Armen, weil ihm diese Auszeichnung nicht zukommt. Deshalb wird der eine auf die Folter kommen, der andere bei schweren Vergehen ertappt und selbstverrständlich auch gefoltert werden. Einem Kranken prophezeit es jähen Tod 164 ; denn das Gold ist fahlgelb 165, schwer und kalt und gleicht deswegen dem Tod. Verborgenes bringt es zutage; ein Goldbekränzter lenkt ja immer alle Blicke auf sich. Reichen, Demagogen und Leuten, die danach trachten, Macht auszuüben, bringt ein goldener Kranz erfahrungsgemäß Glück. Kränze aus Weinlaub und Efeu sind einzig Theaterleuten günstig; allen anderen prophezeien sie wegen der Ranken und Verschlingungen des Efeus Fesselung oder aus demselben Grunde Krankheit 166. Verbrechern droht Enthauptung, weil man diese Pflanzen mit dem Eisen beschneidet. Träumt jemand, mit Zwiebeln bekränzt zu sein, so bringt es ihm selbst Nut zen, seiner Umgebung aber Schaden. 78 Das Kapitel über den Geschlechtsverkehr gliedert man am besten in der Weise, daß man zuerst denjenigen bespricht, der im Einklang mit Natur, Gesetz und Sitte steht, dann den gesetzwidrigen und schließlich den widernatürlichen. Hinsichtlich des nach dem Gesetz erlaubten Geschlechtsverkehrs gilt folgendes: Seiner eigenen Frau beizuwohnen, wenn sie einwilligt, dazu Lust hat und sich gegen den Verkehr nicht sträubt, ist für alle ohne Ausnahme gut; denn die Gattin bedeutet das Handwerk des Träumenden oder sein Geschäft, aus dem er Lust und Freude schöpft, dem er wie seiner Frau vorsteht und das er leitet. Das Traumgesicht bezeichnet also den materiellen Nutzen, den man aus seinen Erstes Buch

35 35 Tätigkeiten zieht; denn ebenso wie der Liebesgenuß bereitet auch materieller Gewinn den Menschen Freude. Sträubt sich aber die Gattin oder ist sie nicht zu Willen, bedeutet es das Gegenteil. Dasselbe gilt von der Geliebten. Verkehr mit Hetären in Bordellen bedeutet einerseits einen kleinen Skandal und geringfügige Ausgaben; denn Männer, die sich mit diesen Personen einlassen, schämen sich und zahlen obendrein. Andererseits sind Hetären im Hinblick auf jedes Vorhaben von guter Vorbedeutung 167 ; sie werden ja von einigen die «Geschäftstüchtigen» genannt, und sie geben sich ohne Widerstreben preis. Ein gutes Zeichen ist es ferner, wenn man ein Freudenhaus betreten und ungeschoren wieder verlassen kann, denn das Gegenteil zeigt Unheil an. Ich kenne jemand, dem es träumte, er gehe in ein Bordell hinein und finde nicht mehr heraus, und wenige Tage darauf starb er, wobei das Traumerlebnis sich ganz folgerichtig an ihm erfüllte; denn ein Freudenhaus wird ebenso wie ein Friedhof ein gemeiner Ort genannt, und viel menschlicher Samen geht da zugrunde. Es gleicht also ganz natürlich dieser Ort dem Tod. Die Frauenzimmer jedoch haben mit dem Ort nichts gemein; sie selbst bedeuten Glück, nur der Ort nicht. Deshalb ist es günstiger, im Traum herumstreichende Hetären zu sehen. Glückbringend sind auch die, welche vor dem Bordell ihre Reize zur Schau stellen, die etwas verkaufen und den Liebes lohn kassieren, gleichgültig, ob man sie nur sieht oder mit ihnen verkehrt. Wähnt man, eine unbekannte Frauensperson zu beschlafen, und ist diese wohlgewachsen, anmutig, kostbar und fein gekleidet, mit goldenen Halsketten behängt und bietet sie sich selbst an, so ist das für den Träumenden ein gutes Zeichen und kündigt ihm einen großen Erfolg in seinen Unternehmungen an; ist es aber ein altes, häßliches, mißgestaltetes und in Lumpen gehülltes Weibsbild, das sich übel aufführt und sich nicht hergeben will, so das Gegenteil von dem, was die vorige bedeutet. Unbekannte Frauenspersonen haben nämlich als Abbilder von Unternehmungen zu gehen, die für den Träumenden einen Ausgang nehmen werden. Je nachdem das Frauenzimmer geartet ist und sich gibt, dementsprechend wird die Unternehmung des Träumenden sich abwickeln. Gut ist es ferner, seiner eigenen Sklavin oder seinem eigenen Sklaven beizuwohnen; denn die Sklaven machen das Vermögen des Träumenden aus. Deshalb bedeuten sie ihm ganz natürlich Befriedigung in seinem Vermögen, das größer und ansehnlicher wird. Übel dage gen ist es, von einem Haussklaven gebraucht zu werden, weil man Verachtung und Schaden von ihm zu gewärtigen hat. Dasselbe gilt, wenn einem solches von seinem Bruder widerfährt, gleichgültig, ob er jünger oder älter ist, oder von einem persönlichen Feind. Träumt man, mit einer gut bekannten und befreundeten Frau zu verkehren, in die man verliebt ist und die man begehrt, so hat das Traumerlebnis infolge der entfachten Leidenschaft keine Bedeutung. Hat der Träumende aber kein Verlangen nach der Frau, beschert es ihm etwas Gutes, falls die Betreffende vermögend ist; denn in jedem Fall wird der Mann von der Frau, die er im Traum erblickte, unmittelbar oder mittelbar einen Nutzen haben. Ganz natürlich ist eine, die sich selbst anbietet, auch mit ihrer Habe freigebig. Häufig bringt dieses Traumgesicht dem Träumenden, weil er in die Geheimnisse der Frau eingedrungen ist, Vorteil; denn solch eine Frauensperson gibt die Möglichkeit, auch das Geheimste zu berühren 168. Nichts Gutes bringt es, wegen des Gesetzes, eine gesetzlich Verheiratete zu beschlafen. Dieselben Strafen, die das Gesetz über den beim Ehebruch Ertappten verhängt, zieht auch das Traumgesicht nach sich. Dagegen ist es für eine Frau von Nutzen, von einem Bekannten, sei er wer er sei, in Anspruch genommen zu werden. Einem Mann wiederum bringt es Vorteil, von einem reicheren und älteren gebraucht zu werden; denn von solchen Personen bekommt man gewöhnlich etwas; übel dagegen ist es, wenn einem solches von einem jüngeren oder bettelarmen widerfährt; denn solchen Leuten pflegt man noch etwas dazuzugeben. Dasselbe bedeutet es, wenn der, welcher in Anspruch nimmt, zwar älter, aber ein Bettler ist. Träumt einer, sein Glied mit den Händen zu erigieren, wird er einen Sklaven oder eine Sklavin gebrauchen, weil die Hände, die dabei betätigt werden, Hilfsdienste leisten. Besitzt er keine Sklaven, wird er Schaden erleiden, wegen der nutzlosen Ausscheidung des Samens. Ich kenne einen Sklaven, dem es träumte, er masturbiere seinen Herrn; er wurde Betreuer und Erzieher von dessen Kindern; denn er hatte das Glied seines Herrn, das dessen Kinder bezeichnet, in die Erstes Buch

36 36 Hand genommen. Ein anderer wiederum ist mir bekannt, der träumte, dasselbe widerfahre ihm von selten seines Herrn. Er wurde an eine Säule gebunden, erhielt eine Tracht Prügel und wurde auf diese Weise von seinem Herrn gestreckt. Hinsichtlich des Geschlechtsverkehrs hat man folgendermaßen zu entscheiden: Seinen noch nicht fünfjährigen Sohn zu gebrauchen bedeutet diesem das Glück, wie ich häufig festgestellt habe; diese Auslegung ist ganz folgerichtig, weil das Kind eingeweiht wird; «Glück> nennen wir aber die Einweihung. Ist der Junge älter als fünf Jahre, aber noch nicht zehn, wird er erblühen wie nie zuvor, während der Träumende sich in Geschäfte einlassen und dadurch reich wird. Denn der vor der Reife geliebte Knabe wird infolge seines zarten Alters vieles besser verstehen lernen,und bei richtigem Gebruch ein liebevoller Mensch werden.,denn jemand, der gesunden Menschenverstand besitzt, denkt daran, seinen Sohn oder überhaupt einen Knaben dieses Alters immer die richtige Liebe zu geben.. Ist der Sohn aber über die Kinderjahre hinaus, wird der Vater, falls er arm ist, ihn in die Schule schicken, den Unterricht sich etwas kosten lassen und sich so für ihn verausgaben 169. Hat ein Reicher dieses Traumerlebnis, wird er seinem Sohn viel zuwenden und vererben und ihm auf diese Weise von seiner Fülle abgeben. Glück bringt es, wenn der Träumende sich mit seinem schon erwachsenen Sohn, falls dieser in der Fremde lebt, einzulassen glaubt; denn der Traum bedeutet, daß beide zusammenkommen und miteinander verkehren werden, wegen der Bedeutung des Ausdruckes «Verkehr». Übel dagegen ist es, wenn der Sohn daheim ist und mit dem Vater zusammenlebt; Vater und Sohn werden sich zwangsläufig trennen, weil der Geschlechtsverkehr unter Männern meistenteils abwendig erfolgt. Wird man von seinem eigenen Sohn gebraucht, wird man empfindlichen Schaden durch ihn erleiden; freilich wird ihn auch der Sohn zu spüren bekommen. Träumt jemand, sich mit seinem eigenen Vater einzulassen, wird er seine Heimat als Verbannter verlassen oder sich mit seinem Vater überwerfen; entweder wird der Vater selbst sich von ihm abwenden, oder seine Mitbürger, die dasselbe bedeuten wie der Vater. Sein ganz kleines, noch nicht fünfjähriges Töchterchen (...), ist es aber jünger als zehn, bedeutet es das selbe wie beim Sohn. Ist das Mädchen heiratsfähig, wird es einen Mann ehelichen, und der Träumende wird es aussteuern und auf diese Weise der Tochter von seiner Fülle mitteilen. Ich kenne jemand, der diesem Traumerlebnis zufolge seine Gattin verlor, wobei das Traumge sicht sich ganz folgerichtig erfüllte. Denn von da führte die Tochter ihm den Haushalt und nahm damit die Pflichten von Gattin und Tochter wahr. Wähnt jemand, mit seiner verheirateten Tochter zu verkehren, so wird diese sich von ihrem Mann trennen und zum Vater zurückkehren, so daß sie nunmehr mit ihm zusammenlebt und mit ihm verkehrt. Gut ist es für einen Armen, der eine reiche Tochter hat, wenn er diese beschläft; er wird große Zuwendungen von ihr erhalten und so seine Lust an ihr haben. Häufig machten reiche Väter nach diesem Traumgesicht auch gegen ihren Willen größere Ausgaben für die Aussteuer ihrer Töchter, und kranke Väter starben und ließen ihre Töchter als Erben zurück. Von der Schwester zu sprechen erübrigt sich; sie bedeutet das selbe wie die Tochter. Günstig ist es für den Träumenden, wenn er seinen Bruder, sei er älter oder jünger, gebraucht; er wird ihn überflügeln und geringschätzig behandeln. Wer sich mit einem Freund einläßt, wird sich mit ihm verfeinden, zuvor aber Schaden durch ihn erleiden. 79 Was das Kapitel über die Mutter anbetrifft, das verwickelt und umfangreich ist und viele Unterscheidungen zuläßt, so haben viele Traumdeuter es gar nicht berücksichtigt. Es hat damit folgende Bewandtnis: Die Tatsache der Liebesvereinigung für sich allein reicht noch nicht aus, um die Sinndeutung aufzuzeigen, vielmehr sind es die verschiedenen Arten der Vereinigung und Körperstellungen, die verschiedene Ausgänge bewirken. Zuerst sei von dem Verkehr die Rede, der Körper an Körper und mit der lebenden Mutter geübt wird, weil die lebende nicht dasselbe wie die tote bedeutet. Wenn einer träumt, er beschlafe seine Mutter Körper an Körper oder, wie andere es ausdrücken, auf natürliche Weise, und zwar seine lebende, so wird er sich mit dem Vater, falls dieser gesund ist, verfeinden, wegen der Eifersucht, die etwas Allzumenschliches ist. Ist der Vater aber krank, wird er sterben; denn der Träumende wird als Gebieter und Schützer der Mutter Sohn und Gatte zugleich sein. Von guter Vorbedeutung ist das Traumerlebnis für jeden Handwerker und Arbeiter; denn das Handwerk nennt man gewöhnlich Mutter, und was könnte Erstes Buch

37 37 die Vereinigung mit ihr anderes bedeuten als rastlose Tätigkeit und gute Einnahmen aus dem Handwerk. Glück beschert es ferner jedem Demagogen und Politiker; denn die Mutter bedeutet das Vaterland. Wie nun der Mann beim Verkehr nach Aphroditens Gesetz ganz und gar Herr über den Körper der Beischläferin ist, wenn diese ihm zu Willen ist und sich gerne hingibt, so wird der Träumende alle Machtbefugnisse im Staat erringen 171. Und der, welcher seiner Mutter feind war, wird wieder Liebe für sie emp finden, wegen der körperlichen Vereinigung; denn diese wird Liebe genannt. Häufig führt dieses Traumgesicht die bisher Getrennten zu enger Lebensgemeinschaft zusammen. Deswegen führt es auch den Sohn, der in der Fremde lebt, in die Heimat zurück, falls die Mutter sich dort befindet. Wenn nicht, wird der Träumende dorthin reisen, wo die Mutter lebt. Und wenn jemand, der arm ist und bitterste Not leidet, eine reiche Mutter hat, wird er von ihr alle Wünsche erfüllt bekommen oder sie bald nach ihrem Tod beerben, und auf diese Weise wird er an der Mutter seine Lust haben. Viele nahmen auch ihre Mütter zu sich und sorgten für sie; so hatten diese Lust an ihren Söhnen. Ein Kranker wird nach diesem Traumgesicht genesen und wieder im Einklang mit der Natur sein, denn die Natur ist die gemeinsame Mutter aller Dinge, und wir sagen, daß die Gesunden, nicht die Kranken nach der Regel der Natur sind. Diesen Fall hat auch Apollodoros aus Telmessos 172, ein Sachkenner von Rang und Namen, vorgebracht. Für die Kranken ist die Deutung nicht die gleiche, falls die Mutter tot ist, weil dann der Träumende sehr bald sterben wird; denn der Leib der Verstorbenen löst sich in den Stoff auf, aus dem er aufgebaut und gebildet wurde, und weil er im wesentlichen aus Erde besteht, verwandelt sich wieder in die ihm gemäße Materie. Auch nennen wir die Erde an sich schon Mutter. Was anderes bedeutet also für einen Kranken die Vereinigung mit der toten Mutter als das Einswerden mit der Mutter Erde? Günstig dagegen ist dieses Traumerlebnis für einen, der einen Prozeß um Grund und Boden führt, der Land kaufen oder Land bestellen will. Es behaupten jedoch einige, daß das Traumgesicht einzig einem Bauern Unheil anzeige; er werde den Samen gewissermaßen auf tote Erde ausstreuen, d.h. diese wird keine Frucht bringen. Mir scheint diese Auffassung jedoch nicht der Wahrheit zu entsprechen, es sei denn, man glaube, Reue oder Unlust über den Verkehr zu empfinden. Ferner wird einer, der in der Fremde ist, in die Heimat zurückkehren, und wer auf Herausgabe des mütterlichen Erbes klagt, wird nach diesem Traumerlebnis den Prozeß gewinnen, wobei ihm nicht der Verkehr mit der Mutter, sondern deren Vermö gen Befriedigung gewährt. Hat jemand diesen Traum in seiner Heimat, wird er diese verlassen; denn nach einem solchen Fehltritt kann man unmöglich noch am mütterlichen Herd bleiben. Empfindet er Unbehagen oder Reue über den Verkehr, wird er aus dem Vaterland verbannt werden, wenn nicht, freiwillig auswandern. Unheilvoll ist es, wenn man die Mutter in der Abwendung gebraucht; entweder wird sie selbst dem Träumenden den Rücken kehren, oder seine Landsleute, oder der Betreffende wird sein Handwerk oder sonst ein Unternehmen aufgeben. Ein übles Vorzeichen ist es, wenn man stehend mit der Mutter verkehrt; denn nur Leute, die weder Bett noch Matratze besitzen, sind auf diese Stellung angewiesen. Deshalb bedeutet es Drangsale und Bedrängnisse. Unglück zeigt ferner jener Verkehr an, bei dem die Mutter sich auf die Knie niedergelassen hat. Denn wegen der unbequemen Stellung, in der sie sich befindet, prophezeit es bittere Armut. Es behaupten einige, es prophezeie dem Träumenden den Tod, wenn die Mutter bei dem Akt auf dem Betreffenden liege und herumreite; es gleicht nämlich die Mutter der Erde, weil diese die Nährerin und Schöpferin aller Dinge ist. Die Erde aber deckt die Toten, nicht die Lebenden. Nach meiner Beobachtung starben Kranke nach diesem Traumerlebnis in jedem Fall, Gesunde hingegen verbrachten ihr weiteres Leben ganz unbeschwert und wunschgemäß; und diese Deutung ist ganz folgerichtig; denn bei den übrigen Körperstellungen pflegen sich meist Ermattung und Atemnot bei dem männlichen Partner einzustellen, während für den weiblichen der Akt weniger anstrengend ist; in dieser Stellung dagegen empfindet der Mann ganz im Gegenteil ein Lustgefühl ohne Anstrengung. Das Traumgesicht gibt auch die Möglichkeit, vor den Mitmenschen unentdeckt zu bleiben und nicht ins Licht der Öffentlichkeit zu kommen, weil beim Verkehr (in dieser Form) die Atemnot weithin wegfällt. Keinen Nutzen bringt es, beim Verkehr mit der Mutter mehrere verschiedene Stellungen zu gebrauchen; denn mit der Erstes Buch

38 38 Mutter soll man kein frevelhaftes Spiel treiben. Daß die Menschen alle übrigen Stellungen aus Übermut,Zügellosigkeit und Unbeherrschtheit ersonnen haben, die Natur sie aber nur eine einzige, nämlich Leib an Leib lehrte, kann man an dem Beispiel der anderen Lebewesen erkennen; alle Arten begnügen sich mit der ihnen zukommenden und weichen nicht von ihr ab, weil sie der natürlichen Ordnung entspricht. So gibt es Tiere, die das Weibchen von hinten bespringen, wie das Pferd, der Esel, die Ziege, das Rind, der Hirsch und die übrigen Vierfüßler. Andere berühren zuerst den Mund, wie Nattern, Tauben und Wiesel; manche kommen nur für kurze Zeit zusammen, wie die Sperlinge. Wieder andere lassen sich auf die Weibchen nieder und zwingen sie durch die Schwere ihres Gewichtes, sich zu ducken; so machen es alle Vögel. Andere vereinigen sich gar nicht, sondern die Weibchen sammeln die von den Männchen ausgeschiedenen Samen, wie z.b. die Fische. So liegt es in der Natur der Sache, daß die dem Menschen artgemäße Stellung die von Leib zu Leib ist, während sie alle anderen aus Übermut und Zügellosigkeit hinzuerfunden haben. Am allerschlimmsten ist es nach meiner Beobachtung, wenn man von Fellatio durch die Mutter träumt; es bedeutet dem Träumenden den Tod der Kinder, Verlust seines Hab und Gutes und schwere Krankheit. Ich kenne jemand, der nach diesem Traumgesicht sein Geschlechtsglied verlor; ganz folgerichtig wurde er an dem Körperteil gestraft, mit dem er gefrevelt hatte. Träumt jemand von Fellatio durch seine Frau oder seine Geliebte, so wird Feindschaft die Folge sein, oder Ehe und Liebschaft werden in die Brüche gehen; denn solch eine Person kann weder am Essen noch am Küssen teilhaben, es sei denn, die Frau gehe schwanger; in diesem Falle wird sie die Leibesfrucht verlieren, weil sie den Samen auf widernatürliche Weise empfing. Ferner wird die Frau, die vermögender als ihr Mann ist, viele Schulden für ihn bezahlen und eine, die mit einem Sklaven zusammenlebt, große Summen von sich aufbringen und ihn damit freikaufen, und auf diese Weise wird die Not des Mannes (denn wird das Geschlechtsglied genannt), das heißt seine Zwangslage, bereinigt werden. Träumt man von Fellatio durch einen Freund, einen engen Verwandten oder ein Kind, das aus dem Gröbsten heraus ist, so wird man sich mit dem Fellator verfeinden; widerfährt einem solches durch ein kleines Kind, wird man dieses begraben; denn unmöglich kann man dieses noch küssen. Fellatio durch einen Unbekannten bedeutet, man werde mit irgendeiner Strafe belegt werden, wegen der nutzlosen Ausscheidung des Samens. Träumt jemand, er praktiziere selbst solche jeder Beschreibung spottenden Dinge an einem Bekannten, Mann oder Frau, so wird er sich mit dem Betreffenden überwerfen, weil er keines anderen Mund mehr berühren kann. Fellatio an einem Unbekannten bringt jedermann Schaden, ausgenommen denen, die mit dem Mund ihren Lebensunterhalt verdienen, ich meine Flötenspieler, Trompeter, Rhetoren, Sophisten und ähnliche Leute. 80 Über den widernatürlichen Geschlechtsverkehr kann man etwa folgendes sagen: Träumt ein Reicher, er verkehre mit sich selbst, so prophezeit es ihm den Verlust seines Vermögens, bitterste Not und Hunger, weil kein Partner für ihn da ist, einem Armen hingegen stehen schwere Krankheit oder übermäßige Qualen bevor; denn ohne große Qual kann niemand mit sich selbst verkehren. Träumt ein Kinderloser, er küsse sein Glied, so werden ihm Kinder geschenkt werden; hat er Kinder in der Fremde, wird er sie in der Heimat wiedersehen und herzlich küssen; viele Unverheiratete gingen nach diesem Traumerlebnis eine Ehe ein. Träumt man von Fellatio mit sich selbst, so bringt das einem Armen, einem Sklaven und einem Schuldner Nutzen; sie werden sich ihre Bedrängnis vom Hals schaffen; übel dagegen ist es für einen, der Kinder hat oder Kinder zeugen will. Der erstere wird seine Kinder durch den Tod verlieren, der letztere kinderlos bleiben; denn das Geschlechtsglied gleicht den Kindern, der Mund aber einem Grab; denn was der Mund aufnimmt, das verschlingt er und bewahrt es nicht. Ferner hat man nach diesem Traumgesicht den Verlust der Gattin oder Geliebten zu beklagen; denn wer sich selbst die Liebesfreuden verschaffen kann, bedarf nicht einer Frau. Allen anderen prophezeit es drückende Not oder Krankheit; entweder werden sie aus Nahrungssorgen an das Notwendige 173 herangehen, das heißt, das verkaufen, was sie gar nicht hergeben wollen, oder infolge der Krankheit körperlich so schrumpfen, daß sie den Mund an das Glied heranführen können, weil sie so mager geworden sind. Wenn eine Frau eine andere gebraucht, wird sie ihre Geheimnisse der Beischläferin mit teilen. Kennt sie aber diese nicht, wird sie nutzlose Handlungen in Angriff nehmen. Wird eine Frau von einer anderen in Anspruch genommen, wird sie sich von ihrem Ehemann trennen oder verwitwen; nichtsdestoweniger wird sie die Geheimnisse der Beischläferin kennenlernen. Erstes Buch

39 39 Sich mit einem Gott oder einer Göttin zu vereinigen oder von einem Gott gebraucht zu werden bedeutet einem Kranken den Tod; denn dann weissagt die Seele die innigste Verbindung mit den Göttern, wenn sie im Begriff ist, ihre Behausung, den Körper, zu verlassen. Allen anderen kündigt es, wenn sie Lust am Verkehr haben, materiellen Nutzen von selten Bessergestellter an, empfinden sie aber Unlust dabei, Ängste und Aufregungen. In keinem Fall ist es günstig, Artemis, Athena, Hestia, Rhea, Hera oder Hekate beizuwohnen, selbst wenn man ein Lustgefühl empfinden sollte. Das Traumgesicht prophezeit dem Träumenden binnen kurzem den Tod; denn diese Göttinnen sind ehrwürdig, und diejenigen, welche sie anzutasten wagen, müssen, wie wir glauben, mit schlimmer Strafe rechnen. Mit Selene 174 zu verkehren prophezeit Reedern, Steuerleuten, Großkaufleuten, Astronomen, Reiselustigen und Landstreichern großen Nutzen, allen anderen dagegen Wassersucht; den einen hilft sie wegen der Bewegung, den anderen, weil es ohne sie keine Himmelsbeobachtung geben kann, die letzteren rafft sie hinweg, weil sie von Natur feucht ist. Ganz unheilvoll ist es, sich mit einem Toten, Mann oder Frau, zu vereinigen, ausgenommen, es handele sich um die Mutter, die Schwester, die Ehefrau oder Geliebte, und von einem Toten gebraucht zu werden; denn die Toten werden zu Erde, sie zu gebrauchen ist also nichts anderes als in die Erde zu stoßen, und von ihnen gebraucht zu werden, Erde in den Körper aufzunehmen. Beides bedeutet den Tod, ausgenommen für Leute, die in der Fremde leben und nicht dort, wo die Toten begraben sind; diesen prophezeit das Traumerlebnis die Heimkehr in das betreffende Land. Und diejenigen, die ihre Heimat verlassen wollen, hindert es daran. Träumt jemand, Sodomie 175 mit einem Tier zu betreiben, wird er, falls er selbst sich begattet, von einer Person Vorteile haben, deren Symbol das betreffende Tier ist. Einzelheiten werde ich in dem Abschnitt über die Jagd und die Tiere geben. Wird er aber begattet, wird der Betreffende Zwang und Gewalt zu ertragen haben. Viele starben nach diesem Gesicht. Soviel sei über den Geschlechtsverkehr gesagt. 81 Träumt man vom Schlafen selbst, zeigt es Untätigkeit an, und glaubt man, am Einschlafen zu sein, so zeigt auch das allen Untätigkeit und Widrigkeiten an, ausgenommen Leuten, die in Angst leben oder Qualen erwarten; denn der Schlaf verscheucht alle Sorgen und jegliche Furcht. Nach dem Schlaf aufzustehen bedeutet Handel und Wandel, Unheil aber nur denen, die von Furcht gequält werden. Träumt man, in einem Tempel 176 zu schlafen, so weissagt das einem Kranken Genesung, einem Gesunden aber Krankheit oder große Sorgen; der eine wird sich von einer Krankheit erholen, weil Schlafende aller Leiden überhoben sind, der andere sich aufmachen, um Heilung von den Göttern zu erlangen. An Grabmalen, Gräbern und an Wegen schlafen prophezeit Kranken den Tod, Gesunden Stillstand der Geschäfte; denn das Verweilen an solchen Orten bringt nichts ein 177. Spricht oder hört man im Traum den Gruß «Lebewohl» oder «Bleibe gesund», so hat das nichts Gutes zu bedeuten; denn diese Worte gebrauchen die Menschen nicht, wenn sie zueinanderkommen noch wenn sie etwas unternehmen wollen, sondern nur dann, wenn sie Abschied voneinander nehmen oder sich zur Ruhe begeben 178. Deswegen trennt es Ehen und Gemeinschaften und rafft Kranke hinweg. Das erste Buch dieses Werkes, verehrter Cassius Maximus, hat den zu behandelnden Stoff ausgiebig dargeboten und so, daß weder etwas Notwendiges fehlt noch das gebührende Maß überschritten ist. Im zweiten Buch will ich das ausführen, was ich am Anfang dieses Buches angekündigt habe. Erstes Buch

40 40 ZWEITES BUCH Im vorhergehenden Buch habe ich, Cassius Maximus, nach der Behandlung der wissenschaftlichen Grundlagen und einer Unterrichtung über die Regeln der Traumdeutung sowie nach der Ankündigung, welches der Inhalt beider Bücher sein wird, alles, was Menschen gemeinsam und bei Menschen üblich ist, erörtert, wobei ich sowohl strikt darauf achtete, nicht mit den Alten übereinzustimmen, wenn nicht schwerwiegende Gründe dazu zwangen, als auch keinen wichtigen Punkt ausließ, den Fall ausgenommen, wo die Alten etwas vorweggenommen und instruktiv behandelt haben; darüber brauchte ich mich nicht zu äußern, um nicht bei dem Unterfangen, ihnen zu widersprechen, genötigt zu sein, zu lügen, oder, falls ich derselben Auffassung bin, den Zugang zu einem echten Verständnis der von den Alten geleisteten Arbeit zu versperren. In diesem Buch werde ich mich an die versprochene Einteilung halten. Dich aber bitte ich, deine Aufmerksamkeit auf die folgerichtige Anordnung des Stoffes und die Genauigkeit in den Deutungen, auf die allein ich stolz bin, zu lenken, meine Ausdrucksform aber nicht an deiner Redekunst zu messen; schätze meine Fähigkeit, die Gedanken in Worte zu fassen, nicht höher ein als etwa den Nutzen einer Lampe, die in der Nacht das Licht der Sonne denen ersetzen soll, die es brauchen. Ich will mich nunmehr - denn es drängt die Zeit - mit den Auslegungen befassen. Was der Traum, aus dem Schlaf zu erwachen, bedeute habe ich in dem Abschnitt über den Schlaf erklärt; traun man, nachts im Bett wach zu liegen, prophezeit das Re chen übermächtige Sorgen, Armen hingegen und Leutei die Arges im Schilde führen, Glück. Die ersteren werdf nicht mehr arbeitslos sein, die letzteren mit großer Un sieht ans Werk gehen und ihr Ziel nicht verfehlen. Ein ähnliche Bedeutung hat es, wenn jemand ein scharfi Auge hat und in Nacht und Finsternis ein Licht plötzlich aufblitzen sieht. Frühmorgens 179 gut gelaunt aus dem Haus zu gehen un weder von einem Mitbewohner daran gehindert noc eingeschlossen zu werden ist günstig; man wird seine Geschäftte nach Wunsch und Willen erledigen; vermag ma aber nicht hinauszugehen oder findet man nicht den Ausgang in seinem Haus oder in dem, wo man sich aufzuhalten glaubt, so prophezeit das Leuten, die eine Reise planen, Hindernisse, denen, die etwas unternehmen wolle! Schwierigkeiten, einem Leidenden langwierige Krankhe und einem seit langem Bettlägrigen den Tod. Vertraute Freunde freundlich begrüßen, anspreche und küssen, ist gut; man wird freundliche Worte sage und zu hören bekommen; weniger gut ist es, wenn ma Personen anspricht, die einem nicht nahestehen, ab( sonstwie bekannt sind. Träumt man, persönliche Feind anzusprechen und zu küssen, so wird die Feindschaft ei Ende haben, während das Küssen von Toten 180 für eine Kranken verhängnisvoll ist; es prophezeit ihm den Tod einem Gesunden zeigt der Traum an, er werde in d 1 Was der Traum, aus dem Schlaf zu erwachen, bedeutet, habe ich in dem Abschnitt über den Schlaf erklärt; träumt man, nachts im Bett wach zu liegen, prophezeit das Reichen übermächtige Sorgen, Armen hingegen und Leuten, die Arges im Schilde führen. Glück. Die ersteren werden nicht mehr arbeitslos sein, die letzteren mit großer Umsicht ans Werk gehen und ihr Ziel nicht verfehlen. Eine ähnliche Bedeutung hat es, wenn jemand ein scharfes Auge hat und in Nacht und Finsternis ein Licht plötzlich aufblitzen sieht. 2 Frühmorgens 179 gut gelaunt aus dem Haus zu gehen und weder von einem Mitbewohner daran gehindert noch eingeschlossen zu werden ist günstig; man wird seine Geschäfte nach Wunsch und Willen erledigen; vermag man aber nicht hinauszugehen oder findet man nicht den Ausgang in seinem Haus oder in dem, wo man sich aufzuhalten glaubt, so prophezeit das Leuten, die eine Reise planen, Hindernisse, denen, die etwas unternehmen wollen, Schwierigkeiten, einem Leidenden langwierige Krankheit und einem seit langem Bettlägrigen den Tod. Vertraute Freunde freundlich begrüßen, ansprechen und küssen, ist gut; man wird freundliche Worte sagen und zu hören bekommen; weniger gut ist es, wenn man Personen anspricht, die einem nicht nahestehen, aber sonstwie bekannt Zweites Buch

41 41 sind. Träumt man, persönliche Feinde anzusprechen und zu küssen, so wird die Feindschaft ein Ende haben, während das Küssen von Toten 180 für einen Kranken verhängnisvoll ist; es prophezeit ihm den Tod; einem Gesunden zeigt der Traum an, er werde in der unmittelbaren Gegenwart keine wichtigen Verhandlungen führen, weil seine Lippen einen Toten berührten. Küßt man Tote, die einem zu ihren Lebzeiten besonders lieb und angenehm waren, ist das weder für das Reden noch für sonst ein Vorhaben von Nachteil. 3 Bei der Behandlung der Bekleidung und jeglicher Ausstattung halte ich es für angezeigt, zuerst über die Männerkleidung, die landesübliche wie die fremdländische, zu sprechen. Die gewohnte und der Jahreszeit entsprechende Kleidung bringt jedermann Glück; näherhin ist es vorteilhaft und ein Zeichen von Gesundheit, im Sommer abgetragene Kleider aus Leinwand, im Winter neue aus Wolle anzuhaben. Einzig einem Prozessierenden und einem Sklaven, der seine Freilassung herbeisehnt, bringen neue Kleider, auch wenn sie im Winter geschaut werden, Unglück, weil sie dauerhaft und sehr strapazierfähig sind. Weiße Kleider sind nur Leuten, die sie auch sonst zu tragen pflegen, und griechischen Sklaven nützlich, allen anderen Menschen bedeuten sie Aufregungen, weil diejenigen, welche sich um die Gunst der großen Menge bemühen, in weißen Kleidern auftreten 181, Handwerkern aber Untätigkeit und Arbeitslosigkeit, und zwar eine um so größere, je kostbarer die Gewänder sind; denn wenn die Leute werken und namentlich wenn sie gröbere Arbeiten verrichten, ziehen sie keine weißen Kleider an. Ferner bringen sie nur jenen römischen Sklaven Glück, welche ihre Sache gut machen, den übrigen aber Unglück; sie decken geradezu auf, daß jene es schlimm treiben. Weil sie nämlich für gewöhnlich die gleiche Kleidung wie ihre Herren tragen, werden sie nach diesem Traumerlebnis nicht die Freiheit erlangen wie die griechischen Sklaven. Einem Kranken kündigen weiße Kleider den Tod an, weil Verstorbene in weißen Kleidern bestattet werden, während ein schwarzes Rettung anzeigt; denn nicht die Toten, sondern die Trauernden sind schwarz gekleidet. Ich kenne viele Arme, Sklaven und Gefangene, die, von Krankheit geplagt, träumten, schwarze Kleider zu tragen, und doch starben; es war ganz begreiflich, daß sie wegen ihrer Bettelarmut nicht in weißen Kleidern bestattet werden konnten. Auch sonst zeigt ein schwarzes Gewand allen Unheil an, ausgenommen Leuten, welche dunkle Geschäfte machen. Ein buntes oder mit Purpur gefärbtes Kleid bringt nur Priestern, Solisten, Bühnenkünstlern und Theaterleuten Nutzen, allen anderen Menschen dagegen Aufregungen und Gefahren, Kranken Beschwerden durch bittere Säfte und viel Galle. Ein Purpurgewand ist für Sklaven und Reiche von gut er Vorbedeutung; den einen verheißt es die Freiheit, weil sie solche Gewänder nicht tragen dürfen, den anderen ein Ehrenamt und großes Ansehen, weil der Purpur ihnen zukommt und ihrem gesellschaftlichen Rang entspricht. Dagegen rafft es einen Kranken hinweg, schadet einem Armen und hat schon vielen eine Gefängnisstrafe prophezeit; denn ein Purpurträger muß in jedem Fall mit Stirnbinde oder Kranz geschmückt sein und viele Trabanten und Leibwächter um sich haben. Theaterleuten bedeutet es dasselbe wie das mit Purpur gefärbte Gewand. Ein scharlachrotes und jedes purpurfarbene Kleid verursacht den einen Wunden, den anderen Fieber. Ein "Frauengewand ist nur ]unggesllen und "Bunnenkünstlern 182 von Nutzen; die ersteren werden Frauen heiraten, die so nach ihrem Wunsch sind, daß sie sich genauso ausstatten wie jene, die letzteren wegen der Rollen, die sie spielen, günstige Engagements und Honorare bekommen. Die übrigen haben den Verlust ihrer Gattin oder schwere Krankheit zu gewärtigen, weil diejenigen, welche solche Kleider tragen, verweichlicht und kraftlos sind. An Feiern und Festversammlungen dagegen bringt weder ein buntes Kleid noch ein Frauengewand jemandem Schaden. Ein fremdländisches Gewand anhaben und wie ein Fremdling gekleidet sein bedeutet demjenigen, der dort hin reisen will, wo man sich so kleidet, er werde dort gute Zeiten erleben, häufig prophezeit es auch, er werde sein Leben dort beschließen. Allen anderen zeigt es Krankheit oder Stockung der Geschäfte an. Dasselbe bedeutet das römische Gewand, das man Tebennos 183 nach dem Arkader Temenos nennt; dieser war der erste, der, nach diesem Geschmack gekleidet, den ionischen Meerbusen ent langfuhr und von den dortigen Bewohnern freundlich empfangen wurde. Diese übernahmen von ihm die modische Neuheit und nannten das Kleidungsstück nach dem Erfinder Temenos Temeneion. Drittes Buch

42 42 Mit der Zeit wurde der Name entstellt, und es wurde Tebennos genannt. Das Tragen von weichen und kostbaren Kleidern bringt Reichen wie auch Armen Glück; die einen werden weiter in Saus und Braus leben, die anderen bessere Tage sehen. Sklaven hingegen und Leuten, die in bitterster Not leben, zeigt es Krankheit an. Zu kurze und unschickliche Kleider bedeuten Geldbußen und Stillstand der Geschäfte. Die Chlamys 184, die von einigen Mandye, von anderen Ephestris, wieder von anderen Birrhos 185 genannt wird, prophezeit, weil sie den Körper ganz umhüllt, Drangsale und Beklemmungen, Prozessierenden aber Verurteilung. Dasselbe bedeutet der sogenannte Phainoles und sonstige ähnliche Kleidungsstücke. Deswegen ist es besser, Stücke dieser Art zu verlieren als zu tragen. Der Verlust von sonstigen Kleidungsstücken bringt nichts Gutes, außer Armen, Gefangenen, Schuldnern und allen, die sich in einer ausweglosen Lage befinden; denn gehen diese Stücke verloren, bedeutet es Befreiung von allen die Betreffenden bedrängenden Widerwärtigkeiten. Für alle anderen ist es weder gut, sich nackt auszuziehen noch die Kleider zu verlieren; es sagt den Verlust alles dessen voraus, was das Leben verschönt. Ein buntes und geblümtes Kleid bringt einer Frau, besonders einer Hetäre und einer Reichen, Nutzen; denn die eine trägt wegen ihres Gewerbes, die andere wegen der Eleganz geblümte Kleider. Naturfarbene Kleider sind allgemein von guter Vorbedeutung, besonders für Leute, die sich fürchten, vor Gericht überführt zu werden; denn ihre Farbe wird niemals ausgehen. Immer ist es besser, helle, saubere und gut gewaschene Kleider zu tragen als schmutzige und ungewaschene, ausgenommen für Leute, die ein schmut ziges Handwerk ausüben. 4 Träumt man, seine eigenen Kleidungsstücke oder die anderer zu waschen, so wird man sich manche Widrigkeit im Leben vom Hals schaffen, weil auch die Kleider ihren Schmutz verlieren. Ferner deckt es Verborgenes auf und bringt es an die Öffentlichkeit. Die Alten pflegten nämlich das Wort «waschen» in übertragener Bedeutung für «etwas aufdecken» zu gebrauchen. So sagt Menandros an einer Stelle: «Wenn du so schlecht redest von meinem Weibe, werde ich deinen Vater waschen, und dich und die Deinen» 186, statt: ich werde euer Treiben aufdecken. Daher bedeutet es Leuten, die gerichtlich überführt zu werden fürchten, Unheil, wenn sie gewaschene Kleider schauen. 5 Fingerringe aus Eisen bringen Glück 187, doch ein mühsam errungenes; denn der Dichter nennt das Eisen das «mühsam bearbeitete» 188. Günstig sind auch die goldenen, mit kostbaren Steinen besetzten Ringe, während die ohne Edelsteine Unternehmungen bedeuten, die keinen Gewinn abwerfen, weil sie keine Steine haben; denn mit dem Wort «Stein» bezeichnen wir sowohl den Edelstein im Ring als auch eine bestimmte Geldsumme. Die massiven Ringe sind immer die besten; denn die hohlen, innen mit Schwefel gefüllten bedeuten Betrügereien und Hinterhältigkeiten, weil sie etwas Verstecktes enthalten, oder getäuschte Er wartungen, weil die Füllmasse nicht dem Gewicht entspricht. Ringe aus Bernstein, Elfenbein oder aus sonst einem Material bringen nur Frauen Nutzen. Halsketten, Schmuckketten, Ohrringe, Edelsteine und jeglicher weiblicher Halsschmuck sind für Frauen von gut er Vorbedeutung; unverheirateten prophezeien sie die Ehe, kinderlosen Kinder und jenen, die Mann und Kinder haben, Zuwachs an Vermögen und großen Überfluß; denn ebenso wie Schmuckstücke die Frauen zieren, zieren sie Ehemann, Kinder und Reichtum (denn Frauen haben schon von Natur eine Vorliebe für Reichtum und Schmuck); ferner schlingt sich das Geschmeide um den Hals wie Mann und Kinder. Einem Mann dagegen bedeutet es Betrügereien, Hinterhältigkeiten und große Verwicklungen in seinen Geschäften, jedoch nicht wegen des Stoffes, sondern wegen der Form und der Art der Verarbeitung; denn das Gold bringt nicht wegen des Stoffes, wie einige erklärten, Unglück, sondern ganz im Gegenteil Glück, wie ich häufig beobachtet habe, doch nur dann, wenn dessen Maß und Menge ausgewogen ist und es keinen Anstoß erregt infolge seiner Form, als Halsketten bei Männern, noch die Schranken des gesellschaftlichen Ranges überschreitet, wie z.b. in Form von Kränzen, prächtigen Gefäßen und vielen Geldstücken bei armen Leuten. Schaut jemand also derartiges im Traum, ist das Gold nicht wegen des Stoffes, sondern wegen der Art der Verarbeitung von Übel. Wenn einer Frau der Halsschmuck verlorengeht, zerbricht oder zerreißt, droht ihr der Verlust dessen, wovon oben die Rede war; widerfährt dasselbe einem Mann mit seinem Fingerschmuck, zeigt es ihm nicht nur den Verlust der Drittes Buch

43 43 Vertrauenspersonen im Haus an, z.b. den der Gattin oder des Hausverwalters, sondern auch wirtschaft lichen Ruin, und Personen, denen bis dahin Vertrauen geschenkt wurde, bedeutet es dessen Entzug; denn solche benötigen keine Ringe mehr. Vielen kündigte dieses Traumerlebnis den Verlust des Augenlichtes an; denn irgendwie besteht wegen des Glanzes der Edelsteine eine geheimnis volle Beziehung zwischen den Ringen und den Augen. Dasselbe wie die Kleidung bedeutet das Schuhwerk. 6 Sich zu kämmen bringt Mann und Frau Nutzen; denn der Kamm ist gleichbedeutend mit der alle Widerwärtigkeiten überwindenden und heilenden Zeit. Das Haarflechten ist nur Frauen und jenen Männern von Nutzen, die es auch sonst zu tun pflegen, allen anderen Menschen zeigt es Verwicklungen in ihren finanziellen Verpflichtungen, hohe Darlehensschulden, bisweilen auch Gefängnis an. 7 Sich im Spiegel zu betrachten und darin sein Bild ähnlich zu finden ist für einen Heiratslustigen, sowohl für einen Mann wie für eine Frau, von guter Vorbedeutung; das Spiegelbild bedeutet dem Mann eine Frau, der Frau einen Mann, weil es die Gesichter zeigt, wie diese einander die Kinder. Segen bringt es auch von Kummer geplagten Menschen; denn nur wenn man von Kummer frei ist, nimmt man einen Spiegel zur Hand. Kranke dagegen rafft es hinweg 189 ; denn ein Spiegel ist irden, gleichgültig, aus was für einem Material er gearbeitet ist. Die übrigen Menschen veranlaßt es, die Heimat zu verlassen, so daß sie in einem fremden Land sich wiedersehen. Kommt einem sein Abbild im Spiegel unähnlich vor, so wird man ihm die Vaterschaft von unehelichen oder fremden Kindern zusprechen. Nichts Gutes bringt es, wenn man sich schlechter oder häßlicher im Spiegel schaut; es bedeutet Krankheiten und üble Launen, ebenso wie das Sich-im-Wasser-Bespiegeln dem Träumenden oder einem seiner engsten Angehörigen den Tod prophezeit. 8 Ein reiner, heller Himmel ist allgemein ein Zeichen von guter Vorbedeutung, besonders für Leute, die auf der Suche nach etwas Verlorenem sind, und für solche, die auf Reisen gehen wollen; denn bei reinem Himmel ist alles deutlich zu erkennen. Ein dunkler, trüber oder bewölkter Himmel zeigt Stillstand der Geschäfte und Kummer an. Verwandelt er sich in irgendeinen Stoff, bringt er nur denen, die mit demselben in ihrem Beruf umgehen, Glück, allen anderen dagegen nach Ausweis der Erfahrung Unglück. Ein niedrig hängender Himmel begünstigt nur Weissager und Astronomen, die übrigen Menschen versetzt er in niedrige Lebensverhältnisse. Ein Regen ohne Sturm und heftigen Wind ist allgemeingut, ausgenommen für jene, die sich zu einer Reise rü sten, und für Leute, die ihre Arbeiten unter freiem Himmel verrichten; diesen ist er hinderlich. Sprühregen und Rauhreif sind Bauern höchst zuträglich, während sie den übrigen Menschen mäßige Geschäfte ankündigen. Platzregen, Wirbelwind und Sturm sind Vorboten von Gefahren und Schäden; einzig Sklaven, Armen und Leuten, die sich in einer Klemme befinden, prophezeien sie Befreiung von den sie bedrängenden Widerwärtigkeiten; auf gewaltige Stürme folgt gutes Wetter. Schaut man Schnee und Eis zu der entsprechenden Jahreszeit, so ist das ohne Vorbedeutung; denn während der Körper schläft, erinnert sich die Seele nur an die eisige Kälte vom Tag. Zu einer anderen Jahreszeit geschaut, sind sie nur Bauern von Nutzen, den übrigen Menschen zeigen sie an, daß ihre Vorhaben und geplanten Unternehmungen ziemlich frostig verlaufen werden, und Reisen verhindern sie. Hagel prophezeit Aufregungen und Niedergeschlagenheit und bringt wegen seiner Farbe Verborgenes zutage. Ein Donner ohne Blitz bedeutet, weil er unerwartet kommt, Anschläge und Überfälle, ein Blitz ohne Donner eitle Furcht; denn nach dem Blitz erwartet man einen Donnerschlag, der wegen des Getöses nichts anderes als eine Drohung ist. Wenn er nicht zu hören ist, ruft er Furcht hervor, die unbegründet ist. 9 Diesem Kapitel folgt nun dasjenige über das Feuer. Hierbei ist zweckmäßig zweierlei zu unterscheiden, erstens das himmlische und göttliche, zweitens das irdische und dasjenige, welches man im täglichen Leben gebraucht. Bei der Auslegung des himmlischen Feuers hat man folgendermaßen zu verfahren: Ein strahlendes, reines und kleines Feuer am Himmel zu schauen bedeutet eine Drohung von selten Mächtiger, ein großes, unermeßliches aber prophezeit das Herannahen von Feinden, Unfrucht barkeit und Hungersnot 190. Wo sich das Feuer zeigt oder aus welcher Richtung es kommt, ob von Norden oder Süden, von Westen oder Osten, von dorther werden die Feinde heranrücken oder in jenen Drittes Buch

44 44 Gebieten wird Unfruchtbarkeit herrschen. Am allerschlimmsten ist es, wenn man Feuer auf die Erde niederstürzen sieht. Das selbe bedeuten brennende Fackeln am Himmel. Alle diese Erscheinungen beschwören über das Haupt des Träumenden Gefahren herauf. Denn wie der Himmel das Weltall überragt,, so der Kopf den ganzen Körper. Ein Blitz ohne Unwetter, der in der Nähe einschlägt, ohne den Menschen zu treffen, vertreibt den Träumenden von dem Ort, wo er sich gerade aufhält; denn niemanden hält es in der Nähe eines Blitzes. Schlägt er aber vor ihm ein, hindert er ihn, vorwärts zu gehen. Ist der Kopf vom Blitz getroffen, so ist nach der Meinung der ältesten Traumdeuter eine zweifache Auslegung ange zeigt: Armen sei es ein Zeichen von guter 191, Reichen von böser Vorbedeutung; der Grund dafür sei folgender: Die Armen gleichen bescheidenen und gewöhnlichen Orten, man Mist und sonstigen Unrat ablädt, die Reichen dagegen heiligen Bezirken der Götter oder Menschen, Tempeln der Götter oder heiligen Hainen oder sonstwie bedeutenden Stätten. So wie nun der Blitzstrahl unbedeutenden Orten Ruf und Namen verschafft, weil man dort Altäre errichtet und Opfer auf ihnen darbringt, prächtige Besitzungen aber wüst und unbetretbar macht 192 (denn niemand will sich dort mehr aufhalten), dementsprechend bringt dieses Traumerlebnis einem Armen Nutzen, einem Reichen Schaden. Weiterhin ist der Blitz nichts anderes als Feuer, dessen Eigenschaft aber ist es, jeden Stoff zu vernichten. Nun besitzt der Arme Armut, der Reiche Reichtum. Folglich wird es des Armen Armut, des Reichen Reichtum vernichten; denn der vom Blitz Getroffene erregt mit einem Schlag Aufsehen. Ebenso wird ein Armer, der plötzlich reich geworden, und ein Reicher, der unverhofft sein Vermögen verloren hat, Aufsehen erregen. Diesen Grundsätzen folgten die Früheren. Die Späteren bezogen auch die Sklaven ein und erklärten, es bringe diesen Glück, vom Blitz getroffen zu werden, weil vom Blitz Getroffene keine Gebieter mehr über sich hätten noch sich weiter abarbeiten müßten; man lege ihnen so wie Freigelassenen prächtige Gewänder an und begegne ihnen wie Wesen, die von Zeus geehrt worden sind, so wie man Freigelassene respektiert, welche die Gunst ihrer Herren erfahren haben. Viele Hinweise über den Traum vom Blitzschlag haben Alexander von Myndos 193 und auch Phoibos von Antiocheia 194 aus Erfahrung und eigener Erkenntnis beigesteuert, jedoch vermochten sie es nicht, in allem die feinen Unterscheidungen herauszuarbeiten. Es verhält sich damit folgendermaßen: Sklaven, die das Vertrauen ihrer Herren nicht genießen, gibt das Traumerlebnis die Freiheit, während jene, die es haben oder sich der Gunst ihrer Herren erfreuen oder sehr vermögend sind. Vertrauen, Gunst und Vermögen verlieren. Von den Freien bringt es den Armen, welche ihre Not nicht zu verbergen suchen. Nutzen, während es jene, die sich verstecken und das Licht der Öffentlichkeit scheuen, überführt. Denn weder bleibt der Einschlag eines Blitzes unbemerkt, weil er unter mächtigen Donnerschlägen und gewaltigem Gewitter herniederfährt, noch kann ein vom Blitz Getroffener verborgen bleiben. Reichen, eines Staats- oder Priesteramtes Goldschmuck tragen sollen, verursacht es keinen Schaden, es prophezeit ihnen vielmehr eine glänzende Laufbahn als hohe Beamte. Das Gold gleicht nämlich wegen seiner Farbe dem Feuer, deshalb heißt es bei Pindaros 195 : «Gold ist wie brennendes Feuer.» Die übrigen Menschen bringt es aus dem angeführten Grund um Hab und Gut, falls nicht ein anderer Umstand hindernd dazwischentritt. Unverheirateten, Armen wie Reichen, verheißt es die Heirat; denn nichts schenkt dem Körper so viel Wärme wie das Feuer und eine Frau. Verheiratete trennt es, Partner, Brüder und Freunde macht es zu Feinden; denn der Blitz eint nichts, sondern trennt, was vereint ist. Wer Kinder hat, wird sie verlieren, und zwar durch den Tod, falls der Träumende nach dem Blitzschlag Schmerzen leidet, wenn nicht, durch eine andere Art von Trennung; denn Bäume verdorren, wenn sie vom Blitz getroffen werden, und ihre jungen Triebe gehen ein. Athleten, Literaten jeder Art und Leuten, die sich einen Namen in der Öffentlichkeit machen wollen, verschafft es Ansehen. In Prozessen um das Bürgerrecht ist es von Nutzen, wenn man träumt, vom Blitz getroffen zu werden; denn kein vom Blitz Getroffener ist rechtlos, wo man ihn doch wie einen Gott ehrt 196. Dagegen droht Leuten, die wegen Vermögenswerten jeder Art prozessieren, ein für sie ungünstiges Urteil, ausgenommen, der Rechtsstreit gehe um Grund und Boden oder Liegenschaften; wir sagen nämlich in der Umgangssprache von Leuten die ihren Prozeß verloren haben, sie wären vom Blitz getroffen worden 197. Prozessen um Grund und Boden sichert es Pächtern, die befürchten, von ihrem Besitz vertrieben zu werden, weiterhin Drittes Buch

45 45 das Nutzungsrecht; auch die vom Blitz Getroffenen werden ja nicht anderswohin überführt, sondern und Stelle, wo sie vom Feuerstrahl erfaßt wurden, beigesetzt 198. Dagegen prophezeit es Personen, die auf fremden Grund und Boden Anspruch erheben, daß sie ihn nicht betreten, sondern dort bleiben werden, wo sie sich befinden, das heißt, außerhalb desselben, ausgenommen, man träumt, nicht selbst vom Blitz getroffen zu sein, sondern man sieht den Feuerstrahl auf das Grundstück niederfahren; denn dieses Traumgesicht macht es für die Eigentümer unbetretbar. Ferner führt der Blitzstrahl die Verreisten wieder in die Heimat zurück, während er die Einheimischen nicht außer Landes ziehen läßt. Es ist jedoch zu beachten, daß der Traum vom Blitzschlag nur dann das oben Ausgeführte bedeutet, wenn es einem scheint, vom Blitz versengt worden zu sein, oder er sei auf Kopf oder Brust niedergefahren; versengt er nämlich nur sonst einen Körperteil 199, nicht aber den ganzen Körper, oder trifft er eine Körperpartie nicht so, daß bei dem Getroffenen unausweichlich der Tod eintreten müßte, sind die Traumerfüllungen schwächer. In diesem Fall sind die Gesichte so zu deuten, als ob nur einzelne Körperteile, nicht aber der ganze Körper geschädigt wurde. Darüber habe ich bereits im ersten Buch im Abschnitt über den Körper genau und ausführlich gesprochen. Hier noch folgender Hinweis: Träumt man, vom Blitz getroffen zu werden, während man zur See fährt, im Bett ist oder auf der Erde rück- oder bäuchlings liegt, so bringt das nichts Gutes; Glück prophezeit es letztlich nur, wenn man, stehend oder auf einem Stuhl oder sonst einem Möbelstück sitzend, vom Blitz getroffen wird. Ich kenne jemand, dem es träumte, der äußere Bettstollen seiner Ruhestatt sei vom Blitz zerschmettert worden, und es starb seine Ehefrau. Schaut man das im Alltag verwendete Feuer mit kleiner und reiner Flamme brennen, so ist es, wie Phemonoe 200 sagt, von Segen, lodert es aber gewaltig und ungezügelt, zeigt es Unheil an. Am besten ist es, das Herdfeuer leuchtend und rein zu sehen. Es bedeutet großen Wohlstand; denn wo keine Mahlzeiten zubereitet werden, kann man kein Feuer auf dem Herd sehen. Erlischt es, droht bittere Armut, und ist jemand im Haus krank, kündigt es dem Betreffenden den Tod an. Günstig ist es, besonders für junge Leute, zu träumen, nachts brennende Fackeln tragen; es bedeutet für gewöhnlich angenehme Liebes abenteuer und erfolgreiche Unternehmungen, weil man das, was einem vor den Füßen ist, sehen kann. Dagegen ist es für Leute, die im Dunkel bleiben wollen, von Übel, einen anderen mit einer Fackel zu sehen. Eine im Haus hell brennende Lampe bringt Glück; es verheißt jedermann Zuwachs an Sachvermögen und Wohlstand, Unverheirateten die Ehe und Kranken Gesundheit; eine dunkle und trübe bezeichnet Niedergeschlagenheit und rafft Kranke in Kürze hinweg. Eine erloschene Lampe aber zeigt Rettung an; man wird sie nämlich wieder anzünden. Eine Lampe aus Erz prophezeit, das Glück werde beständiger, das Unglück härter sein, eine aus Ton schon weniger; beide aber bringen Verborgenes zutage. Eine Lampe an Bord eines Schiffes geschaut 201, zeigt eine verhängnisvolle Windstille an. 10 Wohnräume, die in reinem Feuer brennen 202, ohne einzustürzen noch vernichtet zu werden, verschaffen Armen Wohlstand, Reichen Staatsämter; verschwelen sie aber in trübem und rußigem Feuer, stürzen sie ein und werden vom Brand zerstört, sind sie jedermann von Unheil und bringen über jene, die die betreffenden Räume bewohnen, Tod und Verderben. So bedeutet z.b. das Schlafgemach die Ehefrau, wenn eine solche im Haus ist, wenn nicht, den Hausherrn; der Männersaal die im Haus lebenden männlichen Personen, Verwandte und Sklaven, der Frauensaal Sklavinnen. Vorratskammern und Lagerräume bedeuten das Hab und Gut, die Wirtschafter oder Hausverwalter. Das Gesagte gilt von den Wohnräumen insgesamt. Von den Wänden bedeutet die mit der Tür den Hausherrn, die mit dem Fenster die Hausfrau; wo kein Fenster vorhanden ist, bezeichnet die mittlere Wand den Hausherrn, die rechte die Kinder, die linke die Ehefrau. Hat das Zimmer viele Fenster, kündigt es den Brüdern und den Genossen den Tod an, und zwar die nach Osten gehende Seite des Raumes den älteren, die nach Westen den jüngeren; die Nordseite muß man ebenso wie die Ostseite, die Südseite ebenso wie die Westseite deuten. Wände, die im Feuer größer werden oder glänzender erstrahlen, bewirken einen Wandel der Lebensverhältnisse zum Besseren. Brennende Türen bedeuten den Tod der Ehefrau und daß das Vermögen des Träumenden nicht sicher ist. Von diesen bezeichnet die mit dem Riegel versehene Tür eine freige borene Ehefrau, die vom Riegel gehaltene eine Sklavin, und wiederum die erstere den Mann, die letztere die Gat tin. Säulen, die in reinem Feuer brennen, ohne von ihm vernichtet werden, bedeuten, daß die Kinder Drittes Buch

46 46 des Träumenden in bessere und glänzendere Verhältnisse kommen werden. Stürzen sie zusammen, droht den Söhnen der Tod; «denn des Hauses Stützen sind die Söhne», wie Euripides 203 sagt. Brennen Dachbalken, Türsturze und Treppengeländer nieder, zeigen sie den Tod von Kindern und den Verlust von Hab und Gut an, Grundmauern aber den Tod der Eigentümer, das Mauergesims den von Verwandten und Freunden; brennen Bäume 204 nieder, die vor dem Haus stehen, kündigt es den Tod der Herrschaften an, ebenso die im Innern des Hauses befindlichen großen Bäume, und zwar die, deren Namen männlichen Geschlechts sind, den Tod von Männern, die, deren Namen weiblichen Geschlechts sind, den von Frauen, die kleinen den von Freunden und Verwandten, die ganz niedrigen, wie z. B. Buchsbäume und Myrten, den von Haussklaven. Träumt man, auf dem Herd oder im Backofen Feuer anzuzünden, das schnell aufflammt, so ist es von Segen und bedeutet die Geburt von Kindern; denn der Herd und der Backofen gleichen einer weil sie das zum Leben Notwendige aufnehmen; das Feuer in ihnen prophezeit, die Ehefrau werde schwanger gehen 205 ; denn dann wird auch die Frau hitziger. Trifft man aber Feuer in ihnen und läßt es dann ausgehen, man sich selbst schweren Schaden verursachen. 11 Hiermit sind die Vorgänge, die in das Kapitel über das Feuer gehören, ausreichend besprochen. Im Anschluß daran erscheint es mir zweckmäßig, Erläuterungen über die Jagd zu geben. Jagdnetze, Stellhölzer, das ganze Stellnetzgerät, die sogenannten Wolken 206 und alles, was Menschenhand für die Zwecke der Jagd hergestellt hat, bringt Unglück; Glück aber nur Leuten, die hinter flüchtigen Sklaven her sind oder etwas Verlorenes suchen; es sagt ein rasches Auffinden voraus. Allen anderen bedeutet es wegen der Schlingen geschäftliche Verwicklungen, Gefahren und Anschläge; alle diese Geräte werden ja zum Schaden der Tiere hergestellt. Immer aber ist es bes ser, Traum selbst derlei zu besitzen, als bei einem anderen zu erblicken, ebenso wie es günstiger ist, einem anderen Böses zuzufügen als selbst solches von jemand zu erleiden. Auf das Kapitel über die Jagd folgt nun die Besprechung der zweifüßigen, fußlosen und vierfüßigen Landtiere. Ich will mit den Vierfüßlern beginnen. Was die Hunde betrifft, so unterscheidet man erstens Jagdhunde, und zwar einerseits Spür-, andererseits Hetzhunde; zweitens Wachhunde, auch Hof- und Kettenhunde genannt; drittens die sogenannten Malteserhunde 207, die man zum Vergnügen hält. Es bedeuten nun die Jagdhunde das auswärts Erworbene; deshalb ist es gut, wenn man sie beim Jagen und Fangen sieht, wenn sie schon etwas erbeutet haben oder wenn sie gerade auf die Jagd ziehen; denn sie sind ein Sinnbild von Unternehmungslust. Kehren sie aber in die Stadt zurück, bedeuten sie Stillstand der Geschäfte; denn sie haben dann die Arbeit hinter sich. Hofhunde bezeichnen die Ehefrau, die Familienangehörigen und das erworbene Hab und Gut. Sind sie gesund und wedeln sie ihren Herrn an, besagt das, daß Ehefrau und Familienangehörige ihre häuslichen Pflichten gewissenhaft erfüllen und daß Hab und Gut wohl gesichert sind; sind sie aber krank, zeigen sie den Genannten Krankheit und dem Hab und Gut Verluste an. Gebärden sie sich wütend, bellen oder beißen sie, kündigen sie Übeltaten von ihnen entsprechenden Personen an und große Verluste. Fremde Hunde, die einen anwedeln, bedeuten Anschläge und Hinterhältigkeiten von nichtswürdigen Kerlen oder Weibern und, wenn sie beißen oder bellen, Gewalt- und Übeltaten; des näheren prophezeien die weißen Hunde offene, die schwarzen heimliche, die rötlichen nicht ganz offene, die gefleckten ziemlich schlimme waltakte. Sie ähneln nämlich ganz und gar nicht adligen oder freien, sondern gewalttätigen und unverschämten Menschen; denn so sind die Hunde geartet. Oft kündigen sie Fieber an, wegen des Sirius, der als Urheber desselben von manchen «Hund» genannt wird; denn der Hund ist ein gewalttätiges und rücksichtsloses Tier und der fiebrigen Glut vergleichbar 208. Die Malteserhunde bedeuten das Liebste und Angenehmste, was man im Leben besitzt. Deswegen zeigen sie Schmerz und Betrübnis an, wenn ihnen irgendetwas zustößt. 12 Nach der unzutreffenden Meinung der Alten bringen weiße Schafe Glück, schwarze Unglück; nach meiner Erfahrung jedoch sind sowohl weiße als auch schwarze von guter Vorbedeutung; die weißen mehr, die schwarzen weniger. Es gleichen die Schafe den Menschen, weil sie einem Hirten folgen und sich zu Herden vereinigen, ferner, wegen ihres Namens, einer Beförderung und dem Fortschritt zum Besseren 209. Am günstigsten ist es folglich, viele eigene Schafe zu halten, fremde zu sehen und weiden, besonders für die die große Menge beherrschen wollen, für Drittes Buch

47 47 Sophisten und Lehrer. Der Widder hat als Sinnbild des Herrn, der Regierenden und des Herrschers zu gelten; denn die Alten sagten für «herrschen» kreiein 210, ferner führt der Widder die Herde an. Gut ist es zu träumen, auf einem Widder sicher und durch ebenes Gelände zu reiten, besonders für Literaten und Leute, die reich werden wollen; denn das Tier ist schnellfüßig und gilt als Gespann des Hermes 211. Weder weiße noch schwarze Ziegen bringen Glück, vielmehr zeigen alle ohne Ausnahme Unheil an, die weißen weniger, die schwarzen mehr, besonders Seereisenden; denn wir nennen in der Umgangssprache die hohen Wogen «Ziegen», und der Dichter gebraucht an einer Stelle, wo er von einem heftigen Wirbelwind spricht, den Ausdruck «ein heranziegender Sturm» 212, und das gefährlichste Meer heißt Aigaion. Ehen, Freundschaften und Gemeinschaften bringen sie weder zustande, noch verleihen sie bestehenden Dauer; sie vereinigen sich nämlich nicht zu Herden, sondern weiden als Einzelgänger an Abhängen und Felsen und machen dadurch sich und dem Hirten das Leben schwer; deswegen nennt der Dichter die Ziegenherden «die weitschweifenden», indem er sagt: «Sie aber gleich die Herden herum weitschweif ender Ziegen» 213. (Es träumte 214 jemand, der sich verlobt hatte und in Kürze Hochzeit feiern wollte, er reite auf einem Widder und falle kopfüber von ihm herab. Man legte ihm das Gesicht dahin aus, daß seine künftige Frau huren und ihm nach dem Sprichwort Hörner aufsetzen werde. Und endete es auch. Wegen der üblen Vorbedeutung des Traumerlebnisses lehnte er die Heirat ab, schließlich ließ er sich aber doch mit Mühe und Not von seinen Freunden überreden und ehelichte kurze Zeit danach die, mit welcher er sich zuvor verlobt hatte. Aus Furcht vor dem Traumgesicht ließ er seine Frau nicht aus den Augen und lebte im Gefühl völliger Sicherheit dahin. Seine Frau blieb ein ganzes Jahr hindurch ohne Makel, da starb sie. Er heiratete nun eine andere Frau, in dem Glauben, daß das Traumgesicht sich bereits erfüllt habe; da aber traf ihn das Unglück; denn seine zweite Frau trieb die Hurerei bis zum äußersten.) Esel, die eine Last tragen, ihrem Treiber gehorchen, gesund sind und flink dahintraben, sind im Hinblick auf eine Heirat und eine Gemeinschaft von guter Vorbedeutung; denn abgesehen davon, daß Ehefrau und Partner nicht anspruchsvoll sind, werden beide sich bereitwillig unterordnen und es gut meinen. Auch sonstigen Vorhaben verheißen sie wegen des Namens Erfolg 215 ; sie bedeuten Gewinn an den laufenden Unternehmungen und Freude darüber; denn sie sind dem angenehmsten Dä mon, dem Silen 216, heilig. Im Hinblick auf Gefahren und Ängste bringen sie Rettung, wegen der Geschichte, die man von ihnen erzählt 217, und wegen der im Volksmund umgehenden Redewendung 218. Bezüglich Reisen zeigen sie große Sicherheit an, verursachen jedoch wegen ihres trägen Schrittes Verzögerungen und Stockungen. Maulesel sind in jeder Hinsicht nützlich, besonders für die Landwirtschaft, weil sie ausdauernd bei der Arbeit sind. «Denn vorzüglicher sind sie als Rinder, durch weit räumige Brachen zu ziehen die gediegene Pflugschar», wie der Dichter sagt 219. Nur einer Heirat und der Zeugung von Nachwuchs sind sie abträglich, weil die Tiere ohne Samen sind. Wütende Esel oder Maulesel prophezeien Anschläge von selten Untergebener, Maulesel auch Krankheit, wie ich häufig festgestellt habe. Arbeitsrinder bringen allen Glück, während Rinder in der Herde wegen ihres Namens 220 Aufregungen und üble Nachreden bedeuten. Ein Stier, besonders ein drohender oder verfolgender, zeigt eine ganz ernste Gefahr an und Bedrohung von selten Mächtiger, wenn der Träumende ein Armer oder Sklave ist. Seeleuten prophezeit er Sturm und, falls er jemanden auf die Hörner nimmt. Schiffbruch, wobei die Segelstange 221 schrecklich zugerichtet wird; er gleicht nämlich dem Segel und dem Mastbaum des ganzen Schiffes wegen der Haut und den Hörnern. Drittes Buch

48 48 Es bleibt noch über die wilden Tiere zu sprechen. Erblickt man einen zahmen, mit dem Schweif wedelnden und ohne böse Absicht sich nähernden Löwen, so ist das ein gutes Zeichen und bringt Vorteile, und zwar einem Soldaten vom Kaiser 222, einem Athleten von seiner guten Körperkondition, einem Mann aus dem Volk von der Obrigkeit und einem Sklaven von seinem Herrn; denn wegen seiner Kraft und Stärke gleicht das Tier solchen Personen. Ein drohender oder wütender Löwe jagt Furcht ein und prophezeit Krankheit 223 (auch die Krankheit gleicht einem wilden Tier) und Bedrohungen von Männern, deren Symbol der Löwe ist, oder Feuersgefahren 224. Der Anblick von jungen Löwen ist für alle ausnahmslos von guter Vorbedeutung, gewö hnlich verkündet er die Geburt eines Knaben. Die Löwin bedeutet dasselbe wie der Löwe, nur in geringerem Maß, und zwar prophezeit sie wedelnd Nutzen, drohend und beißend Schaden, doch nicht von Männern, sondern von Frauen. Oft habe ich die Beobachtung gemacht, daß sie reiche Männer bezeichnet, die wegen widernatürlicher Sinnlichkeit verschrien sind. Der Panther bezeichnet wegen seines gesprenkelten Fells durchtriebene und bösartige Manns- und Weibsbilder, oft auch Angehörige von Völkern, bei denen sich die Mehrzahl tätowiert. Ferner beschwört er Krankheit 225, ungewöhnliche Furcht und Gefahr für die Augen herauf. Bär bedeutet eine Frau (es berichten die Verfasser von Metamorphosen, daß die Arkaderin Kallisto in dieses Tier verwandelt worden sei) 226 und wegen seiner Wildheit Krankheit, ferner Bewegungen und Reisen, weil er denselben Namen trägt wie das sich immer bewegende Sternbild. Zum ändern prophezeit er einen Aufenthalt an ein und demselben denn das Gestirn bewegt sich immer an ein und demselben Ort 227 und geht nicht unter. Ein Elefant, außerhalb Italiens und Indiens geschaut, zeigt wegen seiner Hautfarbe und Körpergröße Gefahr und Schrecken an; denn das Tier jagt Schrecken ein, besonders denen, die an seinen Anblick nicht gewöhnt sind. In Italien bedeutet er den Herrn, den Kaiser 228 und einen sehr hohen Würdenträger. Deshalb prophezeit er Wohltaten von diesen Personen, wenn er friedlich und gehorsam seinen Reiter trägt, wenn er aber widerspenstig ist, Schaden. Oft kündigt ein verfolgender oder drohender Elefant Krankheit an. Packt und tötet er den Träumenden, prophezeit er ihm den Tod; greift er ihn nicht, wird jener in äußerste Lebensgefahr geraten, aber gerettet werden. Denn das Tier ist, wie man sagt, dem Pluton heilig. Einer Frau bedeutet er ganz und gar nichts Gutes, weder wenn er sich nähert, noch wenn er sie trägt. Ich kenne eine sehr reiche Frau in Italien - sie litt nicht an einer Krankheit -, der es träumte, sie reite auf einem Elefanten. Kurze Zeit danach starb sie. Der Wildesel bedeutet Feindschaft mit einem rücksichtslosen und ganz gemeinen Kerl; denn er ist mit dem Esel stammverwandt. Man merke sich, daß eine Wechselbeziehung zwischen allen wilden Tieren und unseren Feinden besteht. Daher ist es immer besser, sie zu beherrschen, als von ihnen beherrscht zu werden; ersteres besagt, man werde über seine Feinde triumphieren und mächtiger sein. Der Wolf bedeutet wegen seines Namens das Jahr; die Dichter nennen nämlich wegen einer Eigenart dieser Tiere das Jahr Lykabas 229. Denn diese pflegen immer in strenger Ordnung, eines hinter dem anderen, einen Fluß zu durchschwimmen, genauso wie die Jahreszeiten in ihrer Aufeinanderfolge das Jahr bilden. Der Wolf bezeichnet auch einen gewalttätigen, räuberischen, schurkischen und offen angreifenden Feind. Der Fuchs bedeutet dasselbe wie der Wolf, mit dem Unterschied, daß er nicht offen angreifende Feinde bezeichnet, sondern solche, die einem heimlich zu Leibe rücken; meistenteils bezeichnet er Frauen, die Arges im Schilde führen. Hundsaffe bedeutet einen Kerl, der alle Schliche kennt, und einen Gaukler. Der Pavian bedeutet dasselbe wie der Hundsaffe, prophezeit aber außerdem Krankheit, meistenteils die soge nannte Drittes Buch

49 49 heilige; denn er ist der Selene heilig 230, und die Alten sagen, daß diese Krankheit ebenfalls der Selene heilig sei. Sphinxe, Luchse, Meerkatzen und ähnliche Tiere muß man derselben Gattung zurechnen. Die Hyäne bedeutet ein Mannweib, eine Zauberin oder einen bösartigen Menschen, der sich widernatürlichen Trieben hingibt 231. Der Eber zeigt Land- oder Seereisenden einen gefährlichen Sturm an. Prozessierenden einen mächtigen, rücksichtslosen und gewalttätigen Gegner, der vielfach eine brutale Sprache führt, Bauern Unfruchtbarkeit, weil das Tier die Pflanzungen verwüstet, und einem Heiratslustigen gesellt es eine Frau zu, die weder Herzensgüte noch Anstand besitzt. Es ist aber gar nicht verwunderlich, daß der Eber auch eine Frau bezeichnet. Mag die Bemerkung auch geschmacklos erscheinen, so will ich sie doch vorbringen, um damit meine häufig gemachte Erfahrung unter Beweis zu stellen. Eber heißt das Tier und bedeutet ganz begreiflich ein Frauenzimmer; denn so werden geile Weibsbilder genannt, und Menandros sagt: «Du geilst ja wie ein Eber, Unglücksweib!» 232 Der Hirsch bedeutet auf einem Schiff die Steuerruder 233 und seine Geschwindigkeit, auf dem festen Land dem, der unterwegs und auf Reise ist, einerseits ein glattes, andererseits ein schwieriges Vorwärtskommen. Das Zutreffende ergibt sich aus dem jeweiligen Zustand des Hirsches. Ferner zeigt er an, daß Ausreißer und Personen, die gerichtlich angeklagt sind, und andere, die eine eheliche Gemeinschaft aufgeben wollen, einerseits klug, andererseits feig und kleinmütig sein werden. Handelt es sich um ein nicht häufig vorkommendes, sondern seltenes Tier, das in Libyen oder am Ozean lebt und das in diesem Abschnitt nicht erwähnt ist, so muß man in der Weise zu seiner Deutung kommen, daß man, ausgehend von den Beispielen, es zu einem Tier in Beziehung setzt, das ähnlich ist und sich in seiner Natur nur unwesentlich von ihm unterscheidet. Diese Ausführungen über die zahmen und wilden Vierfüßler sollten wohl genügen, besonders für den, der keine gezierten Worte erwartet, sondern einzig die Wahrheit zu ergründen sucht. Man beachte noch folgendes: Zahme Tiere, die wild werden, bedeuten Unheil, wilde, die zahm werden. Glück und Gewinn. Großen Segen verheißt es, wenn Tiere plötzlich ihr Stimme ertönen lassen und wie Menschen sprechen 234, ganz besonders, wenn sie etwas Glückverheißendes und Angenehmes sagen. Alles, was sie sprechen, ist die reine Wahrheit, und man muß dem Glauben schenken. Ist das Gesagte einfach und verständlich, richte man sich danach, ist es rätselhaft, versuche man, es zu deuten. Nun will ich weiter über die fußlosen Tiere sprechen. 13 Der Drache bedeutet wegen seiner Kraft und Stärke einen König 235, ferner - wegen seiner Körperlänge - die Zeit 236 und weil er die alte Haut abstreift und sich wieder verjüngt; denn ebenso ergeht es der Zeit im Wechsel der Jahreszeiten; ferner bedeutet er Reichtum und Geld, weil er Schätze hütet, und alle Götter, denen er heilig ist. Es sind dies: Zeus, Sabazios, Helios, Demeter und Köre, Hekate, Asklepios und die Heroen 237. Wenn er sich nähert, etwas gibt oder spricht und seine Gutartigkeit durch die Zunge kundtut, verheißt er großen Segen von den Genannten oder durch die Genannten; im entgegengesetzten Fall bringt er Unheil. Umschlingt oder fesselt er jemanden, prophezeit er (Verwicklungen) und Fesseln, den Kranken Verderben und bringt sie fast unter die Erde; er selbst ist ja ein Kind der Erde und haust in der Erde. Die Schlange bedeutet Krankheit und einen Feind 238. So wie sie jemanden zurichtet, werden auch die Krankheit und der Feind den Träumenden zurichten. Uräusschlangen und Sandvipern bedeuten wegen ihres starken Giftes Geld, und aus demselben Grund reiche Frauen. Nach meinen Erfahrungen bringen sie auch dann Glück, wenn sie beißen, sich nähern oder jemanden umschlingen. Hält die Ehefrau eine Schlange in ihrem Schoß verborgen 239 und hat sie ihr Vergnügen daran, wird sie zum Ehebruch Drittes Buch

50 50 verführt werden, und zwar meist von einem Feind des Träumenden; empfindet sie aber Furcht oder Ekel dabei, wird sie erkranken. Geht sie schwanger, wird sie die Leibesfrucht verlieren und nicht austragen. Wasserschlangen bedeuten dasselbe wie die gewöhnliche Schlange, ferner verursachen sie Krankheit, die durch schlechte Säfte entsteht, oder sie beschwören eine Gefahr auf dem Wasser herauf und zeigen an, daß die Feinde ihren Lebensunterhalt mit einer Tätigkeit verdienen, die mittelbar oder unmittelbar mit dem Wasser zusammenhängt. Von Übel sind Kreuzottern, Äskulapschlangen und Kröten, alle ohne Ausnahme, denn sie bedeuten Übergriffe von selten roher Leute, die nicht in der Stadt leben. Der Seps, die Hornviper, die Diphas, das soge nannte Chamäleon und alle übrigen Arten, die Nikandros 240 zusammengestellt hat, sind unheilvoll; gleichgültig, ob man sie nur schaut oder ob sie angreifen, sie bedeuten nichts Gutes, sondern führen ungewöhnliche Gefahren herauf. Giftspinnen, Skorpione und Tausendfüßler weisen auf übelgeartete Subjekte hin. 14 Das Schleppnetz, das gewöhnliche Fischernetz, das Wurfnetz und alle anderen aus Flachs verfertigten Geräte, die zum Fischfang dienen, bedeuten dasselbe wie die Jagdnetze, über die ich im Vorhergehenden gesprochen habe. Angelschnüre, Angeln, Angelruten und die soge nannten Fischfallen bezeichnen Anschläge und Hinterhältigkeiten 241. Immer ist es besser zu träumen, man besitze selbst derlei Geräte, als sie in fremder Hand zu sehen. Viele und große Fische zu fangen bringt jedermann Glück und materiellen Gewinn, ausgenommen Leuten, die eine sitzende Tätigkeit haben, und Sophisten; den einen bedeutet das Traumgesicht Untätigkeit, weil sie nicht gleichzeitig ihrer gewohnten Arbeit nachgehen und fischen können, den anderen, daß sie keine geeigneten Zuhörer finden werden; denn der Fisch ist stumm 242. Der Fang von kleinen Fischen zeigt Ärger und keineswegs Gewinn an, wie ich bereits im ersten Buch im Kapitel über die Nahrung ausgeführt habe; dazu zähle ich die Sardinen, Anchovis, Sardellen, Sprotten und die Aphye. Sodann bedeuten Fische nach ihrem äußeren Erscheinungsbild etwas Verschiedenes; im einzelnen verhält es sich damit folgendermaßen: Fische von gefleckter Färbung bedeuten Kranken Vergiftungen, Gesunden Betrügereien und Anschläge, z.b. der Lippfisch, die Phykis, der Seebarsch, der lulfisch, der Stromateus und ähnliche. rötlichen prophezeien Sklaven und Verbrechern Folterung, Kranken heftiges Fieber und Entzündungen, Leuten, die unentdeckt bleiben wollen, Entdeckung, wie z.b. die Zahnbrasse, die rote Meerbarbe, der Knurrhahn und die Meeräsche. Letztere bringt kinderlosen Frauen Glück; denn sie laicht dreimal. Deswegen trage sie auch zu Recht ihren Namen 243, wie Aristoteles in seiner Tiergeschichte und Aristophanes 244 im Kommentar zu Aristoteles erklären. Fische, die sich häuten, sind Kranken, Eingekerkerten, Armen und allen, die sich in einer Drangsal befinden, von guter Vorbedeutung; diese werden sich die Übel, von denen sie geplagt sind, vom Hals schaffen. Es häuten sich aber von den Fischen die weichschaligen, z.b. die Garnele, die Languste, die Krabbe, der Hummer, der Taschenkrebs, die sogenannte Vettel und andere dieser Art. Diese prophezeien häufig auch Schläge, weil sie sich selbst schlagen, und Reisen, weil sie Amphibien sind. Alle Fischarten, die uns eine Darmstörung verursachen und Durchfall hervorrufen, bedeuten dasselbe wie die Pflanzenkost und gewähren den Menschen denselben Nutzen. Darüber habe ich im Abschnitt über die Nahrungsmittel gesprochen. Es befördert aber den Stuhlgang der Genuß aller Arten von Hartschalern, wie z.b. die Purpurschnecke, die Trompetenmuschel, die Auster, die Seeschnecke, der Seeigel, die Miesmuschel, die Riesenmuschel, die Venusmuschel, die Kammuschel und andere ähnliche. Die Steckmuschel und der sogenannte Steckmuschelhüter sind wegen ihres Zusammenlebens und ihrer Verträglichkeit für eine Ehe und eine Gemeinschaft von guter Vorbedeutung. Dagegen bringen die Weichtiere unter den Fischen nur Schurken Nutzen; denn sie verändern ihr Äußeres, passen sich der Umgebung an, in der sie leben, und bleiben so unentdeckt. Den übrigen Menschen kündigen sie wegen des Umklammerns und des Klebrigen Hindernisse und Verzögerungen an und prophezeien wegen des Mangels an Knochen häufige Er schöpfung in den Unternehmungen; denn die Kraft des Körpers ruht in den Knochen. Hierher gehören der Meerpolyp, der Kalmar, die Seeanemone, der Nautilus, der Moschuspolyp, der Porphyrion und der Tintenfisch. Einzig letzterer ist Leuten von Nutzen, die zu entkommen suchen, wegen des Tintensaftes, mit dessen Hilfe er oft entweicht. Dieses Traumgesicht erwähnt auch Antiphon aus Athen 245. Von den Knorpelfischen bedeuten die großen samt und Drittes Buch

51 51 sonders vergebliche Anstrengungen und Hoffnungen, die sich nicht erfüllen, weil sie den Händen entschlüpfen und keine Schuppen haben, die den Körper der Fische umgeben, so wie das Hab und Gut die Menschen. Hierher gehören die Muräne, der Fluß- und Meeraal. Die flachen Knorpelfische beschwören wegen ihrer Wildheit Gefahren und Anschläge herauf, z.b. der Stechrochen, der Zitterrochen, der Seeochs, der sogenannte Adler, der Hai, der Meerengel und ähnliche Fische dieser Art. Schuppenlose Fische, die beschuppten ähneln, bedeuten, daß die Hoffnungen des Träumenden zu Wasser werden; dazu gehören z.b. der Thunfisch und seine Unterarten, der kleine Thunfisch, der einjährige Thunfisch, der Simos, der Hammerfisch, die Makrele und ähnliche. Hechte, Melanuren, Alante und Meergrundeln bedeuten, man werde Schurken und üblen Subjekten in die Hände fallen. Schattenfische und Schleimaale, man werde es mit Bösewichtern und Taugenichtsen zu tun haben. Süßwasserfische bringen Glück, doch in geringerem Maß; sie stehen nicht so hoch im Kurs wie Meeresfische und sind auch nicht so nahrhaft. 15 Frösche kündigen Gaukler und Possenreißer an, sind aber Leuten, die von der großen Menge leben, günstig. Ich kenne einen Haussklaven, der träumte, er überhäufe Frösche mit Ohrfeigen; er übernahm die Hausverwaltung seines Herrn und kommandierte das Gesinde im Haus; der Teich bedeutete das Haus, die Frösche das Gesinde, das Ohrfeigen aber das Aufseheramt. 16 Ein Meerestier in seinem Element zu sehen, ausgenommen einen Delphin, ist niemand günstig; letzterer jedoch bringt Glück, wenn man ihn im Meer sieht, und bedeutet, es werde aus der Richtung, in die er schwimmt, ein günstiger Wind wehen 246. Außerhalb des Meeres und seines Elementes geschaut, ist jedes Meerestier glückverheißend; denn es vermag keinen Schaden mehr anzurichten, wo es zappelnd und elend verendend sich selbst nicht retten kann. Deswegen besagt es, daß die Macht der Feinde gebrochen ist und sie als Bösewichter übel zugrunde gehen werden. Ein gestrandeter Delphin prophezeit Unheil; man wird den Tod einer heißgeliebten Person mitansehen müssen. 17 Möwen, Sturmtaucher und alle anderen Arten von Meeresvögeln führen Seefahrer in äußerste Gefahr, doch nicht in den Tod 247 ; denn alle diese Vögel tauchen zwar unter, versinken aber nicht in der See. Den übrigen Menschen bedeuten sie Hetären und zänkische Frauen oder räuberische und rücksichtslose Betrüger und Leute, die mittelbar oder unmittelbar aus dem Meer ihren Lebensunterhalt verdienen. Verlorenes wird man nach diesem Traumge sicht nicht wiederfinden; denn was diese Vögel fangen, schlingen sie hinunter. 18 Tote Fische auf dem Meer zu finden ist nicht gut; sie zeigen eitle Hoffnungen an und lassen Erwartungen nicht in Erfüllung gehen. Besser ist es, lebende Fische zu fangen. Was das Anrichten und die Zubereitung von Fischen anlangt, so ist für die Deutung maßgebend, was über die Zubereitung der Fleischgerichte gesagt worden ist. Sodann ist es für einen Seefahrer und einen Kranken unheilvoll zu träumen, er erblicke in seinem Bett einen Fisch. Dem einen bedeutet es Schiffbruch, dem anderen Gefahr, die aus Säften oder durch Säfte entsteht. Wenn eine schwangere Frau träumt, sie gebäre einen Fisch, so wird nach der Deutung der Alten das Kind, das sie zur Welt bringt, stumm sein, nach meiner Erfahrung aber nur kurze Zeit leben. Viele gebaren auch tote Kinder; denn jeder Fisch verendet, wenn er das ihn bergende Element verläßt. 19 Leimruten und Vogelleim führen Verreiste in die Heimat zurück, spüren flüchtige Sklaven auf, retten Verlorengegangenes und lassen Erwartungen, wenn auch nicht alle, in Erfüllung gehen; denn sie führen zwar dem, der sie verwendet, das heißt dem Vogelsteller, von weit und breit die Vögel zu, doch einige von ihnen entkommen auch den Leimruten. Die sogenannten Wolken und alles, was es sonst an Netzen für die Vogeljagd gibt, haben dieselbe Bedeutung wie die Schlepp- und Fischernetze. Auf diese Darlegung folgt weiter die Erörterung über Luft fliegenden Tiere. Große Vögel bringen eher Reichen als Armen Nutzen, die kleinen dagegen sind den Armen ganz besonders nützlich. Denn die großen Vögel leiden häufig Hunger, weil sie sich nicht mit einfachem Futter begnügen, sondern fetter Beute nachjagen und das erstbeste verschmä hen, die kleinen dagegen, die Körnersammler, haben niemals Not, weil sie sehr Drittes Buch

52 52 leicht ihre Nahrung finden. Ich halte es nun für zweckmäßig, auf die einzelnen Vogelarten näher einzugehen. Der Anblick eines Adlers auf einem Felsen, auf einem Baum oder in schwindelnder Höhe ist für Unternehmungslustige ein gutes Zeichen, ein böses dagegen für Leute, die in Angst leben. Fliegt er ruhig und geräuschlos, bringt er ebenfalls einem Mann Glück, doch läßt dessen Erfüllung gewöhnlich auf sich warten. Ein Adler, der sich auf dem Kopf des Träumenden niederläßt, prophezeit diesem den Tod; denn was er einmal mit seinen Fängen packt, tötet er. Auf einem Adler zu reiten, weissagt Kaisern, Reichen und Mächtigen den Tod; denn nach einem alten Brauch stellen Maler und bildende Künstler solche Persönlichkeiten nach ihrem Ableben auf Adlern reitend dar und verherrlichen sie durch solche Bildwerke 248. Armen dagegen bedeutet es Segen; sie werden durch reiche Gönner einen starken Auftrieb und keine geringe Unterstützung erhalten, und zwar meist durch Reisen ins Ausland. Ein drohender Adler prophezeit eine Drohung von Seiten eines einflußreichen Mannes, während ein zahmer, der sich nähert, etwas gibt oder sich mit seiner Stimme vernehmen läßt, nach dem Zeugnis der Erfahrung Gutes bedeutet. Träumt eine Frau, sie gebäre einen Adler, so wird sie einem Sohn das Leben schenken, der, wenn er arm ist, Soldat werden und es bis zum Heerführer bringen wird; denn jedem Heer geht ein Adler voran 249 ; gehört er dem Mittelstand an, wird er Athlet werden und sich einen Namen machen; ist er reich, wird er über viele herrschen oder gar Kaiser werden. Ein toter Adler ist nur für einen Sklaven und einen Mann, der sich vor jemand fürchtet, von Vorteil; er prophezeit sowohl dem Drohenden als auch dem Herrn den Tod; allen anderen Menschen kündigt er Stillstand der Geschäfte an. Der Adler bedeutet auch das gegenwärtige Jahr; denn seine Name bezeichnet, ausgeschrieben, nichts anderes als ein Jahr 250. Da es verschiedene Arten von Adlern gibt, muß man auch verschiedene Traumerfüllungen annehmen. Der Falke bedeutet eine königliche und reiche Frau, die auf ihre Schönheit stolz ist, Klugheit und feine Umgangsformen besitzt. Der Lämmergeier bedeutet dasselbe wie der Adler. Geier sind für Töpfer und Gerber von guter Vorbedeutung, weil sie außerhalb der Stadt hausen und mit Kadavern in Berü hrung kommen; Ärzten und Kranken bringen sie Unheil, denn sie weiden sich an Aas. Sie bezeichnen auch fluchbeladene und blutbefleckte Feinde, die nicht in der Stadt wohnen. Auch in jeder anderen Beziehung sind sie Unglücksvögel. Der Habicht und die Gabelweihe bedeuten Räuber und Strauchdiebe; der Habicht sichtbare und offen angreifende, die Gabelweihe solche, die heimtückisch vorgehen. Der Rabe ist wegen seiner Farbe und weil er häufig seine Stimme verändert mit einem Ehebrecher und Dieb gleichzusetzen. Die Krähe bedeutet wegen ihres hohen Alters eine lange Zeitspanne, eine Verzögerung in den Geschäften und eine Greisin 251, ferner kündigt sie einen Sturm an, weil sie eine Botin des Sturms ist. Stare bedeuten die Volksmenge, arme Leute und ein heilloses Durcheinander; Dohlen bezeichnen dasselbe wie Stare. Ringel- und Haustauben bedeuten Frauen, und zwar Ringeltauben solche, die ganz und gar der lockeren Zunft angehören, Haustauben mitunter haushälterische und ordentliche Frauen. Man darf auch von vielen Tauben auf eine Frau, und von einer Taube auf viele Frauen schließen. Haustauben bedeuten ferner die Lust und das Vergnügen an den Geschäften, weil sie der Aphrodite 252 heilig sind, und schließlich sind sie im Hinblick auf Freundschaften, Geschäftsverbindungen und jede Art von Übereinkommen glückverheißend, weil sie gesellig zusammenleben. Der Anblick von Kranichen und Störchen in Scharen und Schwärmen bedeutet das Anrücken von Räubern und Feinden, ferner kündigen sie, wenn sie sich im Winter zeigen, Sturm, im Sommer Dürre an. Einzeln und gesondert sind Drittes Buch

53 53 Kraniche und Störche im Hinblick auf eine Reise und die Rückkehr Verreister von guter Vorbedeutung, weil sie um die Jahreswenden ihre Reise antreten und fortziehen. Der Storch verheißt vorzüglich Kindersegen, wegen Hilfe, die die Jungen den Eltern leisten 25?. Der Schwan bedeutet einen Musiker und die Musik selbst, ferner bringt er wegen seiner Farbe Verborgenes ans Licht. Kranken prophezeit seine Erscheinung Heilung, sein Gesang aber Tod; denn erst im Sterben läßt er seine Stimme ertönen 254. Über die Schwalbe werde ich in dem Abschnitt über den Tod sprechen. Pelikane bedeuten dumme Menschen, alles ohne Sinn und Verstand tun, ferner weisen sie darauf hin, daß sich ein Dieb oder ein entlaufener Sklave in der Nähe eines Flusses oder Sumpfes verbirgt. 21 Enten und alle Arten von Sumpf- oder Flußvögeln bedeuten dasselbe wie die Möwen und Taucher. Da auch Insekten fliegen können, will ich sie in diesem Abschnitt mitbehandeln. 22 Bienen bringen Bauern und Bienenzüchtern Segen; allen anderen Menschen prophezeien sie wegen des Summens Aufregungen, wegen des Stachels Verwundungen und wegen des Honigs und Wachses Krankheit 255. Lassen sie sich auf dem Kopf des Träumenden nieder, sind sie, falls er ein hohes militärisches oder ziviles Amt bekleidet, von guter, sonst aber von übler Vorbedeutung. Meist zeigen sie an, daß der Träumende von der großen Menge oder von Soldaten umgebracht werden wird. Sie gleichen der großen Menge oder einem Heer, weil sie sich einem Führer unterordnen; sie töten, weil sie sich auf Verwestes setzen. Bienen einzuschließen und sie zu töten bringt jedermann Glück, nur Bauern nicht. Wespen sind allgemein von schlimmer Vorbedeutung; sie prophezeien, daß man unter Schurken und Rohlinge fallen wird. Die Feld- und Laubheuschrecken und die sogenannten Strichheuschrecken künden Bauern Unfruchtbarkeit oder Vernichtung des Getreides an; denn sie fallen über die Saat her oder verwüsten sie. Den übrigen Menschen bedeuten sie bösartige Manns- oder Weibsbilder. Skarabäen, Mistkäfer und Glühwürmchen bringen nur Leuten Nutzen, die ein schmutziges und unehrliches Gewerbe ausüben, allen anderen zeigen sie Schaden und Stockung der Geschäfte an, besonders Salben- und Gewürzhändlern. 23 Trä umt man, auf einem Schiff und auf ruhiger Fahrt zu sein, so ist das für jedermann ein Zeichen von guter Vorbedeutung; gerät man aber in einen Sturm, zeigt es Miß stimmungen und Gefahren an. Ein Schiffbruch, bei dem das Schiff kentert oder an Felsen zerschellt, bringt allen Schaden, ausgenommen Leuten, die von anderen gewalt sam festgehalten werden, und Sklaven; diese befreit es von ihren Bedrängern; das Schiff gleicht nämlich den (Widerwärtigkeiten), von denen sie geplagt werden. Immer ist es besser, an Bord eines großen Schiffes mit fester Ladung zu sein, weil die Fahrt auf kleinen Schiffen, selbst wenn sie glatt vonstatten geht, bei allem Gewinn doch immer mit einem Risiko verbunden ist. Hier noch folgender Hinweis: Übers Meer zu fahren und auf ruhiger Fahrt zu sein ist weit günstiger, als durch das Binnenland zu schiffen; letzteres bedeutet, das Glück werde säumiger, launischer und nur schwer zu ergreifen sein. Unheilvoller ist es, einen Sturm auf dem Meer als einen auf dem Land durchzustehen. Vermag man trotz bestem Willen nicht zu segeln oder wird man von anderen gewaltsam zurückgehalten, so zeigt das Hindernisse und Verzögerungen in den Unternehmungen an; ebenso bedeutet es Verzögerungen und Hindernisse, wenn die Fahrt durch das Binnenland durch Bäume oder Felsen erschwert wird. Für alle ist es ein gutes Vorzeichen, vom Land aus Schiffe durch das Meer ziehen und bei günstigem Wind segeln zu sehen, und es ist das Symbol einer Reise (...); Verreisten kündigt es die Rückkehr in die Heimat an, häufig auch Nachrichten aus Übersee. Stechen Schiffe in See, erfüllt sich das Gute Drittes Buch

54 54 langsamer; denn die Fahrt beginnt erst; landende und in den Hafen einlaufende Schiffe zwingen das Glück schneller herbei; sie haben ja das Ziel der Fahrt erreicht. Häfen und alle Ankerplätze bedeuten stets Freunde und Wohltäter, Vorgebirge und Buchten dagegen Menschen, die wir notgedrungen, aber nicht aus freien StÜkken schätzen und die auch ihrerseits uns nicht aus Wohlwollen Gutes erweisen. Anker weisen auf das Notwendige und Sichere in den Geschäften hin, verhindern aber eine Reise; denn sie werden immer ausgeworfen, um den Schiffen festen Halt zu geben. Ankertaue und alle Arten von Seilen sind Symbole von Darlehen, Arbeitsverpflichtungen, Verträgen und Beschlagnahme von Vermö gen. Mastbaum bedeutet den Schiffsherrn, der Bug den Untersteuermann, der Gänsehals 256 den Obersteuermann, das Takelwerk die Matrosen und die Segelstange den Aufseher über die Ruderer. Wird irgendein Teil eines vor Anker liegenden Schiffes beschädigt, so folgt, daß die dadurch bezeichnete Person ums Leben kommt. Ist das Schiff auf Fahrt, so wird es von einem gewaltigen Sturm gepackt werden, wobei eben jenem Schiffsteil eine ungewöhnliche Gefahr droht. Der Sturm wird von der Seite heranziehen, von welcher aus das Feuer am Himmel auf das Schiff zukommt. Ich kenne einen Reeder, dem es träumte, er habe die auf seinem Schiff aufgestellten Schutzgötter verloren; er war in großer Furcht und glaubte, das Traumgesicht kündige sein Ende an; es ging aber ganz im Gegenteil alles gut aus. Er machte viel Geld, zahlte den Gläubigern, denen das Schiff verpfändet war, die von ihnen aufgenommenen Darlehen zurück und hatte damit niemanden mehr, der einen Anspruch auf das Schiff geltend machen konnte. Immer ist es ein Zeichen von guter Vorbedeutung, das Meer in sanfter Bewegung und in ruhigem Wellenschlag zu schauen, es prophezeit glänzende geschäftliche Erfolge; Windstille dagegen, wegen der ünbeweglichkeit, Stillstand der Geschäfte, ein Sturm Aufregungen und Verluste; denn er verursacht sie. 24 Über die Bedeutung des Säens, Pflanzens und Pflügens habe ich bereits in dem Abschnitt über die Handwerke gesprochen; jetzt will ich die Dinge behandeln, die Landwirtschaft gehören. Der Pflug ist im Hinblick auf eine Heirat, Zeugung von Kindern und Unternehmungen von guter Vorbedeutung; doch verzögert und schiebt er die Erfüllungen auf. Das Joch bringt im allgemeinen Segen, hindert jedoch Sklaven, freigelassen zu werden. Deswegen ist diesen ein zerbrochenes Joch von größerem Nutzen als ein heiles. Die Sichel ist das Symbol von Verlusten und Schaden, weil sie alles zerteilt und nichts zusammenfügt; sie bezeichnet auch ein Halbjahr; denn sie ist die Hälfte eines Kreises. Die Axt ist das Zeichen für Aufruhr, Schaden und Kampf, Hacke und Schaufel sind das Symbol der Frau und der Frauenarbeit; und zwar der Frauenarbeit, weil diese Geräte dem, der sie gebraucht, etwas heranbringen und herbeischaffen, der Frau aber wegen des Namens 257. Die Pflugschar, der sogenannte Stichel, die dreizinkige Heugabel und die Getreideschaufel zeigen Schaden und Verluste an. Insbesondere bedeutet die Pflugschar, wie ich häufig festgestellt habe, auch das Geschlechtsglied des Träumenden 258 ; deshalb ist es kein gutes Vorzeichen, wenn sie verlorengeht oder zerbricht. Das Jochband und der sogenannte Halsgurt sind in jeder Beziehung glückbringend, ganz besonders im Hinblick auf eine Ehe und eine Gemeinschaft. Vorratskörbe bezeichnen Haussklaven, Lastwagen aber das Vermögen des Träumenden, weil sie aus vielen Stücken zusammengesetzt sind und viele Güter, und zwar jedesmal andere, befördern. Korngarben, Ährenbündel und Garbenhaufen zeigen Verzögerungen in den Geschäften und Mühsal an; denn sie sind noch nicht für die Nahrung verarbeitet. Getreidegruben, Getreidekammern und alle Arten von Scheuern, in denen man Samen aufspeichert und aufbewahrt, bedeuten die Ehefrau, die Lebensverhältnisse und das Vermögen des Träumenden; deswegen besagt es nach allgemeiner Auffassung nichts Gutes, wenn sie niedergerissen werden oder einstürzen. Mauergesimse, Mauern, Steinwälle, Palisaden und Grenzgräben zeigen Leuten, die in Furcht leben, Sicherheit an, doch sind sie im Hinblick auf Bewegungen und Reisen höchst lästig; sie bedeuten Verzögerungen, weil sie den Zugang zu dem, was sie einschließen, verwehren. Dagegen bezeichnen sie im Hinblick auf alle anderen Unternehmungen Menschen, die in Notzeiten beistehen, verteidigen und helfen. Drittes Buch

55 55 Im folgenden will ich über Bäume und Pflanzen sprechen. 25 Olive bedeutet eine Frau 259, einen Wettkampf, ein Amt und die Freiheit; deshalb ist es gut, sie in vollem Wachstum, fest verwurzelt und im Schmuck voll ausgereifter Früchte zu schauen. Das Ernten von Oliven bringt allen Menschen Glück, nur Sklaven prophezeit es Prügel, weil man die Früchte mit Prügeln herunterschlägt. Liest man Oliven von der Erde auf oder preßt man sie aus (ich meine die Früchte), bedeutet es Mühen und Anstrengungen. Die Eiche bezeichnet wegen ihres Nährwertes einen reichen, wegen ihres hohen Alters einen hochbetagten Mann oder aus demselben Grund die Zeit. Der Lorbeer bedeutet wegen seines immergrünen Wuchses eine reiche und wegen seiner Anmut eine schöne Frau, ferner eine Reise, eine Flucht und enttäuschte Erwartungen wegen der Geschichte, die von dem Baum erzählt wird 260. Ärzte und Weissager müssen sie wegen Apollons zu ihrer Kunst in Beziehung setzen. Die Zypresse ist wegen ihres schlanken Wuchses ein Sinnbild von Langmut und Verzögerung. Fichte und Pinie müssen von Reedern und allen, die zur See fahren, zum Schiff in Beziehung gesetzt werden, weil diese Bäume das Holz für den Schiffsbau liefern, ferner das Pech und das Harz. Allen anderen Menschen bedeuten sie Unannehmlichkeiten und Verbannung, weil sie den Wind lieben 261. Granatapfelbäume, Äpfel-, Birnbäume, wilde Birnbäume und alle ähnlichen Arten haben dieselbe Bedeutung wie die Früchte; darüber habe ich im Abschnitt über die Nahrungsmittel gesprochen. Platanen, Schwarzpappeln, Ulmen, Buchen, Eschen und alle ihre Unterarten sind nur für Männer, die ins Feld ziehen, und für Zimmerleute von Nutzen. Für die einen, weil aus ihrem Holz Waffen gefertigt werden, für die anderen, weil sie als Zimmerleute damit ihren Unterhalt verdienen. Allen anderen Menschen bedeuten sie Armut und bittere Not, weil sie keine Früchte tragen. Einzig die Weißpappel ist wegen des Herakles Athleten glückbringend 262. Buchsbäume, Myrten und Oleanderbäume bedeuten Frauenzimmer, die der lockeren Zunft angehören und liederlich sind, unternehmungslustigen Leuten Enttäuschungen, Kranken jedoch Genesung und Gesundheit. Allen anderen Menschen sind sie Sinnbilder vergeblicher Anstrengungen. Was die übrigen Bäume anbetrifft, so muß man sich an die vorgelegten Regeln halten und die Auslegung bilden, indem man immer die ähnlichen Momente in den Erfüllungen übernimmt. Denn die Traumdeutung ist im Grunde nichts anderes als ein Vergleichen von Ähnlichkeiten. Man bedenke noch folgendes: Diejenigen Bäume, die etwas Gutes bedeuten, bringen Glück, wenn sie blühen und Frucht tragen; verdorren sie, werden sie samt den Wurzeln ausgerissen, vom Blitz getroffen oder sonstwie vom Feuer vernichtet, zeigen sie das Gegenteil an. Diejenigen Bäume, die einen unheilvollen Ausgang anzeigen, bringen größeren Nutzen, wenn sie verdorren oder abgehauen werden. Im Anschluß an die Landwirtschaft ist wohl angebracht, den Dünger zu sprechen. 26 Kuhmist bringt nur Bauern Nutzen, ebenso Pferdemist und jeder andere. Menschenkot ausgenommen; allen anderen bedeutet er Verdruß und Schaden und, wenn er beschmutzt, Krankheit. Nur Leuten, die ein schmutziges Handwerk betreiben, verschafft er Vorteil und nach Ausweis der Erfahrung Gewinn. Schaut man Menschenkot in großer Menge, so zeigt es viele unterschiedliche Übel an. Es verhält sich damit folgendermaßen: Sieht man ihn auf der Straße, auf dem Markt oder auf einem öffentlichen Platz, macht er den Aufenthalt an den betreffenden Orten unmöglich, häufig hindert er, in der Öffentlichkeit zu erscheinen, ja in einzelnen Fällen mußten Leute, die das Traumgesicht nicht beachteten, mit ihrem Kopf große Übel büßen. Ein ganz böses Vorzeichen ist es, wenn man sich mit Menschenkot, der von irgendwo herabrinnt, beschmutzt. Ich kenne aber jemand, dem es träumte, daß ihm ein Freund und reicher Bekannter, der mit ihm auf du und du stand, auf den Kopf mache. Dies er Mann erwarb das Vermögen seines Genossen und wurde sein Erbe. In einem anderen Fall träumte einer, das gleiche widerfahre ihm von einem armen Bekannten; er wurde durch diesen empfindlich geschädigt und mit großem Schimpf überschüttet. Drittes Buch

56 56 Es war ganz folgerichtig, daß im ersteren Fall der Begü terte seine Fülle dem Träumenden vermachte, im letzteren aber der Arme, der nichts zu vererben hatte, den Träumenden verachtete und ihm Schimpf und Schande antat. Träumt jemand, er beschmutze sich selbst die Schenkel herab, so wird er sich unsägliche Übel heraufbeschwören und obendrein krank werden. Ein böses Vorzeichen ist es auch, ins Bett zu machen; es prophezeit langes Siechtum, denn nur Leute, die nicht mehr die Kraft haben, aufzustehen, und solche, die sterbenskrank sind, pflegen unter sich zu machen. Oft bedeutet das Traumgesicht wegen der Beschmutzung des Lagers Trennung von der Ehefrau und der Geliebten. Macht man in denn Haus, in dem man wohnt, auf den Boden, wird man nicht länger dort bleiben; denn an verunreinigten Orten verweilt man keinen Augenblick. Am schlimmsten und gefährlichsten ist es wohl, im Tempel einer Gottheit, auf dem Marktplatz, auf der Straße oder in einem Bad seine Notdurft zu verrichten; dies prophezeit den Zorn der Götter, eine große Taktlosigkeit und eine empfindliche Geldstrafe, ferner bringt es Verborgenes zutage und erweckt häufig Haß gegen den Träumenden. Entleert man sich sitzend auf einem Abort oder einem festen Nachtstuhl und scheidet man viele Exkremente aus, so ist das für alle ein gutes Zeichen; es bedeutet Erleichterung von Sorgen und jeglichen Beschwerden; denn der Körper fühlt sich nach dem Stuhlgang ganz und gar erleichtert. Von guter Vorbedeutung ist dieses Traumerlebnis, wegen des Namens, auch im Hinblick auf eine Reise und die Rückkehr von Verreisten; den Stuhlgang nennt man bekanntlich Abtritt 263. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß die Entleerung am Strand, an Wegen, auf freiem Feld, an einem Fluß und an Seen günstig ist und dasselbe bedeutet wie die auf einem Abort und daß ein solches Traumgesicht ganz folge richtig in Erfüllung geht. Der Betreffende verursacht nämlich an diesen Orten weiter keinen Schaden, und er selbst kann sich dort, ohne Anstoß zu erregen, erleichtern. An diesen Abschnitt schließt sich die Erörterung über Flüsse, Quellen, Seen und Brunnen an. 27 Flüsse, die reines, klar durchsichtiges Wasser haben und ruhig dahinströmen, bringen Sklaven, Prozessierenden und Leuten, die auf Reisen gehen wollen. Glück; es gleichen nämlich die Flüsse Herren und Richtern, weil sie ihren Willen ohne Rechenschaft schuldig zu sein und nach freiem Ermessen durchsetzen, ferner Reisen und Bewegungen, weil ihr Wasser nicht stillsteht, sondern weiterfließt. Ist das Wasser aber schlammgetrübt und strömt es reißend dahin, bedeuten sie eine Drohung von selten der Herren und Richter und verhindern jede Reise. Schwemmen sie irgendein Hab und Gut des Träumenden fort und entführen sie es, fügen sie ihm ganz empfindlichen Schaden zu. Noch größeren Schaden und obendrein Gefahr bedeuten sie, wenn sie den Träumenden selbst fortschwemmen und besonders, wenn sie ihn ins Meer auswerfen. Ein böses Zeichen ist es auch, in einem Fluß zu stehen, von seinen Wassern umspült zu werden und nicht hinaussteigen zu kö nnen; denn niemand, und habe er eine noch so starke seelische Widerstandskraft, kann wohl die Widerwärtigkeiten ertragen, die nach diesem Traumerlebnis sich einstellen. Wild strömende Flüsse bedeuten rücksichtslose Richter, unangenehme Herren und die Volksmenge, weil sie ungestüm und mächtig tosen. Gut ist es, sie zu überqueren, besonders zu Fuß; wenn nicht watend, so doch schwimmend. Träumt jemand, er schaffe es ganz und gar nicht, über den Fluß zu kommen, und kehre deswegen um, so tut er besser daran, wenn er von seinem Vorhaben abläßt, nicht mehr prozessiert, im Augenblick seinen Herrn nicht aufsucht und sich nicht um die Gunst der großen Menge bemüht. Meint man, in einem Fluß oder See zu schwimmen, so wird man in äußerste Gefahr geraten. Denn was dem Fisch auf dem Trockenen widerfährt, dasselbe widerfährt auch dem Menschen im nassen Element. Immer ist es besser, schwimmend das Ufer zu erreichen, als mitten im Schwimmen aus dem Schlaf zu erwachen. Ein ins Haus strömender klarer Fluß prophezeit den Besuch eines reichen Mannes im Haus zu Nutz und Frommen der Bewohner; dagegen deutet ein schlammge trübter, besonders wenn er etwas vom Hab und Gut des Hauses mit fortreißt, den Gewaltakt eines Feindes an, der Haus und Hausbewohnern großen Schaden zufügen wird. Ein aus dem Haus strömender Fluß ist einem reichen und einflußreichen Mann von Nutzen. Er wird über das Gemeinwesen herrschen und, auf Ehre bedacht, große Aufwendungen für das öffentliche Wohl machen, und viele Leute werden mit Bitten oder Drittes Buch

57 57 Wünschen in sein Haus kommen; denn allen ist der Fluß ein Element des Lebens. Einem armen Mann dagegen bringt er die Ehefrau oder den Sohn oder irgendein Familienmitglied in den Ruf des Ehebruchs und der Liederlichkeit. Fließt ein anderes Wasser trüb ins Haus, so wird man dasselbe in Flammen aufgehen sehen, klares Wasser dagegen zeigt Zuwachs an Besitz und Geld in Hülle und Fülle an. Glück bringt der Anblick eines Brunnens im Haus oder auf dem Feld, wo vorher keiner vorhanden war; er bedeutet Erwerb von Hab und Gut, einem Unverheirateten und Kinderlosen aber Frau und Kinder; denn Nymphen wohnen in dem Brunnen, und gleich der Gattin spendet Hausbewohnern das ersehnte Naß 264. Günstig ist es auch, einen bis zum Rand vollen Brunnen zu schauen, nur darf er nicht überfließen. Denn überströmendes und aus dem Brunnen ablaufendes Wasser besagt, daß die geschenkten Glücksgüter, die Frau und die Kinder, einem nicht erhalten bleiben. Dasselbe trifft zu, wenn fremde Personen den Brunnen ausschöpfen. Ein großer See bedeutet dasselbe wie ein Fluß, ausgenommen in Hinsicht auf eine Reise. Denn weil das Was ser darin nicht fließt, sondern immer an derselben Stelle stehen bleibt, verhindert es den Antritt einer Reise. Ein mittelgroßer oder ein kleiner See bedeutet eine Frau, die reich ist und sich den Liebesfreuden gerne hingibt; denn auch ein See nimmt diejenigen auf, die hineinsteigen wollen, und wehrt ihnen den Zutritt nicht. Quellen, Brunnen und Springbrunnen voll klaren Wassers verheißen allen ohne Unterschied Segen, besonders Kranken und Mittellosen; den einen schenken sie Heilung, den anderen Reichtum; denn nichts fördert die Gesundheit so wie das Wasser. Ausgetrocknet und ohne Wasser bedeuten sie das Gegenteil. 28 Sumpfige Wiesen sind nur Hirten von Nutzen, allen anderen Menschen bedeuten sie Stockung der Geschäfte und legen Fußgängern Hindernisse in den Weg, weil es keine gangbaren Wege in ihnen gibt. Berge, Täler, Schluchten, Bergklüfte und Wälder bedeuten jedermann Mißstimmungen, Ängste, Aufregungen 265 und Arbeitslosigkeit, Sklaven und Verbrechern Folterungen und Prügel, Reichen Verluste, weil dort Holz gehackt und dabei immer etwas weggeworfen wird. Immer ist es besser, solche Gegenden zu durchqueren, gangbare Pfade in ihnen zu finden, auf ihnen in die Ebene hinabzusteigen und erst aus dem Schlaf zu erwachen, wenn man sie verlassen hat. Welcher Art die Wege sind, die einer einzuschlagen träumt, dementsprechend wird er sein Leben leben; die breiten, ebenen und im Flachland verlaufenden prophezeien große Leichtigkeit in den Geschäften, die glatten, aber steilen bedeuten, man werde seine Vorhaben nur mit Verzögerung und Mißmut zu Ende führen, während die abschüssigen allen nachteilig sind, ausgenommen Leuten, welche in Furcht leben oder auf der Flucht sind; sie zeigen ihnen ein schnelleres Entkommen an. Enge Pfade erzeugen ganz und gar Mißstimmungen. 29 Gerichtshäuser, Richter, Rechtsanwälte und Rechtslehrer prophezeien jedermann Aufregungen, Ärger und ungelegene Ausgaben; sie bringen Verborgenes zutage und kündigen Kranken kritische Tage an, in deren Verlauf dieselben, falls sie im Traum den Prozeß gewinnen, eine Wendung zum Besseren erfahren, falls sie ihn verlieren, sterben werden. Dünkt es einem Prozessierenden, er sitze auf dem Richterstuhl, so wird er nicht den kürzeren ziehen; denn der Richter spricht nicht über sich selbst das Urteil, sondern über andere. Für alle Prozessierenden haben Ärzte, die man im Traum schaut, die gleiche Bedeutung wie Verteidiger. 30 Der Traum, ein König zu sein, prophezeit einem Kranken den Tod; denn einzig ein König ist, wie ein Verstorbener, niemandem untenan; einem Gesunden kündigt es den Verlust aller Verwandten und Trennung von den Genossen an; denn Königsgewalt ist unteilbar. Einem Verbrecher bedeutet es Kerkerhaft und bringt Verborgenes ans Licht; denn ein König ragt unter allen heraus und wird von vielen Leibwächtern begleitet. Dasselbe bedeutet der königliche Ornat, das heißt Stirnbinde, Zepter und Purpurmantel. Träumt ein Armer, König zu sein, wird er vieles vollbringen, was ihm Ruf und Namen, aber keinen materiellen Gewinn verschafft. Einem Sklaven verheißt es die Freiheit, weil ein König ganz und gar freisein muß. Im höchsten Maß glückverheißend ist das Traumgesicht für einen Philosophen und einen Weissager; denn es gibt wohl nichts Freieres und Königlicheres als klare Erkenntnis. Bei der Sicherheitspolizei zu dienen ist für Leute, die ihr angehören, günstig; Armen bedeutet es Aufregungen und üble Drittes Buch

58 58 Nachreden, Sklaven jedoch die Freiheit. Träumt man, als Ratsschreiber tätig zu sein, so wird man sich um anderer Leute Dinge bekümmern, die einen gar nicht berühren und die dem Träumenden nur Anstrengung und Mühe kosten, aber nicht den geringsten Nutzen einbringen werden. Einem Kranken prophezeit dieses Amt den Tod, weil der Ratsschreiber an der Spitze des Zuges geht. Einem Sklaven dagegen verschafft dieses Traumgesicht Verwaltungs- und Vertrauensposten. In der städtischen Polizeiverwaltung tätig zu sein, die Aufsicht über die Jugenderziehung oder die Lebensführung der Frauen innezuhaben bringt dem Träumenden wegen der öffentlichen Aufgaben oder wegen der jungen Leute oder der Frauen Sorgen und Schikanen. Als Marktaufseher tätig zu sein ist angehenden Ärzten nützlich, besonders denen, die für eine sachgemäße Ernährung eintreten, weil der Marktaufseher die Verantwortung für die Lebensmittel hat; den übrigen Menschen bedeutet es Aufregungen und üble Nachreden. Denn selbst wenn er seine Pflichten erfüllt und Ausgaben macht, die ihm nichts einbringen, wird ihm das in jedem Fall Kritik eintragen, denn mit dieser hat der Marktaufseher nun einmal zu leben. Öffentliche Stiftungen aus eigenen Mitteln prophezeien Kranken den Tod, ferner Verschwendung und Auflösung ihres Vermögens, Gesunden Aufregungen und üble Nachreden. Einzig bettelarmen Leuten bringt das Traumerlebnis Glück und materiellen Gewinn; denn man kann vielen nur schenken, wenn man selbst viel besitzt. Ein gutes Vorzeichen ist es ferner für Schauspieler, Solisten und alle, die sich um die Gunst der großen Menge bemü hen; große Ehren werden ihnen zuteil werden; denn von Leuten, die Stiftungen machen, spricht man in den höchsten Tönen. An einer Stiftung beteiligt zu werden ist gut, schlimm aber, nichts zu bekommen, gleichgültig, ob es sich um eine staatliche oder private handelt; es kündigt geradezu den Tod an, weil Verstorbene bei einer Stiftung nicht mehr berücksichtigt werden. Ich kenne jemand, der zu den Olympischen Spielen aufbrach, um an den Wettkämpfen teilzunehmen, und dem es träumte, die Hellenenrichter 266 teilten an die Wettkämpfer Brot aus, hätten für ihn aber nur leere Hände, weil er zu spät gekommen sei. Nun mutmaßten alle Traumdeuter, er werde nicht zum Wettkampf antreten; mir schien das ganz folgerichtig. Tatsächlich ging es auch so aus. Unmittelbar nach der Eintragung in die Listen starb er. Jedes Amt, das seinen Träger verpflichtet, Purpur oder Gold anzulegen, bedeutet Kranken den Tod und deckt Verborgenes auf. Priester zu sein oder ein Priesteramt vom Volk übertragen zu bekommen verheißt allen Glück, ausgenommen Leuten, die das Licht der Öffentlichkeit scheuen; denn Priester ragen aus der Menge hervor. Welcher Gottheit jemand als Priester zu dienen glaubt, dieser entsprechend wird ihm das Gute zuteil werden oder von selten der entsprechenden Männer oder Frauen. An der Spitze von Priesterkollegien zu stehen oder deren Hauswesen zu leiten oder zu betreuen bringt allen Kümmernisse und Verdruß im täglichen Leben, vielfach auch Verluste, besonders denen, die träumen, aus eigenen Mitteln freigebig zu sein, Gelage zu veranstalten oder Stiftungen zu machen. Jedes Priesteroder Staatsamt, von dem eine Frau ausgeschlossen ist, prophezeit derselben den Tod, falls sie mit der betreffenden Würde bekleidet zu sein wähnt. Umgekehrt prophezeit jedes Priester- oder Staatsamt, von dem ein Mann ausgeschlossen ist, diesem gleichermaßen den Tod, falls er das betreffende Amt innezuhaben träumt. 31 Krieg und Kriegshandlungen bedeuten allen Aufregungen und Mißstimmungen, ausgenommen Soldaten und Leuten, die unmittelbar oder mittelbar mit Waffen ihr Geschäft machen; diesen kündigen sie Reichtum an. Von den Waffen prophezeien Schutzwaffen große Sicherheit, der Schild, der Helm, der Brustpanzer und die Beinschienen. Wurfgeschosse dagegen verursachen häufig unfreiwillige Verfehlungen 267, Aufruhr und Streit, wie z.b. der Speer, die Lanze, der Wurfspeer und die Schleuder. Das kurze und das lange Schwert bedeuten den Mut des Träumenden, die Kraft seiner Hände und den Wagemut des Entschlusses. Insbesondere bedeuten der Schild und der Helm eine Frau, und zwar ein kostbarer eine reiche und schöne, ein einfacher dagegen eine arme und häßliche. Zum Heeresdienst eingezogen zu werden oder ins Feld zu ziehen bedeutet allen, die irgendwie krank sind, den Tod; denn der Mann, der ins Feld zieht, gibt sein Privatleben auf und übt statt der bisherigen Tätigkeit eine neue aus. Häufig prophezeit es alten Leuten den Tod, allen anderen sagt es Schikanen, Unannehmlichkeiten, Bewegungen und Reisen voraus. Müßiggängern und Hungerleidern bedeutet es Arbeit und Verdienst; denn der Soldat faulenzt nicht, noch fehlt es ihm an dem Not wendigen. Sklaven werden zwar Ehren, doch keineswegs die Freiheit erringen. Viele wurden zwar Drittes Buch

59 59 freigelassen, mußten aber weiter Sklavenarbeit leisten und blieben untergeordnet; denn ein Soldat muß dienen, auch, wenn er persönlich frei ist. 32 Als Gladiator zu kämpfen bedeutet, daß man einen Prozeß anstrengen oder sonst irgendeinen Streit oder Kampf austragen muß. Denn auch der Gladiatoren- und Faustkampf 268 wird Kampf genannt, wenngleich letzterer ohne Waffen geführt wird, welche die Dokumente und die Rechtsansprüche der Streitenden bezeichnen. Immer bedeuten die Waffen des Fliehenden gerichtliche Anklage, die des Verfolgers, daß man selbst als Ankläger auftreten Ich habe häufig die Erfahrung gemacht, daß dieses Traumgesicht die Ehe mit einer Frau voraussagt, die so geartet ist wie die Waffen, die man führt, oder wie der Gegner, mit dem man zu kämpfen glaubt. Doch weil man ohne genaue Bezeichnungen keine klaren Ausführungen geben kann, will ich sie anführen. Ist der Gegner ein Thraker 269, wird man eine reiche, durchtriebene und geltungssüchtige Frau heiraten; eine reiche, weil jener durch seine Rüstung gedeckt ist, eine durchtriebene wegen des Krumm-Säbels, eine geltungssüchtige, weil er angreift. Kämpft man mit einem (Samniten) 270, so wird man eine Frau bekommen, die schön, ziemlich reich, treu, haushälterisch und dem Mann zu Willen ist. Denn der Samnit weicht zurück und ist gedeckt, auch ist seine Ausrüstung schöner als die erstere. Hat man es mit einem Secutor 271 zu tun, wird man eine Frau heiraten, die zwar hübsch und reich ist, die aber auf ihren Reichtum sich etwas zugute hält, deswegen ihren Mann verachtet und ihm viel Ärger bereiten wird; denn der Secutor verfolgt immer. Sieht man sich einem Retiarius 272 gegenüber, wird man eine bettelarme, liebestolle Gassendirne ehelichen, die sich jedem Liebhaber an den Hals wirft. Ein Reiter 273 prophezeit ein reiches, aus gutem Haus stammendes Frauenzimmer, das jedoch wenig Verstand besitzt. Der Essedarius 274 bedeutet ein träges und stumpfsinniges, der Provocator 275 ein schönes und liebenswürdiges, doch dreistes und liebestolles Weibsbild. Der Dimachairos 276 und der sogenannte (Arbelas) 277 bezeichnen eine Giftmischerin oder sonst ein bösartiges oder häßliches Weib. Diese Ausführungen schreibe ich nicht in gutem Glauben, noch aufgrund von Überlegungen, die von der Wahrscheinlichkeit ausgehen, sondern aus reiner Erfahrung, die mich vielfach lehrte, daß die Träume jeweils so ausgehen. 33 Den Göttern Opfer darzubringen, und zwar jedem einzelnen die nach Sitte und Brauch üblichen, verheißt jedermann Segen; denn die Menschen pflegen den Göttern zu opfern, entweder wenn ihnen Heil widerfahren ist, oder wenn sie dem Unheil entgangen sind. Unheilige oder nach Sitte und Brauch nicht übliche Opfer prophezeien den Zorn der Götter, denen man geopfert hat. Andere Menschen opfern sehen ist für einen Kranken wegen der Tötung des Opfertieres unheilvoll, selbst wenn Asklepios der Empfänger ist; es bedeutet den Tod. Die Götter mit den ihnen zukommenden und für heilig gehaltenen Blumen und Zweigen zu bekränzen bringt allen Glück; dieses wird sich freilich nicht ohne Sorgen erfüllen. Einem Sklaven rät das Gesicht, seinem Herrn zu willen zu sein 278 und dessen Wünsche zu erfüllen. Träumt man, Götterbilder abzuwischen, zu salben, zu reinigen oder den Boden vor ihnen zu fegen oder den Umkreis der Tempel zu besprengen, so deutet das an, daß man gegen eben jene Götter gefrevelt hat. Ich kenne jemand, der nach diesem Traumerlebnis bei dem Gott, dessen Standbild er zu reinigen glaubte, einen falschen Schwur abgelegt hat. Und das war es, was ihm das Gesicht voraussagte, er müsse den Gott um Verzeihung bitten. Für alle ist es ein übles Vorzeichen und prophezeit große Bedrängnisse, wenn man Götterbilder zerschlägt und die im Innern des Hauses aufgestellten hinauswirft, oder wenn man einen Tempel niederreißt oder etwas Frevelhaftes darinnen verübt; denn Menschen, die in großes Unglück geraten sind, verlieren gewöhnlich auch die nötige Ehrfurcht vor den Göttern. Entfernen sich die Götter aus freien Stücken und stürzen ihre Standbilder zusammen, so steht dem Träumenden oder einem seiner Angehörigen der Tod bevor. Götter, die anderen Göttern opfern, bedeuten, daß das Haus des Träumenden veröden wird; denn sie opfern sich selbst, gleich als gebe es dort keine Menschen mehr. Götterstandbilder, die sich bewegen 279, zeigen jedermann Schrecken und Beunruhigungen an, ausgenommen Leuten, welche in Fesseln schmachten oder auf Reisen gehen wollen. Von den letzteren werden die einen der Bande ledig werden, so daß sie sich unge hindert bewegen können, die anderen verjagt es von Haus und Hof und führt sie hinaus. Drittes Buch

60 60 34 Den Göttern sind die einen nur geistig erfaßbar, während die anderen mit den Sinnen wahrzunehmen sind; geistig erfaßbar ist die Mehrzahl, sinnlich wahrnehmbar sind nur wenige. Die folgende Ausführung wird das noch deutlicher machen. Wir unterscheiden bei den Göttern die olympischen, die wir auch ätherische nennen, die himmlischen, die irdischen, die Meeres- und Flußgötter, die unterirdischen Gottheiten und die in ihrem Umkreis 280. Ätherische Gottheiten nennt man zu Recht: Zeus, Hera, Aphrodite Urania, Artemis, Apollon, das ätherische Feuer und Athena; himmlische heißen: Helios, Selene, die Gestirne, die Wolken, die Winde, die unter ihnen befindlichen Nebensonnen, die Meteore, die Helligkeit und Iris. Alle diese sind sinnlich wahrnehmbar. Von den irdischen Gottheiten sind mit den Sinnen wahrzunehmen: Hekate, Pan, Ephialtes und Asklepios (dieser zählt auch zu den geistig erfaßbaren); geistig erfaßbar sind: die Dioskuren, Herakles, Dionysos, Hermes, Nemesis, Aphrodite Pandemos, Hephaistos, Tyche, Peritho, die Chariten, die Hören, die Nymphen und Hestia. Von den Meeresgottheiten sind geistig erfaßbar: Poseidon, Amphitrite, Nereus, die Nereiden, Leukothea und Phorkys; sinnlich wahrnehmbar: das Meer selbst, die Wogen, Gestade, Flüsse, Seen, die Nymphen und Acheloos. Unterirdische Gottheiten sind: Pluton, Persephone, Demeter, Köre, lakchos, Sarapis, Isis, Anubis, Harpokrates, die unterirdische Hekate, die Erinnyen, die diese begleitenden Dämonen und Phobos und Deimos, die von einigen auch Söhne des Ares genannt werden. Ares selbst muß man sowohl den irdischen als auch den unterirdischen Gottheiten zurechnen. Die Gottheiten in ihrem Umkreis sind: Okeanos, Tethys, Kronos, die Titanen und die Natur des Alls. Wenn im Lauf der Darstellung die Rede noch auf irgendeine andere Gottheit kommt, werde ich es nicht versäumen, über sie zu sprechen. Von den aufgeführten Gottheiten sind die olympischen einflußreichen Männern und Frauen günstig, die himmlischen aber Leuten aus dem Mittelstand, die irdischen den Armen. Die unterirdischen Gottheiten bringen meist nur Bauern und Leuten, die das Licht der Öffentlichkeit scheuen. Glück, die Meeres- und Flußgottheiten Seeleuten und allen, die aus dem Wasser oder durch das Wasser ihren Lebensunterhalt verdienen. Die sie umgebenden Gottheiten sind allen von Übel, ausgenommen Philosophen und Weissagern; denn diese spannen ihre Gedanken bis an die Grenzen des Alls. Einprägsamer ist es wohl, über jede Gottheit einzeln zu sprechen. Zuerst will ich die olympischen Götter behandeln. 35 Zeus selbst zu schauen, so wie wir ihn uns vorzustellen pflegen, oder sein Standbild mit der ihm eigentümlichen Kleidung ist für einen Herrscher und für einen Reichen glückverheißend; denn es festigt des ersteren Stellung, des letzteren Reichtum. Einem Kranken verheißt er Genesung, und auch den übrigen Menschen bringt er Segen. Immer ist es besser, den Gott ruhig stehen oder auf seinem Throne sitzen und ohne Bewegung zu sehen; bewegt er sich jedoch, so bringt er Glück, wenn er sich nach Sonnenaufgang wendet; Unglück aber, wenn nach Sonnenuntergang, ebenso wenn er nicht die ihm eigentümliche Kleidung trägt. Es bedeutet, wie Panyasis 281 sagt, daß die Unternehmungen des Träumenden erfolg- und kraft los sein werden. Hera bedeutet Frauen dasselbe wie Zeus, Männern aber in geringerem Maß. Dasselbe wie Hera bedeutet Rhea. Artemis bringt Menschen, die in Furcht leben, Heil; denn wegen des Wortes «artemes» 282, das «heil» und «ge sund» bedeutet, schützt sie die Betreffenden vor allen Beunruhigungen. Auch gebärenden Frauen ist die Göttin gnädig, denn sie wird Locheia genannt. Jägern ist sie besonders förderlich wegen ihres Beinamens Agrotera und Fischern als Limnatis. Ferner prophezeit sie die Auffindung von entlaufenen Sklaven und verlorenen Sachen, denn der Göttin entgeht nichts. Immer ist Artemis als Agrotera und als Elaphebolos 283 im Hinblick auf Unternehmungen günstiger, als wenn sie in anderer Weise dargestellt ist. Wer ein Leben in Reinheit führen will, dem ist die mit langem Gewand bekleidete Göttin gewogener, z.b. die Ephesische, die Pergäische und jene, die bei den Lykiern Eleuthera 284 genannt wird. Keinen Unterschied macht es, ob man die Göttin selbst schaut, so wie wir sie uns vorstellen, oder ihr Standbild; denn ob die Götter leibhaftig erscheinen oder als aus vergänglichem Stoff geschaffene Standbilder, sie haben dieselbe Bedeutung 285. Doch stellt sich Heil oder Unheil rascher ein, wenn man die Götter selbst schaut, und nicht nur ihre Standbilder. Artemis nackt zu sehen, ist in jedem Fall für jedermann unheilvoll 286. Drittes Buch

61 61 Apollon bringt musischen Künstlern Glück; denn er ist der Erfinder der Beredsamkeit und aller musischen Künste. Auch Ärzten ist er gewogen, denn er heißt Paieon 287. Ferner Weissagern und Philosophen; er verheißt ihnen Vollendung und Berühmtheit. Verborgenes bringt er ans Licht, denn man setzt ihn mit Helios gleich. Apollon Delphinios zeigt gewöhnlich Reisen und Bewegungen an. Athena ist wegen ihres Beinamens Handwerkern förderlich; sie wird ja Ergane 288 genannt. Ebenso Heiratslustigen; sie verheißt eine ehrbare und häusliche Gattin. Von guter Vorbedeutung ist sie auch Philosophen, denn die Göttin gilt als Verkörperung des reinen Denkens; deswegen sagt man auch, daß sie aus dem Gehirn entsprungen sei. Bauern bringt sie Segen; denn nach der Auffassung der Philosophen hat sie dieselbe Bedeutung wie die Erde. Den in den Krieg ziehenden Männern verheißt sie Erfolg; sie hat dieselbe Bedeutung wie Ares. Hetären und Ehebrecherinnen dagegen spielt sie übel mit, ebenso Frauen, die heiraten wollen; denn die Göttin ist jungfräulich. Das ätherische Feuer bringt allen Glück, besonders Kranken; es ist ihnen ein Zeichen der Rettung, weil Verstorbene sich seiner nicht erfreuen. Nun will ich im folgenden über die himmlischen Götter sprechen. 36 Helios bringt allen Heil, wenn er im Osten strahlend und rein aufgeht und im Westen untergeht; den einen prophezeit er Unternehmungen; er weckt nämlich aus dem Schlaf und treibt zum Tätigsein an; anderen verheißt er die Geburt von Söhnen; denn Eltern pflegen ihren Buben den Kosenamen «Sonnen» beizulegen. Sklaven macht er frei; die Menschen nennen auch die Freiheit «Sonne». Allen anderen verhilft er zu Besitz und Vermögen. Dage gen schadet er Leuten, die das Licht der Öffentlichkeit scheuen und unentdeckt bleiben wollen; denn er deckt alles auf und macht alle Dinge leicht erkennbar. Helios, im Westen aufgehend, bringt die Geheimnisse derjenigen an den Tag, die glauben, verborgen geblieben zu sein, er gibt dem Kranken, wenn er schon verzweifelt ist, wieder Zuversicht und zeigt dem Augenkranken an, daß er nicht erblinden wird; denn nach langer Nacht wird dieser das Tageslicht wieder schauen. Den in der Fremde Weilenden führt er in die Heimat zurück, auch wenn dieser die Hoffnung auf Rückkehr schon aufgegeben hat. Glück verheißt er jedem, der nach Westen zu reisen beabsichtigt; er verspricht ihm die Heimkehr aus jenem Himmelsstrich. Und dem, der jemandes Rückkehr aus dem Westen erwartet, deutet er an, daß der Ersehnte schon auf der Heimreise ist. Allen anderen vereitelt er jedes Unternehmen und jede Hoffnung und läßt Wünsche und Vorhaben nicht in Erfüllung gehen; bewegt er sich nämlich in einer, seiner Natur entgegengesetzten Bahn, dann leidet, wie sich denken läßt, das All und jeder Teil darunter. In jedem Fall ist auch der Träumende ein Teil des Alls. Den aufgeführten Beispielen entsprechend muß man es deuten, wenn Helios im Süden oder Norden aufgeht oder im Süden oder Norden untergeht. Erscheint Helios dunkel, blutigrot oder von schrecklichem Aussehen, zeigt er jedermann Übel und Unheil an; bald prophezeit er Stillstand der Geschäfte, bald den Kindern des Träumenden Krankheit oder irgendeine Gefahr oder dem Träumenden ein Augenleiden. Dagegen ist er erfahrungsgemäß Leuten förderlich, die verborgen bleiben wollen oder in Furcht leben; die einen werden unentdeckt bleiben, die anderen nichts Schlimmes erleiden; denn Helios mit dunklem Licht erhellt weniger. Steigt Helios zur Erde hinab, zeigt er Feuersbrunst und Brandstiftung an. Dasselbe bedeutet er, wenn er irgendeine Behausung betritt. Liegt Helios in jemandes Bett und droht er, prophezeit er schwere Krankheit und Entzündungen, spricht oder zeigt er aber etwas Gutes, so verheißt das Reichtum, vielen verkündet es die Geburt von Söhnen. Verfinstert sich Helios, bringt er jedermann Unheil, ausgenommen Leuten, die unentdeckt bleiben wollen oder dunkle Machenschaften betreiben; meistenteils sagt er in diesem Fall Erblindung oder den Tod von Kindern voraus. Schaut man Helios nicht in seiner wahren Gestalt, sondern wie er in unserer Vorstellung lebt, das heißt in Menschengestalt mit der Ausrüstung eines Wagenlenkers, so bringt er Athleten, ferner Leuten, die eine Reise planen, und Wagenlenkern Glück; Kranken dagegen ist er gefährlich und verhängnisvoll. Immer ist es besser, das strahlende Licht des Helios ins Haus eindringen zu sehen als Helios selbst; denn das Licht, welches das Haus in hellerem Glanz erstrahlen läßt, bedeutet Zuwachs an Vermögen, Helios selbst aber, daß die Insassen das drohende Unheil nicht ertragen werden; denn man kann ihm unmöglich ins Antlitz schauen. Nichts Gutes zeigt es an, wenn Helios etwas gibt oder Drittes Buch

62 62 etwas nimmt. Im ersten Fall bedeutet es Gefahren, im letzten den Tod. Immer ist es besser, das Standbild dieses Gottes in einem Tempel auf einem Sockel aufgestellt zu sehen als den Gott selbst, so wie man ihn sich vorstellt; denn dieses Traumgesicht prophezeit, das Glück werde vollkommener, das Unglück weniger schwer sein. Zeigt er sich so, wie er ist und wie man ihn am Himmel erblickt, dann ist er auch in diesem Fall von guter Vorbedeutung. Selene 289 bedeutet die Gattin und die Mutter des Träumenden; sie wird ja als Nährerin verehrt; dann die Tochter und Schwester; denn sie wird Köre 290 genannt. Ferner bedeutet sie Geld, Wohlstand und das Geschäft, (weil man am Ende eines jeden Monats abrechnet). Weiter die Schiffahrt, denn nach ihrer Bahn richten die Steuerleute den Kurs; dann eine Reise, denn sie zieht immer ihre Bahn; ferner die Augen des Träumenden, weil sie gleichfalls Urheberin des Sehens ist und Herrin. Es haben aber alle Götter eine gemeinsame Beziehung zu den Herrschern, und zwar die Götter zu den männlichen, die Göttinnen zu den weiblichen Herrschern; treffend sagt das alte Wort: «Herrschaft hat Gottes Macht.» 291 Nimmt Selene zu, bedeutet sie unmittelbar oder mittelbar einen Nutzen durch die genannten, nimmt sie ab, entsprechend einen Schaden von selten ebenderselben. Die gleiche Auslegung gilt, wenn mehrere Selenen erscheinen oder wenn die am Himmel befindliche sich verfinstert. Träumt man, in Selene sein eigenes Gesicht zu erblicken, prophezeit es einem Kinderlosen die Geburt eines Sohnes, einer Frau die einer Tochter; beide werden ein ihnen ähnliches Gesicht schauen, das heißt ein Kind. Glück bringt es sodann Bankiers, Gläubigern und Eranarchen; sie werden große Einnahmen machen. Gut ist es auch für Leute, die sich hervortun wollen, während es solche, die das Licht der Öffentlichkeit scheuen, überführt. Kranke und Seereisende rafft sie hinweg, die einen durch Wassersucht, denn sie ist von Natur feucht, die anderen durch Schiffbruch. Alles Gute, was Helios verheißt, verheißt auch Selene. Ebenso alles Unheil, jedoch immer in geringerem Maß; denn sie besitzt weniger Wärme als Helios. Ferner bedeutet sie, daß die Erfüllungen nicht ohne Mitwirkung einer weiblichen Person eintreffen werden. Schaut man die Gestirne alle zusammen, leuchtend und rein, so ist das im Hinblick auf eine Reise, auf sonstige Unternehmungen und das Betreiben dunkler Machenschaften ein gutes Vorzeichen; die Gestirne haben nämlich nicht dieselbe Bedeutung wie Helios oder Selene; denn sie sind auch ohne diese sichtbar, erscheinen aber jene, werden sie entweder gänzlich unsichtbar oder funkeln dunkler. Will man in der Deutung nicht fehlgehen, so muß man jedes Gestirn für sich allein nach seiner Farbe, Größe, Bewegung oder nach der Form der Bewegung auslegen. Am ehesten kommt man zu klaren Ergebnissen, wenn man von der in der Sternbeobachtung ange wandten Methode ausgeht. Von den Gestirnen führt jedes einzelne entsprechend seiner Wirkkraft die Erfüllungen herbei. So bedeuten z.b. die Gestirne, die Sturm verursachen, Mißstimmungen, Gefahren und Aufregungen, diejenigen, welche Vorboten schönen Wetters sind, gute Geschäfte, Glückstage und reiche Einnahmen. Die Gestirne, welche die Sommersonnenwende heraufführen, zeigen einen Umschwung zum Besseren an, die der Wintersonnenwende einen zum Schlechteren. Einige von ihnen bewirken auch Ausgänge, die den Fabeln entsprechen, die von ihnen handeln. Es wäre zu weitläufig, über jede einzelne von diesen zu sprechen, zumal ihre Kenntnis bei allen Gebildeten vorausgesetzt werden darf. Verbleichende Sterne 292 bedeuten Reichen große Armut und Verlassenheit; es gleicht nämlich der Himmel dem Haus des Träumenden, die Sterne dem darin befindlichen Hab und Gut und den Menschen. Armen prophezeien sie den Tod. Einzig Leuten, die ein schändliches Verbrechen ausführen wollen, ist dieses Traumgesicht von guter Vorbedeutung; sie werden ihr Ziel erreichen, auch wenn sie Ungeheuerliches wagen. Ich hörte von jemand, ihm habe geträumt, daß die Sterne des Himmels verblichen seien; dem Betreffenden fielen alle Haare denn wie der Himmel zum Weltall in Beziehung steht, so der Kopf zum Körper, und ebenso wie sich die Sterne zum Himmel verhalten, verhalten sich die Haare zum Kopf. Weder sind zur Erde niederfahrende Sterne von guter Vorbedeutung - sie prophezeien den Tod vieler Menschen, und zwar die großen den angesehener Persönlichkeiten, die kleinen und dunklen den einfacher und gewöhnlicher Leute -, noch bringt es Glück, im Traum Sterne zu stehlen; meistenteils wurden die, welche davon träumten. Tempelräuber. Freilich blieben sie nicht verborgen, sondern wurden ergriffen; sie führten zwar ihr Vorhaben aus, so wie sie sich auch der Sterne bemächtigt hatten, wurden aber festgenommen, weil sie sich an etwas heranwagten, was Menschenkraft übersteigt. Ebenso ist es niemandem zuträglich, im Traum Sterne zu essen, ausgenommen Drittes Buch

63 63 Weissagern und Astronomen; diesen bedeutet es guten Verdienst und Zuwachs an Vermögen; allen anderen prophezeit es den Tod. Ein böses Zeichen ist es auch, Sterne unter seinem Dach zu sehen; entweder wird das Haus veröden und sein Dach verlieren, so daß die Sterne auch drinnen leuchten, oder der Hausherr wird sterben 293. Die Nebensonnen, die Meteore, die Helligkeit und die sogenannten Haar- und Bartsterne bedeuten das selbe, was die oberhalb der Luftzone befindlichen Gestirne gewöhnlich bewirken. Iris 294, zur Rechten erblickt, bringt Glück, Linken, Unglück. Rechts und links hat man nicht vom Standort des Träumenden, sondern von dem der Sonne aus zu beurteilen. Wie sie sich auch zeigen mag, in jedem Fall bringt sie denen Segen, die in großer Armut oder sonst einer argen Bedrängnis leben; denn sie wendet stets das Wetter und verändert die Atmosphäre. Allen aber, die in einer Klemme sind, ist ein Umschwung der bestehenden Verhältnisse von Nutzen. Lichte Wolken zeigen gute Geschäfte an und bringen Verborgenes zutage, die feuerroten bedeuten Stillstand der Geschäfte, die dunklen Niedergeschlagenheit und die schwarzen schließlich Trauer oder Kummer. Mild und sanft wehende Winde sind von guter Vorbedeutung, heftige und ungestüme bezeichnen unange nehme und rücksichtslose Menschen, Wirbelwinde und gewaltige Stürme führen Gefahren und große Aufregungen herauf. Man beachte ferner, daß Winde, die den Himmel ganz in Wolken hüllen, jedermann Unglück bringen. Glück nur denen, die sich verbergen wollen; Winde, die klares Wetter verursachen, bedeuten das Gegenteil. Allen, die Verreiste zurückerwarten, sind stets diejenigen Winde günstig, welche aus den Himmelsgegenden wehen, wo die Verreisten sich befinden, während die Gegenwinde die Betreffenden zurückhalten. Soviel über die himmlischen Götter; die irdischen deutet man am besten folgendermaßen. 37 Die sinnlich wahrnehmbaren Gottheiten beschwören Ängste, Gefahren und arge Bedrängnisse herauf; denn schon am Tag verursachen sie solches Ungemach, wenn sie andringen. Erscheinen sie, so bedeutet jede einzelne etwas Verschiedenes und etwas, was mit den anderen nichts gemein hat. Schaut man z.b. die dreigestaltige, auf einem Sockel stehende Hekate, so bedeutet sie Bewegungen und Reisen; die Göttin wird ja Enodia 295 genannt. Die eingestaltige dagegen ist jedermann unheilvoll, meistenteils besagt sie, daß einem von einem Fremdling, Mann oder Frau, Arges widerfahren wird. Immer wirft sie den Träumenden aus seiner gewohnten Lebensbahn und gibt ihm kein Verharren darin, gleichgültig, in welcher Gestalt sie auch immer sich zeigt. Bewegt sich die Göttin oder begegnet sie jemandem, bedeutet sie Erfüllungen, die ihrer Haltung, ihrem Aussehen und ihren Attributen entsprechen. Darüber zu sprechen ist weder fromm noch geheuer; den in die Mysterien der Göttin Eingeweihten ist die Sache klar, die nicht Eingeweihten mögen sich von den Eingeweihten belehren lassen. Pan bringt Hirten als Schützer der Herden, und Jägern als Herr des Wildes Glück. Allen anderen bedeutet Wirrwarr und Aufregungen, und daß die Dinge, auf die einer stolz ist, keinen festen Bestand haben; denn der Gott hat keine sicher auftretenden Füße 296. Einige sind der Ansicht, sei Theaterleuten von guter Vorbedeutung. Ephialtes 297 wird zwar mit Pan gleichgesetzt, bedeutet aber Verschiedenes; drückt und lastet er auf einem, ohne zu sprechen, bedeutet er Drangsale und Beklemmungen, doch was er auf eine Frage antwortet, ist die lautere Wahrheit. Schenkt er etwas oder verkehrt er mit jemandem geschlechtlich, verheißt er großen materiellen Gewinn, besonders wenn er dabei nicht beschwert. Wie er sich auch bei seinem Kommen verhält. Kranke macht er wieder gesund; niemals nämlich macht er sich an einen Sterbenden heran. Schaut man Asklepios in einem Tempel aufgestellt, auf einem Sockel stehend und verehrt, so ist das für alle ein gutes Vorzeichen; bewegt er sich aber, kommt er näher oder tritt er ins Haus, prophezeit er Krankheit und Seuche; denn gerade in solchen Nöten bedürfen die Menschen der Hilfe dieses Gottes. Denen, die schon krank sind, verheißt er Heilung; der Gott wird bekanntlich Paieon 298 genannt. Immer weist Asklepios auf Wohltäter, welche in Notzeiten helfen, und auf Personen, die das Haus des Träumenden verwalten. In Prozessen bezeichnet er die Verteidiger. Drittes Buch

64 64 Die Dioskuren 299 beschwören Seefahrern Sturm, Leuten auf dem Festland Streitigkeiten, Prozesse, Krieg oder schwere Krankheit herauf; doch wenden sie zu guter Letzt den Menschen alle Gefahren ohne Schaden ab; sie sind ja rettende Götter. Herakles selbst oder sein Standbild zu schauen bringt allen, die nach guten Vorsätzen und im Einklang mit dem Gesetz leben, Glück, und besonders dann, wenn sie von irgend jemand Unrecht erleiden; denn solange der Gott Erden weilte, war er immer ein Helfer und Rächer der Bedrängten. Aus demselben Grund ist er für Gesetzes verächter und Übeltäter von schlimmer Vorbedeutung. Dagegen bringt er denen Glück, die sich zu einem Wettkampf, zu einem Prozeß oder Rechtsstreit begeben; der Gott -wird ja Kallinikos 300 genannt. Träumt man, dieselbe Lebensweise wie der Gott zu führen, mit ihm zusammenzuwirken, dieselbe Kost zu teilen, dieselbe Kleidung zu tragen oder das Löwenfell, die Keule oder sonst eine Waffe von ihm zu bekommen, so ist das, wie die Beobachtung lehrt, für jedermann unheilvoll und von übler Vorbedeutung; zu dieser Auffassung bin ich auf Grund laager Erfahrung gekommen. Aus gutem Grund und ganz folgerichtig können derlei Traumerlebnisse nicht glücklich ausgehen; denn der Gott läßt den Träumenden an dem Leben teilnehmen, das er selbst geführt hat; es war dies aber ein Leben voller Mühen und Plagen, als er auf Erden weilte, auch wenn es ihm Glanz und Ruhm einbrachte. Häufig prophezeit das Traumgesicht, man werde solche Gefahren zu bestehen haben, wie sie der Gott zu bestehen hatte, als er die betreffenden Waffen führte. Dionysos ist Landleuten, die Baumfrüchte, besonders Reben, kultivieren, nützlich; ferner Schankwirten und allen Theaterleuten. Heil bringt er auch denen, welche sich in einer argen Bedrängnis befinden; denn schon durch seinen Namen kündigt er das Ende der Übel und die Erlösung von ihnen an; er heißt Dionysos, weil er jedes Ding zu seinem Ende bringt 301. Dagegen zeigt er Weichlingen und besonders Knaben wegen der Geschichte, die man von dem Gott erzählt 302, und wegen der natürlichen Bedeutung des Dionysos Aufregungen, Gefahren, Anschläge und üble Nachreden an; nichtsdestoweniger ret tet er auch sie und läßt sie nicht zugrunde gehen. Land- und Seereisenden prophezeit er geradezu und ausdrücklich räuberische Überfälle, Wunden und Verletzungen. Das Gefolge des Dionysos, die Bacchanten, die Bacchantinnen, die Bassariden, die Satyrn und Pane und wie sie alle heißen mögen, bedeuten alle insgesamt und jeder einzelne für sich große Aufregungen und üble Nachreden, mit Ausnahme des Silen 303 ; nur dieser bringt allen Unternehmungslustigen und Leuten, die in Furcht leben, Glück. Tanzt man dem Dionysos zu Ehren schwingt man den Thyrsos 304, trägt man Fichtenzweige oder tut man sonst etwas, was dem Gott wohlgefällig ist, so bringt das jedermann Unheil, ausgenommen Sklaven; den einen sagt es wegen der Verzückung und der Raserei Unbedachtheit und Schaden voraus, den anderen ist es wegen der Unbekümmertheit der Begegnenden und wegen der Leutseligkeit des Gottes Huld das Symbol der Freiheit. Hermes ist angehenden Rednern, Athleten, Turnlehrern 305 und allen, die Handel treiben, sowie Waagemeistern von guter Vorbedeutung, weil alle diese den Gott als ihren Schutzherrn verehren; ferner denen, die auf Reisen gehen wollen; denn nach unserer Vorstellung ist der Gott geflügelt. Den übrigen Menschen prophezeit er Verwirrungen und Aufregungen. Kranke rafft er hinweg, weil er als Geleiter der Seelen verehrt wird. Hermes, viereckig und mit Keilbart, bringt nur Literaten Glück, viereckig, doch bartlos, ist er auch diesen nicht förderlich, weil sein gestutzter Bart den Tod aller Angehörigen des Träumenden anzeigt. Nemesis 306 ist stets denen gnädig, die nach den Geset zen leben, die Maß halten, und den Philosophen; Gesetzesübertretern aber, Gewalttätern und Menschen, die sich allzu hohe Ziele stecken, ist sie feind und stellt sich ihren Vorhaben entgegen; denn mit dem Begriff nemesan verbinden wir auch den Sinn von «sich aus besserer Einsicht Handlungen widersetzen». Es behaupten einige, daß diese Göttin das Gute zum Schlechten, das Schlechte zum Guten wende. Aphrodite Pandemos 307 ist Gauklern, Schankwirten, Waagemeistern, Solisten, Theaterleuten, Schauspielern aller Art und Hetären von guter Vorbedeutung; ehrbaren Hausfrauen dagegen prophezeit sie Schande und Schaden und macht Heiratslustige dem Ehestand abgeneigt, indem sie ihnen anzeigt, daß ihre Ehehälfte eine Prostituierte sein wird. Drittes Buch

65 65 Aphrodite Urania 308, die ich im obigen Abschnitt absichtlich nicht erwähnt habe, damit der Gedankengang nicht gestört werde, bedeutet das Gegenteil von Aphrodite Pandemos. Sie ist besonders glückverheißend im Hinblick auf Eheschließungen, Gemeinschaften und auf Kindersegen; denn sie ist die Urheberin von Verbindungen und Nachkommenschaft. Segen spendet sie auch Bauern; sie wird ja als Natur und Mutter des Weltalls verehrt. Schließlich ist sie Weissagern gewogen, denn sie gilt als Erfinderin jeder Art von Weissagung und Prophezeiung. Aphrodite Pelagia 309 ist erfahrungsgemäß Reedern, Steuerleuten und allen Seefahrern von guter Vorbedeutung, ferner allen, die auf Reisen gehen wollen, weil das Meer immer in Bewegung ist; dagegen zwingt sie diejenigen, die immer an demselben Ort bleiben und keine Reisen unternehmen wollen, ihre Seßhaftigkeit aufzugeben. Aphrodite aus dem Meer emportauchen zu schauen 310 prophezeit Seefahrern großen Sturm und Schiffbruch; nichtsdestoweniger rettet sie aus Gefahr und führt Unternehmungen, die man schon aufgegeben hat, zu gutem Ende. Immer gilt sie als glückverheißend, wenn sie den Oberkörper bis zum Gürtel entblößt hat, weil sie dann ihre Brüste, die die kräftigste Nahrung spenden, nackt zur Schau trägt. Die ganz nackte dagegen ist nur Hetären günstig und zeigt ihnen reichen Liebeslohn an; in anderer Hinsicht prophezeit sie Schande. Hephaistos bedeutet zumeist dasselbe wie das Feuer, nur deckt er Verborgenes auf, besonders Ehebruch, -wegen der Geschichte, die man von ihm erzählt 311. Von guter Vorbedeutung ist er allen Handwerkern, Heiratslustigen und Leuten, die sich einer Gemeinschaft anschließen wollen, und zwar wegen des Zusammenhauchens der Blasebälge und wegen des Zusammenschweißens des Eisens. Die auf einem Zylinder stehende Tyche 312 zeigt wegen der Unsicherheit des Sockels jedermann Unheil an, während diejenige, die das Steuerruder in Händen hält, Bewegungen prophezeit; denn ein Steuerruder wird nur dort gebraucht, wo es Bewegung gibt. Immer ist sie von guter Vorbedeutung, wenn sie sitzt oder liegt; denn durch ihre Stellung bringt sie Sicherheit und Festigkeit zum Ausdruck. Je reicher geschmückt und je schöner sie sich zeigt, um so mehr muß man sie als Segenspenderin auffassen. Es behaupten aber einige, daß die prächtige und reich geschmückte Tyche, zumal wenn sie nicht als Standbild, sondern leibhaftig als Göttin erscheint, das Sinnbild der Armut sei; denn, wie sich denken läßt, kümmere sie nicht das Los der Menschen, weil sie nur mit sich selbst beschäftigt sei; dagegen verheiße sie, schlicht gekleidet und auf sich selbst nicht achtend, Reichtum und Üppigkeit; in diesem Fall sei es offensichtlich, daß sie nicht auf ihr eigenes Wohl, sondern auf das der Menschen bedacht sei. Diese Auffassung ist meines Erachtens nicht richtig. Tyche bedeutet nämlich nichts anderes als das Hab und Gut der Träumenden. Peitho, die Chariten, die Hören und Nymphen sind in jeder Hinsicht und für jedermann glückbringend, Aristobule und Eunomia 313 bedeuten dasselbe wie Nemesis. Hestia 314 selbst und ihre Standbilder bedeuten (Politikern) das Rathaus und die Staatskasse, Privatleuten das Leben selbst, einem hohen Beamten und dem Kaiser die herrscherliche Gewalt. Mit den Meer- und Flußgöttern verhält es sich im einzelnen folgendermaßen. 38 Poseidon, Amphitrite, Nereus und die Nereiden, sie selbst oder ihre Standbilder, verheißen, wenn sie nicht in Aufruhr sind und nichts Übles tun oder sprechen, allen, die durch das Meer ihren Lebensunterhalt erwerben, und Reiselustigen Glück; auch im Hinblick auf sonstige Vorhaben sind sie gleichermaßen von guter Vorbedeutung, den allergrößten Vorteil jedoch bringen sie erfahrungsge mäß denen, die sich um die Gunst der großen Menge bemühen; bewegen sie sich aber, sind sie in Aufruhr, sprechen oder tun sie etwas Schlimmes, erleiden sie etwas oder drohen sie, bedeuten sie das Gegenteil von dem Gesagten. Häufig zeigen sie ein bevorstehendes Erdbeben oder eine Überschwemmung an. Leukothea spendet allen, die durch das Meer ihren Lebensunterhalt verdienen, Segen, sonst aber ist sie in jeder Beziehung von übler Vorbedeutung und das Symbol von Schmerz und Trauer wegen der Geschichte, die man von ihr erzählt 315. Proteus, Glaukos, Phorkys und die göttlichen Wesen in deren Gefolge zeigen Anschläge und Betrügereien an, weil sie ihr Äußeres geschickt verändern 316. Weissagern dagegen sind sie günstig. Das Meer und die Meereswogen Drittes Buch

66 66 Habe ich zuvor in eben diesem Buch im Abschnitt über die Schiffahrt behandelt. Meeresstrände und Meeresküsten bezeichnen Hoffnungen und Kranken Heilung; denn Menschen, die in einen großen Sturm geraten sind, schöpfen wieder die süßesten Hoffnungen auf Rettung, wenn sie einen Meeresstrand erblicken. Flüsse, Seen und Wassernymphen sind im Hinblick auf die Zeugung von Kindern von guter Vorbedeutung. Eingehender habe ich über sie in dem obigen Abschnitt gehandelt. Acheloos 317 bedeutet dasselbe wie die Flüsse und jedes Trinkwasser und gibt den Traumerfüllungen ein viel stärkeres Gewicht. Da nun über diese so weit wie möglich gehandelt worden ist, bleibt noch die Besprechung der unterirdischen Gottheiten umgebenden Götter. 39 Pluton und Persephone bringen Menschen, die in Ängsten leben. Heil; sie gebieten nämlich über Wesen, die keine Furcht mehr haben; Segen spenden sie auch Armen; sie bescheren Reichtum und Zuwachs an Vermö gen, weil ihre Untertanen nichts mehr bedürfen. Von guter Vorbedeutung sind sie ferner denen, die ein Stück Land kaufen wollen, und angehenden Staatsmännern; denn diese Gottheiten herrschen über viele. Erfahrungsgemäß sind sie auch mystischen und geheimen Handlungen günstig. Richten sie irgendein Unheil an oder drohen sie, bedeuten sie das Gegenteil. Demeter, Köre und der sogenannte lakchos 318 verheißen denen, die in die eleusinischen Mysterien eingeweiht sind, daß ihnen ein ganz ungewöhnliches Glück bevorsteht; den nicht Eingeweihten beschwören sie zuerst Schrecken und Gefahr herauf, schenken ihnen dann aber nichtsdestoweniger ein glückliches Leuten, die Grund und Boden erwerben wollen, sind sie günstig; sie prophezeien, daß dieselben über Grund und Boden frei verfügen und Herr sein werden. Kranken schenken sie Genesung und Rettung; denn sie haben den Menschen nützliche Feldfrüchte wachsen lassen, an denen Verstorbene keinen Anteil haben. Außerdem erklä ren die Philosophen, Demeter habe dieselbe Bedeutung wie die Mutter Erde; denn die Erde werde Getreidespenderin, Schöpferin und Spenderin des Lebens genannt. Im Hinblick auf eine Heirat und alle sonstigen Unternehmungen ist Demeter, für sich allein geschaut, glückverheißend, nicht aber Köre, wegen der Geschichte, die von ihr überliefert wird 319. Häufig bringt diese Göttin wegen ihres Namens den Augen des Träumenden Gefahr; Köre heißt auch die Pupille im Auge. Sarapis, Isis, Anubis und Harpokrates 320, sie selbst, ihre Standbilder und ihre Mysterien zeigen Aufregungen, Gefahren, Drohungen und große Bedrängnisse an, aus denen sie wider Erwarten und Hoffen erretten; immer nämlich haben diese Götter als Retter derer gegolten, die bis zum Letzten gegangen und in äußerste Gefahr geraten sind; denjenigen aber, die schon tief im Elend stecken, bringen sie unverzüglich Hilfe. Vor allem aber bezeichnen ihre Mysterien Trauer; denn wenn auch ihre natürliche Beziehung etwas anderes besagt, so deuten doch Fabel und Sage darauf hin. Die unterirdische Hekate, die Erinnyen 321 und die Dä monen in ihrem Gefolge sind selbst denen schrecklich, die einen rechtschaffenen Handel und Wandel treiben, Gesetzesübertreter aber und Gewalttäter vernichten sie. Dasselbe wie diese Gottheiten bedeutet die sogenannte Göttermutter. Diese zeigt, für sich allein geschaut, Verwirrungen und Trauerfälle an und bringt Verborgenes zutage, Bauern dagegen ist sie gnädig; die Göttin wird nämlich mit der Erde gleichgesetzt. Deimos und Phobos 322, die Söhne des Ares, und Ares selbst sind Feldherren, Soldaten, Gladiatoren, Räubern und jeder Art von Glücksspielern nützlich; allen anderen bedeuten sie Kämpfe und Verluste; denn sie sind deren Urheber. Okeanos und Tethys sind, wie schon gesagt, einzig Philosophen und Weissagern von guter Vorbedeutung, den übrigen Menschen aber, mit Ausnahme derer, die am Ozean wohnen, bringen sie Kummer. Kronos 323 und die Titanen zeigen Verbrechern Fesselung an und hindern Leute, die anderen nach dem Leben trachten, an der Ausführung ihres Vorhabens, im Hinblick auf heimliche Machenschaften aber sind sie günstig. Dagegen fördern sie weder Heiratspläne noch verheißen sie Nachkommenschaft. Die Natur des Alls, Heimarmene, Pronoia 324 und alle anderen Götternamen, die die gleiche Mächtigkeit wie die der Genannten ausdrücken, spenden allen, ausgenommen Kranken, Segen; letztere raffen sie hinweg, falls sie nicht Worte Drittes Buch

67 67 von guter Vorbedeutung sprechen. Es haben aber die Götter und ihre Standbilder dieselbe Bedeutung. Von den letzteren zeigen die aus festem und unverwesendem Material, z.b. aus Gold, Silber, Erz, Elfenbein, Marmor, Bernstein oder aus Ebenholz gefertigten etwas Gutes an, während die, welche aus anderem Material bestehen, weniger günstig, häufig sogar von übler Vorbedeutung sind, wie z.b. die aus Erde, Ton, Lehm, Wachs, oder die ge malten und ähnliche. Sodann noch folgender Hinweis: In den Fällen, in denen die Götter, sie selbst oder ihre Standbilder, Gutes bedeuten, ist es ein glückliches Zeichen, wenn man ihre Standbilder weder zertrümmert zerbrochen sieht. Bedeuten sie aber Unglück, sie selbst oder ihre Standbilder, so ist es günstig, ihre Bilder verschwinden zu sehen. 40 Ist es noch nötig, über Heroen 325 und Dämonen zu sprechen? Sie bedeuten ja hinsichtlich des Guten wie auch des Bösen dasselbe wie die Götter, nur mit geringerer Wirkung. Man halte sich aber vor Augen, daß jeder einzelne von ihnen die ihm eigentümliche Kleidung tragen muß, daß er sie weder vertauscht noch ablegt noch einfach nur dasteht und ohne die herkömmlichen Attribute ist; denn dann täuschen und lügen sie, gleichgültig, ob sie etwas Gutes oder Schlechtes bedeuten. 41 Gerät die Erde in Bewegung, werden auch die Geschäfte und die Lebensverhältnisse des Träumenden in Bewegung geraten; Erdspalten aber, Erdbeben und Einstürze bringen allen Menschen Schaden und vernichten sie oder ihr Hab und Gut. Alle diese Erscheinungen sind erfahrungsgemäß nur Leuten, die auf Reisen gehen wollen, und Schuldnern glückbringend und günstig; denn was sich auflöst und einstürzt, vermag den Träumenden nicht mehr an dem früheren Ort festzuhalten; daher befreit es von Schulden und Fesseln. Über die Punkte zu sprechen, die ich in beiden Bü chern übergangen habe, ist überflüssig, da man das Fehlende an Hand meiner Ausführungen nach dem Gesetz der Ähnlichkeit auszulegen hat. Dennoch soll noch einiges darüber gesagt werden. 42 Eine Treppe ist das Symbol einer und eines Umzugs, ihre Stufen bedeuten das Weiterkommen. Einige behaupten, daß sie auch Gefahr anzeigen. Die Bratpfanne bedeutet Schaden und Frauenzimmer 326. Die Mühle verspricht schnelle Befreiung aus schwierigen und schlimmen Verhältnissen und einen treuen Sklaven. Mörser bezeichnet eine Frau, der Mörserkolben einen Mann 317. Der Hahn bedeutet im Haus eines Armen den Hausherrn, in dem eines Reichen den Hausverwalter, weil er das Gesinde aufweckt und zur Arbeit antreibt. 43 Eier bringen Ärzten, Malern und Leuten, die mit Eiern handeln, Vorteil; allen anderen Menschen bedeuten sie, in geringer Anzahl, materiellen Gewinn, weil sie nahrhaft sind, in großer Zahl, Sorgen und Kummer, häufig auch Prozesse, weil die aus den Eiern schlüpfenden Küken überall herumscharren und Verstecktes aufspüren. Das Enthaaren und das Beseitigen der Haare mit Pechpflaster bedeutet Schaden und Strafgelder. 44 Hier noch ein Hinweis: Man beachte, daß alles, was ins Gebiet der Wunderzeichen fällt, was ganz unmöglich existieren und vernünftigerweise am Tag nicht vorkommen kann, z.b. ein Hippokentauros, eine Skylla 318 und ähnliche Ungeheuer, Hoffnungen lügen zunichte macht. Es zeigen sich die Götter in menschlicher Gestalt und Leibesbildung, weil sie in unserer Vorstellung dem Aussehen nach uns gleichen. Diejenigen Götter und Göttinnen, die einem unbekannt vorkommen, muß man also nach ihrem Alter, nach den Attributen oder ihren Künsten bestimmen, und zwar folgendermaßen: Nach dem Alter: Ein Knäblein z.b. im Traum bedeutet die künftige, ein Jüngling die gegenwärtige Zeit. Ferner bedeutet ein junger Bursche den Hermes, ein jugendstarker Mann den Herakles, ein Mann den Zeus, ein Greis den Kronos, zwei junge Burschen die Drittes Buch

68 68 Dioskuren; eine Jungfrau bezeichnet Elpis 329, Artemis oder Athena. Sie weist auf Elpis, wenn sie lächelt, auf Artemis, wenn sie ein feierlichernstes Antlitz zeigt, auf Athena, wenn sie drohend blickt. Eine blühende Frau bedeutet Tyche, eine alte aber Hestia; drei Frauen bezeichnen die Moiren 330, wenn sie bekleidet sind, die Hören, wenn sie nackt sind, wenn im Bad, die Nymphen. Nach den Attributen: (Diejenigen, die dieselben Kennzeichen wie die Götter haben), bedeuten, ohne mich in Einzelheiten zu verlieren, da die Sache klar ist, eben diese Götter. Nach den Künsten: Diejenigen, welche Künste betreiben, die einzelnen Göttern zubenannt sind, bezeichnen die Schutzgottheiten der betreffenden Künste. In Erfüllung gegangene Traumgesichte und ihre Ausgänge in einem Lehrbuch der Traumdeutung und in einer Darstellung ihrer theoretischen Grundlagen aufzuzeichnen war nicht möglich. Auch schien mir dergleichen nicht überzeugungskräftig, obwohl Geminos aus Tyros 331, Demetrios aus Phaleron 332 und Artemon aus Milet 333, der erste in drei, der zweite in fünf, der letztere in zweiundzwanzig Büchern viele Gesichte und vor allem von Sarapis eingegebene Traumanweisungen und Wunderkuren 334 niedergeschrieben haben. 45 Ferner bedeutet eine Schreibtafel eine Frau, -weil sie alle möglichen Prägungen von Buchstaben aufnimmt. «Prägungen» nennen wir in der Umgangssprache auch unsere Kinder. Ein Buch bedeutet das Leben des Träumenden - denn die Menschen durchlaufen Bücher gleich wie das Leben -und die Erinnerung an frühere Geschehnisse, weil die Taten vergangener Zeiten in Büchern festgehalten sind. Das Verzehren von Büchern 335 bringt Erziehern, Sophisten und allen, die durch Reden oder Bücher ihr tägliches Brot verdienen. Nutzen; allen anderen Menschen prophezeit es jähen Tod. 46 Rebhühner bedeuten Männer und Frauen, meistenteils gottlose und ehrfurchtslose Frauenzimmer, die es nicht einmal mit ihren Ernährern gut meinen; denn Rebhühner sind schwer zu zähmen, von buntscheckigem Gefieder und die einzigen unter den Vögeln, die keine Ehrfurcht vor den Göttern haben Fußfesseln zeigen, weil sie umklammern, Haft, Behinderung und Krankheit an. Sklaven sagen sie große Vertrauensstellungen voraus, die ihnen nicht streitig gemacht werden können; Unverheirateten die Ehe und Kinderlosen Kinder. Nach dem Material der Fesseln kann man auf den Aufwand für die Hochzeitsfeier schließen. 48 Prügeln sollte man nur diejenigen, deren Gebieter man ist, ausgenommen die Frau; denn diese treibt Ehebruch, wenn sie geprügelt wird, während die übrigen zum Nut zen desjenigen Schläge beziehen, der sie verabfolgt. Übel ist es, Leute zu prügeln, die nicht unsere Untergebenen sind; es prophezeit, weil es gesetzwidrig ist, Strafe. Keinen Segen bringt es, von Göttern, von Toten oder von Untergebenen geschlagen zu werden, wohl aber von allen anderen. Immer ist es gut, mit Stöcken oder mit Händen Schläge zu bekommen, übel dagegen, wegen der Striemen, mit einem Riemen oder, wegen des Geräusches, mit einem Rohr. Von wem die Geprügelten die Schläge beziehen, von dem erwächst ihnen gewöhnlich ein Nutzen. 49 Träumt man zu sterben, zu Grabe getragen und bestattet zu werden, so prophezeit es einem Sklaven, der keine Vertrauensstellung genießt, die Freiheit; der Tote ist nämlich keinem Herrn untenan und aller Anstrengungen und Dienste ledig. Dagegen raubt der Tod einem Sklaven die Vertrauensstellung, die er innehat; einem Unverheirateten kündigt er Hochzeit an; denn beide, Hochzeit und ^ Tod, gelten den Menschen als Ziel und Vollendung, und immer wird das eine durch das andere angezeigt. Deshalb prophezeit das Heiraten Kranken den Tod; denn beiden, dem Hochzeiter wie dem Verstorbenen, wird dasselbe zuteil, z.b. das Geleit von Freunden, Männern und Frauen, Kränze, wohlriechende Essenzen, Salben und eine schriftliche Aufzeichnung des Vermögens 337. Den Verheirateten trennt der Tod von der Frau, und Genossen, Freunde und Geschwister scheidet und entzweit er; denn Verstorbene verkehren nicht mit Lebenden, noch Lebende mit Verstorbenen. Den, der in der Heimat lebt, treibt das Gesicht in die Fremde, weil der Verstorbene nicht mehr an derselben Stätte bleiben kann, während es den in der Fremde Drittes Buch

69 69 weilenden in die Heimat zurückführt; denn der Tote wird in die Mutter Erde versenkt, die die gemeinsame Heimat aller ist. Wettkämpfer macht der Tod zu Siegern bei den heiligen Spielen; die Toten sind nämlich ebenso wie die Sieger am Ziel. Von guter Vorbedeutung ist das Sterben für Literaten und Familienväter; sie werden sich ein Erinnerungsmal setzen, die einen in ihren Kindern, die anderen in ihren Werken als Zeugen ihres hohen Geistes. Ferner ist der Tod nach meiner Erfahrung für Betrübte und von Angst Geplagte segensreich (denn die Verstorbenen sind aller Furcht und aller Schmerzen ledig), dann Leuten, die um Grund und Boden prozessieren, und solchen, die ein Stück Land kaufen wollen. Die Toten sind Herren der Erde. In allen anderen Prozessen ist das Sterben von übler Vorbedeutung, denn die Verstorbenen sind handlungsunfähig und unterliegen der Gewalt der Lebenden. Träumt ein Kranker oder Leidender, er sei gestorben, so wird er von Schmerz und Krankheit frei werden. Die Toten sind es ja auch. Es macht aber keinen Unterschied, ob man träumt, bloß zu sterben oder zu Grabe getragen oder bestattet zu werden. Dagegen zeigt das Lebendig-begraben-Werden niemandem etwas Gutes an; meistenteils drohen Kerker und Fesseln 338. Tötet einer sich selbst, wird das Gute oder Schlechte, das der Tod bedeutet, ihm durch sein eigenes Tun widerfahren. Stirbt er von der Hand eines anderen, so wird sich alles durch das Tun des Betreffenden erfüllen. Alle Todesarten, die aufgrund einer Verurteilung erfolgen, geben dem angedeuteten Glück oder Unglück stärkeres Gewicht. Darüber im einzelnen zu sprechen, lohnt wohl die Mühe. 50 Gehängt werden und sich selbst erhängen zeigt Drangsale und Beklemmungen an, weil Erhängte solche Qualen erdulden, ferner das Verlassen der Heimat oder des Ortes, wo man sich befand, als man das Traumgesicht hatte; denn der Erhängte hat keinen Boden mehr unter den Füßen noch einen festen Sitz. 51 Sich selbst die Kehle durchzuschneiden oder diesen Tod von der Hand eines anderen zu erleiden bedeutet dasselbe wie die oben besprochenen Todesarten, nur läßt es die Erfüllung rascher eintreten. Am Altar einer Gottheit oder öffentlich in der Volksversammlung oder auf dem Marktplatz geopfert und abgeschlachtet zu werden, ist für jedermann, besonders für Sklaven, von guter Vorbedeutung. Diese werden ruhmvoll und in aller Öffentlichkeit freigelassen werden. 52 Lebendig verbrannt zu werden bedeutet dasselbe wie vom Blitz getroffen zu werden. Darüber habe ich im vorhergehenden gesprochen. Insbesondere prophezeit das Lebendig-verbrannt-Werden, wegen der Zusammensetzung des Ausdrucks 339, Kranken Rettung, jungen Leuten jedoch törichte Antriebe und sinnliche Leidenschaften. 53 Die Kreuzigung ist für alle Seefahrer von guter Vorbedeutung; denn das Kreuz besteht ebenso wie das Schiff aus Holz und Nägeln, und der Mastbaum des Schiffs gleicht dem Kreuz. Auch einem Armen bringt sie Glück; denn der Gekreuzigte ist erhöht und nährt viele Vögel. Verborgenes bringt sie an den Tag, weil der Gekreuzigte weithin sichtbar ist. Reichen droht Schaden; denn die zum Kreuzestod Verurteilten werden nackt ans Holz ge schlagen 340 und büßen ihr Fleisch ein. Einem Unverheirateten prophezeit sie wegen der Bindung die Ehe, freilich keine ersprießliche. Dieselbe Auslegung gilt hinsichtlich einer Freundschaft und einer Vereinigung. Sklaven macht sie frei; denn die Gekreuzigten sind keinem Herrn untertan. Alle aber, die ihr Leben in der Heimat verbringen wollen, die ihre eigene Scholle bearbeiten, und Leute, die befürchten, von irgendwo vertrieben zu werden, verjagt sie und läßt sie nicht länger an ihrem derzeitigen Aufent haltsort verbleiben; denn das Kreuz hindert daran, den Fuß auf den Erdboden zu setzen. Träumt man, in einer Stadt am Kreuz zu hängen, so bedeutet das ein öffentliches Amt, das dem Ort entspricht, wo das Kreuz aufgerichtet ist. 54 Mit wilden Tieren zu kämpfen ist für einen Armen von guter Vorbedeutung; er wird vielen Leuten Unterhalt gewähren können. Denn der Tierkämpfer nährt mit seinem Fleisch die Tiere. Einem begüterten Mann dagegen drohen Übergriffe von Menschen, die den betreffenden Tieren im Wesen gleichen. Vielen kündigte das Traumerlebnis Krankheit an; denn eine Krankheit verzehrt gleich reißenden Tieren die Leiber. Sklaven aber erlangen die Freiheit, Drittes Buch

70 70 wenn sie durch wilde Tiere ums Leben kommen. 55 Im Traum in den Hades hinabzusteigen und alles zu schauen, was dort nach allgemeiner Vorstellung existiert, bedeutet Menschen, die in guten Verhältnissen leben und denen es ganz nach Wunsch ergeht, Stillstand der Geschäfte und Schaden; denn die Hadesbewohner sind handlungsunfähig, gefühl- und bewegungslos. Dagegen zeigt es Furchtsamen, Besorgten oder Betrübten Sorgen-und Kummerlosigkeit an; denn die Hadesbewohner sind frei von Kummer und jeder Sorge ledig. Den übrigen Menschen kündigt es Reisen an oder vertreibt sie gänz lich aus ihrem derzeitigen Aufenthaltsort; die Alten pflegten nämlich von Leuten, die eine weite Reise ange treten haben, zu sagen, sie wären auf dem Weg in den Hades; zum anderen zeigt die Redeweise selbst an, daß die Hadesbewohner nicht mehr in derselben Umwelt leben wie ehedem. Träumt einer, er steige aus dem Hades wieder zur Oberwelt empor, so wird er aus der Fremde in die Heimat zurückkehren, wenn nicht, sein Leben dort beenden. Häufig führt auch das Hinabsteigen in den Hades Leute, die im Ausland leben, in die Heimat zurück. Träumt man, in den Hades hinabgestiegen zu sein und am Aufstieg zur Menschenwelt gehindert zu werden, so wird man von gewissen Leuten gewaltsam festgehalten oder ins Gefängnis geworfen werden, vielen prophezeite das Gesicht langwierige Krankheit und demzufolge den Tod. Steigt man auf einem Fluchtweg wieder zur Oberwelt empor, rettet es den Kranken aus äußerster Lebensge fahr; wir pflegen auch in der Umgangssprache von einem Kranken, der wider Erwarten genesen ist, zu sagen, er sei aus dem Hades wieder aufgestiegen. 56 Trägt man einen von den unterirdischen Dämonen, Pluton selbst, den Kerberos oder sonst einen Hadesbewohner, so steht einem Verbrecher nach diesem Traumerlebnis das Tragen des Kreuzes bevor; es gleicht nämlich das Kreuz dem Tod, und derjenige, der gekreuzigt werden soll, trägt es zuvor 341. Dagegen zeigt es einem untadligen Mann an, er werde ein wildes Tier tragen und, falls er unter der Last ächzen sollte, von ihm gebissen werden und so sterben 342. Ist dies nicht der Fall, wird er es bemerken, das Tier abwerfen und nicht zu Schaden kommen. Irgendeinen Lebenden zu tragen ist vorteilhafter, als getragen zu werden, so wie es auch besser ist, einem Menschen beistehen zu können, als auf den Beistand und die Hilfe eines anderen angewiesen zu sein. Es gleicht nämlich derjenige, der trägt, einem Helfer und Wohltäter, der, welcher getragen wird, einem, der Wohltaten entgegennimmt. Je schwächer der Tragende ist, etwa eine Frau oder ein Kind, umso schlimmer ist es für den, der getragen wird; denn er wird auf die Hilfe von unbedeutenderen und weniger leistungsstarken Leuten angewiesen sein. Lediglich für einen Sklaven ist es von guter Vorbedeutung, von seinem Herrn, und für einen Bettelarmen, von einem Reichen getragen zu werden; sie werden von ihren Trägern großen materiellen Nutzen erlangen. 57 Bekommt man Tote nur zu Gesicht, ohne daß man etwas Nennenswertes tut oder erleidet, so bedeutet das, man werde in eine Lage kommen, die dem Verhältnis entspricht, in dem die Toten zu ihren Lebzeiten sich dem Träumenden gegenüber befanden; waren sie angenehm oder wohltätig, bedeuten sie Glück und ein angenehmes Leben in der Gegenwart; wenn nicht, das Gegenteil. Unglück bringt es, wenn Tote etwas von den Gaben nehmen, die man ihnen mit ins Grab legt. Am unheilvollsten sind sie, wenn sie Kleidungsstücke, Geld oder Nahrungsmittel an sich reißen; denn sie prophezeien dem Träumenden selbst oder einem seiner Verwandten den Tod. Rauben sie irgend etwas anderes, hat man die Auslegung nach dem Grundsatz der Ähnlichkeit zu treffen. Auch wenn die Toten etwas schenken, sind sie von übler Vorbedeutung, es sei denn, sie spendeten Nahrungsmittel, Geld oder Kleider. 58 Es behaupten einige, daß Geld und Münzen insgesamt Unglück bedeuten; nach meiner Beobachtung verursachen kleine, kupferne Münzen Mißstimmungen und kränkende Worte, Silbermünzen dagegen bezeichnen Absprachen bei Verträgen über wichtige Angelegenheiten, Goldmünzen über noch wichtigere. Immer ist es bes ser, wenig Gut und Geld als viel zu besitzen, denn großer Reichtum bedeutet Sorgen und Kummer, weil er ebenso wie ein Schatz schwer zu verwalten ist. 59 Träumt einer, er finde einen Schatz, der nur geringen Wert hat, so werden die Unannehmlichkeiten geringer sein; ein Drittes Buch

71 71 reicher Schatz dagegen prophezeit Kummer und Sorgen, häufig auch den Tod 343 ; denn ohne die Erde aufzugraben kann man ebensowenig einen Schatz entdecken wie einen Toten bestatten. 60 Weinen und Klagen um einen Toten oder sonst jemand und das Trauern selbst prophezeien Freude über etwas und ein zukünftiges Erfolgserlebnis 344, und zwar ganz folgerichtig und aus gutem Grund; denn unsere Seele hat etwas Artverwandtes mit der sie umgebenden Atmosphäre und dem äußeren Luftkreis. So wie in der Atmo sphäre und dem Luftkreis ein Wechsel ins Gegenteil eintritt, von stürmischem Wetter zu heiterem und wiederum von heiterem zu stürmischem, so schlägt ganz natürlich unsere seelische Stimmung von Schmerz in Lust und Freude, und von Freude in Schmerz um. Daher zeigt Freude, in ihr Gegenteil umgeschlagen, Schmerz an. Immer aber muß Anlaß und Grund zur Trauer vorhanden sein, denn die grundlose bedeutet, man werde wirklich um jemand trauern. 61 Ein Grabmal zu besitzen oder zu erbauen ist für einen Sklaven und einen Kinderlosen von guter Vorbedeutung; der eine wird die Freiheit erlangen, weil nicht Sklaven, sondern Freie Grabmäler erwerben, der andere ein Kind als Denkmal seiner selbst zurücklassen. Vielfach prophezeit dieses Traumgesicht eine Hochzeit, weil ein Grabmal so wie eine Frau ganze Körper in sich aufnimmt. Sodann zeigt es den Erwerb von Grund und Boden an. Überhaupt ist es für alle von guter Vorbedeutung, für die Begüterten wie für die Armen. Zertrümmerte oder einstürzende Grabmäler bedeuten das Gegenteil. 62 Wiederauflebende Tote bedeuten Aufregungen und Verluste. Denn angenommen den Fall, sie würden wieder lebendig, was für ein Durcheinander erwüchse daraus. Wie sich denken läßt, werden sie ihr Eigentum zurückfordern, und dadurch entstehen Verluste. 63 Sterben Tote ein zweites Mal, zeigen sie den Tod von Namensvettern oder von gleichgearteten Personen oder von engsten Verwandten an, so daß es scheint, dieselben stürben zweimal. 64 Ein tödlich wirkendes Gift bedeutet dasselbe wie der Tod. Ebenso (muß man) über schädliches Getier und Gewürm, das einen schnell umbringt, (urteilen). 65 Da die Hochzeit dem Tod gleicht und durch den Tod angedeutet wird, hielt ich es für angezeigt, sie an dieser Stelle zu behandeln. Eine Jungfrau heiraten bedeutet einem Kranken den Tod; denn dieselben Bräuche, die bei einer Hochzeit geübt werden, kommen auch bei einer Bestattung vor. Von guter Vorbedeutung ist es hingegen einen, der in ein neues Unternehmen einzusteigen beabsichtigt - es zeigt das Gelingen seines Vorhabens an - und für einen Mann, der von irgendeiner Seite einen Profit erhofft; in jedem Fall übernimmt ja derjenige, der heiratet, ein Vermögen, das ihm die Braut in die Ehe bringt. Allen anderen zeigt es Aufregungen und üble Nachreden an; denn ohne Wirrwarr geht es bei keiner Hochzeit aus. Heiratet einer ein Frauenzimmer, das keine Jungfrau mehr ist, so wird er sich nicht auf neue, sondern auf alte Unternehmungen verlegen, aber dabei nicht schlecht fahren. Dünkt es einen, seine Frau heirate einen anderen, so zeigt es einen Wechsel im Beruf oder die Scheidung an. Träumt eine verheiratete Frau, sie eheliche einen anderen Mann, so wird sie, wie die Alten sagen, ihren Mann zu Grabe tragen oder sich sonstwie von ihm trennen. Nach meiner Erfahrung trifft das nicht immer zu, sondern nur dann, wenn die Frau nicht schwanger oder kinderlos ist oder nichts zu veräußern hat. Ist dies nicht der Fall und hat sie ein Töchterchen, so wird sie es einem Mann zur Frau geben; geht sie schwanger, wird sie einem Mädchen das Leben schenken, das selbe großziehen und an den Mann bringen. Auf diese Weise wird sie zwar nicht selbst heiraten, wohl aber ein Stück von ihrem eigenen Fleisch und Blut. Eine Frau dagegen, die etwas zu veräußern hat, wird bezüglich eines Verkaufs mit jemand einen Vertrag abschließen, wie er bei einer Eheschließung üblich ist. 66 Da ich die Schwalbe in dem Kapitel über die Vögel nicht erwähnt, sondern absichtlich übergangen habe, will ich in diesem Zusammenhang über sie sprechen. Man sagt, dieser Vogel bedeute den Tod junger Menschen, ferner Trauer und große Trübsal; die Sage erzählt nämlich, daß der Vogel infolge dieser Leiden entstanden sei 345. Nun vertreten Alexander von Myndos 346 und auch Dionysios von Heliopolis 347 den Standpunkt, man müsse diesen Geschichten Drittes Buch

72 72 Glauben schenken. Selbst wenn eine solche erfunden sei, so argumentieren sie, würde auf Grund der Vorstellung, daß ihr Inhalt der Wirklichkeit entspreche, die Seele uns ebendiese vor Augen stellen, wenn sie ein künftiges, inhaltlich ähnliches Geschehen voraussagen will. Bei den meisten Geschichten ist diese Erklärung, wie ich festgestellt habe, zutreffend, keineswegs aber bei allen. Weil ich es mir aber zum Grundsatz gemacht habe, in jedem Fall mich nicht von der Scheinbarkeit der Behauptungen leiten zu lassen, sondern von der Erfahrung, welche aus den Traumerfüllungen resultiert, so erkläre ich auch jetzt bezüglich der Schwalbe, daß sie nicht von übler Vorbedeutung ist 348, ausgenommen, es widerfahre ihr etwas Schreckliches oder sie wechsele ihre Farbe in eine solche, die wider ihre Natur ist. Denn ihr Gezwitscher ist kein Klagegesang, sondern ein Lied, welches Signal und Aufforderung ist, an die Arbeit zu gehen. Daß dies wahr ist, kann man aus folgendem erkennen. Im Winter fliegt weder die Schwalbe noch zwitschert sie, und auch Land und Meer liegen in dieser Jahreszeit brach, und die Menschen und alle anderen Lebewesen verkriechen sich und sind untätig. Naht aber der Frühling, so ist sie als erste wieder da und lehrt sozusagen, was jeder zu tun hat. Und wenn sie sich zeigt, singt sie niemals abends, sondern in der Früh bei Sonnenaufgang und erinnert alle, die sie (schlafend) an trifft, an ihr Tagewerk. Sie ist folglich von guter Vorbedeutung im Hinblick auf Arbeiten, Unternehmungen und die Musik, in ganz besonderer Weise aber bezüglich einer Ehe; sie prophezeit dem Träumenden eine treue und haushälterische Ehefrau und zumeist, daß letztere eine Griechin und eine musikalisch begabte Person sein wird. Die Nachtigall bedeutet dasselbe wie die Schwalbe, nur in geringerem Maß; denn sie ist weniger zutraulich. 67 Über die Zähne habe ich eingehend im ersten Buch ge handelt, ein paar kurze Bemerkungen will ich an dieser Stelle noch anschließen. Träumt jemand, er nehme seine Zähne, wenn sie aus dem Mund herausfallen, in die Hände oder in den Schoß, so bedeutet es Trennung von den Kindern, indem diese entweder im Elternhaus nicht länger bleiben oder nicht groß werden. Speit man die Zähne mit seiner Zunge heraus, wird man die im Leben auftretenden Schwierigkeiten durch die Macht seiner Worte ausräumen. Schließlich will ich noch über das Fliegen, über die glaubwürdigen Gewährsmänner und über die Lebenszeit sprechen. 68 Im Traum die Vorstellung haben, man schwebe 349 nur wenig von der Erde entfernt und in aufrechter Haltung, bedeutet dem Träumenden Glück; denn um wieviel einer über dem Boden schwebt, um so erhabener ist er gegenüber denen, die sich unter ihm bewegen. Stets nennt man ja die Reichen die Höhergestellten 350. Von guter Vorbedeutung ist es, wenn einem dies nicht im eigenen Vaterland widerfährt; denn weil man nicht auf festem Boden steht, bedeutet es Auswanderung; das Traumgesicht sagt gewissermassen, das Vaterland sei für den Träumenden unbetretbar. Mit Flügeln zu fliegen, ist für alle ohne Ausnahme günstig. Sklaven werden nach diesem Traumerlebnis die Freiheit erlangen, weil alle fliegenden Vögel herrenlos sind und keinen Gebieter über sich haben. Arme werden viel Geld erwerben; denn wie das Geld die Menschen emporträgt, so auch die Flügel die Vögel. Reichen und einflußreichen Männern verschafft es Staatsämter; wie die Vögel über das am Boden kriechende Getier erhaben sind, so die Regierenden über die Bürger. Ohne Flü gel und in großer Entfernung vom Erdboden zu fliegen bedeutet dem Träumenden Gefahr und Schrecken 351. Das Herumfliegen um Ziegeldächer, Häuser 352 und Kreuzwege prohezeit Verwirrungen und Beunruhigungen der Seele. Im Traum himmelwärts zu fliegen, zeigt Sklaven in jedem Fall an, daß sie in reichere Häuser überwechseln, häufig auch, daß sie an den kaiserlichen Hof kommen werden. Dagegen machte ich bei Freien häufig die Erfahrung, daß sie selbst gegen ihren Willen nach Italien reisen mußten; denn wie der Himmel der Sitz der Götter ist, so ist Italien der Sitz der Kaiser. Menschen aber, die verborgen bleiben wollen und sich verstecken, entdeckt es; denn alle Dinge am Himmel sind sichtbar und für jeden gut wahrzunehmen. Mit Vögeln fliegen bedeutet, man werde sich unter Menschen fremder Zunge 353 und unter Ausländern bewegen. Für Übeltäter ist es ein schlimmes Zeichen; denn solche haben mit Strafe, häufig mit Kreuzigung zu rechnen. Fliegt man weder allzu entfernt vom Erdboden noch allzu nahe, sondern so, daß man gut wahrnehmen kann, was auf der Erde vor sich geht, kündigt es eine Reise und Ortsveränderung an. Es kann nun der Träumende aus den Dingen, die er auf der Drittes Buch

73 73 Erde schaut, erschließen, was ihm alles auf der Reise widerfahren wird. So verheißen z.b. Ebenen, Kornfelder, Städte, Dörfer, Gehöfte und alles von Menschenhand Geschaffene, ferner schöne Flüsse, Seen, ein stilles Meer, Häfen, bei günstigem Wind dahinsegelnde Schiffe, all das im Traum geschaut, eine glückliche Reise. Dagegen kündigen Schluchten, Bergklüfte, Täler, Felsen, wilde Tiere, reißende Ströme, Berge und schroffe Abhänge lauter Widerwärtigkeiten auf der Reise an. Immer ist es ein gutes Zeichen, wenn man nach einem Flug wieder zur Erde gelangt und so erwacht, am allerbesten aber ist es, wenn man nach Belieben fliegt und nach Belieben damit aufhört; es sagt große Leichtigkeit und glatte Abwicklung in den Geschäften voraus. Wird man beim Fliegen von einem wilden Tier, einem Menschen oder einem Dämon verfolgt, so ist das ein übles Zeichen; es beschwört große Schrecknisse und Gefahren herauf; denn im Traum war die Furcht so mächtig, daß man glaubte, die Erde biete nicht genug Schutz für ein Ent kommen, und man deswegen den Himmel zu erreichen suchte. Glück bringt es einem Sklaven, wenn er im Haus seines Herrn umherfliegt; er wird viele im Haus überflügeln. Fliegt er außerhalb des Hauses, so wird er nach Tagen des Glücks als Toter das Haus verlassen, falls er durch den Hof ausflog; falls durch den Toreingang, als Verkaufter, wenn durch ein Fenster, als Ausreißer. Rücklings fliegen ist für einen, der zur See fährt oder eine Seereise antreten will, kein übles Vorzeichen; für gewöhnlich liegen ja die Bord auf dem Rücken, wenn sie nicht von einem Unwetter heimgesucht werden. Allen anderen zeigt es Untätigkeit an; man sagt bekanntlich von untätigen Menschen, sie lägen auf dem Rücken. Kranke rafft es hinweg. Am allerschlimmsten und übelsten aber ist es, fliegen zu wollen und es nicht zu können, oder, wenn man schon fliegt, den Kopf gegen die Erde, die Füße gen Himmel gekehrt zu haben; es prophezeit dem Träumenden viele böse Schicksalsschläge. Ein Kranker wird, in welcher Lage er auch fliegt, sterben; denn man sagt, daß die Seelen, vom Körper getrennt, mit einer außergewöhnlichen Schnelligkeit und sozusagen wie Vögel in den Himmel emp orsteigen 354. Dagegen werden Leute, die ein sitzendes Handwerk betreiben, ihre Beschäftigung aufgeben, daß sie wegen des Fliegens leicht beweglich werden und nicht mehr auf ihren Stühlen bleiben. Gefesselte werden von Fesseln befreit; denn ein Fliegender ist an Füßen und Händen frei. Viele erblindeten auch; Blinde gleichen nämlich Fliegenden, weil sie immer fürchten zu fallen. Sitzt man beim Fliegen auf einem Schemel, auf einer Bank, auf einem Ruhebett oder auf einem ähnlichen Möbelstück, so wird man ein langes Siechtum durchmachen oder gelähmt werden, weil man nicht imstande ist, sich auf der Erde fortzubewegen. Hingegen ist das Traumerlebnis für einen, der auf Reisen gehen will, keineswegs ungünstig; er wird mit seiner ganzen Familie und seinem Vermögen die Reise antreten oder auch zu Wagen fahren. 69 Unter die sogenannten glaubwürdigen Gewährsmänner, deren Worten man Glauben schenken und folgen soll, zähle ich an erster Stelle die Götter; denn das Lügen ist einem Gott fremd. An zweiter Stelle die Priester; sie genießen auf Erden dieselbe Verehrung wie die Götter. Drittens die Herrscher und die Regierenden; denn Herrschaft hat Gottes Macht 355. Viertens die Eltern und die Lehrer; denn sie sind den Göttern gleich, die einen, indem sie uns das Leben schenken, die anderen, indem sie uns die rechte Lebensweise lehren. Ferner die Weissager, aber nur diejenigen, die keine Betrüger oder Lügenpropheten sind. Denn alles, was Pythagoreer und Leute, die aus Gesichtszügen 356, aus Würfeln, Käse, Sieben, aus Gestalt und Händen, aus Wasserbecken und mittels Geisterzitieren weissagen, muß man samt und sonders für Lügen und Hirngespinste halten; denn ihre Machenschaften sind dementsprechend, und von der eigentlichen Kunst des Weissagens haben sie nicht die geringste Ahnung, wohl aber nehmen sie mit ihren Gaukeleien und Betrüge rein jeden, der ihnen in den Weg kommt, tüchtig aus. Als einzig wahr erweist sich das, was von Opferpriestern, Vogelschauern, Sternkundigen, von Wunderzeichen- und Traumdeutern sowie von Eingeweidebeschauern ausgesagt wird. Den Astrologen, die Horoskope ausstellen, sollte man Beachtung schenken. Sodann gehören zu den glaubwürdigen Gewährsmännern die Toten 357, weil sie auf jeden Fall die Wahrheit sagen. Lügner täuschen für gewöhnlich aus zwei Grü nden, entweder weil sie hoffen, oder weil sie fürchten. Drittes Buch

74 74 Diejenigen aber, die weder hoffen noch fürchten, sprechen natürlich die Wahrheit, und das sind am ehesten die Toten. Ebenso sagen Kinder die Wahrheit 358 ; sie verstehen noch nichts von Lug und Trug. Dann die ganz alten Leute; denn die Glaubwürdigkeit kommt schon durch ihr Alter zum Ausdruck. Auch die Tiere sprechen auf jeden Fall die Wahrheit, weil sie nicht die Macht des Wortes besitzen. Die übrigen Menschen aber, um mich nicht in Einzelheiten zu verlieren, lügen, sie auch sagen, diejenigen ausgenommen, deren Zuverlässigkeit auf der Hand liegt, und Leute von lauterem Charakter. Schauspieler und Bühnenkünstler sind gerade wegen ihrer leeren Deklamationen für jedermann unglaubwürdig, ferner Sophisten, arme Leute, Priester der großen Göttermutter 359, Verschnittene und Eunuchen; diese zeigen, auch wenn sie gar nichts reden, trügerische Hoffnungen an, weil sie aufgrund ihrer Natur weder zu den Männern noch zu den Frauen zählen. 70 Ein Lebensalter umfaßt nach einigen sieben Jahre; daher sagen die Ärzte, man dürfe einem Menschen von zwei Lebensaltern nicht zur Ader lassen, sie meinen damit einen vierzehnjährigen, der noch der Blutvermehrung bedarf und keineswegs Überfluß an Blut hat. Andere sind der Auffassung, es umfasse dreißig Jahre; deswegen ge ben einige das Lebensalter des Nestor mit neunzig Jahren an 360. Nach meiner Ansicht umfaßt es hundert Jahre; denn die meisten erreichen entweder knapp dieses Alter oder überschreiten es um ein klein wenig; außerdem lehrt die Erfahrung, daß die Aussage der Traumerfüllungen mit dieser Zahl übereinstimmt. Aus diesem Grunde werde ich bei dem Ansatz eines Lebensalters von hundert Jahren ausgehen. Drittes Buch

75 75 Entsprechendes gilt für die Zahlen, die größer als 33, 42 oder 52 sind. Dafür ein Beispiel: Angenommen, es höre jemand sagen: «Du wirst 57 Jahre leben», so wäre es einfältig zu erwarten, daß ein Mensch 7 X 50, d.h. 350 Jahre alt werden wird, vielmehr ist klar, daß 7 nach der oben dargelegten Methode für sich mit 50 addiert, 72 ergibt. Befindet sich nun jemand innerhalb der angegebenen Zahl, so ist es offenkundig, daß ihm alles dies einschließlich der schon vergangenen Lebensjahre zubestimmt ist. Träumt z.b. ein Dreißigjähriger, es sage ihm jemand: «Du wirst 50 Jahre leben», so wird er noch weitere 20 Jahre leben, so daß die 20 kommenden Jahre zusammen mit den 30 verflossenen gerade 50 ergeben. Träumt aber ein Siebzigjähriger, es sage ihm einer: «Du wirst 50 Jahre leben», so liegt es auf der Hand, daß weder die verflossenen Jahre gemeint sein können, weil diese ja schon die Zahl 50 überschritten haben, noch weitere 50 Jahre zu den 70, was ein unmögliches Lebensalter ergibt. Folglich wird er nur 13 weitere Jahre leben, weil v. 50 bezeichnet, der dreizehnte Buchstabe im Alphabet ist. Eine entsprechende Berechnung hat man bei anderen ähnlichen Fällen anzustellen, wenn die genannte Zahl zwar kleiner als die verflossene Lebenszeit ist, doch mit ihr zusammengenommen eine unmögliche ergibt. Hier noch folgender Hinweis: Nach meiner Beobachtung haben Tage, Monate und Jahre in den meisten Fällen durchaus nicht dieselbe Bedeutung; denn durch Jahre werden Monate und Tage, durch Monate Jahre und Tage und durch Tage Monate und Jahre bezeichnet. Damit dies nicht zu Unklarheiten führe, merke man sich: Spricht jemand von Jahren, so deute man sie als Jahre, falls sie angemessen und möglich sind, ist es eine Vielzahl von Jahren, als Monate, wenn eine Unzahl, als Tage. Bei den Tagen ist das Verhältnis umgekehrt. Sind es viele, haben sie als Tage zu gelten, ist ihre Zahl angemessen, als Monate, sind es nur wenige, als Jahre. Ebenso sind die Monate im Hinblick auf das Mögliche zu deuten. Was möglich ist oder nicht, wird bei der Frage nach der Lebensdauer das Alter des Träumenden, bei anderen Zeit angaben die vermutliche Dauer der Dinge entscheiden. Man muß sich ferner vor Augen halten, daß die Götter häufig Offenbarungen geben, die anscheinend die Lebenszeit betreffen, keineswegs aber immer letztere meinen, sondern zuweilen einen Umschwung der Geschäfte, Freilassung von Sklaven und viele andere Dinge, die oben in dem Kapitel über den Tod enthalten sind. Über alle diese Punkte habe ich, verehrter Cassius Maximus, der du wie kein anderer hochgebildet bist, nach Möglichkeit, soweit meine Kräfte dazu reichten, lückenlos und, wie mir scheint, erschöpfend gehandelt. Sollte einer meiner Leser der Ansicht sein, das eine oder andere sei aus fremder Quelle und nicht aus eigener Erfahrung geschöpft, so irrt er; befaßt er sich einmal eingehender mit dem Vorwort zu eben diesem Buch, wird er meine Absicht verstehen lernen. Wenn es ferner jemand dünkt, es müsse in dieser oder jener Frage ein meinem Urteil entgegengesetzter Standpunkt vertreten werden, weil ihn irgendein Wahrscheinlichkeitsgrund zu dieser Annahme bewegt, so mag er wissen, daß es mir ein leichtes wäre, Argumente zu finden und mit Scheingründen zu arbeiten, doch sind Effekthascherei und Phrasendrescherei nie meine Sache gewesen, vielmehr rufe ich immer die Erfahrung zum Zeugen und als Richtschnur meiner Aussagen auf. Ich bin also in jeder Beziehung durch die Schule der Erfahrung gegangen, weil ich mich keiner anderen Aufgabe hingab, sondern mich immer, bei Nacht und bei Tag, mit der Traumdeutung befaßt habe. Was deine Person aber anbetrifft, so wirst du nicht viel Zeit brauchen, sondern ohne weiteres bei deiner Bildung und deiner überragenden Verstandeskraft jedes einzelne Argument zu beurteilen wissen, ob es richtig oder falsch ist. Drittes Buch

76 76 Um eine kleine Gefälligkeit bitte ich noch meine Leserschaft: Sie möchten weder Zusätze machen noch etwas von dem Inhalt streichen. Sollte jemand fähig sein, meine Ausführungen zu ergänzen, so dürfte es für ihn leichter sein, ein eigenes Buch zu schreiben. Wenn er aber einige Aufzeichnungen in diesen Büchern für überflüssig halten sollte, möge er nur das nutzen, was ihm zusagt, das andere aber nicht tilgen, aus Ehrerbietung vor dem alles schauenden und schützenden Gott Apollon, dessen Ruf als meinem Stammgott folgend, ich an die Abfassung dieses Werkes heranging, der mich wiederholt dazu aufforderte und der mir besonders in dem Augenblick sichtbar erschien, als ich mit dir bekannt wurde, und der mir geradezu den Befehl gab, diese Bücher zu schreiben. Es ist aber kein Wunder, daß der daldäische Apollon, den wir mit heimatlichem Namen Mystes nennen, in Bedacht deiner Trefflichkeit und Bildung mich dazu bewogen hat. Denn es sagen die Sachkundigen, die uns die väterlichen Sitten und Bräuche erklären, es bestehe eine gewisse Gastfreundschaft zwischen Lydern und Phoinikern. Drittes Buch

77 77 DRITTES BUCH Da ich mich, mein Cassius Maximus, voller Bewunderung für die Weite deiner Bildung gedrängt fühlte, das Werk zu schreiben, das nun in zwei Büchern nach der dir vorgelegten Gliederung und Reihenfolge abgeschlossen vorliegt und mit den Grundzügen der Alten ganz und gar nicht übereinstimmt, und ich den Stoff nach Möglichkeit lückenlos (...), teils im Einklang mit anderen Autoren, teils, wo es angezeigt war, im Widerspruch gegen sie dargelegt habe, hielt ich es für notwendig, die ganze Darstellung noch zu ergänzen, zu dem Inhalt der beiden Bücher aber keine Zusätze zu machen. Denn diese würden gleichsam wie ein Flickstück an einem gesunden und schönen Körper, selbst wenn sie für sich betrachtet gelungen wären, die frühere Schönheit herabmindern. So habe ich dir dieses Buch geschrieben, indem ich den noch zu behandelnden Stoff unabhängig und für sich allein, einzeln und in nicht zusammenhängenden Kapiteln zusammenfaßte, damit kein Mensch einen Weg und Zugang finden könne, um selbst etwas Ähnliches niederzuschreiben. 1 Das Würfelspielen bedeutet mit jemand Zank und Streit um Geld haben; denn die Würfel markieren allseits Zahlen und diejenigen, mit denen Würfelspieler werfen, heißen Steine 363. Das Gewinnen aber bringt immer Glück. Träumt ein Kranker, er spiele mit Steinen oder er sehe einen anderen spielen, so ist das ein schlimmes Vorzeichen, besonders wenn er selbst verliert, weil der Verlierer immer mit einer Minderzahl von Augen im Rückstand ist. Würfel für sich allein geschaut, prophezeien Zwistigkeiten und Feindschaften; gehen sie verloren, beseitigen sie die augenblicklichen Zerwürfnisse, vermehren sie sich, verschärfen sie dieselben. Ein Kind mit Würfeln, Knöcheln oder Steinen spielen sehen bedeutet nichts Schlimmes; denn es ist Kinderart, immer zu spielen. Dagegen zeigt es einem erwachsenen Mann oder einer Frau Unheil an, wenn sie im Traum mit Knöcheln spielen, ausgenommen, es hat jemand dieses Traumgesicht, der einen anderen zu beerben hofft; denn die Knöchel sind gewöhnlich beinern. Deswegen prophezeien sie allen anderen Menschen Gefahren. 2 Stehlen bringt niemandem Glück, ausgenommen Leuten, die andere betrügen wollen; die Alten sagten nämlich statt «betrügen» auch «stehlen». Je größer oder wertvoller oder bewachter der Gegenstand ist, den einer stiehlt, umso größer ist die Gefahr, die seiner wartet. Ganz natürlich belegt dieses Traumgesicht den Träumenden mit denselben Strafen, welche das Gesetz über den Dieb verhängt. 3 Tempelraub und Entwendung von Weihgeschenken der Götter ist allgemein ein böses Vorzeichen 364, einzig Priestern und Weissagern prophezeit es Nutzen; denn Sitte und Brauch gestatten es ihnen, die für die Götter bestimmten Erstlingsgaben entgegenzunehmen, und werden sie gewissermaßen von den Göttern unterhalten und bekommen manches unter der Hand. 4 Lügen bringt niemandem etwas ein, ausgenommen Bühnenkünstlern, Gauklern und Leuten, bei denen Lügen zum Metier gehört. Weniger schlimm ist es. Fremde 365 Unglück, auch wenn man glaubt, in einer unbedeutenden Sache zu lügen. zu belügen als seine Angehörigen; denn diesen droht großes 5 Wachteln zeigen Leuten, die keine Wachtelliebhaber sind, unangenehme und schlimme Nachrichten aus Übersee an; aus Übersee, weil auch die Wachteln über die See kommen, unangenehme, weil es streitsüchtige und verzagte Vögel 366 sind. In Gemeinschaften Freundschaften, Ehen und im täglichen Geschäftsverkehr sind sie allge mein das Sinnbild von Zerwürfnissen und Hader und bedeuten, falls sie aus dem Kampf gezogen werden 367, wegen der Verzagtheit 368 Kranken den Tod; werden sie nicht herausgezogen, eine geringere Gefahr. Bezüglich einer Reise sind sie von übler Vorbedeutung; sie beschwören Anschläge, Hinterhalte und Überfälle von Straßenräubern herauf. Denn wenn sie fortziehen, fallen sie in die Hände der Vogelsteller. Kampf hähne bezeichnen nur Streitigkeiten und Hader, in sonstiger Hinsicht bedeuten sie keineswegs dasselbe wie die Wachteln. Drittes Buch

78 78 6 Der Anblick von geflügelten Ameisen ist ganz und gar nicht gut; sie prophezeien Tod und gefahrvolle Reisen. Die anderen Arten dagegen bringen Bauern Segen; sie verheißen Fruchtbarkeit, denn wo es keine Saaten gibt, bekommt man auch keine Ameisen zu Gesicht. Von guter Vorbedeutung sind sie für Leute, die von der großen Menge leben, und für Kranke, doch nur dann, wenn sie nicht um den Körper des Träumenden herumkriechen. Sie heißen bekanntlich Arbeiterinnen und schaffen unermüdlich, eine Eigenschaft, die nur Lebenden zukommt. Kriechen sie aber um den Körper des Träumenden herum, prophezeien sie ihm den Tod 369, weil sie Kinder der Erde, kalt und schwarz sind. 7 Läuse in geringer Zahl zu haben, sie am Körper oder in den Kleidern zu finden und sie zu töten bringt Glück. Man wird nach diesem Traumgesicht von jedem Kummer und jeder übermächtigen Sorge frei werden. Sind es aber viele und überviele, so ist das ein böses Vorzeichen und prophezeit langwierige Krankheit, Kerkerqualen oder große Not; denn unter solchen Verhältnissen vermehren sich bekanntlich Läuse. Wird man sie alle los und säubert man sich von ihnen, ist Befreiung von den genannten Übeln zu erhoffen. Wenn einer, der träumt, Läuse zu haben, aus dem Schlaf aufwacht, dürfte er verloren sein. Scheidet man Bandwürmer durch den Hintern oder durch den Mund aus, so bedeutet es, daß man von Familienangehörigen, Hausgenossen und zumeist von Leuten, die mit uns vom selben Tisch essen, insgeheim ruiniert wird und daß man die Schädlinge davonjagen oder auf andere Weise loswerden wird; denn es wohnen die Bandwürmer zwar im Körper, doch nichtsdestoweniger schä digen sie ihn. Scheidet man sie aus, bedeutet es Befreiung solchen üblen Elementen. 8 Wanzen zeigen Mißstimmungen und Sorgen an; denn ebenso wie Sorgen verursachen sie schlaflose Nächte. Außerdem rufen sie Unannehmlichkeiten und Unzufriedenheit mit Familienangehörigen, meistenteils mit Frauen, hervor. Stechmücken, die sogenannten Schnaken und ähnliche Insekten bedeuten, daß üble Kerle dem Träumenden ins Haus kommen, die ihn schädigen und obendrein noch in Verruf bringen. Schankwirten und Weinhändlern prophezeien sie, daß der Wein in Essig übergehen wird; sie lieben nämlich den Essig. 9 Mit Familienangehörigen zu streiten ist nicht gut, auch nicht mit Fremden, doch weniger schlimm. Träumt ein Kranker zu streiten, so wird er verrückt werden. Mit Bessergestellten zu streiten, z.b. mit Herren, Herrschern, Mächtigen und jeder Art von Höhergestellten, bedeutet, man werde von den Betreffenden, mit denen man aneinander geriet, übel bedacht werden. Hassen oder gehaßt werden, bringt niemandem Vorteil. Es macht dabei keinen Unterschied, ob man jemand haßt, von dem man gehaßt wird, weil Haß Feinde erzeugt. Von Feinden aber kann man weder Hilfe noch Unterstützung erwarten, während die Menschen nun einmal auf fremde Hilfe und Unterstützung angewiesen sind, da sie davon Nutzen haben. 10 Was das Geopfertwerden und das Sterben bedeutet, ist im Abschnitt über den Tod im zweiten Buch gesagt worden. Ein gutes Vorzeichen ist es, wenn man sieht, wie andere geopfert werden; es bedeutet, daß alle Vorhaben schon zu einem glücklichen Ende gekommen sind, weil das Opfer Symbol der Erfüllung ist. 11 Das Krokodil bezeichnet einen Seeräuber, einen Mörder oder einen nicht minder abgefeimten Kerl. 370 So wie das Krokodil den Träumenden zurichtet, dementsprechend wird der durch das Krokodil Bezeichnete denselben zurichten. Der Kater bedeutet einen Ehebrecher; denn er stellt immer den Vögeln nach; die Vögel aber gleichen den Frauen, wie ich im ersten Buch erwähnt habe. 12 Der Ichneumon 371 und der Marder bedeuten, weil sie wild und schwer zu zähmen sind, abgefeimte und verschlagene Menschen, die dem Träumenden nie wohlgesinnt sein können, und zwar bezeichnet der Ichneumon Männer, der Marder Frauen. Drittes Buch

79 79 13 Träumt jemand, er wäre ein Gott geworden, so wird ein Priester oder Weissager werden; denn diese genießen die gleiche Verehrung wie die Götter. Dünkt es einen Kranken, er sei zum Gott geworden, so wird er sterben; denn die Verstorbenen sind unsterblich, weil sie keinen Tod mehr erleiden. Hat einer dieses Traumerlebnis, der sich in Armut, Sklaverei, im Kerker, in einer argen Klemme oder sonst einer Notlage befindet, so wird er von den ihn bedrängenden Drangsalen befreit werden; für einen Gott gibt es ja viele und reiche Möglichkeiten, aus Drangsalen zu erretten. Einem Reichen und einem Mächtigen prophezeit es ein sehr hohes politisches Amt, entsprechend dem ihnen zukommenden gesellschaftlichen Rang; denn die Regierenden haben ebenso Götter Macht, anderen zu nützen und zu schaden. Von guter Vorbedeutung ist es für Schauspieler wegen ihres Auftretens auf der Bühne; denn häufig übernehmen sie auch die Rollen von Göttern. 14 Einen Gott im Traum unter seinem Dach aufzunehmen prophezeit demjenigen, dem es gut geht, Sorgen, Schmerzen und unglückliche Geschäfte; denn Menschen, die in arge Bedrängnis geraten sind, opfern den Göttern und heißen sie willkommen. Wer aber in Armut und drückender Not lebt, dem verheißt es großen Zuwachs an Glücksgütern; denn in dieser Lage pflegen die Armen ganz besonders den Göttern zu danken und sie aufzunehmen 372. Besitzt man die Kleidung eines Gottes oder hat man sie angelegt, so wird man zum Verwalter eines anderen, reichen Mannes aufsteigen, so daß man zwar den Schein erweckt reich zu sein, es aber in Wirklichkeit nicht ist. Ich habe oft die Erfahrung gemacht, daß dieses Traumge sicht sich so erfüllte. 15 Glaubt man, sich Stelzen angeschnallt zu haben, so bedeutet es Verbrechern Fesselung; denn Stelzen werden bekanntlich an den Füßen festgemacht und verändern den freien Gang; allen anderen prophezeit es aus denselben Gründen Krankheit oder ein Leben in der Fremde. 16 Auf dem Meer zu wandeln ist für einen, der eine Reise antreten will, und zwar besonders, wenn er den Seeweg wählt, verheißungsvoll; das Traumgesicht prophezeit große Sicherheit. Günstig ist es auch für einen Sklaven und einen Heiratslustigen; der eine wird seinen Herrn, der andere seine Ehehälfte beherrschen. Es gleicht nämlich das Meer wegen seiner Macht einem Herrn, wegen der Feuchtigkeit einer Frau. Glück bringt es ferner einem Prozessierenden; er wird den Richter übertrumpfen und natürlich den Prozeß gewinnen; das Meer gleicht auch einem Richter, weil es den einen Gutes, den anderen Schlimmes antut. Einem jungen Mann bedeutet es, er werde sich in eine Hetäre verlieben, und einer Frau, sie werde das Leben einer Hetäre führen; das Meer ist auch einer Hetäre vergleichbar, weil es zuerst angenehme Vorstellungen erweckt, dann aber den meisten übel mitspielt. Allen aber, die von der großen Menge leben, ferner Staatsmännern und Demagogen verspricht es, abgesehen von großem Ruhm, außergewöhnliche Geldeinnahmen; das Meer gleicht nämlich wegen seiner Unbändigkeit auch der großen Menge. 17 Menschen formen bringt Turnlehrern und Erziehern Glück; denn irgendwie formen auch sie Menschen, die einen, weil sie zu körperlicher Ertüchtigung, die anderen, weil sie zu sittlicher Bildung erziehen. Von guter Vorbedeutung ist es auch für Kinderlose, weil es die Geburt rechtmäßiger Kinder verheißt. Ferner für Sklavenhändler und Arme; die ersteren werden aus ihrem Handel viele hohe Gewinne erzielen, die letzteren zahlreiche Haussklaven erwerben. Übeltätern droht der Tod; denn wie man erzählt, hat Prometheus 373, weil er Menschen geformt und das Feuer entwendet hatte, ein böses Ende gefunden. Reichen und einflußreichen Leuten prophezeit es ein hohes politisches Amt. 18 Wie ein Vierfüßler vor einen Wagen gespannt sein zeigt dem Träumenden, auch wenn er in glänzenden und üppigen Verhältnissen lebt, Knechtschaft, Plackerei und Krankheit an. 19 Mit einem zwei- oder vierrädrigen Wagen zu fahren, vor den Menschen gespannt sind, bedeutet, man werde über viele herrschen, und verheißt dem Träumenden außerdem brave Kinder 374. Im Hinblick auf Reisen ist es keineswegs von Nutzen; einerseits zeigt es Sicherheit an, andererseits prophezeit es große Langsamkeit. 20 Zu einem Weissager gehen und sich in einer Angelegenheit weissagen lassen, bedeutet dem Träumenden unge- Drittes Buch

80 80 wöhnliche Sorgen; denn Menschen ohne Sorgen bedürfen nicht der Weissagekunst. Dem Spruch des Weissagers, das heißt des wahren, muß man Glauben schenken. Über den Unterschied zwischen den Weissagern, auf welche man hören müsse und auf welche nicht» habe ich oben im Kapitel über die zuverlässigen Gewährsmänner im zweiten Buch gesprochen. Gibt ein Weissager keine Antwort, besagt es Aufschub eines jeden Unternehmens und jeglicher Entschlußkraft; denn bei den Weisen ist auch das Schweigen eine Antwort, freilich eine negative. 21 Träumt jemand, er sei ein Weissager geworden und habe sich infolge seiner Prophezeiungen einen Namen ge macht, so wird er große Lebenserfahrung gewinnen und teils mit eigenen, teils mit fremden Sorgen zu schaffen haben; denn ein Weissager hat sich auch mit Schwierigkeiten zu befassen, die ihn nicht berühren, die ihm eben von Leuten zugetragen werden, die bei ihm Rat suchen. Es bringt dieses Traumgesicht häufig auch Reisen und Bewegungen für den Träumenden mit sich, weil die Weissager von Ort zu Ort ziehen. Armen verheißt es Reichtum; denn viele Leute sind auf den Weissager und die Reichen angewiesen. 22 Krank sein ist nur für Leute von guter Vorbedeutung, die in Fesseln schmachten oder in einer großen Zwangslage sind, weil Krankheit den Körper schlaff macht. Den übrigen Menschen kündigt es große Untätigkeit an: Kranke sind ja zur Untätigkeit verurteilt; ferner Mangel an den lebensnotwendigen Dingen; denn Kranke entbehren, was dem Körper am meisten nottut. Reisen verhindert es; Kranke können sich nämlich nur schwer bewegen. Wünsche läßt es nicht in Erfüllung gehen; denn auch die Ärzte gewähren einem Kranken nicht die Erfüllung seiner Wünsche, wegen des Risikos, das damit verbunden ist. Besucht jemand einen Kranken, und zwar einen Bekannten, so bedeutet es, daß eben diese Dinge für den Kranken in Erfüllung gehen; ist es ein Unbekannter, erfüllen sie sich für den Träumenden selbst; denn es macht keinen Unterschied, ob man selbst krank ist oder einen Unbekannten bettlägerig sieht. Man sagt nämlich, daß die Mitmenschen, wenn man sie nicht kennt, für die Träumenden so viel wie Abbilder ihrer zukünftigen Verhältnisse bedeuten. Ich habe noch folgende Erfahrung gemacht: Alles Gute oder Schlechte, von dem die Seele uns künden will, daß es in der unmittelbaren Gegenwart und mit vollern Nachdruck eintreten wird, stellt sie in Beziehung auf den Träumenden selbst vor Augen; was aber erst nach geraumer Zeit oder weniger nachhaltig eintreffen wird, das zeigt sie dem Träumenden durch eine fremde Person an. 23 Von seinem eigenen Fleisch essen bringt einem Armen Glück; er wird durch körperliche Arbeit und Anstrengung zu großem Vermögen kommen und auf diese Weise sich zwar nicht von seinem Fleisch, wohl aber von dem Verdienst seines Fleisches ernähren. Von guter Vorbedeutung ist es ferner für einen Werkmeister, wenn er von denjenigen Körperteilen ißt, durch die er sich vorzüglich seinen Lebensunterhalt verdient; und zwar arbeiten die einen mit beiden Händen, die anderen nur mit einer, die dritten mit den Fingerspitzen, wieder andere mit dem ganzen Körper. Für Literaten ist es gut, wenn sie Mund und Zunge anderen zu essen geben; sie werden durch Mund und Zunge viel Geld erwerben und so imstande sein, auch anderen Unterhalt zu gewähren. Verzehrt einer seinen eigenen Mund oder seine eigene Zunge, so wird er seine Sprechfähigkeit verlieren. Privatpersonen bedeutet es Reue über freche Reden. Eine Frau, die vom eigenen Fleisch ißt, wird huren und sich auf diese Weise durch den eigenen Körper ernähren. Jedem, der einen Freund oder engen Verwandten oder geliebten Menschen auf dem Krankenlager hat, kündigt es Trauer an; denn Trauernde verzehren ihr eigenes Fleisch, indem sie im Schmerz sich selbst entstellen 375. Einem Reichen und jedem, der ein Leben ganz nach Wunsch führt, kündigt es nichts Gutes an, wenn er vom eigenen Fleisch ißt; es bedeutet ebenso wie das Essen des eigenen Kots eine völlige Umwälzung der Lebensweise und der Vermögensverhältnisse des Träumenden. 24 Sein Gewand linkshin umgelegt oder sonst auf eine Art zu tragen, die lächerlich und plump wirkt, ist für jeden von übler Vorbedeutung und prophezeit außer Stillstand der Geschäfte Verhöhnung und Verspottung. Nur Possenreißern bringt es Glück, weil derlei in ihrem Beruf gang und gäbe ist. Drittes Buch

81 81 25 Von rechts nach links schreiben bedeutet, man werde sich irgendein Gaunerstück leisten und jemand durch Betrug und Schliche übervorteilen und schädigen, häufig auch, man werde Ehebruch treiben und heimlich uneheliche Kinder in die Welt setzen 376. Ich kenne jemand, der nach diesem Traumerlebnis Dichter von Spottliedern wurde. 26 Eine Stiefmutter zu schauen, sei sie lebend oder tot, bringt kein Glück. Grollt, zankt oder fügt sie dem Träumenden Schaden zu, steigert sie das Unheil. Benimmt sie sich aber anständig, ist das Unheil, das sie anrichtet, ge ringer. Zeigt sie sich dem Träumenden durch Worte und Taten gefällig, werden dessen Hoffnungen trügen; denn eine Stiefmutter liebt niemals das Stiefkind mit gutem Gewissen und von Herzen. Der Stiefvater bedeutet das selbe wie die Stiefmutter, nur mit weniger Gewicht. Häufig sind Stiefvater und Stiefmutter das Sinnbild eines Lebens in der Fremde und des Abschieds von der Heimat; es gleichen nämlich Vater und Mutter der Heimat, Stiefvater und Stiefmutter dagegen der Fremde. 27 Schaut man Vorfahren im Traum, ich meine Verwandte, die vor den Eltern gelebt haben, so bedeutet es Sorgen wegen früherer Auseinandersetzungen. Tun oder sprechen sie etwas Gutes, Angenehmes oder Gefälliges, werden die Sorgen sich in Segen verwandeln, wenn nicht, Gegenteil. Unmündige und junge Nachkommen bezeichnen Sorgen - darüber habe ich ausführlicher im ersten Buch im Kapitel über die Geburt der Kinder gesprochen -, schon erwachsenen dagegen Hilfe und Unterstützung. 28 Eine Maus bedeutet einen Haussklaven; sie wohnt ja mit uns unter demselben Dach, nährt sich von denselben Vorräten und ist furchtsam. Von guter Vorbedeutung ist es, viele Mäuse daheim zu sehen, und zwar munter tanzend; sie zeigen große Lebensfreude und Zuwachs an Haussklaven an. Nimmt man etwas Ungewöhnliches bei den Mäusen wahr, so kann man für die Auslegungen die Schriften des Melampus 377 zu Rate ziehen, und zwar sein Buch über Wunder- und Vorzeichen; man halte sich dabei vor Augen, daß das, was im Wachzustand geschieht, sich in keiner Weise vom Traumgeschehen unterscheidet; denn beidem kommt dieselbe Voraussage zu, eine Tatsache, die mir durch die Erfahrung bestätigt wurde. Über diesen Punkt hat sich Apollonios aus Attaleia 378 im zweiten Buch seiner Abhandlung eingehend geäußert. Meine Aufgabe ist es jetzt jedoch, zu zeigen, was die Dinge, die ich in meinem Werk übergangen habe, im einzelnen bedeuten. Deshalb verfaßte ich dieses dritte Buch nicht im engen Anschluß an die beiden vorangehenden, sondern in lockerer Anfügung. Demzufolge erhält es ganz natürlich in der Aufschrift nicht die Bezeichnung drittes Buch, sondern speziell Wahrheitsfreund oder Wegweiser. Das Wiesel bedeutet ein Frauenzimmer, das alle Schliche kennt und heimtückisch ist, und einen Prozeß; denn dike und gale sind gleichwertig 379. Ferner den Tod 380 ; denn was es ergreift, geht in Fäulnis über. Dann gute Geschäfte und materiellen Gewinn; einige nennen es bekanntlich «Meister Fuchs» 381. Was davon im einzelnen zutrifft, mag man daraus entnehmen, ob man es heranoder davonschleichen sieht, ob es etwas Angenehmes oder Unangenehmes erleidet oder tut. 29 Der Lehm bedeutet Krankheit und Beleidigung; Krankheit, weil er weder aus reinem Wasser noch aus reiner Erde besteht, sondern aus beiden gemischt und weder das eine noch das andere ist. Er weist also ganz natürlich auf eine schlechte Zusammensetzung des Körpers hin, d.h. auf eine Krankheit; eine Beleidigung aber, weil er beschmutzt; ferner bezeichnet er wegen seiner Feuchtigkeit und Schwammigkeit einen Menschen, der sich widernatürlichen Trieben hingibt. Glück bringt er nur Leuten, die mit Lehm ihr tägliches Brot verdienen. 30 Ein Wasserbecken bedeutet einen Haussklaven und eine Sklavin, auf die Verlaß ist. Trinkt man aus einem Becken, wird man sich in eine Sklavin verlieben; diesselbe Auslegung gilt, wenn man aus einem Becken ißt. Im Besitz eines goldenen oder silbernen Beckens sein zeigt an, daß man eine Sklavin freilassen und heiraten oder mit einer freigelassenen zusammenleben wird. Ein in Stücke gehendes Becken prophezeit den Tod eines Sklaven. Spiegelt man sich in einem Becken, wird man mit einer Sklavin Kinder zeugen. Schaut einer dieses Gesicht, der selbst Sklave ist und keinen Untergebenen hat, so hat er das Becken als Symbol des Sklavendienstes selbst aufzufassen. Drittes Buch

82 82 Selbstbewußtsein des Träumenden; die Kinder wegen der Ähnlichkeit, das Selbstbewußtsein und die Vorhaben, weil jedermann mit seinen Bildern prunkt. 31 Ein Bild aus festem und unverweslichem Material ist besser als eines, das gemalt, aus Wachs, aus Ton oder einem anderen ähnlichen Material ist. Alles, was den Bildern widerfährt, wird auch den Kindern des Träumenden und seinen ge planten Unternehmungen widerfahren. Häufig erfüllt sich das Traumgesicht an Eltern, Brüdern und außerdem an Namensvettern. 32 Eine Hebamme bringt verborgene Dinge ans Licht, weil sie das Geheime und Verborgene aufspürt, und bedeutet Verluste und Kranken den Tod; sie holt ja stets das Umschlossene aus dem umschließenden Schoß und übergibt es der Erde 382. Leute, die von jemand gewaltsam festgehalten werden, befreit sie; denn sie befreit den umschlossenen Leib von seiner umschließenden Hülle und erleichtert ihn so. Häufig prophezeit eine Hebamme einer Frau, die nicht schwanger ist, Krankheit, einer aber, die in anderen Umständen ist, nichts Besonderes, weil sie in Erwartung der Niederkunft ist. 33 Disteln und Dornen bedeuten wegen ihrer Spitzigkeit Schmerzen, wegen ihrer Undurchdringlichkeit Hindernisse, wegen ihrer Rauheit Sorgen und Schmerzen, vielen auch Liebeskummer und Untaten von selten schlimmer Menschen; Liebeskummer, weil Liebhaber launenhaft sind, Untaten von selten schlimmer Menschen, weil aus den Wunden, die jene verursachen, Blut fließt; näherhin prophezeien Disteln Untaten von Frauen, Dornen von Männern. 34 Schaut man einzelne Buchstaben für sich, so bedeuten die Vokale Gefahren und Aufregungen, die Halbvokale 383 zwar keinen Stillstand der Geschäfte, doch führen sie Gefahren herauf; die Konsonanten bezeichnen weder Gefahren noch geschäftliche Unternehmungen. Speziell ist der Buchstabe Q nach seinem Zahlwert zu deuten. Wegen der Gleichwertigkeit bringt er Leuten, die an ein Unternehmen herangehen, Segen; denn der Glückwunsch «ep* agatha» ergibt die auf den Buchstaben Q entfallende Zahl 384. Ferner allen, die jemand aus der Fremde zurückerwarten; auch angelia ergibt ioo 385. Leute, die unschlüssig sind, ob sie eine Reise zu Land oder zu Schiff machen sollen, rät er, zu Land zu reisen; denn peze hat den gleichen Wert wie ioo 386. Solchen, die sich den Kopf zerbrechen, ob sie überhaupt eine Reise unternehmen sollen, mahnt er, zu bleiben; denn mene ist ebenfalls ioo 387. Verbrecher legt er in Fesseln; auch pedai macht ioo 388. Hirten und Pferdezüchter werden Glück haben, denn neme ergibt ioo Eine Kette bedeutet wegen des Namens und wegen der Eigenschaft, zu umschließen, die Ehefrau 390 ; ferner Geschäftsverwicklungen, die weder ermutigend noch ange nehm sind. Die Kette ist nämlich aus vielen Gliedern geschlungen und läßt die Gefesselten mutlos werden. Auch zeigt sie Verzögerung und Behinderung in den Unternehmungen an. 36 Der senkrecht stehende Webstuhl bedeutet Bewegungen und Reisen; die Weberin muß nämlich bei der Arbeit hinund hergehen. Der waagerechte ist das Symbol der Behinderung, weil die Frauen diesen Webstuhl im Sitzen bedienen. Immer ist es günstiger, einen Webstuhl zu sehen, an dem das Gespinst erst begonnen wurde, als einen, bei dem es schon fertig zum Abschneiden ist; denn er gleicht dem Leben 391. Deshalb prophezeit der Webstuhl, an dem die Arbeit erst begonnen wurde, ein langes Leben, der, an dem das Gewebe zum Abschnitt fertig ist, ein kurzes, während der, von dem das Gewebe bereits abgeschnitten ist, den Tod ankündigt. Was den Farbenunterschied anbetrifft, so kann man die Auslegungen dem Abschnitt über Kleidung und Ausstattung von Männern und Frauen entnehmen. Schaut ein Seefahrer einen Webstuhl, so hat er in ihm ein Abbild des Mastbaums zu sehen. Alles, was dem Webstuhl zustößt, wird auch dem Mastbaum zustoßen. Die Hilfswerkzeuge, die bei der Arbeit am Webstuhl verwendet werden, bedeuten viele Sorgen und Geschäftsverwicklungen, deren Lösung spät und mühevoll erfolgen wird. Solange nämlich Hilfswerkzeuge benötigt werden, sind die Fäden durcheinander und nicht zu entwirren. Hat aber das W'eben begonnen, dann ist alles an seinem richtigen Platz und erweist sich als brauchbar und nützlich. Drittes Buch

83 83 37 Ein Wetzstein ist das Symbol von Aufmunterung und Zuversicht und sagt gewissermaßen, man müsse schärfer werden. In Freundschaftsverhältnissen bedeutet er nicht jene, die einem unter die Arme greifen, sondern die, welche aufmuntern und anregen. Er arbeitet nämlich nicht zusammen mit dem Eisen, doch macht er es schärfer. Häufig bezeichnet der Wetzstein auch eine Frau. 38 Die eigentliche Bedeutung der Eigennamen darf man im Hinblick auf die Auslegungen nicht für unwichtig halten 392. Denn wenn bei glückverheißenden Voraussagen aufgrund der übrigen Umstände Namen von guter Vorbedeutung vorkommen, machen sie das Glück noch vollkommener; bei unheilvollen Prophezeiungen verringern sie das Unglück und schwächen es ab. Namen von übler Vorbedeutung dagegen, die unseren Wünschen entgegengesetzt sind, steigern einerseits das Unheil, andererseits mindern sie den Segen. Häufig kann man schon aufgrund von Eigennamen allein eine Voraussage treffen. So verhindern z.b. Menon, Menekrates und Kratinos 393 das Antreten einer Reise, Zenon, Zenophilos und Theodoros 394 geben Kranken neuen Mut; Karpos, Elpidiphoros und Eutychos 395 verheißen gute Einkünfte. Thrason, Thrasylos und Trasymachos 396 muntern zum Handeln auf und mahnen, nicht zu zaudern. Ebenso muß man bei den Frauennamen die Auslegungen treffen. 39 Ein tröstlicher Zuspruch schädigt Leute, die in glücklichen Verhältnissen leben, während er denen dienlich ist, die in einer Klemme sind; die ersteren bringt er dahin, daß sie in ihrer Mutlosigkeit angesichts der über sie hereinbrechenden Plagen eines tröstlichen Zuspruchs bedürfen, den letzteren gibt er gute Hoffnungen ein; und dieser Ausgang ist folgerichtig und hat seinen guten Grund. Denn niemand sagt zu einem Sehenden: «Du wirst wieder sehen», sondern selbstverständlich zu einem, der den grauen Star hat; niemand zu einem Gesunden: «Du wirst wieder zu Kräften kommen und gesunden», sondern natürlich zu einem Kranken. Ebenso verhält es sich, wenn jemand an einen anderen herantritt und sagt: «Reichtum dir, Segen, Glück und alles erdenkliche Gute!», Wünsche, wie man sie offensichtlich einem Menschen gegenüber äußert, der weder in gut en Verhältnissen lebt, noch tun und lassen kann, was er will 397. Wenn jemand einem Bedrängten Befreiung aus der mißlichen Lage prophezeien sollte, dann rufe man sich die Ausführungen über die zuverlässigen Gewährsmänner ins Gedächtnis, die ich am Ende des zweiten Buches gegeben habe; ist der Sprechende glaubwürdig, muß man ihm vertrauen, wenn nicht, ihn als einen Betrüger verachten. 40 Zeigt sich an irgendeinem Körperteil eine Wunde, so lege man das dahin aus, als ob der betreffende Körperteil selbst krank sei; darüber habe ich im ersten Buch im Abschnitt über den Körper und die Teile des Körpers eingehend gehandelt. Eine Wunde an der Brust oder am Herzen kündigt jungen Leuten beiderlei Geschlechts Liebesleidenschaft, älteren dagegen Kummer an. Eine Wunde an der rechten Hand, und zwar an der inneren Handfläche, deutet ein Darlehen und Niedergeschlagenheit über einen Schuldbrief an. Eine Narbe bezeichnet das Ende jeder Sorge. 41 Ein Darlehen bedeutet dasselbe wie das Leben; denn wir schulden unser Leben ebensogut der Natur des Alls wie ein Darlehen dem Gläubiger. Der Gläubiger hat dieselbe Bedeutung wie ein Darlehen. Deshalb bedeutet er Kranken Gefahr, wenn er an sie herantritt und sein Geld zurückfordert, nimmt er aber etwas, den Tod. Ein sterbender Gläubiger befreit von Kummer und Sorgen. Ferner bedeuten ein Gläubiger und eine Tochter dasselbe, weil eine Tochter zwangsläufig Forderungen stellt; denn hat man sie einmal unter vielen Sorgen großgezogen, geht sie mit einer Mitgift aus dem Haus. Einem Sklaven bedeutet ein Gläubiger den Herrn, der das Mietgeld 398 einfordert. Dasselbe wie ein Gläubiger bedeutet der Mieteinnehmer. 42 Von Sinnen sein verheißt Unternehmungslustigen Erfolg; denn die Tollen sind in allem, was sie anpacken, ungehindert. Am allerbesten ist es für jene, die das Volk beeinflussen und die große Menge beherrschen wollen, ferner für Leute, die sich um die Gunst der Volksmenge bemü hen; sie werden großen Zulauf haben. Glück bringt es ferner angehenden Erziehern, weil Kinder gerne Verrückten nachlaufen. Armen kündigt es goldene Zeiten an; denn einer, der von Sinnen ist, bekommt von allen Seiten etwas. Einem Kranken prophezeit es Gesundheit; denn Verrücktheit treibt den Menschen an, sich zu rühren und umherzutollen, und duldet keine Bettlägerigkeit, wie bei einer Krankheit. Drittes Buch

84 84 Betrunken sein ist niemandem, weder Mann noch Frau, zuträglich; es bedeutet viel Unverstand und Behinderung in der Geschäftstätigkeit; denn Trunkenheit zeitigt solche Folgen. Von guter Vorbedeutung dagegen ist das Betrunkensein für Leute, die in Furcht leben; denn Betrunkene sind unbekümmert und haben keine Furcht. 43 Furcht haben ist für niemand gut, weil der von Furcht Geplagte sich ganz und gar nicht zu behaupten vermag, sondern ohne jeden äußeren oder inneren Halt sich allen Eindrücken zugänglich macht, so daß er um so schneller ein Opfer seiner eigenen Befürchtungen wird. 44 Schaut jemand einen Brief und das, was in ihm geschrieben ist, so wird das Traumgesicht dem Inhalt entsprechend sich erfüllen; wenn nicht, bringt er doch in jedem Fall Glück; jeder Brief enthält ja ein «Sei gegrüßt» und ein «Leb wohl». 45 Der Bruch bedeutet einen Schaden, erstens wegen der Gleichwertigkeit 399, zweitens, weil alles, was dem Körper zuwächst und seine Schönheit oder Kraft nicht mehrt, sondern im Gegenteil seine Wohlgestalt mindert, Schaden und Sorgen anzeigt. Nun ist der Bruch ein Leiden, und zwar an den Geschlechtsteilen, deswegen bedeutet er nicht minder ihretwegen Kummer und Schmerz. Darüber habe ich eingehender im ersten Buch im Abschnitt über den Körper gesprochen. 46 Träumt jemand, daß aus seinem Körper eine Pflanze gewachsen sei, so wird er, wie einige behaupten, sterben; denn aus der Erde entstehen die Pflanzen, und in Erde lösen sich die Leiber der Verstorbenen auf. Nach meiner Auffassung hat man bei der Auslegung nicht allein von den Pflanzen, sondern auch von den Körperteilen, aus denen die Pflanzen hervorsprießen, auszugehen. Häufig starb nicht der Träumende selbst, sondern das, was durch den Körperteil, in dem sich die Pflanze befand, angezeigt wurde. Es besteht auch hinsichtlich der Pflanzen selbst ein Unterschied, so daß sie zuweilen nicht den Tod, sondern Schnitte und Eingriffe des Chirurgen zur Folge haben. Das trifft gewöhnlich bei denjenigen Pflanzen zu, die regelmäßig beschnitten werden, wie z.b. beim Weinstock und ähnlichen. Ich kenne jemand, dem es träumte, ihm sei aus dem Kopf ein Weinstock hervorgesprossen. Dem Betreffenden wurde nur ein geschwollenes Zäpfchen aus dem Schlund herausgeschnitten Die Krätze, der Aussatz und die Elefantenkrankheit 401 verschaffen Armen durch Reichtum höheres Ansehen und größere Bedeutung; denn diese Leiden rücken die mit ihnen Behafteten ins Blickfeld aller. Aus demselben Grund enthüllen sie Verborgenes, Reichen und Mächtigen aber verschaffen sie Staatsämter. Immer ist es gut, wenn man sich selbst mit der Krätze, dem Aussatz, der Elefantenkrankheit oder einem ähnlichen Leiden, wie z.b. mit Lepra oder mit Flechten, behaftet sieht; erblickt man derlei an einem anderen, bedeut et es Kummer und Sorgen. Alles nämlich, was ekelhaft und häßlich anzusehen ist, läßt die Seele des Beschauers erschaudern und erstarren. Noch unheilvoller ist es, wenn man ein Familienmitglied mit einer solchen Krankheit behaftet sieht. Ist es ein Haussklave des Träumenden, wird er zu Dienstleistungen für ihn nicht mehr zu brauchen sein; wenn es der Sohn ist, so wird er nicht den Lebenswandel führen, der den Grundsätzen des Vaters entspricht; ist es die Gattin, wird der Ehemann wegen ihres leichtfertigen Treibens großen Ärger haben. Leuten, die von der großen Menge leben, bringt es Nutzen; bei anderen Personen muß man die Deutung nach dem Grundsatz der Ähnlichkeit treffen. 48 Jemand mit Steinen bewerfen bedeutet, man werde einen anderen verlästern; mit Steinen bewerten werden prophezeit einem selbst Verlästerungen von selten eines anderen 402 ; es gleichen nämlich die Steine schamlosen und streitsüchtigen Reden. Häufig zeigt das Beworfenwerden mit Steinen eine Reise an; denn der, welcher gesteinigt wird, muß natürlich das Weite suchen. Sind der Steinigenden viele, bringt es erfahrungsgemäß nur Leuten die von der großen Menge leben. 49 Grillen bedeuten wegen der Geschichte, die man von ihnen erzählt 403, Musiker, in Notzeiten aber Leute, die keinen Nutzen bringen, sondern bloß über Maßnahmen reden und in Erinnerungen schwelgen, in Schreckensängsten Männer, die nur drohen, aber nicht imstande sind. Taten folgen zu lassen; die Grillen besitzen nämlich nichts außer ihre Stimme. Drittes Buch

85 85 Kranken prophezeien sie große Qualen durch Durst, und daß sie auf jeden Fall sterben werden; denn Grillen nehmen keine Nahrung zu sich. 50 Meerzwiebel kündigt Bauern Unfruchtbarkeit an, weil sie nichts Eßbares enthält. Schäfern dagegen bringt sie Segen, weil sie ihrer Natur nach ein Wolfsgift ist 404. Heil verheißt sie allen, die in Sorgen und Schmerzen leben; denn man schreibt ihr eine reinigende Kraft zu. Dagegen beschwört sie, wie die Erfahrung lehrt, Leuten, die in guten Verhältnissen leben, Ängste und Sorgen herauf; denn Menschen, die vom Unheil unberührt sind, bedürfen keiner Reinigung. Der Asphodel 405 bedeutet genau dasselbe wie die Meerzwiebel. Lediglich Kranke rafft er dahin, wie ich häufig festgestellt habe. Den Grund dafür kann ich nicht genau angeben, doch erklärt es sich wahrscheinlich daher, daß nach allgemeiner Vorstellung die Flur im Hades mit Asphodel bedeckt ist. 51 Träumt man, dieselben Leiden wie irgendein Bekannter auszustehen, an demselben Fuß, an derselben Hand oder an einem anderen Körperteil, oder überhaupt dieselbe Krankheit oder dieselben Schmerzen zu haben, wird man sich dieselben Verfehlungen zuschulden kommen lassen wie jener. Es gleichen nämlich die körperlichen Krankheiten und einzelnen Gebrechen den Zügello-sigkeiten und unvernünftigen Leidenschaften der Seele, und wer dieselben Leiden hat, begeht ganz natürlich dieselben Verfehlungen. Ich kenne jemand, der auf dem rechten Fuß lahmte und dem es träumte, sein Haussklave sei an demselben Fuß gelähmt und hinke genauso wie er. Er ertappte ihn bei seiner Geliebten, für die er selbst Feuer und Flamme war. Und das war es, was ihm das Traumgesicht prophezeite, daß sein Sklave dieselbe Schwäche wie er selbst habe. 52 Mist zusammenholen bringt Leuten Vorteil, die von der großen Menge leben oder ein schmutziges Handwerk betreiben; der Mist kommt ja aus vielen Überresten zusammen und wird von vielen abgeworfen. Von guter Vorbedeutung ist es ferner für Unternehmer öffentlicher Arbeiten oder für Staatspächter. Glück bringt es einem Armen, wenn er auf einem Misthaufen schläft 406 ; er wird großen Besitz erwerben und scheffelweise Geld einnehmen. Einem Reichen verschafft das Traumgesicht ein hohes Amt oder eine staatliche Auszeichnung, weil alle Bürger etwas auf den Misthaufen bringen und draufwerfen, so wie sie den Behörden Steuern zahlen und Abgaben leisten. Von einem Bekannten mit Mist bewerten zu werden ist nicht gut; es bedeutet Feindschaft, Zwietracht und willkürliches Unrecht von selten dessen, der das tut. Bewirft man selbst einen anderen mit Mist, zeigt es großen Schaden 53 Eine Synagoge, Bettler, alle möglichen Landstreicher, Jammergestalten und Hungerleider zeigen sowohl einem Mann wie einer Frau Kummer, Sorgen und seelische Pein an; denn einerseits betritt niemand eine Synagoge, der nicht voller Sorgen ist, andererseits sind Bettler überaus garstig, mittellos und haben nichts Gesundes an sich und vereiteln deshalb jedes Vorhaben. Folgende Regel gilt allgemein und unumstößlich: Unbekannte Mensehen sind für jedermann Abbilder der kommenden Ereignisse, Bettler zeigen also ihrerseits an, daß ihrem Erscheinungsbild und ihren Handlungen die des Träumenden gleichen werden. Erhalten sie ein Geldstück, prophezeien sie dem Spender oder einem seiner Angehörigen einen großen und gefährlichen Verlust, häufig auch den Tod, weil sie unter den Menschen die einzigen sind, die genauso wie der Tod nichts von dem, was sie einmal empfangen haben, zurückgeben. Bettler, die ein Haus betreten, zeigen einen Rechtsstreit um dessen Besitz an, und falls sie etwas in die Hand bekommen, sei es mit Gewalt oder in Form eines Almosens, bedeuten sie einen außerordentlichen Schaden. Dasselbe gilt, wenn sie das Grundstück betreten. 54 Ein Schlüssel, den man im Traum schaut, bedeutet einem Heiratslustigen, er werde eine treue und haushält erische Frau bekommen, und einem Mann, der eine Sklavin kaufen will, verspricht er eine Dienerin, die es gut mit ihm meinen wird. Eine Reise verhindert er, weil er das Symbol der Verriegelung und der Haft ist. Er dient ja nicht zum öffnen, sondern zum Verschließen der Tür, denn sonst brauchte man weder Schlüssel noch Tür. Ist aber kein Hauswart da, dann sind Schlüssel und verschlossene Türen vonnöten. Folgerichtig ist er für diejenigen ein Hindernis, die auf Reisen gehen wollen; für Leute aber, die bereit sind, ein Aufseheramt zu übernehmen oder fremden Besitz zu verwalten, ist er das Drittes Buch

86 86 Sinnbild des Vertrauens. 55 Träumt man Taschenspielerei zu betreiben, ohne dieses Metier zu beherrschen, wird man durch Lug und Betrug große materielle Gewinne einheimsen, weil man dabei viele Steine verschwinden läßt und sie bald hier, bald dort wieder vorzeigt, und zwar auf keine einfache Weise, sondern mit Hilfe von Tricks. Schaut man, wie ein anderer derlei Kunststückchen vorführt, wird man belogen betrogen und dadurch ruiniert werden. 56 Ein Koch im Haus bringt Heiratslustigen Glück; denn bei Hochzeiten benötigt man ihn. Ebenso Armen; denn Herrschaften, die an reich besetzter Tafel speisen, beschäftigen einen Koch. Kranken zeigt er Verschlimmerungen, Entzündungen und eine wechselhafte Mischung der Säfte an, wodurch sich nach Ansicht der Fachleute bitterer Gallenfluß bildet; schließlich bedeutet er Tränen wegen des Rauchs, der bei seiner Arbeit entsteht. Verborgenes bringt er zutage und geheime Machenschaften deckt er auf, weil die Künste eines Kochs aufgetischt und den Gästen vorgesetzt werden und ihre Qualität auf diese Weise offenbar wird. Schlächter auf dem Markt, die Fleisch zerhacken und zum Kauf anbieten, sind Vorboten von Gefahren. Kranke raffen sie schneller dahin, weil sie mit Leichnamen zu schaffen haben und diese weder ganz noch heil lassen, sondern zerstückeln. Reichen prophezeien sie außer Gefahren noch Verluste, weil ein solcher Fleischhacker das Fleisch unter die Leute bringt. Deshalb jagt er ängstlichen Gemütern einen noch größeren Schrecken ein, doch befreit er wegen des Zerteilens und Zerhackens von Schulden und Fesseln. 57 Ein Gastwirt bedeutet Kranken den gleicht demtod, weil er jedermann aufnimmt. Allen übrigen Menschen zeigt er Drangsale, Beklemmungen, Bewegungen und Reisen an. Der Grund liegt auf der Hand. Wozu sollte man über einen so klaren Sachverhalt noch Worte verlieren? Dasselbe wie ein Gastwirt bedeutet ein Gasthaus Ein Zöllner bringt jedem Glück, der ein Geschäft abwikkeln und erfolgreich abschließen will; denn durch die Entrichtung des Zolls prophezeit er den Abschluß eines jeden Geschäftes. Leuten, die fortziehen wollen - immer steht der Zöllner ja an den Toren -, kündigt er kurze Verzögerungen an, läßt sie dann aber ihres Weges ziehen und dorthin reisen, wohin sie wollen. Kranken prophezeit er den Tod; denn telos nennen wir auch den Tod 408. Im Hinblick auf Eheschließungen und Gemeinschaften besagt er, daß Partner und Ehefrauen einesteils wohlwollend, andererseits zänkisch und streitsüchtig sein werden, weil es bei der Erhebung des Zolls jedesmal zu Auseinandersetzungen kommt. Ihr Wohlwollen und ihre Zuverlässigkeit lassen sich aus der Tatsache erklären, daß Zöllner einen Wachdienst ausüben. 59 Spartgras 409 ist furchtsamen Leuten von Übel; denn es macht die Furcht noch mächtiger und niederdrückender. Sklaven prophezeit es Folterung und Qualen; ebenso den Armen unter den Freien, mit Ausnahme jener, die unmittelbar oder mittelbar ihren Lebensunterhalt mit ihm erwerben. Das Spartgras wird nämlich gebrochen und geflochten. Menschen, die in Saus und Braus leben, bedeutet es Drangsale und Beklemmungen, und Verreiste führt es in die Heimat zurück, besonders "wenn sie weit übers Meer gefahren sind; denn das Spartgras wird über See herangeschafft. Der Flachs ist bezüglich einer Eheschließung und einer Gemeinschaft von guter Vorbedeutung, weil er geflochten wird, ferner im Hinblick auf Hoffnungen und Erwartungen, weil das Jagdgerät, die Wolkennetze und ähnliche Instrumente, mit denen die Menschen den Tieren weit und breit nachstellen, aus ihm verfertigt werden. Im übrigen bedeutet er dasselbe wie das Spartgras, nur mit geringerer Wirkung. Der Hanf steigert mächtig die Wirkung dessen, was durch das Spartgras und den Flachs bezeichnet wird, und bedeutet unerträgliche Folterqualen und starke Fesselung 410 ; zerschnitten aber zeigt er Befreiung von allen Plagen an. Man bedenke jedoch, daß keines von diesen Dingen Großhändlern und Verkäufern derselben und Leuten, die unmittelbar oder mittelbar durch sie ihren Lebensunterhalt erwerben, etwas Unheilvolles ankündigt. 60 Von jemand gewaltsam festgehalten und bewacht zu werden zeigt Geschäftsverwicklungen, Hindernisse und Aufschübe in den Terminen an, und in Krankheiten Verschlimmerung derselben, Rettung aber denjenigen, die in äußerster Gefahr sind. Denn wir nennen das Leben ein Behüten, ein Beobachten und ein Beharren des Seienden, das Gegenteil davon aber Auflösung und Vergehen, das heißt Tod. Betritt man freiwillig einen Kerker oder ein Gewahrsam oder wird man gewaltsam von Leuten hineingeworfen, so prophezeit das schwere Krankheit oder große Betrübnis. Scharfrichter Drittes Buch

87 87 und Gefängniswärter bedeuten Freiheitsentzug und Kümmernis. Verbrecher legen sie in Fesseln und bringen Verborgenes ans Licht. Denn sie legen an Übeltäter, die überführt und auf frischer Tat ertappt sind, Hand an. 61 Nachtfeiern, nächtliche Festlichkeiten und Freudenfeste, bei denen man die ganze Nacht wach bleibt, sind im Hinblick auf Hochzeiten und Gemeinschaften von guter Vorbedeutung und verheißen Armen Wohlstand und Zuwachs an Vermögen. Ebenso befreien sie erfahrungsge mäß Betrübte und Verängstigte von Angst und Kummer. Denn man feiert gewöhnlich nur dann die ganze Nacht hindurch, wenn man in heiterer Stimmung ist. Ehebrecher und Ehebrecherinnen haben Entdeckung, doch keine Strafe zu gewärtigen, weil das lose Treiben bei diesen Festen zwar den Teilnehmern bekannt ist, doch ge wissermaßen, selbst wenn es überschäumt, stillschweigend geduldet wird. Leuten, die in Wohlstand und glänzenden Verhältnissen leben, beschwören sie Aufregungen und üble Nachreden herauf, die aber zu guter Letzt ohne schlimme Folgen sein werden. 62 Der Marktplatz ist das Symbol von Verwirrung und Getöse, weil die große Menge sich dort einfindet. Leuten, die auf dem Markt zu Hause sind, bringt es Glück, wenn sie ihn im Traum, von Menschen wimmelnd und lärmerfüllt, schauen. Ist er jedoch verlassen und still, prophezeit er ihnen Stockung des Geschäfts, allen anderen aber große Sicherheit. Ein bepflanzter Marktplatz wird natürlich für jeden unbetretbar, gleichgültig, womit er bepflanzt ist. Es behaupten einige, daß ein solcher Zustand dem Gemeinwesen, wenn es glückliche Zeiten durchlebt, Hungersnot, wenn es von einer Hungersnot heimge sucht wird, glückliche Zeiten bedeute. Theater, Straßen, Vorstädte, heilige Bezirke, Säulengänge und alle öffentlichen Anlagen haben dieselbe Bedeutung wie ein Markt platz Sehr große Standbilder aus Erz, die sich bewegen, wegen der Bewegung des Erzes Symbole des Wohlstands, der Einkünfte und des Gelderwerbs. Dagegen verursachen die übermenschlich großen, gleichgültig, wie sie sich bewegen, Schrecken und ungewöhnliche Gefahren; denn ihre Bewegung ist furchterregend und versetzt die Schauenden ganz natürlich in Schrecken. Standbilder aus Marmor oder einem anderen Material sind genauso auszulegen wie die Götterbilder. Ferner bedeuten die Standbilder die führenden Männer der Stadt. Alles, was jene tun oder erleiden, werden auch die Obrigkeiten der Stadt erleiden»". 64 Der Maulwurf bedeutet wegen seines traurigen Loses einen blinden Menschen, ferner eine vergebliche Anstrengung, weil das Tier sich vergeblich abmüht. Wer sich verbergen will, wird sich selbst verraten. Denn der Maulwurf wird eingefangen, weil er sich durch Werke verrät. 65 Der Steinkauz, die Schleiereule, der Uhu, der Waldkauz, die Zwergohreule, die Waldohreule und die Fledermaus und alle anderen Arten von Nachtvögeln vereiteln samt und sonders Unternehmungen, geben jedoch zu Befürchtungen keinen Anlaß, weil Nachtvögel weder am Tag jagen noch Fleisch fressen. Einzig die Fledermaus bringt schwangeren Frauen Glück; denn sie legt nicht wie die anderen Vögel Eier, sondern bringt lebendige Junge zur Welt, hat in den Brüsten Milch und zieht ihre Jungen groß. Schaut jemand, der zu Wasser oder zu Lande reist, einen von diesen Vögeln, wird er in einen heftigen Sturm geraten oder unter die Räuber fallen. Nisten sich diese Vögel im Haus ein, wird dieses völlig veröden Die Uhr bedeutet Handlungen, Unternehmungen, Bewegungen und Inangriffnahme von Geschäften: Alles nämlich, was die Menschen tun, vollbringen sie im Hinblick auf die Stunden. Deshalb ist es übel und verhängnisvoll, besonders für Kranke, wenn eine Uhr zusammenfällt zerbricht. Immer ist es besser, die Stunden vor der Mittagszeit als nach derselben zu zählen. Diese Nachträge dürften ausreichen, um das Fehlende zu ergänzen. Sie in den vorhergehenden Büchern unterzubringen, schien mir nicht angezeigt, da sie dort unpassend und nicht am richtigen Platz gewesen wären, andererseits war es unklug, sie ganz fortzulassen, um nicht irgend jemand, wie gesagt, Tür und Tor zum Schreiben zu öffnen. Man mache sich einmal klar, daß nichts so schwierig und mühevoll ist, als die Verschlingung und Verdichtung der Drittes Buch

88 88 Traumbilder zu durchschauen und alle in einer einzigen Aussage zusammenzufassen, weil sie vielfach einander widersprechen und nichts Gemeinsames haben. Es ist aber schlechthin ausgeschlossen, daß die gegebenen Zeichen im Widerspruch zueinander stehen, wenn je die Traumgesichte alles, was sich in der Zukunft ereignet, vorhersagen. Vielmehr, wie es im Tagesgeschehen eine Ordnung und Reihenfolge gibt, so müssen auch die Traumgesichte einer gewissen Ordnung unterliegen. Wenn jemand also Gutes und Schlechtes zugleich schaut, überlege er, was er zuerst sah, das Gute oder das Schlechte. Denn im täglichen Leben gehen zuweilen viel versprechende Hoffnungen übel aus, während lang gehegte Befürchtungen Ursachen großen Glücks werden. Ferner ist es manchmal von Nutzen, statt großer Übel kleine zu erleiden, und umgekehrt erweist sich so manche kleine Erwartung auf Glück oder Unglück als trügerisch und vergeblich. Auf diese Weise sind begreiflicherweise auch die Traumgesichte infolge der Verdichtung der in ihnen auftauchenden Zeichen vieldeutig und für die meisten unergründbar. Damit nun jede einzelne Traumerscheinung in ihrer Bedeutung verständlich werde, habe ich sie in der entsprechenden Reihenfolge und Ordnung und, soweit möglich, methodisch behandelt. Wie die Elementarlehrer den Lernanfängern zuerst die Bedeutung der Buchstaben beibringen und ihnen dann zeigen, wie alle insgesamt anzuwenden sind, so will auch ich zu dem Gesagten noch ein paar kurze, leicht verständliche Hinweise geben, damit jedermann den Inhalt der Bücher leicht erfasse. Denn für Leute, die Erfahrung und viel Übung haben, ist die Darstellung leicht faßlich und völlig ausreichend, um die Bedeutung einer jeden Erscheinung aufzuzeigen. Im ersten Buch sagte ich, daß der Kopf den Vater des Träumenden bezeichne, im zweiten, daß der Löwe den Kaiser oder eine Krankheit versinnbildliche, und in dem Abschnitt über den Tod zeigte ich, daß das Sterben für Arme glückbringend und nützlich sei. Wenn nun ein armer Mann, der einen reichen Vater hat, träumt, sein Kopf ihm von einem Löwen abgerissen worden und er komme dadurch zu Tode, so steht zu erwarten, daß sein Vater sterben und ihn als Erben einsetzen wird, und auf diese Weise dürfte er sorgenfrei und wohlhabend werden, weil er nicht länger seinen Vater als Last noch drückende Not zu ertragen hat. Es bedeutet nämlich der Kopf den Vater, das Abreißen des Kopfes den Verlust des Vaters, und der Löwe die Krankheit, an der der Vater stirbt; der Tod hingegen bezeichnet den Wechsel in den Lebensverhältnissen und die durch den Reichtum erworbene Unabhängigkeit. Auf diese Weise hat man bei allen vielschichtigen Traumgesichten die Deutungen herauszufinden, indem man jedes einzelne Kernstück zu einem abgerundeten Ganzen fügt und verschmilzt. Man muß seine Auslegungen nach Art der Opferpriester geben, die einerseits genau wissen, wohin jedes einzelne Zeichen paßt, andererseits ihre Urteile ebensosehr aus jedem einzelnen als allen Zeichen zusammen schöpfen. Möchten doch meine verehrlichen Leser diesen Büchern ihr freundliches Wohlwollen schenken und nichts bekritteln, bevor sie gewissenhaft geprüft haben; ich könnte einen Schwur darauf ablegen, daß meine Bücher aufmerksame Leser so in ihren Bann ziehen werden, daß diese künftig nicht mehr von der Beschäftigung mit diesem Wissensgebiet ablassen. Die wichtigsten Ergänzungen habe ich, verehrter Cassius Maximus, in diesen Büchern alle vollständig, so wie es angezeigt war, niedergelegt. Was den Titel anbetrifft, so wundere dich nicht, daß als Verfasser Artemidoros aus Daldis und nicht aus Ephesos geschrieben steht, wie auf vielen Büchern, die ich über andere Gegenstände ge schrieben habe. Ephesos besitzt schon an und für sich einen großen Namen und hat viele bedeutende Herolde seines Ruhmes gefunden, während Daldis, ein nicht sonderlich angesehenes Städtchen Lydiens, bis auf unsere Zeit unbekannt geblieben ist, weil es keine solchen Geistesgrößen hervorgebracht hat. Deshalb widme ich als meiner Heimatstadt mütterlicherseits voller Dankbarkeit diese Bücher als Lohn für meine Erziehung. Drittes Buch

89 89 VIERTES BUCH Artemidoros grüßt seinen Sohn Artemidoros Da ich mich durch den Ruf des Gottes und die Förderung seitens des trefflichen Cassius Maximus veranlaßt gesehen habe, Bücher über Traumdeutung zu schreiben, um dem Freund meinen Dank zu bezeigen und mein Wissen nicht dadurch leichtfertig zu verschwenden, daß ich es dem Vergessen und meiner Unentschlossenheit preisgab, habe ich nach dem Maß meiner Kräfte diese Bücher verfaßt, die nach meinem Dafürhalten weder der Großartigkeit der Kunst ermangeln noch, was die Vollständigkeit betrifft, Mängel aufweisen, jedenfalls für Leser, die einigermaßen gebildet sind; denn ich habe alle Träume, die man schauen kann und die tagtäglich vorkommen, zusammengestellt und dabei eine Gliederung und ein Ordnungsprinzip zugrunde gelegt, das dem menschlichen Leben entspricht; jedes einzelne Geschehen von der Geburt bis zum Tod habe ich berücksichtigt und bedacht, worauf es sich beziehen und in welcher Hinsicht es sich erfüllen könnte, "wobei ich mich nicht von einem bloßen Mutmaßen, sondern von der Erfahrung und dem Zeugnis der Traumerfüllungen leiten ließ. Alles, was die Alten nur im Ansatz und nicht vollständig erklärt niedergeschrieben haben, habe ich zu einem gegliederten und untrüglichen System ausgearbeitet und auch Gegenstände mit aufge nommen, die ganz neue Ausgänge aufweisen oder selbst ganz neu sind. Ich war des Glaubens, daß das auf zwei Bücher berechnete Werk den Stoff erschöpfend behandelt habe. In der Folge jedoch stellte sich heraus, daß einige Punkte darin nicht behandelt worden waren, unbedeutende zwar und solche, die keine besondere Beachtung verdienen, aber gleichwohl von Leuten vermißt werden, die alles bis ins kleinste untersuchen und darauf bedacht sind, nichts ungeprüft hingehen zu lassen. Ich habe nun das Allerwichtigste, soweit wie möglich, gesammelt, ohne dabei ein einheitliches Gliederungsprinzip zugrunde zu legen - denn es war rein unmöglich, Dinge, die so beziehungslos untereinander sind, zu einem geschlossenen Ganzen zu formen und zusammenzufügen -, und in loser Aufeinanderfolge der Gegenstände ein drittes Buch, Wahrheitsfreund oder Wegweiser betitelt, geschrieben. Es lebte aber einmal auf Erden ein gewisser Momos 413, ein aus der Gemeinschaft der Götter und Dä monen ausgestoßener Unhold, dem man nach Kräften entgegenwirken muß, weil alle Welt weiß, daß er gerade die besseren Leistungen mit mehr Waffen bekämpft. Denn es kommen mir jetzt Vorwürfe von Leuten zu Ohren, die erklären, der Inhalt der Bücher entspreche durchaus der Wahrheit, doch wäre nicht alles ausgearbeitet noch begründet, ja es gäbe sogar Fälle, wo Dinge, die für das Verständnis der Sache unentbehrlich seien, ausgelassen wären. Deswegen bin ich nach langer Überlegung in meinem und deinem Interesse daran gegangen, dieses Buch zu verfassen, damit du für alle Fälle gewappnet bist, wenn es einzig auf die Deutung ankommen sollte, und den Kritikern gegenüber ohne weiteres eine Antwort zur Hand hast; dabei denke immer daran, daß dieses Buch dir zugeeignet ist, damit du persönlich den Nutzen davon hast und es nicht etwa durch Abschriften vielen zugänglich machst. Denn die folgenden Aufzeichnungen werden dich, wenn sie in deiner Hand bleiben, allen Traumdeutern überlegen oder wenigstens ebenbürtig machen, veröffentlichst du sie aber, wird der Eindruck entstehen, dass du nicht mehr als die anderen von der Sache verstehst. Wisse wohl, daß viele, wenn nicht alle Schrift en, deren Ziel es ist, in der Kunst des Weissagens Erfolg zu haben, sich mit meiner nicht messen können. So schreibe ich dir in regelrechter und bestimmter Form jeden einzelnen Punkt der Untersuchung nach der in den ersten zwei Büchern befolgten Einteilung von Anfang an wieder auf. Jenen Leuten, die erklären, es wäre nicht alles begründet, wirst du treffend die Worte entgegenhalten, die ich im Vorwort zum ersten Buch vorgebracht habe: «Von Fällen abgesehen, wo die Sache so klar ist, daß man eine Bemerkung darüber für überflüssig halten müßte.» Denen wiederum, die einwenden, es sei nicht alles ausge arbeitet und einiges weggelassen, wirst du entgegenhalten, daß Dinge, die gewissen anderen ähneln, als selbstverständlich übergangen oder nicht behandelt worden wie das Kopfband neben der Stirnbinde, der Hase neben dem Hirschen, das Kamel neben dem Elefanten, der Safran neben dem Myrtensaft und den anderen Arten von Wohlgerüchen, und daß das, was das Schwein die Vögel bedeuten, auch deren Fleisch bedeutet. Viertes Buch

90 90 Was die Frage nach dem Unterschied von Traumge sicht und Traum betrifft, so habe ich oben mit aller Klarheit darauf hingewiesen, daß der Traum vom Traumge sicht verschieden und mit ihm nicht identisch ist. Freilich könnte man auch das Traumgesicht mit gutem Recht als Traum bezeichnen; will man sich aber sachgerecht ausdrücken, hat man jedem Ding den ihm zukommenden Namen zu geben, und dementsprechend heißt dasjenige Gebilde, das keine Bedeutung hat und nichts voraussagt, das nur im Schlaf sich auswirkt und aus einer unvernünftigen Begierde oder einer übermächtigen Furcht, aus einem Gefühl der Übersättigung oder aus Nahrungsmangel entsteht, ein Traum, während jenes, das sich nach dem Schlaf als wirkmächtig erweist und zum Guten oder Schlechten ausgeht, aus den am angegebenen Ort angeführten Gründen als Traumgesicht bezeichnet wird. In der Umgangssprache freilich darf man beide Bezeichnungen nach Belieben verwenden, so wie auch der Dichter sagt: «Höret, o Freunde, es kam mir im Traume ein göttlich Gesicht zu.» 414 Er liebt es nämlich, Haupt- und Zeit wörter und alle anderen Redeteile, die gleichbedeutend sind, zu gebrauchen, wie z.b. «rings um den Brunnen herum» und «falls Odysseus käme und einträfe» 415 und noch viele andere Beispiele. Berücksichtige ferner, daß Leute, die einen guten und gesitteten Lebenswandel führen, weder Träume noch irgendwelche sinnlosen Trugbilder bekommen, sondern ausschließlich Traumgesichte, und zwar meistenteils theorematische; denn ihre Seele wird weder durch Befürchtungen noch durch Hoffnungen verwirrt, und dann sind sie auch Herr über die sinnlichen Leidenschaften. Kurz und gut, einem verantwortungsbewußten Menschen erscheint weder ein Traum noch sonst ein sinnloses Trugbild. Damit du dich aber nicht täuschst, so wisse, daß die große Menge nicht dieselben Träume hat wie jene, die sie zu deuten vermögen. Was nämlich die große Menge wünscht oder fürchtet, dergleichen schaut sie auch im Schlaf, während Leute mit Sachverstand und Schulung auf diesem Gebiet ihre Wünsche durch Symbole kundtun. Wenn aber ein Laie etwas schaut, hat man seine Erlebnisse nicht als Träume, sondern als Traumerscheinungen aufzufassen. Wenn sich z.b. einer, der von Traumdeutung etwas versteht, entweder weil er Traumbücher studiert hat oder weil er mit Traumdeutern verkehrt oder weil er ein sicheres Gespür für Auslegungen hat, in eine Frau verliebt hat, so wird er nicht die Geliebte schauen, sondern ein Pferd, einen Spiegel, ein Schiff, das Meer, das Weibchen von einem Tier, ein Frauenkleid oder sonst etwas, was eine Frau bedeutet. Ist er im Begriff, eine Reise anzutreten, wird er nicht etwa von Fahrzeugen träumen oder von Schiffen, von Bettsäcken, fertigem Reisegepäck oder von einer Reisevorbereitung, sondern er wird zu fliegen glauben, er wird ein Erdbeben, einen Krieg, einen Blitz oder sonst ein Symbol einer Reise schauen. Und wenn er vor jemand Angst hat oder einem Menschen zu entkommen sucht, wird er nicht den Betreffenden selbst zu Gesicht bekommen, sondern wähnen, einem wilden Tier zu ent rinnen, Ketten zu sprengen, Räuber zu töten, den Göttern zu opfern oder sonst ein Traumerlebnis haben, wie es für Menschen charakteristisch ist, die einem Schrecken und einer Aufregung entronnen sind. So erging es auch dem Maler in Korinth, der häufig träumte, er begrabe seinen Herrn; das eine Mal glaubte er, das Dach des Hauses, in dem er sich aufhielt, stürze ein, das andere Mal, sein eigener Kopf sei ihm abgeschnitten. Nichtsdestoweniger blieb sein Herr am Leben und lebt noch heute. Weil der Mann aber von solchen Zeichen etwas verstand, trieb seine Seele kunstgerecht mit ihm ihr Spiel; denn dieselben Gesichte hätten einem anderen den Tod seines Herrn prophezeit. Damit dir aber die Entscheidung in solchen Fällen nicht schwer falle, so wisse wohl, daß viele und fast die meisten, um nicht zu sagen alle, zu jenen gehören, die Träume allgemeiner Art haben, während nur ganz wenige und einzig Traumdeuter die übrigen Gesichte schauen, über die im vorhergehenden gehandelt worden ist. l Alle Traumgesichte zerfallen in zwei Gruppen; die einen nennt man die theorematischen, die anderen die allegorischen. Theorematische Traumgesichte heißen diejenigen, welche ihrem Erscheinungsbild entsprechend ausgehen, allegorische dagegen jene, die das Angedeutete durch verhüllte Anspielungen kundtun. Da es aber auch hier die Möglichkeit eines Irrtums gibt, wenn man im Ungewissen darüber ist, ob man sich an das Geschaute selbst halten soll oder an irgendeinen anderen Ausgang, so besteht gleichwohl für dich die Möglichkeit, eine Entscheidung zu treffen. Erstens gehen theorematische Traumgesichte auf der Stelle und sehr bald in Erfüllung, allegorische dagegen erst nach Ablauf einer längeren oder kürzeren Zeitspanne. Viertes Buch

91 91 Sodann wäre es einfältig. Wunderzeichen und Vorgänge, die einem im Wachzustand niemals zustoßen können, als theorematische Traumgesichte aufzufassen. Als Beispiel nenne ich, wenn jemand träumt, er wäre ein Gott geworden, er fliege, er habe Hörner, oder er sei in den Hades hinabgestiegen (... Anders verhält es sich, wenn man träumt...), oder man wäre von einem Hund gebis sen worden, man übernehme eine Hypothek, erblicke einen Freund, spüre einen entlaufenen Sklaven auf, tafele eigenen Haus oder zeche, mache eine Anstrengung oder verliere etwas; diese und ähnliche Gesichte gehen bisweilen so aus, wie man sie schaut, bisweilen auf allego rische Weise. Wenn sie augenblicklich in Erfüllung ge hen, erübrigt sich ihre Deutung, ist das nicht der Fall, bilde für jedes Gesicht die zutreffende Auslegung aus den vorausgehenden Büchern. Sodann behandele Vorgänge, die selten sind und vielleicht nur einmal eintreten, als Wunderzeichen und Ausnahmefälle von den obigen Regeln; halte die Möglichkeit ihres Vorkommens für gegeben, doch benutze sie nicht als überall und in jeder Beziehung gültige Fälle. So träumte Druson aus Laodikeia, er habe das Haus seines Freundes gekauft; er kaufte es aber erst drei Jahre später. Dieses ist jedoch das einzige theorematische Traumge sicht, das unseres Wissens erst spät und nicht augenblicklich in Erfüllung gegangen ist; was die persönlichen, ge meinsamen, fremden, politischen und kosmischen Traumgesichte betrifft, so hast du im ersten Buch einen in die kleinsten Details ausgearbeiteten Leitfaden zur Hand. Doch bedeuten auch bei dieser Betrachtungsweise Leute, die denselben Beruf ausüben, auch wenn es gute Bekannte sind, die Berufe selbst. Dementsprechend bedeutet ein Lehrer einem Lehrer nichts anderes als die Lehrtätigkeit, ein Rhetor 416 einem Rhetor nichts anderes als die Redekunst, und ebenso bei den Handwerkern der Schmied dem Schmied das Schmiedehandwerk und der Zimmermann dem Zimmermann die Zimmermannskunst. So sah z.b. der Rhetor Philagros im Traum den Rhetor Varus krank daniederliegen, und er konnte auf lange Zeit wider Willen seinen Beruf nicht ausüben. Und in Kyzikos 417 träumte ein Zimmermann, sein Tür an Tür wohnender Zunftgenosse sei gestorben und werde zu Grabe getragen; nun mußte er selbst unter dem Druck seiner Gläubiger seine Werkstatt räumen und die Stadt verlassen. 2 Damit du denen gegenüber eine Antwort zur Hand hast, die der Ansicht sind, die Zahl von sechs Kategorien wäre in polemischer Absicht angegeben, und damit du selbst dich von jenen, die eine größere Zahl verfechten, nicht irrernachen läßt, mag folgende Überlegung förderlich sein. Alles Seiende verdankt teils der Natur, teils dem Brauch seinen Ursprung. Es sind dies die ersten und wichtigsten zwei Kategorien. Was nun der Natur gemäß ist, muß immer gleich und unveränderlich verharren, während das, was als Brauch gilt, auf gemeinsamer Übereinkunft beruht und menschliche Satzung ist; man nennt es Sitte. Es ist das, wie Phemonoe 418 sagt, das ungeschriebene Gesetz. Jene Verhaltensregeln aber, die man aus Furcht vor Übertretungen niedergeschrieben hat, heißen Gesetze, weil nach allgemeiner Anschauung das von ihnen Erfaßte so sein müsse. Auf allgemeiner Übereinkunft beruhen Mysterien, religiöse Feiern, Festversammlungen, Wettkämpfe, Heerwesen, Landwirtschaft, Gestaltung des öffentlichen Lebens, Ehe, Kindererziehung und andere ähnliche Einrichtungen, während jeder einzelne aufgrund eigener Entscheidung seinen Lebensstil, seine Kleidung, Schuhe, Nahrung, Frisur und sonstige Ausstattung, seinen Beruf und seine Lebensführung wählt. «Überall gilt eine andere Sitte, jedweder aber lobt die eigene Art», sagt Pindar 4 ' 9. Die Macht der geschriebenen Gesetze aber bleibt immer dieselbe, und demjenigen, der nach dem Gesetz handelt, werden Anerkennung, Auszeichnungen, ein guter Ruf und eine große Sicherheit zuteil, während der Gesetzesübertreter Strafen, Zücht igungen und Gefahren zu gewärtigen hat. Das Gebiet des Gesetzes läßt sich nicht weiter teilen außer durch die Kategorie der Zeit, während die Sitte in Zeit, Kunst und Namen Unterteilungen hat; denn alles, was in Übereinstimmung mit dem Gesetz oder im Widerspruch zu ihm getan wird, geschieht, geschah oder wird in jedem Fall innerhalb eines gewissen Zeitraums geschehen; die Zeit wiederum zerfällt in Zeitabschnitte und Stunden. Bei allen Betätigungen gehen die Menschen ferner entweder kunstgerecht oder kunstlos vor, und zwar kunstgerecht die Geschulten, kunstlos aber diejenigen, die es nicht sind. Zur Ausübung einer Kunst benötigt man Werkzeuge, Viertes Buch

92 92 mechanische Vorrichtungen und all die Hilfsmittel, die für eine jede für nützlich und passend gehalten werden. Daß alles Seiende einen Namen hat, ist unnötig zu sagen. Von den Namen sind nach allgemeiner Ansicht die einen von guter, die anderen von schlechter Vorbedeutung. Wenn nun einer zu den sechs Kategorien noch andere hinzufügt, so wird er doch der Bedeutung, wenn auch nicht dem Laut nach etwas sagen, was zu diesen gehört. So sind z.b. Freude, Schmerz, Haß, Liebe, Krankheit, Gesundheit, Ausscheidung und Nahrungsaufnahme, Schönheit, Häßlichkeit, Wachstum, Hinschwinden, Geburt, Tod und alle ähnlichen Begriffe naturgemäß; denn sie sind weder von der Natur verschieden, noch verhalten sie sich wie Kategorien; die Natur ist nämlich kein leerer Name, vielmehr wird sie der Kreis lauf all dessen genannt, was überall und allenthalben sein oder nicht sein wird. So sind auch Gesetz und Sitte nicht an und für sich bloße Namen wie die Bezeichnungen für bedeutungslose Laute oder Töne, sondern Gesetz und Sitte sind an etwas Konkretes gebunden. Wenn daher jemand sagt Ehe, Ehebruch, Räuberei, anvertraute Hypothek, Frevel oder aber Frisur, Kleidung oder irgendein Nahrungsmittel, so äußert er unbewußt den Begriff Gesetz oder Sitte wie irgendeine andere Kategorie. Ebenso wenn er von einem Gerät, einer mechanischen Vorrichtung oder einem Werkzeug als einer Kategorie spricht, meint er die Kunst oder den Namen oder die Zeit; und zwar die Kunst, wenn er die Tätigkeit mit den Werkzeugen im Sinn hat; den Namen, wenn er die mechanische Vorrichtung oder das Gerät meint, die Zeit hingegen, wenn er beides äußert, wie z.b. Sichel oder Hacke. Zu bestimmten Zeiten nämlich benötigen die Menschen sowohl die Sichel als auch die Hacke. Allgemein gilt also die Regel, daß alles, was im Einklang mit Natur, Gesetz, Sitte, Kunst, Namen oder Zeit geschaut wird, von guter Vorbedeutung ist, wä hrend das Gegenteil davon Unheil und Schaden heraufbeschwört. Bedenke aber, daß diese Regel durchaus nicht allgemeingültig ist, sondern nur für die Mehrzahl der Fälle gilt; denn es gibt viele Traumerlebnisse, die im Widerspruch zur Seinswirklichkeit manchem glücklich ausgehen, obwohl sie nicht mit der Natur und den anderen Kategorien im Einklang stehen. So träumte z.b. jemand, er schlage seine Mutter. Seine Handlungsweise war gesetzwidrig, aber gleichwohl brachte sie ihm Nutzen, weil er Töpfer von Beruf war; denn wir nennen die Erde Mutter, die der Töpfer durch Schlagen bearbeitet. Infolgedessen brachte ihm seine Arbeit viel ein. Merke dir ferner, daß die häufiger vorkommende Sitte gegenüber der selteneren den Ausschlag gibt. So hatte der Rechtsgelehrte Aristeides 420 die Gewohnheit, weißgekleidet in der Öffentlichkeit zu erscheinen. Als er aber während einer Krankheit träumte, er trage weiße Kleider, zog er aus dieser Gewohnheit keinen Nutzen; kurze Zeit darauf starb er nämlich; denn ausschlaggebend war die mächtigere Sitte, nach der die Toten in weißen Kleidern zu Grabe getragen werden. Sodann nehmen berufliche Tätigkeiten, deren Wirkung auf das gleiche hinausgehen, denselben Ausgang, mögen sie auch hinsichtlich ihres Verfahrens verschieden sein. So trä umte der Chirurg Apollonides, er agiere bei der Aufführung homerischer Szenen und verwunde viele, worauf er viele chirurgische Eingriffe vorzunehmen hatte. Denn die Darsteller homerischer Szenen verwunden und vergießen Blut, haben aber nicht die Absicht zu töten; ebenso verhält es sich mit dem Chirurgen. Betrachte auch die im ersten Buch besprochenen Arten als wahr, und du wirst nicht fehlgehen. Da sie dort klar und lehrhaft behandelt worden sind, erübrigt es sich, hier darauf einzugehen. Zu den von Sorgen hervorgerufenen Gesichten zähle diejenigen, die Menschen schauen, die sich wegen persönlicher Dinge den Kopf zerbrechen oder sich von einem unvernünftigen Trieb oder einer Leidenschaft leiten lassen. Wir nennen dieselben auch geforderte Träume 421, weil man von der Gottheit ein Zeichen bezüglich der bedrängenden Schwierigkeiten fordert. Denke aber daran: Wenn du um Traumgesichte bittest, bringe weder Weihrauch dar noch sage Zaubersprüche her und, um das Wichtigste zu sagen, stelle an die Götter keine überflüssigen Fragen. Es wäre fürwahr lächerlich, wenn verantwortungsbewußte Menschen Leute, die mit Zwang und Gewalt etwas fordern, zurückweisen, sich anständigen Personen gegenüber aber entgegenkommend zeigen, die Götter hingegen gewaltsam Fordernden ihr Ohr leihen sollten. Nach dem Traumgesicht bring ein Opfer dar und sage Dank. Sodann spotte ruhig über jene, die den Göttern Vorschriften machen wollen, ich meine Leute, die folgendermaßen «Soll Viertes Buch

93 93 ich das tun?» und «Werde ich das bekommen?» und «Könnte ich doch jetzt die Frucht der Demeter sehen, wenn nicht, die des Dionysos» und «Wenn es mir förderlich und nützlich ist, möchte ich etwas bekommen, wenn nicht, geben»; bei solchen Sprüchen wird dem Irrtum Tür und Tor geöffnet. Denn die Gottheit ist es, die der Seele des Schauenden, die von Natur eine seherische Kraft besitzt - oder wenn irgend etwas anderes Ursache des Träumens ist -, im Hinblick auf die kommenden Ereignisse Traumgesichte sendet. Derjenige nun, der das Geträumte mit seiner Frage Zusammenhang bringt, irrt sich, falls jenes das Gegenteil bedeutet. So verursacht z.b. Ungebackenes Brot, obwohl es eine Frucht der Demeter ist, weil es erst gebacken werden soll, bei einem Kranken ein heftigeres Fieber, während der Rebstock und der Wein für einen, der heiraten oder sich einer Gemeinschaft anschließen möchte, günstigere Vorzeichen sind als Weizen und Gerste, und zwar der Rebstock wegen der Ranken, der Wein wegen der Mischung. Und für denjenigen, der sich wegen seines Weiterkommens Gedanken macht, ist es besser, etwas schenken und zu geben als zu empfangen, ausgenommen, er bekomme etwas von Bessergestellten; denn wer viel hat, kann anderen davon geben, ein Mittelloser hingegen hält die Hand offen. Man soll also die Gottheit um das bitten, worum man sich Sorgen macht. Das Wie der Weissagung aber muß man der Gottheit selbst oder der eigenen Seele überlassen. 3 Für gottgesandte Traumgesichte halte diejenigen, die sich plötzlich einstellen, so wie wir auch alles Unerwartete gottgesandt nennen. Lege aber nur solche Traumerlebnisse aus, deren Inhalt vollständig wiedergegeben wird, von denen der Träumende eine klare Vorstellung hat und an die er sich genau erinnert; denn man wird es dir ankreiden, falls das Geschaute in Erfüllung geht und es sich herausstellt, daß du nur Einbildungen gedeutet hast. Man muß aber den Eindruck der Unwissenheit zu meiden suchen. 4 Falls du über örtliche Sitten und Gebräuche und über Land und Leute nicht Bescheid weißt, so informiere dich. Reisen und Belesenheit werden dir am ehesten ein Wissen darüber verschaffen; denn Bücher über Traumdeutung allein reichen nicht aus, um dich zu fördern, es müssen alle anderen Wissensgebiete dazukommen. Eine verheiratete Frau träumte, sie betrete den Tempel oder die Wohnstätte der Ephesischen Artemis 422 und speise dort. Bald darauf starb sie; der Tod ist nämlich die Strafe für eine verheiratete Frau, die dort hineingeht 423. Eine Hetäre träumte, sie habe das Heiligtum der Artemis betreten. Sie löste sich von der lockeren Zunft; denn nicht eher dürfte sie das Heiligtum betreten, bis sie nicht ihr Gewerbe aufgegeben. Hinsichtlich der übrigen lokalen Sitten und Gebräuche triff deine Auslegungen bei jeder Stadt oder jedem Land entsprechend den örtlichen Verhältnissen. Scheue keine Mühe, jede Einzelheit des Traumerlebnisses gewissenhaft zu erfragen, denn bisweilen ändern sich schon bei einem geringfügigen Zusatz oder einer unbedeutenden Auslassung die Traumausgänge. So träumte jemand, der einen kranken Sohn hatte, er gebrauche ihn und empfinde Lust dabei. Der Knabe blieb am Leben; denn sowohl für «gebrauchen» als auch für «besitzen» sagen wir «haben». In diesem Fall ging die Deutung von dem Lustgefühl aus. Ein anderer, der einen kranken Sohn hatte, träumte, er gebrauche ihn, sei aber darüber bedrückt. Der Knabe starb; denn «verdorben werden» ist gleichbedeutend mit «mißbraucht werden» und mit «sterben». In diesem Fall ging die Deutung von dem Bedrücktsein aus. Soviel zur Ergänzung dessen, was im Vorwort des ersten und zweiten Buches gesagt worden ist. Mit dem übrigen, das du unbedingt wissen mußt, verhält es sich wie folgt. 5 Alles Geflochtene, nicht nur Seile, Fischer- und Wolkennetze, sondern auch Opferkörbe, Eßkörbe, Packkörbe am Sattelsaum, Woll- und Arbeitskörbe, Kopfnetze, goldene Halsketten, alle Arten von Schmuckketten, Kränze und ähnliche Gebilde sind wegen der Verflechtung im Hinblick auf Eheschließungen, Freundschaften und Gemeinschaften von guter Vorbedeutung, dagegen in bezug auf eine Reise, ein Entlaufen und eine Flucht wegen der Verschlingungen hinderlich; ferner sind sie für Unternehmungen untauglich, ausgenommen für Leute, die mit Arglist etwas ausführen, und wegen ihrer Eigenschaft festzuhalten, jagen sie Menschen, die in Angst leben, Schrecken ein. 6 Alle Männer und Frauen, denen man begegnet und die man erblickt, und zwar Freunde, Wohltäter und überhaupt Personen, die einem nicht schaden oder geschadet haben, verheißen sowohl lebend als tot Glück, diejenigen dagegen, die schaden oder geschadet haben, Unglück; Viertes Buch

94 94 man muß nämlich die geschauten Personen als Abbilder seiner persönlichen Verhältnisse auffassen, und zwar Freunde als der guten, die Feinde als der schlechten. 7 Träumt jemand, der jetzt mittellos oder arm ist, er verfüge wieder über das Geld und Gut, das er ehemals beses sen, oder über die Leute, die er in Tagen des Wohlstands hatte, so winkt ihm Glück; es bedeutet ihm die Wiederkehr der einstigen glänzenden Verhältnisse. Träumt jemand, der jetzt reich ist, er verfüge wieder über das Geld und Gut, das er ehemals besessen, oder über die Leute, die er in Tagen der Mittellosigkeit oder Armut hatte, so zeigt ihm das viele Widerwärtigkeiten und Armut an. 8 Von den im Traum geschauten Personen verursachen diejenigen, die einem die angenehmsten oder liebsten sind oder die den Träumenden gerne haben, selbst wenn sie ihm unbekannt sind. Glück an den kommenden Tagen, Unglück dagegen jene, die einem erzfeind oder verhaßt sind oder die den Träumenden, wenn auch nur im geheimen, hassen. Damit dir aber dies nicht widersprüchlich erscheint, so wisse, daß, wenn du einen deiner Freunde erblickst und dann einen schlechten Tag verlebst, er dich haßt und Freundschaft nur vortäuscht. Und wenn du einen von deinen Feinden schaust und einen guten Tag daß du ihn zu Unrecht hassest. 9 Alle Handwerker, denen man begegnet und die man schaut, bezeichnen dasselbe wie ihr Handwerk. Dasselbe, was Handwerker und deren Handwerk bezeichnen, bedeuten auch ihre Werkstätten, die man schaut, mit Ausnahme der Hetäre und des Bordells; denn eine Dirne bringt an und für sich Glück 424, ihr Zunfthaus aber Unheil. Die Gründe dafür findest du in dem Kapitel über den Geschlechtsverkehr. 10 Was die Kinder betrifft, so sind Knaben von guter, Mädchen von übler Vorbedeutung 425, beide aber sind das Sinnbild von Sorgen. Schaut man Knaben und Jünglinge im Traum, so bringen sie im Hinblick auf Unternehmungen größeren Nutzen als Greise. Handelt es sich um Vertrauensposten, sind Männer und Greise günstiger als Knaben und Jünglinge, ausgenommen, sie tun oder sprechen etwas Unheilvolles. 11 Alles, was langsam wächst und langsam reift, und zwar von den Pflanzen die Eiche, der ölbaum, die Zypresse und ähnliche Gewächse, von den Tieren der Elefant, der Hirsch, die Krähe und ähnliche Tiere, führt sowohl das Glück als auch das Unglück langsamer herbei. Alles aber, was schnell wächst und schnell reift, wie z.b. von den Pflanzen der Weinstock und der Pfirsich, von den Tieren das Schwein und ähnliche Tiere, führt sowohl das Glück als auch das Unglück rasch herbei. Derselbe Gesichtspunkt kommt auch bei Terminen zur Geltung. Ebenso setze alle Feldfrüchte zu den Gartengewächsen in Beziehung und den Bauer, den man im Traum schaut, zum Gärtner. Im besonderen aber ist der Garten Bordellbesit zern von Nutzen, wegen der vielen Samen und der saisonbedingten Arbeit im Garten, dagegen bringt er Frauen allesamt in den Ruf der Sittenlosigkeit und Hurerei 426. Alles, was lang ist, Zypressen, Fichten, Stangen, hochgewachsene Männer und ähnliches besagt, man solle in allem ausdauernd sein und keinen blinden Eifer zeigen; alles Gestutzte und Kurze aber mahnt zur Eile. 12 Alles Feste, Mauern, Grundmauern, alte Bäume, Eisernes und Stählernes, ist ängstlichen Gemütern günstig, wenn man sich davon umhegt wähnt; denn wegen der Sicherheit, die sie gewähren, befreien sie von Angst. Andernfalls prophezeien sie Rettung durch Flucht. Alles Zarte und Straffe bringt jedermann ohne Unterschied Glück. Alles Zarte und Schlaffe ist für Leute, die sich ängstigen, von guter Vorbedeutung. Alles Schwere bezeichnet Behinderung und Armut; denn schwere Dinge sinken rasch nach unten. 13 Alle üblichen Arten von Wagen, z. B. Pferde-, Esel- Maultiergespanne, verheißen den einen Segen, den anderen Viertes Buch

95 95 Unsegen. Ich werde des näheren darauf eingehen, wenn ich zu dem Kapitel über die Tiere komme. Unge wöhnliche Gespanne aber, z.b. mit Wölfen, Panthern, Hyänen und sonstigen wilden Tieren, sind nur Leuten von Nutzen, die mächtige Feinde fürchten, weil die Gespanntiere dem Lenker folgsam sind. Mit einem Menschengespann zu fahren, bringt nur denen Vorteil, die herrschen wollen, ferner Sophisten, Lehrern, Turnlehrern und Sklavenhändlern, während es die übrigen Menschen in üble Nachreden und ins Verderben stürzt. 14 Schmeicheln ist nur für diejenigen gut, die es gewohnheitsmäßig tun, während es alle anderen Menschen erniedrigt; denn Schmeichler sind minderwertiger als die, welche nicht schmeicheln. Von irgend jemand Schmeicheleien zu hören, ist niemandem von Vorteil, am wenigsten von einem Bekannten; denn man muß darauf gefaßt sein, von ihm hintergangen zu werden. 15 Zum Verkauf angeboten werden prophezeit Leuten Glück, die eine Veränderung ihrer gegenwärtigen Verhältnisse wünschen, z.b. Sklaven und Armen; Unheil dagegen Reichen und Männern in einer Vertrauensstellung. Viele wurden auch tatsächlich verkauft. Der zustande gekommene Verkauf unterscheidet sich vom Angebot dadurch, daß der Verkauf immer und auf alle Fälle in Erfüllung geht, das Angebot aber bisweilen auch nicht; denn es ist möglich, daß die schon angebotene Ware doch nicht verkauft wird. Ebenso ist es mit allen anderen Traumge sichten: Was geschehen ist, geht auf alle Fälle in Erfüllung, was erst in der Entwicklung ist, vielleicht oder gar nicht. 16 All das einzukaufen, was Menschen sich zum täglichen Leben auf dem Markt besorgen, ist gut; Kostbarkeiten aber sind ausgenommen. Denn Nahrungsmittel sind für arme Leute nützlicher, den Reichen aber bedeutet es Geldausgaben. 17 Seinen Besitz zu vergrößern und ein ansehnlicheres oder sogar ein glänzendes Vermögen zu haben, das wertvoller als das vorhandene ist oder doch einigermaßen besser, ist gut. Über alle Maßen reich sein aber ist unheilvoll und prophezeit Strafe; denn der Reiche muß großen Aurwand treiben und hat mit Anschlägen und Neid zu rechnen. Das «über die Maßen» beziehe auf die tatsächlichen Vermögensverhältnisse eines jeden. 18 Arm sein bringt niemandem etwas Gutes, am wenigsten Rhetoren und Literaten aller Richtungen; wir gebrauchen nämlich den Ausdruck «mittellos sein» in derselben Bedeutung wie «arm sein» und «nicht seine Stimme erheben können». 19 Alles, was dem Kindesalter nicht zukommt, und zwar bei Knaben ein Bart und graue Haare, bei Mädchen Heiraten, Gebären und andere Verfrühungen, ist samt und sonders unheilvoll, ausgenommen das Sprechen 427. Ganz folgerichtig bedeuten alle anderen vor der Reife auftretenden Merkmale den Tod, weil sie dem Greisenalter nahe stehen, auf das in jedem Fall der Tod folgt. Das Sprechen dagegen ist von guter Vorbedeutung, weil der Mensch ein von Natur mit vernünftiger Rede begabtes Wesen ist. Ein Schullehrer träumte, daß sein fünf Monate altes Söhnchen deutlich und artikuliert spreche. Einige erwarteten, daß das Kind sterben werde; es blieb aber am Leben, und ebenso leben nach diesem Traumgesicht noch viele andere Kinder. Über die anderen der Altersstufe nicht zukommenden Merkmale an denen, die nicht mehr im Kindesalter sind, ist eingehend im ersten Buch im Kapitel über Verwandlungen gehandelt worden. 20 Suche alles zu begründen und jeder einzelnen Deutung eine vernünftige Erklärung zu geben und einige beweiskräftige Belege hinzuzufügen; denn wenn du auch die reine Wahrheit sagst, aber nur einfache und trockene Auslegungen gibst, wirst du den Eindruck erwecken, als ob du weniger Erfahrung besitzt; doch gib dich selbst nicht der Täuschung hin, als ob die Begründung das A und 0 der Traumerfüllungen wäre. Denn viele Dinge erfüllen sich für manche Leute in ständiger Folge, und daß sie regelgemäß ablaufen, wissen wir daher, daß sie jedesmal den gleichen Ausgang nehmen, doch die Gründe, warum sie so ausgehen, vermögen wir nicht herauszufinden. Deshalb hat man, wie ich meine, die Traumausgänge aus der Erfahrung zu schöpfen, die Begründungen aber entsprechend der Fähigkeit eines jeden einzelnen aus der eigenen Einsicht. Viertes Buch

96 96 Hier noch folgender Hinweis: Rückwirkungen, die überall und auf jeden Fall nach gewissen realen Vorgängen eintreten, müssen sich unausbleiblich auch nach Träumen einstellen. So träumte z.b. ein Maler, er lasse sich mit seiner eigenen Stiefmutter ein. Er verfeindete sich darauf mit seinem Vater; denn Eifersucht und Feindschaft sind die Folge eines jeden Ehebruchs. Beachte diese Regel auch bei allen anderen Traumgesichten, und du wirst keinen Fehler machen. Alle Traumerlebnisse, die die Geburt von Kindern oder eine Heirat bedeuten, führen sowohl die außer Landes befindlichen Kinder als auch die geschiedene Gattin zurück. Jemand träumte, er pflüge und säe Weizen. Es kehrten ihm aus der Fremde seine Söhne und die getrennt von ihm lebende Frau zurück. 21 Denjenigen, die behaupten, die bösen Traumgesichte erfüllten sich rascher, die guten langsamer oder gar nicht, kannst du getrost antworten, daß das nicht der Wahrheit entspricht. Der Grund ihres Irrtums ist folgender: Ent weder schauen die Leute unheilvolle Traumgesichte in Gestalt guter Bilder und glauben, wenn das Unheil eintrifft, sie wären von glückverheißenden Traumgesichten genarrt worden - deswegen wirst du auf die Traumge sichte besonderer Art hinweisen, die nach innen von guter, nach außen von übler Vorbedeutung sind -, oder sie schauen, wenn über ihren augenblicklichen Verhältnissen ein Unstern waltet, böse Traumgesichte, die gegenwärtigen Unsegen anzeigen, und gute, die bevorstehenden Segen ankündigen; weil aber die guten sich noch nicht erfüllen, glauben sie, sie wären getäuscht worden. Es werden auch Leute, die in glücklichen Verhältnissen leben, von üblen Träumen heimgesucht, die gewöhnlich nicht ernstgenommen werden, weil sie noch nicht in Erfüllung gehen. Und doch erfüllen sie sich auf jeden Fall. Von den Traumgesichten sind die einen für alle von übler Vorbedeutung, indem sie jedem einzelnen nach Vermögen irgendein Unheil anzeigen; es sind das die nach innen wie nach außen bösen Traumgesichte, die von mir im ersten Buch behandelt worden sind. Die anderen sind für alle ohne Unterschied von guter Vorbedeutung, jene, die nach innen wie auch nach außen Gutes anzeigen. Sodann gehen diejenigen Traumgesichte, die in einer Hinsicht Gutes, in anderer Böses ankündigen, für die einen gut, für die anderen schlimm aus. In welchen Fällen sie gut, in welchen schlecht ausgehen, wirst du jeweils aus der Lebensstellung der Träumenden, ihren Handlungen, ihren Sorgen oder ihrem Lebensalter erschließen. 22 Über Heilanweisungen im Traum 428 eine kritische Untersuchung anzustellen, nämlich darüber, daß die Götter Menschen Behandlungen von Krankheiten verordnen 429, ist sinnlos; denn groß ist die Zahl derer, die in Pergamon, Alexandreia und an anderen Orten durch Traumanweisungen geheilt worden sind; ja es gibt sogar Leute, die erklären, die ärztliche Kunst verdanke solchen Anweisungen ihren Ursprung. Daß aber die Heilträume, die gewisse Leute aufzeichnen, höchst lächerlich sind, ist wohl jedem klar, der nur ein wenig gesunden Menschenverstand besitzt; denn sie zeichnen nicht das auf, was man tatsächlich schaut, sondern nur ihre eigenen Einbildungen. Wenn nämlich einer sagt, es sei Leuten im Winter Nereidenbrühe 430 als Rezept verschrieben worden, so glaubt er offenbar auf Grund einer willkürlichen Wahl, die Cheimai seien besser als die Pelorides (...) Und sie nennen («der Weckstimme Hirn») das Hirn des Hahnes, «beißende Inder» den Pfeffer, «Jungfrauenmilch» die Träne und «Sternenblut» den Tau, «kretisches Schaf» die Quitte und ähnliche Hirngespinste, um nicht mehr Worte darüber zu verlieren; denn man soll nicht vom Thema abschweifen, indem man das leere Gerede anderer anprangert; es genügt, mit knappen Worten in der Form des Beispiels derartige Phantastereien zu widerlegen. Wenn sie nun solchen Unsinn aufzeichnen, offenbaren sie damit, wes Geistes Kind sie sind, d.h. sie verstehen sich besser darauf. Traumgesichte zu erfinden, als die Menschenfreundlichkeit der Götter zu begreifen; es ist nämlich nicht ein einziges Beispiel eines wirklich so ge schauten Gesichtes auf uns gekommen. Ich bin überzeugt, daß die Götter, denen sie solch dummes Zeug andichten, diesen Phantasten mit Recht zürnen, weil sie ihnen fälschlich Geschmacksverirrung, Arglist und Dummheit nachsagen. Viele aber haben aus den Büchern des Aristoteles über Tiere, aus Archelaos 431 und aus Xenokrates von Aphrodisias 432 Beobachtungen entlehnt, womit ein jedes Tier geheilt wird, was ein jedes fürchtet und woran es am meisten Gefallen findet, und haben dann daraus frei erfundene Traumanweisungen und Heilkuren zusammengeschrieben. So gibt es einen Zeitgenossen, der Traumanweisungen und Heilkuren erfindet und der es im dritten Buch seiner Sammlung bis zum Überdruß getrieben hat. Ich weiß zwar seinen Viertes Buch

97 97 Namen, will ihn aber nicht nennen. Was aber die Traumanweisungen der Götter anbetrifft, so wirst du feststellen, daß sie einfach sind und keine Rätsel aufgeben; denn die Götter verordnen unter den allgemein üblichen Bezeichnungen Salben oder Einreibungen, Speisen oder Getränke, sprechen sie aber wirklich einmal in Rätseln, so löst sich ihre Rätselsprache sehr leicht. So träumte z.b. eine Frau, die an einer Brustent zündung litt, sie werde von einem Schaf gesäugt. Sie legte sich Schafszunge auf und wurde geheilt. Mit was für einer Heilkur du auch immer zu tun hast, sei es, daß du durch eigene Auslegung sie herausfindest oder dieselbe aufgrund der Auslegung eines anderen als bestätigt betrachtest, du wirst bei näherer Prüfung feststellen, daß sie medizinisch die einzig richtige ist und mit den Erkenntnissen der wissenschaftlichen Heilkunde nicht im Widerspruch steht. So träumte Fronto 433, der Gichtbrüchige, der die Götter um eine Heilkur gebeten hatte, er gehe in der Vorstadt spazieren. Nun ließ er sich mit Bienenwachs einreiben und wurde auf diese Weise völlig geheilt 434. Deswegen sei nach Maßgabe deiner Möglichkeiten bemüht, wie ich dir schon mehrfach riet, die Erkenntnisse der wissenschaftlichen Heilkunde zu nutzen. Beachte noch folgendes: Erhalten Leute, die nicht krank sind, noch überhaupt Schmerz en haben, irgendeine Heilanweisung im Traum oder nehmen sie sich ein Stück vom Schlacht- oder Brandopfer als Schutzmittel mit, so werden sie erkranken oder sich ein Leiden an irgendeinem Körperteil zuziehen; denn Heilmittel benötigen nicht Gesunde, sondern Kranke. Hier noch folgender Hinweis: Halte dich an meine Deutungen und an meinen Entwurf und nimm dir keine geschmacklosen Auslegungen zum Vorbild, auch wenn du dafür bei jemand Anerkennung finden solltest. Ferner klammere dich bei der Deutung von Traumgesichten nicht an eine einzige Silbe, damit du keine Fehler begehst und dadurch in schlechten Ruf kommst. So träumte z.b. jemand, der krank daniederlag, er schaue einen gewissen Peison. Das deutete ihm einer als große Sicherheit und Heilung, außerdem prop hezeite er ihm, ausgehend von der ersten Silbe des Wortes Peison, er werde fünfundneunzig 435 Jahre leben. Nichtsdestoweniger starb der Mann, der das Traumgesicht gehabt hatte, an eben dieser Krankheit. Denn er hatte geträumt, daß dieser Peison ihm Salben bringe, diese bedeuten aber einem Kranken Unheil, weil man bei einem Begräbnis Verstorbenen Salben mitgibt. Glaube jedoch nicht, daß das Traumerlebnis des Reeders ein vergleichbarer Fall zu diesem sei. Auf dessen Frage, ob er nach Rom kommen werde, antwortete ihm jemand: «Nein». Gleichwohl kam er nach vierhundertsiebzig 436 Tagen dort an; es machte nämlich keinen Unterschied, ob man die Zahl selbst sagt oder nur das Wort, welches diese Zahl angibt. 23 Was das Anagramm betrifft, so stehen Aristandros, ein hervorragender Traumdeuter, und einige andere von den Alten einem höchst merkwürdigen Verhältnis dazu. ihrem Vorwort erklären sie, was ein Anagramm ist, doch haben sie offensichtlich an keiner Stelle von ihm Gebrauch gemacht, weder durch Umsetzung von Silben noch durch Wegnehmen oder Zusetzen von Buchstaben. Ich habe schon am Anfang meiner Schrift darauf hingewiesen und gebe dir auch jetzt den guten Rat, das Anagramm anzuwenden, wenn du in deinem Beruf den Eindruck erwecken willst, sachkundiger als andere Traumge sichte zu deuten, legst du aber dir selbst eines aus, keinen Gebrauch davon zu machen, weil du sonst getäuscht wirst. 24 Wende die Methode der Zahlengleichwertigkeit 437 in den Fällen an, wo das Geschaute auch ohne sie dasselbe bedeutet, was die Gleichwertigkeit ergibt. So ist z.b. ein altes Weib für Kranke ein Sinnbild des Todes; denn graus ergibt 704 und he ekphora ebensoviel 438. Aber auch abgesehen von der Zahlengleichwertigkeit ist ein altes Weib das Symbol der Bestattung, weil es über kurz oder lang sterben muß. Solltest du einmal ein Traumgesicht nicht auslegen können, weil es unter keines der Traumdeutungsprinzipien fällt, so resigniere nicht; es gibt etliche, die vor der Erfüllung nicht zu deuten sind. Legst du sie richtig aus, so wirst du in meinen Augen unter einem glücklichen Stern stehen, legst du sie nicht aus, gleichwohl nicht ohne Sachverstand sein. Es träumte z.b. ein Heerführer 439, auf seinem Schwert wären die Buchstaben L, %, 0 geschrieben. Es brach der Aufstand der Juden in Kyrene aus, in welchem sich der Mann, der das Traumgesicht geschaut, hervortat. Und das war es, was wir meinten: Das i wies auf die Juden hin, das x auf die Kyrenäer und das d auf den Tod 440. Das Traumgesicht Viertes Buch

98 98 war vor dem Ausgang nicht zu enträtseln; als es sich erfüllt hatte, war die Auslegung ganz einfach. Nach meiner Meinung hat auch Aristandros dem Makedonen Alexander eine sehr glückliche Deutung gegeben, als dieser mit seinem Heer vor Tyros lag und es belagerte; als Alexander wegen des zeitraubenden Unternehmens ärgerlich und niedergeschlagen war, träumte es ihm, auf seinem Schild tanze ein Satyr. Aristandros befand sich damals vor Tyros und im Gefolge des Königs, der den Krieg gegen die Tyrier leitete. Indem er nun das Wort Satyros in die Bestandteile sä und Tyros 441 aufspaltete, brachte er den König dazu, den Krieg entschlossener zu führen, so daß dieser die Stadt eroberte. Ein ähnliches Beispiel ist noch folgendes: Syros, dem Sklaven des Antipatros, träumte, er habe unter seinen Füßen keine Sohlen. Er wurde bei lebendigem Leib verbrannt. Ferner ist dasjenige, was durch irgend etwas angezeigt wird, umgekehrt auch wieder das Sinnbild der betreffenden Sache selbst. So träumte eine Frau, sie habe Augenschmerzen. Es erkrankten ihre Kinder. Einer anderen träumte, ihre Kinder wären krank. Sie bekam ein Augenleiden. Der Reeder Diogenes träumte, er habe den Bug seines Schnellseglers verloren. Bald danach starb sein Untersteuermann. In Milet träumte jemand, er lasse seinen Untersteuermann feierlich überführen und beerdigen. Der Mann verlor den Bug seines Schiffes. Ein anderer wiederum, dem es träumte, sein Vater sei erkrankt, bekam ein Kopf leiden. Daß der Kopf den Vater bezeichnet, weißt du aus den Ausführungen im ersten Buch. Bessergestellten und Standespersonen hinweisen, alle unteren auf kleine und untergeordnete Leute. Was jeden einzelnen Körperteil betrifft, so entnimm das Besondere den näheren Hinweisen über den Körper und seine Teile im ersten Buch. Erbrechen von Blut, Nahrungsmitteln und Schleim lege mittellosen Leuten als Gewinn aus, reichen aber als Schaden; denn jene können nichts verlieren, falls sie nicht zuvor vermögend geworden sind, diese besitzen schon und können verlieren. Alle Nahrungsmittel bedeuten, ob man sie nur schaut sie ißt, dasselbe, ausgenommen die Zwiebeln; schaut man diese nur, bringen sie Glück, ißt man sie Unglück. 27 Was die öfter wiederkehrenden Traumgesichte 442 betrifft, so sei überzeugt, daß sie immer dasselbe bedeuten, falls sie sich in kurzen Abständen und immer wieder einstellen, und daß man sie deswegen öfters schaut, damit man ihnen erhöhte Aufmerksamkeit und Glauben schenke. Wir pflegen ja auch im täglichen Leben, wenn wir etwas Wichtiges sagen, es mehrmals zu wiederholen. So weist auch die Seele auf dieselben Dinge mehrmals hin, entweder weil sie Wichtiges und Bedeutsames und keineswegs Überflüssiges vorauszusagen hat, oder weil sie diese Dinge lange vor ihrer Erfüllung in den Blick bekommen und dauernd vor Augen hat. Sind aber die zeitlichen Abstände größer, innerhalb derer man dasselbe Traumge sicht öfters schaut, so sei überzeugt, daß es jedesmal etwas anderes bedeutet. Denn angenommen, es schauten viele ein und dasselbe Traumgesicht, so -würde es sich doch für jeden einzelnen in verschiedener Weise erfüllen, weil nicht alle in denselben Verhältnissen leben; ebenso wird dasselbe Traumgesicht, falls jemand es in verschiedenen Lebenslagen schaut, für ihn einen verschiedenen Ausgang nehmen, weil er nicht gänzlich in denselben Verhältnissen lebt. So träumte einer, der Salbenhändler von Beruf war, habe seine Nase verloren. Er verlor sein Kapital und hörte auf, Salben zu vertreiben, weil er keine Nase hatte; denn da er keinen Riecher mehr für Salben hatte, konnte er natürlich kein Geschäft mehr mit ihnen machen. Derselbe Mann träumte, als er schon nicht mehr Salbenhändler war, es fehle ihm die Nase. Er wurde der Urkundenfälschung überführt und floh aus seiner Heimat; denn eine Entstellung im Antlitz raubt diesem seine Würde; das Antlitz ist aber ein Abbild des Ehrgefühls und der Rechtsstellung. Ganz folgerichtig verlor er seine bürgerlichen Rechte. Derselbe träumte auf dem Krankenlager, habe keine Nase. Bald darauf starb er; denn die Totenschädel haben keine Nase. Das erste Mal erfüllte sich das Traumgesicht an ihm in seiner Eigenschaft als Kaufmann, das zweite Mal betraf es seine Rechtsstellung als Bürger, und das dritte Mal, als er krank war, bezog es sich auf seinen Körper; dergestalt erfüllte sich dasselbe Traumgesicht für denselben Mann dreimal in verschiedener Viertes Buch

99 99 28 Von den Gefäßen und Werkzeugen bedeutet jedes einzelne entweder das Handwerk oder das, was es in sich birgt, wie z.b. Fässer Wein oder öl. Getreidebehälter Weizen oder Gerste oder entsprechend irgend etwas, das ähnliche Verwendung findet, so wie Werkzeuge aller Art Freunde, Kinder und Eltern bezeichnen, Vorratskammern die Wirtschafter, und Truhen und Schatzkästchen Frauen und Hausverwalter. Ein Mann aus dem Ritterstand 443, der sich beim Kaiser um die Prätur 444 bewarb, träumte, er trete auf jemandes Aufforderung aus dem Haus, in dem er sich aufhielt, steige zwei Stufen hinab und empfange von dem betreffenden einen Olivenkranz, wie ihn römische Ritter bei den Festzügen zu tragen pflegen. Darüber war er sehr frohgelaunt, und auch seine Leute waren wegen des Traumgesichts zuversichtlich. Er hatte aber mit seiner Bewerbung kein Glück. Denn er hatte den Kranz entge gengenommen, als er die Stufen nicht hinauf-, sondern hinabgestiegen war; wir bezeichnen aber das Vorwärtskommen im Leben als Aufsteigen, das Gegenteil als Absteigen. Der Kranz aber bewirkte, wegen der Bindung und weil der ölbaum der jungfräulichen Göttin 445 heilig ist, daß er eine Jungfrau heiratete. Dieses Traumgesicht habe ich dir deshalb aufgezeichnet, damit du daraus ersiehst, daß man nicht auf die ersten Eindrücke sein Augenmerk richten soll, sondern insgesamt auf die Abfolge all dessen, was man im Traum geschaut hat. Denn diejenigen, die bei der Deutung einzig vom Kranz ausgingen und das Hinabsteigen außer acht ließen, begingen alle einen Fehler. 29 Die Familienangehörigen, besonders die Kinder, bedeuten die ganze Familie, denn abgesehen von dem, was sie sonst noch bedeuten, weisen sie zugleich auf die Verwandtschaft hin. So träumte z.b. jemand, er schaue seine Tocht er buckelig. Ganz folgerichtig und der Beziehung gemäß starb die Schwester des Träumenden; seine Sippe war nämlich nicht gesund. 30 Alles, was uns persönlich umgibt, hat dieselbe Bedeutung, z.b. ein Gewand, ein Haus, eine Wand, ein Schiff und ähnliches mehr. Es träumte z. B. jemand, er habe sich mit einem Gewand aus Holz bekleidet. Er befand sich auf einer Seereise und kam mit dem Schiff nur langsam vorwärts; denn das Gewand aus Holz war gleichbedeutend mit dem Schiff. Einem anderen träumte, sein Gewand sei in der Mitte durchgerissen. Sein Haus stürzte ein; denn das, was ihn umgab, bot keine Festigkeit. Ein dritter träumte, er hätte den Verlust seines Ziegeldaches zu beklagen. Er verlor seine Kleider; denn er hatte nicht mehr, was ihn schirmen konnte. Wieder ein anderer träumte, die Hauswand wäre geborsten. Es war das ein Reeder, und die Kielbalken seines Schiffes brachen (bei der Landung) auseinander. Alle diese Dinge beziehen sich auch auf den Körper. So wurde derjenige, dem es träumte, sein Gewand sei zerrissen, ganz natürlich an dem Körperteil verwundet, wo sich der Riß in seinem Kleid befand; denn wie das Kleid um seinen Leib lag, so auch der Körper um seine Seele. Zugleich mit den übrigen Traumerfüllungen besteht eine Wechselwirkung zwischen den Sklaven und dem Leib ihrer Herren. So wurde jener, dem es träumte, er sehe seinen Haussklaven im Fieber liegen, natürlich selbst einer Krankheit befallen; wie nämlich der Sklave zum Träumenden in Beziehung steht, so auch der Körper zur Seele. Es träumte jemand, er sei mit Hufeisen versehen. Er meldete sich zu den Soldaten und wurde Reiter; es machte nämlich keinen Unterschied, ob er selbst oder das ihn tragende Pferd Hufeisen hatte. Viele Ausgänge erfüllen sich an Menschen, die uns ähnlich sind, an Blutsverwandten und Namensvettern. So träumte z.b. eine verheiratete Frau, sie heirate einen anderen Mann. Nun war weder ihr Mann krank, so daß sie nach dessen Ableben einen anderen hätte ehelichen können, noch besaß sie etwas zum veräußern, so daß sie wie bei einer Eheschließung einen Vertrag machen konnte, noch hatte sie eine heiratsfähige Tochter, die sie einem Mann zur Frau hätte geben können, um auf diese Weise nicht sich selbst, sondern die Tochter mit einem anderen verheiratet zu sehen; auch war sie selbst nicht krank, so daß sie hätte sterben müssen, da ja Hochzeit und Tod dieselbe Bedeutung haben, weil die äußeren Umstände in beiden Fällen ähnlich sind; sie hatte aber eine gleichnamige Schwester, die krank daniederlag und starb. So erfüllte sich das, was sich an ihr selbst erfüllt hätte, wenn sie krank gewesen, an ihrer gleichnamigen Schwester. Viertes Buch

100 Der Kaiser, ein Tempel, ein Soldat, ein kaiserliches Schreiben, ein Silberstück und ähnliches mehr sind Zeichen, die wechselweise füreinander stehen. Stratonikos träumte, er trete den Kaiser mit Füßen. Beim Verlassen des Hauses fand er ein Goldstück, auf das er zufällig getreten war; es machte keinen Unterschied, ob er den Kaiser oder dessen Bild mit Füßen bearbeitete oder trat. Zenon träumte, er wäre Centurio 446 geworden. Beim Verlassen seines Hauses erhielt er hundert kaiserliche Schreiben. Unser Landsmann Kratinos nahm im Traum Geld in Empfang; er wurde Verwalter der Einkünfte des kaiserlichen Tempels. Zoilos träumte. Oberaufseher öffentlicher Arbeiten sein; er wurde Schatzmeister des kaiserlichen Fiskus. Alles, was der Kaiser aus seinem Mund gibt, wird dem Empfänger in Form von kaiserlichen Entscheidungen Nutzen bringen. Chrysippos aus Korinth, der im Traum zwei Zähne aus dem Mund des Kaisers bekam, ging an einem einzigen Tage in Prozessen vor dem Kaiser durch zwei kaiserliche Entscheidungen als Sieger hervor. 32 Das Leben mußt du auf zweifache Weise auslegen, einmal als das Vermögen und den Besitz, das andere Mal als das Leben selbst. Eine reiche Frau träumte, drei Raben näherten sich ihr und blickten sie dreist an; einer von ihnen gebe sogar einen Laut von sich und sage: «Ich werde den Garaus machen.» Dreimal hätten die Raben sie umkreist und wären dann auf und davongeflogen. Ganz natürlich und folgerichtig starb die Frau nach neun Tagen; denn das «ich werde dir den Garaus machen» bedeutete soviel wie «ich werde dich aus dem Wege räumen», das heißt: «Ich werde dich umbringen». Dadurch, daß die drei Raben sie dreimal umkreisten, kündigten sie die Frist von neun Tagen an. 33 Alles, was jemand einem anderen über Dinge sagt, die nicht zu seinem Beruf gehören, geht für ihn selbst in Erfüllung; was aber in seinen Beruf schlägt, betrifft den anderen und keineswegs den Sprecher selbst. Wie es bei den niederen Handwerken ein gutes Zeichen ist, wenn jemand das betreibt, was er erlernt hat, so ist es auch bei den übrigen Berufen. Denn alles, was Ärzte über Rechtsfragen oder Weissager über die Medizin oder Rechtsanwälte über die Weissagekunst einem anderen sagen, geht für die Sprechenden selbst in Erfüllung; was aber Rechtsanwälte über Rechtsfragen oder Ärzte über die Medizin oder Weissager über die Weissagekunst äußern, das halte für Aussagen von Fachleuten, die in ihrem Gebiet genau Bescheid wissen. Ein Arzt träumte, er sage zu jemand: «Als Römer solltest du keine Griechin heiraten!» Er heiratete selbst und wurde von seiner Frau völlig ruiniert. Menschen, auf deren Hilfe man angewiesen ist, soll man im Traum Gutes erweisen oder jedenfalls nicht schädigen, weil man sonst keinen Nutzen von ihnen erwarten kann. Herakleides aus Thyateira, der in Rom am Wettbewerb der Tragöden teilnehmen wollte, träumte, er schlachte Zuschauer und Preisrichter ab. Er fiel durch; denn niemand wird wohl seine Freunde umbringen, sondern nur seine Feinde. Das Traumerlebnis sagte ihm gewissermaßen, daß er Zuschauer und Preisrichter gegen sich haben werde; übrigens hätten sie, abgeschlachtet, ihm unmöglich ihre Stimme geben können. Der Philosoph Alexander träumte, er sei zum Tod verurteilt und komme nur durch flehentliches Bitten an der Kreuzigung vorbei; da er ein Leben der Entbehrung führte, stand ihm der Sinn weder nach einer Heirat noch nach einer Gemeinschaft, weder nach Reichtum noch nach den anderen Dingen, die durch das Kreuz versinnbildlicht werden. Am folgenden Tag geriet er mit einem Kyniker 447 in Streit und bekam von ihm einen Schlag mit einem Knüppel über den Kopf, und das war es, was ihm die Seele prophezeite, er werde fast am Holz enden. Dieses Traumgesicht wird dich lehren, nach einer Lösung zu suchen, die über die möglichen Ausgänge hinausgeht. Die Frau des Walkers träumte, sie trage schwarze Kleider, lasse sich aber umstimmen und lege statt derer weiße an. Sie verlor ihren Sohn, fand ihn aber nach drei Tagen wieder. Auf diese Weise waren die weißen Gewänder glückbringender als die schwarzen. Der Mann in Pergamon träumte, er kacke Brotstücke und ganze Brote; er wurde geköpft; denn gleichwie er keinen Kopf hatte, der die Brote kauen konnte (...). Viertes Buch

101 Die Gründung einer Heimstätte in der Fremde prophezeit einem, der nicht heiraten oder dort Wohnung nehmen will, den Tod. So starb der junge Mann aus Bithy men, dem träumte, gründe sich in Rom eine Heimstätte. 35 Zusammengesetzte Traumgesichte zerlege in ihre Kernstücke und deute jedes einzelne für sich allein. Träumt z.b. jemand, er mache eine Seefahrt, steige darauf aus dem Schiff und wandle auf dem Meer einher, so lege sowohl die Seefahrt wie das Wandeln auf dem Meer für sich allein aus; die Auslegung der Seefahrt findest du im zweiten Buch, die des Wandeins auf dem Meer im drit ten; von dort nimm die Deutungen. 36 Nichts Starres bringt Nutzen, wenn es den Körper umschließt. Der Mann in Magnesia träumte, er trage Kleider aus Erz; ganz folgerichtig starb er. Denn die Masse, die ihn umgab, war starr und von der Art, wie sie Götterbilder umgibt. Letztere aber sind ohne Leben. 37 Es träumte einer, er spiele in einer Komödie die Rolle Mannweibes. Er wurde geschlechtskrank. Ein anderer träumte, er schaue Verschnittene. Er wurde geschlechtskrank. Das erste Traumerlebnis endete wegen des Namens 448 so, das zweite wegen des traurigen Geschicks, das die Geschauten ereilt hat. Gleichwohl weißt du ja, was das Traumgesicht, in einer Komödie aufzutreten oder Verschnittene zu schauen, bedeutet. Bedenke aber, daß die Erfüllungen, wenn jemand wähnt, in einer Komödie oder Tragödie aufzutreten, und sich an die Rolle erinnert, dem Inhalt des Stückes entsprechend eintreffen. 38 Alles, was von gleicher Farbe ist, nimmt denselben Ausgang. Jemand, der im Traum einen Äthiopier als Geschenk bekam, erhielt am Tag darauf einen Behälter voll Kohlen. 39 Das Geschehen, das den Mysterien zugrunde liegt, führt ganz ähnliche Traumerfüllungen herauf, die in dem gleichen Zeitraum geschaut werden, in dem die Mysterien gefeiert werden. Eine Frau träumte, sie tanze im Rausch dem Dionysos zu Ehren einen Reigen. Sie tötete ihr eige nes dreijähriges Kind. Denn die Sage von Pentheus und Agaue 449 überliefert ähnliches, und man begeht dem Gott zu Ehren alle drei Jahre ein Fest. 40 Das Arbeiten dieselbe Bedeutung wie das Leben hat, mag dir folgendes Traumerlebnis verdeutlichen: Eine Frau träumte, sie habe ihr Gewebe vollendet. Tags darauf starb sie; denn sie hatte keine Arbeit mehr, das heißt, sie hatte nicht mehr zu leben Es bedeutet nichts Gutes, sich das Gesicht abzuwaschen oder sich geschminkt 451 zu haben; es besagt, daß der Träumende nicht ohne Fehl und Makel sei. Der junge Mann aus Paphos träumte, er habe sich nach Frauenalt das Gesicht geschminkt und sitze im Theater. Er wurde beim Ehebruch ertappt und erregte einen Skandal. Alles, was einem bestimmten Zweck dient, wird unbrauchbar, wenn es für andere Zwecke mißbraucht wird. Der Großkaufmann aus Kreta träumte, er wasche sich das Gesicht mit Wein, und es erklärte ihm ein Sachkundiger: «Du wirst mit Wein dein Geschäft machen und deine Darlehen wegspülen.» Es endete aber nicht so, sondern der Wein verdarb ihm; denn Waschwasser ist ungenieß bar und zu nichts zu gebrauchen. 42 Hier noch folgender Hinweis: Manche Einzelheiten in den Traumgesichten dienen nur der Ausschmückung; man lasse sie deswegen beiseite. Betritt z.b. jemand ein Haus, so erblickt er auf jeden Fall den Hausflur, den Türpfosten und den Türsturz, aber er geht nicht ihretwegen hinein; ebenso darf man sie auch nicht zum Ausgangspunkt der Deutung nehmen, sondern das selbst. Es träumte einer, er schaue seine Frau vor einem Bordell sitzen, angetan mit einem purpurnen Gewand, und ich deutete ihm das Traumgesicht, indem ich weder von dem Gewand noch vom Sitz noch von einer anderen Nebensache ausging, sondern einzig und allein von dem Bordell. Der Träumende wurde Zöllner; seine Tätigkeit war nämlich schamlos, das Handwerk oder den Beruf des Träumenden aber betrachtet man als Abbild seiner Frau. Gleich wie nun die Natur nicht alles um der reinen Zweckmäßigkeit willen hervorbringt, sondern auch zum Schmuck, z.b. die Ranken am Weinstock, Viertes Buch

102 102 so schaut auch die Seele vieles, was nur schmückendes Beiwerk sein soll (...), und häufig zeigt sie das Ganze anhand eines Teils. So träumte z.b. jemand, er besitze die Kleider seiner Schwester und trage sie. Er beerbte seine Schwester. Daß das Licht für Leute, die bekannt werden wollen, günstiger als die Finsternis ist, kannst du aus folgendem ersehen: Der Allkämpfer Menippos aus Magnesia träumte kurz vor dem in Rom stattfindenden Wettkampf, es sei, während er daran teilnahm, Nacht geworden. Er erlitt im Wettkampf zu Rom nicht nur eine Schlappe, sondern mußte wegen einer Verletzung an der Hand den Beruf aufgeben. 43 Daß die Traumgesichte nicht gänzlich dem Inhalt der Geschichten und Sagen widersprechen, kannst du aus folgendem ersehen. Eine Frau träumte, sie habe die Taten des Herakles vollbracht. Bald danach wurde sie von einem Feuer erfaßt und verbrannte bei lebendigem Leib. Man sagt nämlich, daß auch Herakles dem Leib nach vom Feuer verzehrt worden sei 452. In welchen Fällen man die Geschichten und Sagen berücksichtigen soll, in welchen nicht, werde ich dir zeigen, wenn ich zu dem betreffenden Kapitel komme. 44 Hier noch folgender Hinweis: Es bringt weder etwas ein, einen einzelnen Bürger oder viele noch das Volk zu verachten, desgleichen verachtet zu werden, ich meine, die Verhaltensweise eines Verä chters zu verspüren zu bekommen oder selbst zu zeigen. Es träumte jemand, seine Frau ziehe ihr Kleid hoch und zeige ihm ihr Geschlechtsteil. Die Frau beschwor ihm viel Unheil herauf; denn sie hatte vor ihm zum Zeichen ihrer Verachtung das Kleid in die Höhe gezogen. Es träumte jemand, er ziehe in einem Verein und einer Bruderschaft 453 im Beisein der Vereinsgenossen sein Gewand hoch und pisse jeden einzelnen an. Er wurde wie ein Ehrloser aus der Bruderschaft ausgestoßen. Denn es ist nur recht, daß Leute, die sich wie Betrunkene aufführen, gehaßt und vor die Tür gesetzt werden. Es träumte einem, er pisse mitten im Theater und inmitten der Volksmenge. Natürlich verstieß er gegen Sitte und Ordnung; denn er brachte gegenüber den herrschenden Gesetzen wie auch gegenüber den Zuschauem seine Geringschätzung zum Ausdruck. Für die Herrschenden dagegen ist es nicht schlimm, wenn sie träumen, daß sie ihre Untergebenen gering schätzen. 45 Daß Ärzte dieselbe Bedeutung haben wie alle Wohltäter und Helfer, habe ich bereits im zweiten Buch dargelegt, ich will dir aber in diesem Zusammenhang diesen Grundsatz noch durch eine Traumerfüllung beglaubigen. Einer, der einen Prozeß führte, träumte, er liege krank danieder und sei ohne ärztlichen Beistand. Es widerfuhr ihm, daß er von seinen Verteidigern im Stich gelassen wurde; die Krankheit wies auf den Prozeß hin, denn man sagt, daß beide. Prozessierende wie auch Kranke, zur Krise kommen. Die Ärzte aber deuteten auf die Verteidiger. 46 Beachte noch folgendes: Dinge, die man nicht am richtigen Platz stehen sieht, prophezeien das Gegenteil von dem, was sie gewöhnlich bedeuten. So träumte z.b. jemand, daß ihm ein Freund und guter Bekannter, mit dessen Tochter er heimlich verkehrte, ein Pferd schikke, der Stallknecht aber führe es zwei Treppen hinauf in die Schlafkammer, wo er gerade im Bett lag. Bald darauf wurde ihm der Zutritt zu seiner Geliebten versperrt. Das Pferd bedeutete die Frau, der Ort aber zeigte das Ende der Liebschaft an, weil es für ein Pferd unmöglich gewesen wäre, in den dritten Stock hinaufzukommen. 47 Alles, was ins Gebiet der Wunderdinge fällt und ganz unmöglich vorkommen kann, wie ein Hippokentauros und eine Skylla 454, bedeutet, wie ich bereits im zweiten Buch ausgeführt habe, daß man sich in seinen Erwart ungen getäuscht sehen wird. Bisweilen lassen solche Er scheinungen zwar die Hoffnungen nicht in Erfüllung gehen, doch bewirken sie, daß der Kern der Dinge dem Inhalt nach jenen einigermaßen entspricht. Ein Mann, der sich Kinder wünschte und dessen Frau schwanger war, träumte, es wäre ihm ein Hippokentauros geboren. Es wurden ihm Zwillinge geboren; der Hippokentauros hat nämlich zwei Leiber. Indes wurde keines der Kinder groß; denn unmöglich kann ein Hippokentauros geboren werden; und selbst wenn man diesen Fall setzte, so wäre es unmöglich, ihn großzuziehen. Bei allen Geschichten, die in zweifacher Version verbreitet sind, die von den einen so, von den anderen anders wiedergegeben werden, wirst du gut tun, wenn du einer der beiden Fassungen als möglicher Erfüllung folgst, selbst wenn du nicht das Richtige treffen solltest. Besser ist es aber, beide Versionen zu kennen und vorzubringen. So träumte Viertes Buch

103 103 z.b. einer, er male den Vogel Phoinix 411 Der Ägypter erklärte, der Mann, der dieses Traumerlebnis hatte, sei so bettelarm geworden, daß er seinen verstorbenen Vater in seiner Verzweiflung selbst auf die Schultern genommen und hinausgeschafft habe. Denn der Phoinix begräbt seinen Vater. Ob das Traumgesicht tatsächlich so ausgegangen ist, weiß ich nicht, doch hat jener es so berichtet, und nach dieser Version war die Traumerfüllung wohl folgerichtig. Es erklären aber einige, daß der Phoinix weder seinen Vater begrabe noch überhaupt einen lebenden Vater oder sonst einen Vorfahren habe, vielmehr ziehe er, wenn das Schicksal ihn treibe - von wo, das wissen die Menschen nicht - nach Ägypten, errichte sich dort aus Zimt und Myrrhe einen Scheiterhaufen und sterbe darauf. Ist der Scheiterhaufen niedergebrannt, dann entstehe, so sagen sie, nach einiger Zeit aus der Asche ein Wurm, der sich, größer geworden, verwandele und wiederum zu einem Phoinix werde und dann aus Ägypten wieder dorthin fliege, von wo der frühere Phoinix gekommen sei. Erklärte nun einer, daß derjenige, der dieses Traumgesicht schaute, seine Eltern verlieren werde, so wird er nach dieser Darstellung der Geschichte in der Deutung nicht fehlgehen. Denke auch daran, daß du nur solchen Überlieferungen Beachtung schenkst, die durch viele gewichtige Zeugnisse als echt erwiesen sind, wie z.b. der Krieg gegen die Perser und, zeitlich früher, der gegen Troia und ähnliche Feldzüge. Von diesen zeigt man noch heute Soldatenunterkünfte, Stellungen, Lageranlagen, Städtegründungen, Altäre, die dort errichtet wurden, und anderes mehr. Wenn nun jemand etwas derartiges schaut, so wird ihm m jedem Fall etwas ähnliches widerfahren. Ferner muß man auch diejenigen Sagen berücksichtigen, die allen gut bekannt sind und bei den meisten Glauben finden, wie z.b. die von Prometheus, von Niobe und von denen, die den Stoff der Tragödien bilden; denn wenn es auch nicht wahre Begebenheiten sind, so gehen sie doch dem Inhalt entsprechend in Erfüllung, weil sie von den meisten als solche aufgefaßt werden. Alle Sagen aber, die längst vergessen und von leerem Gerede und von Faselei strotzen, wie die vom Kampf der Giganten und von den Sparten 4$6 in Theben und Kolchis und ähnliche, erfüllen sich entweder überhaupt nicht oder machen aus dem oben angege benen Grunde jede Erwartung gänzlich zunichte und prophezeien eitle und leere Hoffnungen, ausgenommen den Fall, daß eine von diesen Mythen eine natürliche Erklärung zulasse. So träumte z.b. jemand, er sei Endymion und werde von Selene geliebt 4$7. Es geschah, daß er großen Ruhm und ein ansehnliches Vermögen erwarb, indem er aus den Sternen weissagte; denn nach verbreiteter Sage pflegt Endymion als Geliebter der Selene vertrauten Umgang mit ihr; nach der Auffassung derjenigen aber, die derlei Fabeln auslegen, sei er am meisten von allen Menschen der Sternkunde zugetan, wache die Nacht hindurch und habe dadurch die Vorstellung hervorgerufen, als verkehre er mit Selene. Wenn jemand etwas Ähnliches, Verwandtes oder Zusammengehöriges erblickt, so dürfte es weniger übel sein, wenn es zugleich mit dem Zusammengehörigen und Verwandten geschaut wird. So träumte z.b. jemand, der ein Faß voll Wein hatte, es sei aus dem Faß ein Weinstock herausgewachsen. Es gibt auch bei Phoibos aus Antiocheia 4$8 ein ähnliches Traumgesicht. Es träumte jemand, der ein Faß voll Wein hatte, es sei aus demselben ein ölbaum herausgewachsen. Phoibos merkt dazu an, daß alle, die von dem Wein tranken, umkamen, weil eine Schlange darin krepiert war. Der andere, dem es träumte, aus dem Faß sei entsprechend ein Weinstock hervorgesprossen, fand ebenso darin eine krepierte Schlange, und der Wein war genauso verdorben, doch trank niemand davon, und es kam auch keiner um. Es schien ihnen nämlich geraten, den Wein, den sie trinken wollten, zuvor durchzuseihen; als sie die Bescherung sahen, schütteten sie den Wein weg. Ganz folgerichtig kamen sie mit dem Leben davon. Denn weil der Weinstock in enger Beziehung zu dem edlen Naß im Faß steht, ging das Traumge sicht weniger schlimm aus. 49 Jeder Umschlag zum Besseren ist für Reiche ein glückliches Zeichen, selbst wenn sich einer in einen Gott verwandelt; nur darf dabei nichts Unzureichendes sein. So träumte z.b. jemand, er sei Helios geworden und gehe im Glanz von elf Sonnenstrahlen über den Marktplatz. Er wurde zum Bürgermeister seiner Stadt gewählt und starb, nachdem er elf Monate dieses Amt ausgeübt hatte, weil die Zahl der Strahlen nicht vollzählig war 459. Großes Gewicht haben auch die örtlichkeiten an sich für die Traumausgänge. So träumte z.b. jemand, ans Kreuz geschlagen zu sein, ein Gesicht, das Ansehen und Wohlstand bedeutet. Ansehen, weil der Gekreuzigte über alle erhöht ist, Wohlstand, weil er viele Vögel nährt. Menandros in Griechenland träumte, er sei vor einem Tempel des Zeus Polieus gekreuzigt worden; er Viertes Buch

104 104 wurde zum Priester dieses Gottes gewählt und erwarb Ansehen und Reichtum. Hier noch folgender Hinweis: Freunde, die mit den Feinden des Träumenden Umgang pflegen und sich mit ihnen verbinden, verfeinden sich mit dem Träumenden. Philinos träumte, einer von seinen Genossen wolle zusammen mit seinen Feinden auf Reisen gehen. Er entzweite sich mit seinem Genossen aus Gründen, die nichts mit seinen Feinden zu tun hatten. Arbeiten, die nur halb zustande gebracht werden, bedeuten völligen Stillstand der Geschäfte und erlauben nicht einmal den ersten Schritt zu tun. Der Kilikier, der den Kaiser darum ersuchte, das Erbe seines Bruders antreten zu dürfen, träumte, er schere ein Schaf bis zur Hälfte und, weil er sich außer Stande sah, den Rest der Wolle herunterzubekommen, erwachte er aus dem Schlaf. Er erwartete, die Hälfte der Erbschaft zu bekommen, er bekam aber gar nichts. 52 Alle Kränze, die etwas Gutes bedeuten, bringen, wenn nicht auf dem Kopf sitzen, sondern auf einem anderen Körperteil, nicht nur nichts Gutes, sondern noch dazu Unheil. Zoilos, der seine Söhne zu den Olympischen Spielen begleitet hatte, damit der eine zum Ringkampf, der andere zum Allkampf antrete, träumte, ihre Fußknö chel seien mit Kränzen vom edlen und vom wilden Ölbaum umwunden. Er war guten Mutes, weil Kränze heilig und Siegespreise sind und bei den Olympischen Spielen verliehen werden; es starben ihm aber beide Söhne noch vor dem Wettkampf; denn die um die Fußknöchel gewundenen Kränze waren nicht weit von der Erde ent fernt. 53 Was das Meer und seine Umgebung bedeutet, Häfen, Vorgebirge, Buchten, Strande, Schiffe und die Seefahrt selbst, hast du schon im zweiten Buch gehört. Gleichwohl will ich dir in diesem Zusammenhang noch ein Traumerlebnis mitteilen, das folgendermaßen ausgegangen ist: Es träumte Jemand, er stürze ins Meer, werde in die Tiefe gerissen und habe das Empfinden, lange Zeit so dahinzutreiben; schließlich erwachte er vor Angst aus dem Schlaf. Er heiratete eine Hetäre, zog mit ihr fort und verbrachte die längste Zeit seines Lebens im Ausland. Es ist unnötig, die Gründe dafür darzulegen. 54 Alles, was ständig mit einem bestimmten Körperteil enger Berührung ist, hat dieselbe Bedeutung wie die natürlich gewachsenen Teile selbst. So träumte z. B. jemand, aus seinen Fingern sei Holz gewachsen. Einem anderen wiederum träumte, er habe auf Brust und Rücken Wolle, die dort herausgewachsen. Der eine wurde Steuermann, der andere schwindsüchtig; denn der eine hatte immer das Holz der Steuerruder in Händen, der andere trug wegen seines Leidens stets etwas Wollenes auf der Brust. 55 Beachte noch folgendes; Vieles nimmt entsprechend der Menge und andererseits entsprechend der Größe seinen Ausgang. Entsprechend der Menge, wie z.b. im Fall von Zwiebeln: Träumt ein Kranker, Zwiebeln zu essen, wird er, falls er viele verzehrte, wieder auf die Beine kommen, doch den Tod eines anderen beklagen. Verzehrte er nur wenige, wird er sterben. Denn denen, die Zwiebeln essen, tränen die Augen, Tränen vergießen aber auch die Sterbenden. Denn ohne Tränen ist noch keiner gestorben. Freilich vergießen die Sterbenden nur wenig Tränen, so daß es bisweilen selbst die Nächststehenden nicht bemerken, weil nur die Augenlider benetzt sind, die Trauernden dagegen vergießen viele Tränen; denn sie weinen lange Zeit. Entsprechend der Größe, wie z.b. im Fall von Ziegen und Böcklein. Weder der Anblick von weißen noch von schwarzen Ziegen ist gut, ausgenommen für einen Ziegenhirten; Böcklein aber bringen samt und sonders Glück. Die gleichen Überlegungen hast du bei allen Traumgesichten anzustellen; obige Beispiele habe ich an dieser Stelle nur als Muster vorgebracht. Manche Dinge aber haben dieselbe Bedeutung, ohne Rücksicht darauf, ob sie viel oder wenig, groß oder klein sind, wie z.b. Schafe; diese bedeuten dasselbe, ob man sie in großer oder kleiner Anzahl oder nur einzeln für sich schaut. 56 Du mußt ferner die Verhaltensweisen der Tiere denen der Menschen zum Vergleich gegenüberstellen und Denken und Wollen eines jeden einzelnen unter dem Gesichtspunkt ähnlicher Züge beim Tier untersuchen. So zeigen z.b. stolze, in Freiheit lebende, draufgängerische und Furcht erweckende Tiere, z.b. der Löwe, Tiger, Panther, Elefant, der Viertes Buch

105 105 Adler und Falke, Menschen entsprechender Art an. Die gewalttätigen, rauhen und ungeselligen, wie z.b. der Eber und der Bär, weisen auf Menschen ähnlichen Schlags. Die feigen, schnellfüßigen und gemeinen Tiere, z.b. der Hirsch, der Hase, der Hund, verkörpern Feiglinge und Ausreißer. Dagegen stellen die trägen, faulen und verschlagenen Tiere, wie die Hyäne, träge Subjekte und Nichtstuer, vielfach auch Giftmischer dar. Von den giftigen Tieren weisen die Furcht erregenden, starken und kräftigen, wie der Drache, der Basilisk und die Kreuzotter, auf mächtige Männer, während die besonders giftigen, z.b. die Uräusschlange, die Sandviper, der Seps, reiche Männer und Frauen anzeigen. Jene aber, deren äußere Erscheinung gewaltiger ist als ihre Kraft, wie die Äskulapschlange, die Kröte, die Blindschleiche, bedeuten Prahlhänse und Windbeutel. Die kleinen Tiere, wie die Giftspinnen, Wasserschlangen, Eidechsen, ähneln kleinlichen und verächtlichen Leuten, die aber fähig sind, einem übel zuzusetzen. Die, welche offen räubern, wie der Habicht und der Wolf, versetzen uns unter Diebe und Räuber; die hinterrücks angreifenden aber, wie die Gabelweihe und der Fuchs, unter hinterhältige Subjekte. Die schönen und reizenden Tiere, wie der Papagei, das Rebhuhn und der Pfau bezeichnen Stutzer, die Singvögel aber, die lieblich zwitschern, wie die Schwalbe, die Nachtigall, der Zaunkönig und ähnliche, Literaten, Musiker und Menschen mit klangvoller Stimme; die nachäffenden, wie der Hundsaffe, die Amsel und der Eichelhäher, Gaukler und Kerle, die alle Schliche kennen. Die gesprenkelten und gefleckten Tiere, wie der Panther, bedeuten verschlagene, häufig auch gebrandmarkte Menschen. Arbeits- und Lasttiere, z.b. Esel und Ackerstiere, verkörpern Arbeiter und Untergebene; Tiere, die zwar Arbeit leisten, sich aber nicht einspannen lassen, wie Stiere, Rinder in der Herde, Weidepferde und Wildesel, ähneln Rebellen und anmaßenden Personen. Dagegen zeigen gesellige Tiere, z.b. Störche, Kraniche, Stare, Dohlen und Tauben, Menschen an, die Gemeinschaft und Zusammenleben schätzen, weshalb sie auch im Hinblick auf eine Gemeinschaft von guter Vorbedeutung sind. Einige davon aber prophezeien sowohl Unwetter, z.b. Dohlen und Stare, als auch Räuber und Feinde, wie Kraniche und Störche. Diejenigen, die sich an Aas heranmachen und nicht auf Beute aus sind, wie die Geier, versinnbildlichen Nichtstuer und Menschen ohne Schneid oder Leichenbestatter, Bestattungsunternehmer, Gerber oder sonst aus der Stadt verbannte Handwerker. Nachtvögel, die sich am Tag nicht rühren, wie der Steinkauz, die Waldohreule, der Waldkauz und ähnliche, bedeuten Ehebrecher, Diebe oder Leute, die ihre Arbeit in der Nacht besorgen. Diejenigen, die mannigfache Laute von sich geben, wie der Rabe, die Krähe, der Eichelhäher und andere dieser Gattung, bezeichnen Personen, die eine Vielzahl von Sprachen sprechen oder ein umfassendes Wissen haben. Diejenigen, die gerne an bestimmten Orten nisten, z.b. die Haus- und Rauchschwalbe, verkörpern Menschen, die ganz in unserer Nähe wohnen und Türnachbarn; diese Gattung zeigt auch an, daß entlaufene Sklaven, die von Natur Freigeborene sind, in ihre Heimat wieder zurückkehren. Bedenke auch, daß alle Tiere, die vielfache Auslegungen zulassen, dementsprechend zu beurteilen sind. So bedeutet z.b. der Panther wegen seiner Verhaltensweise einen hochgesinnten, wegen seiner Farbe einen verschlagenen Menschen, ebenso das Rebhuhn eine stattliche Person und einen Kerl, der alle Schliche kennt. Da du nun im großen und ganzen die Musterbeispiele zur Hand hast, verfahre entsprechend bei der Auslegung dieser wie der hier oder in den ersten Büchern nicht aufgezählten Tiere. Hier noch folgende Anmerkung: Alle Tiere, die irgendwelchen Göttern geweiht sind, bedeuten eben diese Götter. Ganz allgemein deute alle zahmen Haustiere als Familienmitglieder, die wilden Tiere als Feinde, als Krankheit, als einen ungünstigen Zeitpunkt und als schlechte Geschäfte; denn wie die wilden Tiere die Menschen übel zurichten, so auch die Feinde, Krankheiten und schlechte Geschäfte. Daher ist es günstig, im Traum zahme Tiere zu halten, sie in guter Verfassung und in unserer Gewalt zu sehen, nicht aber in der unserer Feinde; was die wilden aber betrifft, so dürfte es ein gutes Zeichen sein, wenn sie verenden, wenn sie von uns ge bändigt und von den zahmen Haustieren beherrscht werden; sind sie aber in der Gewalt unserer Feinde oder den zahmen überlegen und richten sie irgendein Unheil an, so sind sie insgesamt von übler Vorbedeutung und unheilvoll. 57 Über Bäume und Pflanzen habe ich, Art für Art, im zweiten Buch im Abschnitt über die Landwirtschaft eingehend gehandelt. Denke daran, daß die Bäume dieselbe Bedeutung haben wie die Früchte und die Götter, denen jeder einzelne Viertes Buch

106 106 heilig ist. Ganz allgemein sind die frucht tragenden günstiger als die wilden, und von den fruchttragenden diejenigen, die ihre Blätter nicht verlieren, den Öl- und den Lorbeerbaum ausgenommen. Von diesen bringt erfahrungsgemäß der Olbaum, er selbst, seine Früchte und Blätter, Kranken den Tod, der Lorbeer dagegen Rettung. Und das ist ganz begreiflich, denn Verstorbenen gibt man mit Zweigen vom Olbaum das letzte Geleit, keineswegs mit solchen vom Lorbeer 460. Bäume, die keine Frucht bringen, sind ungünstiger, ausgenommen für Leute, die unmittelbar oder mittelbar ihren Lebensunterhalt mit ihnen erwerben. langjährigen Bäume sind bei Terminen Symbol von Verzögerung, bei Krankheiten verheißen sie Rettung; dagegen führen sie die übrigen Erfüllungen langsamer herbei. Entsprechendes gilt von Bäumen, die langsam wachsen und langsam stärker werden; Bäume mit entgegengesetzten Eigenschaften bezeichnen das Gegenteil. Disteln, Dornen, Christdornen und Brombeersträucher sind im Hinblick auf Sicherheit ausnahmslos günstige Vorzeichen, weil sie Wälle und Einzäunungen von Grundstücken bilden, ungünstig dagegen, wenn es gilt, Schwierigkeiten zu entwirren, weil sie undurchdringliche Hindernisse sind. Zöllnern, Schankwirten, Räubern, Leuten, die mit falschem Gewicht arbeiten und Betrügern bringen sie größere Vorteile als irgend etwas anderes, weil sie fremdes Eigentum mit Gewalt und gegen den Willen der Besitzer an sich. 58 Ferner soll man von den Gefäßen und Werkzeugen nicht nur auf die Handwerke und die Einkünfte aus ihnen schließen, sondern auch auf die Handwerker selbst oder auf diejenigen, welche mit den Gefäßen umgehen. So träumte z.b. jemand, der Zügel seines Pferdes sei ent zweigerissen. Es starb sein Pferdeknecht. Einem anderen wiederum träumte, sein Becher sei plötzlich zersprungen. Es starb sein Mundschenk. Dieselbe Regel mußt du bei allen Gefäßen und Werkzeugen anwenden. Sodann kündigen alle Dinge, die nirgendwo und auf keinen Fall verloren gehen können, wenn sie im Traum verloren gehen, dem Träumenden den Tod oder den Verlust der Augen an. So träumte z.b. einer, der Himmel sei ihm entschwunden. Er starb; denn wie man Verlorenes nicht mehr gebrauchen kann, so ist auch alles, was man nicht mehr gebraucht, für einen selbst gut wie verloren. 59 Ferner prüfe vorher genau die Eigenschaften der Menschen, das heißt, hole sorgfältig Informationen ein; und wenn du von ihnen selbst nichts Sicheres erfahren kannst, so schiebe die Sache zunächst auf und informiere dich bei einem anderen über ihre Verhältnisse, damit du keinen Fehler begehst. So träumte z.b. jemand, er übe Fellatio mit seiner eigenen Frau. Und ein anderer wiederum träumte, ihm widerfahre dasselbe von seiner eigenen Frau. Lange Zeit erfüllte sich in beiden Fällen nichts von dem, was durch dieses Gesicht angedeutet wird und doch bei allen anderen Menschen einzutreten pflegt. Da der Grund dafür nicht einzusehen war, wunderte ich mich, und es kam mir widersinnig vor, daß das Traumgesicht sich nicht an ihnen erfüllte. Einige Zeit danach erfuhr ich, daß beide solche Dinge gewohnheitsmäßig trieben und den Mund nicht rein hielten. Deshalb blieb das Gesicht ganz natürlich ohne Folgen für sie, und sie schauten nur das, worauf sie lüstern waren. Ein Beispiel dafür sind Leute, die zu stehlen, zu morden und Heiligtümer zu plündern träumen; denn häufig sinnen sie auf solche Verbrechen. Wenn nun jemand diese Fälle wie Rätsel aufzulösen versucht, begeht er einen Fehler und irrt sich. Gib auch nichts auf diejenigen, die meinen, daß Traumgesichte, die guten als auch die bösen, entsprechend der Geburtsstunde eines jeden geschaut werden; sie erklären nämlich, daß die glückverheißenden Gestirne, wenn sie nichts Gutes verursachen können, durch Traumgesichte Freude schenken, die unglückverheißenden aber, wenn sie nichts Übles verursachen können, durch Traumerlebnisse Schrecken und Furcht verbreiten. Träfe dies zu, so würden wohl die Traumgesichte nicht in Erfüllung gehen; nun erfüllen sich aber sowohl die guten wie auch die bösen Traumgesichte, ein jedes nach der ihm eigenen Bedeutung. Sodann werden Traumgesichte, die mehr literarischer Natur sind, keineswegs einfachen Leuten - ich meine, ungebildeten - zuteil, sondern nur solchen, die sich in der Literatur auskennen und einigermaßen gebildet sind. Aus dieser Tatsache kann man wohl am besten erkennen, daß die Traumgesichte eine Tätigkeit der Seele sind und nicht von einer äußeren Wirkursache hervorgerufen werden. Die im Traum gesprochenen Hexameter, lamben oder Epigramme Viertes Buch

107 107 oder sonstigen Aussprüche weisen von sich aus auf den Ausgang hin, und zwar in den Fällen, wo sie einen vollständigen Gedanken beinhalten. So träumte z.b. jemand, daß ihm einer von den zuverlässigen Gewährsmännern den Hexameter des Hesiod zitiere: «Meide bösen Gewinn; böser Gewinn gleicht dem Unheil.)» 461 Mann, der sich als Straßenräuber betätigte, wurde ergriffen und bestraft. Verse aber, die keinen vollständigen Gedanken wiedergeben, verweisen die Deutung auf den Inhalt des ganzen Dichtwerkes. So träumte jemand, seine Sklavin spreche die lamben des Euripides: «O brate, röste mir das Fleisch, sättige dich an mir.» 462 Diese Sklavin litt unter der Eifersucht ihrer Herrin und erduldete unzählige Qualen. Es war ganz begreiflich, daß der Traum entsprechend dem Inhalt der Andromache 463 sich an ihr erfüllte. Einem armen Mann träumte, er spreche den iambischen Vers: «Alles Unerwartete kam nun auf einmal zusammen.» Er fand einen Schatz und wurde steinreich. Eine Frau träumte, jemand zitiere ihr: «Tot ist Patroklos, um den nackten Leichnam kämpfen die Mannen; aber die Waffen hat der helmbuschschüttelnde Hektor.» 464 Mann dieser Frau, der auf Reisen war, starb, und als sein Vermögen von der Staatskasse eingezogen wurde, ließ die Frau es auf eine Entscheidung ankommen und ging vor Gericht; sie hatte aber keinen Erfolg, sondern starb im Lauf des Prozesses. Du siehst, daß einige Fälle von sich aus ohne Rückgriff auf den Inhalt der Dichtungen den Ausgang offen legten, andere sich entsprechend der zugrunde liegenden Fabel erfüllten. 60 Was ferner die Städte betrifft, so ist es besser, die heimischen, wie Vaterstädte oder jene, in denen man glückliche Zeiten verlebt hat, zu schauen als andere; weniger gut ist es, fremde oder unbekannte zu schauen. Insgesamt ist es ein Zeichen von guter Vorbedeutung, sie alle bevölkert, gut verwaltet, voll blühenden Reichtums und im Besitz all dessen zu sehen, was Größe oder Glück einer Stadt zum Ausdruck bringt. Dagegen bedeutet es nichts Gutes, Städte verlassen oder zerstört zu sehen, mögen es heimische oder fremde sein. Es bedeuten aber die Vaterstädte auch die Eltern. So träumte z.b. einer, seine Vaterstadt sinke durch ein Erdbeben in Trümmer; sein Vater wurde zum Tod verurteilt und ging so zugrunde. 61 Dinge, die die natürliche Folge von Vorgängen sind, die man im Traum schaute, erfüllen sich bei Tag. Vor allem führt ehebrecherischer Umgang für den Träumenden zu Feindschaft mit dem Ehemann der Verführten; denn dem Ehebrecher folgt auf dem Fuß der Haß des Mannes der Verführten. Dinge, die nicht die natürliche Folge von Vorgängen sind, die man im Traum schaute, erfüllen sich nicht. So träumte z.b. jemand, sein Herr lege ihm seine eigene Frau zum Beischlaf an die Seite. Es entstand auch nicht das geringste Zerwürfnis mit seinem Herrn, vielmehr übernahm er in dessen Auftrag die Verwaltung des gesamten Vermögens und wurde Aufseher über das war ganz begreiflich, daß keine Eifersucht gegen den aufkommen würde, der seine eigene Frau ihm zum Beischlaf überließ. 62 Sodann gehen manche Dinge, die Gefäße betreffen, auf unterschiedliche Weise in Erfüllung. So bringt z.b. Milch in einem Melkkübel Gewinn, in einem Wasserbecken dagegen ist sie das Symbol von Schaden 465 ; denn niemand würde sich dann noch an ihr laben. Das Gegenteil aber von Gebrauchen ist das Nichtgebrauchen, woraus Schaden entsteht. Nimm diejenigen nicht ernst, die allzu große Rätsel in die Traumgesichte hineinlegen, weil sie keinen Begriff von einer Traumerscheinung haben oder den Göttern Arglist und Böswilligkeit zutrauen, wenn diese die Träumenden mit solch Viertes Buch

108 108 dummem Geschwätz hereinlegen, daß letztere, anstatt durch ihre Traumgesichte Kenntnis über die Zukunft zu erlangen, obendrein sich den Kopf über Fragen zergrübeln, die sie gar nicht berühren. Denn wisse wohl, daß man gewisse Traumerlebnisse unmöglich schauen kann. So führen sie z.b. folgendes an: Einer, der einen Sklaven verloren hatte, träumte, ihm sage jemand: «Dein Diener befindet sich bei denen, die vom Dienst befreit sind.» Der Diener wurde in Theben aufgefunden, da die Thebaner die einzigen von den Boiotiern waren, die gegen Ilion nicht zu Felde zogen. Weiter erzählen sie, daß einer, der krank daniederlag, träumte, es sage ihm jemand: «Bring dem, der nur einen Schuh hat, ein Opfer und du wirst geheilt werden.» Er opferte dem Hermes; der Gott soll nämlich dem Perseus 466, als dieser auszog, um der Gorgo das Haupt abzuschlagen, einen Schuh ge geben haben und deshalb nur noch den anderen besitzen. Sie warten noch mit viel anderem Unsinn dieser Art auf, der offensichtlich mehr die mit solch sonderlichen Geschichten Unerfahrenen als die Traumdeuter in Verlegenheit bringt. Aber du kannst dir darüber, wenn du willst, leicht das nötige Wissen verschaffen, so daß du diesen Leuten gegenüber immer eine schlagfertige Antwort zur Hand hast; es gibt bei Lykophron 467 in der Alexandra, bei Herakleides vom Pontos 468 in den Leschai, bei Parthenios 469 in den Elegien und bei vielen anderen Autoren sonderliche und ausgefallene Geschichten. 64 Achte auch darauf, ob Wohltaten von gewissen Leuten erwiesen werden können oder nicht. So träumte jemand, er sei von seinem Herrn umgebracht worden. Er wurde von dem Mörder freigelassen, weil der Tod dies bedeutete; der Urheber seines Todes war auch der Urheber seiner Freiheit; es lag ja in seiner Macht. Dagegen wurde derjenige, welcher träumte, von seinem Mitsklaven umgebracht zu werden, nicht frei - denn der Mitsklave war gar nicht in der Lage, ihn freizulassen -, sondern verfeindete sich mit ihm; denn Mörder sind Feinde ihrer selbst. 65 Leuten, die dich fragen, ob es möglich sei, zur selben Zeit gute und böse Traumgesichte zu schauen, und im Ungewissen darüber sind, welchen von beiden man Glauben schenken solle, den guten oder den bösen, und ob die einen die anderen aufheben oder bestätigen, kannst du antworten, daß es nicht nur möglich ist, zur selben Zeit, sondern auch in ein und derselben Nacht und in ein und demselben Traumgesicht vielfach Gutes und Böses zu schauen. Du wirst dann auf die Traumgesichte verweisen, die vieles durch weniges oder vieles durch vieles ankündigen. Und das ist nicht weiter verwunderlich, wenn schon die menschlichen Verhältnisse und das tägliche Leben so beschaffen sind; denn häufig widerfährt einem zur selben Zeit Gutes und Schlechtes. Sei überzeugt, daß die Traumgesichte, die in Erfüllung gegangen sind, sich wiederum auf dieselbe Weise erfüllen, halte aber ebenso an dem Grundsatz fest, daß sie noch etwas Neues anzeigen. Und so wirst du dich nicht damit begnügen, nur auf die alten Traumerfüllungen zurückzugreifen, sondern versuchen, immer noch etwas Neues analog den früheren Fällen herauszufinden: Denn es wäre wirklich lächerlich, es der großen Menge gleichzutun und nur das in Erinnerung zu bringen, was längst niedergeschrieben oder ausgesprochen worden ist. So erging es z.b. einmal dem Traumdeuter Antipatros 470. Es träumte jemand, er verkehre mit einem Stück Eisen, wie man mit einer Frau verkehrt. Er wurde zur Sklavenarbeit verurteilt und mußte mit Eisen umgehen, das heißt in Ketten leben. Diesen Ausgang hatte der treffliche Antipatros im Kopf, als er einem anderen, der das gleiche Gesicht schaute, es dahin auslegte, daß er zum Gladiatorenkampf verurteilt werde. So kam es aber nicht, sondern dem Träumenden das Geschlechtsglied abgenommen. 66 Sodann verursacht auch jenes von Phoibos 471 angeführte Traumgesicht vielen Kopfzerbrechen. Es träumte einer, er sei zu einer Brücke geworden. Der Betreffende wurde Fährmann; denn als solcher erfüllte er denselben Zweck wie eine Brücke. So lautet der Fall, den Phoibos berichtet; andererseits wurde ein Reicher, dem es träumte, er sei einer Brücke geworden, von der großen Menge verachtet und gewissermaßen mit Füßen getreten. Ange nommen, eine Frau oder ein hübscher junger Mann sähen dieses Traumgesicht, so werden beide sich der lockeren Zunft verschreiben und viele über sich gehen lassen. Und ein Prozessierender wird nach diesem Traumerlebnis seine Feinde und selbst den Richter übertrumpfen; denn ein Fluß gleicht dem Richter, weil er, ohne Rechenschaft schuldig zu sein, seinen Willen durchsetzt, die Brücke aber schwebt hoch über dem Fluß. Viertes Buch

109 109 Als Übungsbeispiel für das Herausfinden von Analogien dürfte dir folgendes Traumgesicht genügen: Eine Frau, die schwanger ging, träumte, sie habe einen Drachen ge boren. Der Sohn, den sie gebar, wurde ein hervorragender und namhafter Redner; denn der Drache hat wie ein Redner eine zweischneidige Zunge. Es war das eine reiche Frau, und der Reichtum ist der Zehrgroschen der Bildung. Eine andere hatte dasselbe Traumgesicht, und ihr Sohn wurde ein Hierophant 472 ; denn heilig ist der Drache, heilig auch der Myste. In diesem Fall war die Träumende die Gattin eines Priesters. Eine dritte träumte dasselbe Traumgesicht, und ihr Sohn wurde ein hervorragender Weissager; der Drache ist nämlich dem Apollon, dem Ur- und Vorbild aller Weissager, geheiligt. Diese Frau war die Tochter eines Weissagers. Eine vierte hatte dasselbe Gesicht, und ihr Sohn wurde ein zügelloser und frecher Bursche und verführte viele Frauen in der Stadt ; denn der Drache geht krumme Wege 473. Es war aber schon die Mutter ein Ausbund von Geilheit und Hurerei. Eine fünfte träumte dasselbe Traumgesicht, und ihr Sohn wurde als Straßenräuber ergriffen und geköpft, denn der Drache wird, wenn er eingefangen wird, auf den Kopf geschlagen und endet so. Auch dieses Weib war ganz und gar nicht ohne Fehl. Der Sohn einer sechsten, die dasselbe Traumerlebnis hatte, wurde ein flüchtiger Sklave; denn der Drache windet sich durch die engsten Spalten und versucht, sich den Blicken der Verfolger zu entziehen. Die Mutter selbst war eine Sklavin. Einer siebenten träumte dasselbe, und ihr Sohn wurde gelähmt; denn der Drache bedient sich zum Vorwärtskommen seines ganzen Körpers, genauso wie die Gelähmten. Als die Frau dieses Traumgesicht schaute, lag sie an einer Krankheit danieder. Es war zu erwarten, daß das während der Krankheit empfangene und ausgetragene Kind sich nicht normal fortbewegen würde. 68 Alle Dinge, die sich auf dieselbe Weise bewegen, haben, im Traum geschaut, dieselbe Bedeutung. So träumte z.b. jemand, er einem Drachen in den Fuß gebissen. Der Betreffende erlitt durch ein Rad auf der Straße eine Verletzung, genau an dem Fuß, an welchem er im Traum gebissen worden war; denn wenn ein Rad sich dreht, bewegt es sich mit seiner ganzen Masse gleich wie der Drache. Daß den Göttern dieselbe Bedeutung wie den Herren zukommt, habe ich bereits oben in dem Kapitel über die Götter ausgeführt, und ebenso werden die Traumausgänge dir dies bestätigen. Zum Beweis meiner Behaup tung sei folgendes Traumgesicht vorgebracht. Ein Sklave träumte, er spiele mit Zeus Ball. Er geriet mit seinem Herrn in Streit, und weil er eine Lippe riskierte, zog er sich dessen Haß zu; denn Zeus bedeutete den Herrn, das Ballspiel den Wortwechsel und den Streit; denn Ballspieler machen einander Konkurrenz, und sooft einer den Ball zugeworfen bekommt, schlägt er ihn wieder zurück. Überhaupt haben Herren, Eltern, Lehrer und Götter dieselbe Bedeutung. 70 Ferner bedeuten Brüder im Hinblick auf die Traumausgänge dasselbe wie Feinde; denn sie sind einem nicht von Nutzen, sondern, wie die Feinde, von Schaden, weil jeder das, was er für sich allein besitzen sollte, nicht allein, sondern nur halb oder zum Drittel mit den Brüdern besitzt. Timokrates träumte, einer seiner Brüder sei gestorben, und er begrabe ihn. Bald darauf erlebte er, wie einer seiner Feinde starb. Doch bedeutet der Tod von Brüdern nicht nur den Untergang von Feinden, sondern auch den Freispruch von einer befürchteten Geldstrafe. So träumte der Grammatiker Diokles, der befürchtete, er werde wegen einer beleidigenden Äußerung Geld einbüßen, Bruder sei gestorben. Er bekam keine Geldstrafe. 71 Daß weder die Götter noch andere zuverlässige Gewährsmänner lügen, sondern ihre Äußerungen die lautere Wahrheit sind, habe ich oben im zweiten Buch dargelegt. Da aber die Menschen sich häufig betrogen fühlen, wenn ihnen bestimmte Weissagungen gegeben wurden und diese sich nicht wie erwartet erfüllten, so halte an dem Grundsatz fest, daß die Götter und alle zuverlässigen Gewährsmänner in jedem Fall die Wahrheit sagen, doch sprechen sie mitunter einfach und verständlich, mitunter mit verhüllten Anspielungen. Wenn sie einfach und verständlich sprechen, bereiten sie keine Schwierigkeiten, noch machen sie wegen der Klarheit der Aussage viele Worte; sprechen sie aber mit verhüllten Anspielungen und dunkel, mußt du die Anspielungen zu deuten suchen. Denn es ist ganz begreiflich, daß die Götter die meisten Hinweise verschlüsselt geben, weil sie, weiser als wir, nicht wollen, daß wir etwas ungeprüft hinnehmen. So träumte jemand, Pan sage ihm: «Deine Frau wird dir Gift reichen durch den der dein Bekannter und Viertes Buch

110 110 enger Freund ist.» Nun gab ihm zwar seine Ehehälfte kein Gift ein, doch ließ sie sich gerade von jenem Mann verführen, durch dessen Zutun sie nach dem Spruch ihren Ehemann vergiften würde; denn Ehebruch und Giftmischerei erfolgen im geheimen, und beide bezeichnet man als Anschläge, und weder die Ehebrecherin noch die Giftmischerin liebt ihren Mann. Infolgedessen trennte sich bald die Frau von ihrem Mann; denn der Tod löst alle Bindungen auf, das Gift aber hat dieselbe Bedeutung wie der Tod. 72 Hier noch folgendes: Tragen die Götter nicht die ihnen entsprechende Kleidung, befinden sie sich nicht an dem ihnen zukommenden Platz oder zeigen sie nicht die ge bührende Haltung, so ist alles, was sie sagen, Lug und Trug. Es gilt also, auf alles zugleich sein Augenmerk zu lenken: auf den Sprecher, das Gesprochene, den Ort, die äußere Haltung und die Kleidung des Sprechenden. Der Leierspieler 474 Chrysampelos, der einen Prozeß um einen als Sklaven verschleppten Bedienten führte, träumte, er sehe Pan 475 auf dem Marktplatz in römischer Gewandung und Fußbekleidung sitzen. Auf seine Frage, wie es um den Prozeß stünde, antwortete der Gott: «Du wirst ihn gewinnen.» Er verlor ihn aber, wobei die Sache ganz natürlich ausging; denn der Gott, der die Einsamkeit liebt und Prozessen abgeneigt ist, der nur ein Hirschkalbfell, einen Hirtenstab und eine Hirtenflöte führt, saß auf dem Marktplatz, angetan mit einem Staatskleid. Daher beurteile die im Traum zuteilgewordenen Auslegungen der Gesichte, wenn sie einfach und verständlich sind, als selbstgedeutet und als Fälle, die die Lösung in sich selbst enthalten, und deute nicht weiter an den Auslegungen herum. Sind sie aber dunkel, so versuche, die Deutungen selbst zu entschlüsseln und eine Lösung zu finden. So träumte z.b. Plutarch 476, er steige, von Hermes geführt, zum Himmel empor (und genieße die höchste Seligkeit), und in der folgenden Nacht legte ihm jemand im Traum das Gesicht aus und sagte, er werde glückselig werden, und das bedeute der Aufstieg in den Himmel und das übermäßige Glücksgefühl. Nun lag er krank danieder, und sein Zustand war bedenklich. Bald darauf starb er, und das war es, was ihm das Traumgesicht und dessen Deutung ankündigten. Denn für einen Kranken ist der Aufstieg zum Himmel ein unheilvolles Zeichen, und das Empfinden großen Glücks kündigt ihm den Tod an; denn glückselig ist nur der, welcher vom Unsegen unberührt ist; in dieser Lage aber ist nur der Tote. 73 Diejenigen Götter, die nach landläufiger Vorstellung unter einander verfeindet sind, bedeuten, wenn man sie zusammen schaut, Feindschaft und Aufruhr, wie z.b. Ares und Hephaistos, Poseidon und Athena, Zeus und Kronos, die olympischen Götter und die Titanen Alle Götter, die zu dem Beruf des Träumenden ein gutes Verhältnis haben, sind, im Traum geschaut, günstiger als die, welche ihm feindlich gesonnen sind; denn die Götter, welche den betreffenden Berufen nicht Helfer und Förderer sind, bedeuten Unheil, wie z.b. Hephaistos den Wasserträgern, Acheloos 478 Bordellbesitzern 479. Viertes Buch den Schmieden und Artemis den 75 Was die männlichen Gottheiten für die Männer bedeuten, dasselbe bedeuten die weiblichen für die Frauen. Die männlichen Gottheiten sind Männern nützlicher als weiblichen, die weiblichen aber Frauen nützlicher als die männlichen. Männliche Gottheiten, welche mit einem Gewand, Umhang oder sonst einem Kleidungsstück der weiblichen angetan sind, bringen Frauen größeren Nutzen als Männern, während weibliche in Männerkleidung günstiger für Männer als für Frauen sind. 76 Schaut man die Götter ohne Weihgeschenke und ohne die ihnen zukommenden Attribute, so kündigen sie Unheil an. 77 Keine von den sinnlich wahrnehmbaren Gottheiten ist mittellosen Leuten von Segen; die mächtigeren, älteren und durch ihre Stellung herausragenden Götter bringen Angehörigen der oberen Schicht größeren Nutzen als denen der unteren. Erblickt man Helios zusammen mit den Gestirnen, so ist das ein unerfreuliches und schlimmes Vorzeichen, aus-

111 111 genommen, er zeige sich als deren Gebieter und Anführer; wird er nämlich von den Gestirnen umringt, so bedeutet es, daß dem Träumenden von Leuten niederen Standes übel mitgespielt werden wird, während Helios als Gebieter und Anführer der Gestirne Überlegenheit über die Feinde, Festigung der gegenwärtigen Stellung und Vermehrung des vorhandenen Hab und Gutes prophezeit. Denn es gleicht das Größere und Stärkere dem Träumenden, das Kleinere und Schwächere den Feinden und den Untergebenen. 78 Die Heroen und Heroinnen bezeichnen dasselbe wie die Götter, mit der Einschränkung, daß sie weniger Macht besitzen; denn sie bedeuten das Gute und Böse in geringerem Maß. Schaut man sie niedergeschlagen, dürftig und von kleiner Gestalt, so ist das immer ein Zeichen dafür, daß den Heroen, die nahe bei dem Haus des Träumenden aufgestellt sind, entweder die geschuldete Verehrung 480 versagt wird oder daß sie von gewissen Leuten verhöhnt werden oder vergraben worden sind; deshalb muß dieser sie wieder auffinden und gebührend verehren und achten. Kommen Heroen ins Haus und richten sie irgendein Unheil an, prophezeien sie das Nahen von Feinden oder Räubern. 79 Drachen, die sich in Männer verwandeln, bedeuten Heroen, solche, die sich in Frauen verwandeln. Heroinnen. 80 Daß viele Auslegungen aus der eigentlichen Bedeutung der Wörter zu gewinnen sind, kannst du aus folgendem ersehen. Der Grammatiker Menekrates erzählte folgendes Traumerlebnis: Einer, der sich Kinder wünschte, träumte, er begegne seinem Schuldner, bekomme das geliehene Darlehen zurück und händige jenem eine Quit tung darüber aus. Soweit das Traumgesicht. Er berichtete weiter, daß der Mann, weil ihm keiner von den Traumdeutern in Alexandreia das Gesicht auslegen konnte, in seiner Ratlosigkeit, was denn das Traumgesicht bedeuten mag, zu Sarapis betete, er möge ihm das Rätsel entschlüsseln. Und es schien ihm, der Gott sage ihm im Traum: «Du wirst keine Kinder haben.» Denn wer eine Quittung ausstellt, erhält keinen Zins, Zins heißt aber auch das neugeborene Kind 481. Denke aber daran, daß die eigentliche Bedeutung glückverheißender Wörter unzuverlässig wenn nicht auch der Sachzusammenhang auf dasselbe hinausläuft. So träumte z.b. der Rechtsgelehrte Paulus 482, als er einen Prozeß vor dem Kaiser führte, es leiste ihm gewisser Nikon Rechtsbeistand. Dieser Nikon war jedoch vor Zeiten einmal in einem Prozeß vor dem Kaiser unterlegen. Paulus achtete aber nur auf den Namen 483, während ihm das Traumgesicht ganz natürlich und folge richtig seine Verurteilung andeutete, weil Nikon den verloren hatte. 81 Nichts Gutes bedeutet es, die bei Totenopfern und Leichenmahlen aufgetragenen Speisen zu sehen oder von ihnen zu essen noch ein Leichenmahl aufgetischt zu bekommen; denn es prophezeit Kranken den Tod, Gesunden aber den Verlust eines Familienangehörigen 484. Syros 485 träumte, er setze seinem Herrn ein Leichenmahl vor. Bald darauf bestattete er seinen Herrn, ebenso wie jener, der im Traum von seinem Patron freigelassen, diesen durch den Tod verlor. 82 Stelle ferner bei Leuten, die zu sterben träumen, fest, ob nicht einer wieder aufzuleben glaubt; denn es trifft dann keineswegs mehr all das ein, was durch den Tod ange zeigt wird. Der Syrer Leonas, der als Ringkämpfer am Wettkampf in Rom teilnehmen wollte, träumte, er sei tot und werde zu Grabe getragen; es begegne ihm aber ein Ringmeister, der die Träger zurechtweise, weil sie ihn zu schnell und allzu voreilig hinausschafften; er könne ja unter Umständen wieder aufleben. Darauf habe jener ihm die Brust mit warmem öl und Wolle eingerieben und so ihn wieder zum Leben erweckt. Der Mann hatte einen guten Tag im Wettkampf und schnitt im Ringen hervorragend ab; doch als er Aussicht hatte, den Siegeskranz zu erringen, wurde er vom Ringmeister, der (das Geschäft über den Kranz stellte), benachteiligt. Dieser hatte sich nämlich bestechen lassen und verhinderte es, daß er den Endkampf erfolgreich durchstand. Menandros aus Smyrna träumte, als er auf dem Weg nach Olympia war, sei ebendort im Stadion begraben worden. Aber er wurde bei den Olympischen Spielen Sieger. Was die Gaben anbetrifft, die man Toten mit ins Grab zu legen pflegt, so ist es weder gut, derlei einem Toten zu schenken, noch von ihm anzunehmen; denn es droht entweder dem Träumenden selbst oder einem seiner Ange hörigen Viertes Buch

112 112 Verderben. Von den übrigen Dingen etwas einem Toten zu geben ist in jedem Fall ungünstig, günstig dagegen, mit allem von einem Toten beschenkt zu werden, sowohl auf einmal als auch nach und nach, besonders mit Nahrungsmitteln, Geld, Geräten und Kleidungsstücken. 83 Alles Gute und alles Böse, was im Hinblick auf den Körper wahrgenommen wird, mindert, wenn es nicht ganz, sondern nur zur Hälfte geschaut wird, sowohl das Glück als auch das Unglück. So träumte z.b. die Frau des Diognetos, sie habe nur auf der rechten Wange einen Bart. Während dieses Traumgesicht allen Frauen, die verheiratet sind, Kinder haben und nicht guter Hoffnung sind, Witwenschaft prophezeit, endete es im vorliegenden Fall daß die Frau weder mit ihrem Mann zusammenlebte, noch durch den Tod von ihm getrennt wurde, sondern daß sie lange Zeit, während ihr Mann verreist war, sich in der Heimatstadt auf sich allein gestellt sah und das Haus besorgte. Es macht nun bei einer Frau keinen Unterschied, ob sie träumt, einen Bart oder männliche Geschlechtsteile oder die Kleidung, den Haarschnitt oder sonst etwas von einem Mann zu haben; das Traumgesicht wird sich auf dieselbe Weise erfüllen. Ebenso ist es für einen Mann gleichgültig, ob er träumt, er habe sich körperlich gänzlich in eine Frau verwandelt, oder er habe nur die Geschlechtsteile, die Kleidung, die Fußbekleidung oder die Haarflechten einer Frau; das Traumgesicht wird sich auf dieselbe Weise erfüllen. Diese Fälle sind aber nicht zu vergleichen mit den halbvollendeten Arbeiten noch mit dem Traumerlebnis des Kilikiers, der ein Schaf zu scheren träumte 486. Deine Aufgabe muß es sein, das Hauptstück der Erfüllungen herauszufinden, versuche aber auch, die Begleitumstände aufzudecken, ärgere dich aber nicht, wenn du dabei keine glückliche Hand hast. Der junge Mann aus Kypros bestimmte ein Traumgesicht, das sich erfüllt hat, in einer Weise, über die man streiten kann. Der Sachverhalt war folgender: Eine schwangere Frau träumte, eine Gans geboren zu haben. Dieses Gesicht ist dahin auszulegen, daß das Neugeborene am Leben bleiben wird, wenn es sich um die Frau eines Priesters handelt; denn die Gänse, die man in Tempeln hält, sind heilig 487 ; ist es nicht die Frau eines Priesters, wird das Kind, wenn es ein Mädchen ist, zwar ebenfalls am Leben bleiben, doch wegen der außerordentlichen Schönheit der Gänse das Leben einer Hetäre führen; ist es ein Knabe, wird er nicht überleben, weil Gänse mit Schwimmhäuten ausgestattet sind, Menschen aber Füße haben, die in Zehen gespalten sind. Was aber gattungs- oder artfremd ist, ist für das Aufziehen von Kindern ungünstig. Jener dagegen erklärte, das Kind werde männlichen Geschlechts sein und im Wasser umkommen. Wenn nun Gänse nicht überall und immer im Wasser lebten, sondern nur in diesem Element den Tod fänden, und wenn ihrer nicht unzählige Todesarten warteten, hätte der Deuter wohl einen Vorwurf verdient, wenn er nicht erklärt hätte, daß der Knabe im Wasser umkommen werde. Wenn dem Knaben aber ein kurzes Leben bestimmt war, andererseits ihn zufällig der Tod im Wasser ereilte, so war die Auslegung ausreichend. Denn daß die Deutung nicht entschied, ob sie einen Knaben oder ein Mädchen geboren, war vernünftig; die Gans kann ja männlich und auch weiblich sein. Den Leuten, die fragen, in welchem Zeitraum Traumge sichte in Erfüllung gehen, kannst du antworten, daß jedes Geschehen, das in der Wirklichkeit innerhalb eines begrenzten Zeitraums abläuft, wenn es im Traum gesehen wurde, sich in demselben Zeitraum erfüllt, wie z.b. Wettkämpfe, Festversammlungen, zivile und militärische Ämter und ähnliches. Dagegen nimmt jedes Geschehen, das sich in nicht begrenzten und festgelegten Zeiträumen abspielt, einen unbestimmten Ausgang, wie z.b. Geschlechtsverkehr, Mahlzeiten, Entleerung und diesen entsprechende Vorgänge, mit Ausnahme der Tiere; denn diese Gesichte erfüllen sich in einem ebenso langen Zeit raum, wie jene bis zur Geburt brauchen, das heißt, im Mutterleib getragen werden. Sodann gehen Traumgesichte von Göttern, Herrschern, Eltern und Herren in keinen begrenzten Zeiträumen in Erfüllung. Erschließe die entsprechenden Ausgänge und Zeitbestimmungen aus den Begleiterscheinungen des Geträumten oder aus des Träumers eigenen Erwartungen; denn es wäre lächerlich, wollte man einem, der vor dem nächsten Tag in Furcht oder Hoffnung schwebt und ein Traumgesicht geschaut hat, das auslegen, was im nächsten Jahr sich ereignen wird. Sodann gehen alle Dinge, die nur für den Tagesgebrauch bestimmt sind, im Lauf von Tagen in Erfüllung, jene aber, die auf längere Zeit angelegt sind, in einem längeren Zeitraum. Und alles, was man in großer Entfernung schaut, wie die Vorgänge am Himmel, nimmt wegen des Abstands einen langsameren Ausgang. Viertes Buch

113 113 Hier noch folgender Hinweis: Sowohl die guten als auch die bösen Traumgesichte bringen mächtigen Männern und Frauen großes Heil und auch großes Unheil, Leuten aus dem Mittelstand mittelmäßiges, denen aus den unteren Schichten aber ganz geringes; das gilt besonders von den glückverheißenden Traumgesichten; und das ist ganz begreiflich, weil diese Menschen für das erste beste dankbar sind und sich darüber überschwenglich freuen. Treffend sagt das Wort des Kallimachos: «Immer geben die Götter Kleines den Kleinen.» 488 Diese Ausführungen sind» mein Sohn, ausreichend und erschöpfend, alle Probleme der Traumdeutungskunst sind entwirrt und somit bewältigt und können von dir leicht erkannt werden. Wisse, daß es nicht meine Absicht war, Traumausgänge vorzulegen, vielmehr in Sonderheit in allen strittigen Fällen die Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Die Traumausgänge dienen in den einzelnen Fällen nur als Beispiel. Damit du aber Erfahrungsmaterial hast und müheloser praktizieren kannst, will ich versuchen, möglichst viele in Erfüllung gegangene Traumgesichte zu sammeln und damit ein weiteres Buch zu schreiben. Viertes Buch

114 114 FÜNFTES BUCH grüßt seinen Sohn Artemidoros! Mit Recht könntest du mir, mein Sohn, den Vorwurf der Säumigkeit machen, wäre Gleichgültigkeit der Grund; da es aber meine Absicht war, dir eine Übersicht über Traumgesichte zu verschaffen, die in Erfüllung gegangen sind, stand ich bei meinem Bemühen, nur solche Traumgesichte zu sammeln, die der Aufzeichnung wert sind, vor einer äußerst schwierigen Aufgabe; denn es ist kinderleicht und kostet nicht viel Zeit, eine Fülle der ersten besten Traumgesichte aufzuzeichnen, aber ein Kompendium von Gesichten zu schaffen, dessen sich der Verfas ser nicht bloß nicht zu schämen braucht, sondern mit dem er sich auch sehen lassen kann, war ohne Mühe und Opfer an Zeit nicht möglich, besonders für einen Menschen, der die Sache nicht auf die leichte Schulter nimmt; deswegen habe ich auf den Festversammlungen in Griechenland, Kleinasien und auch wiederum in Italien mit großer Sorgfalt alle nur möglichen Traumgesichte gesammelt und zu den obigen Büchern, die mich viel Schweiß gekostet haben, noch dieses hinzugefügt; es wird dir persönlich und jedem anderen, dem du eine Abschrift zur Verfügung stellst, die größten Dienste leisten. Zu jedem einzelnen Traumgesicht wirst du lediglich die nackten Ausgänge aufgezeichnet finden, ohne Ausschmückung und große Worte; nichts anderes hatte ich mir nämlich als Ziel gesteckt, als die auf der Erfahrung ruhende Glaubwürdigkeit mit dem daraus entspringenden Nutzen zu vereinen. Deshalb habe ich es unterlassen, jeden möglichen Ausgang aufzunehmen, den dasselbe Traumgesicht nehmen kann, je nach Stellung, Lebensführung, Alter und Verhältnissen der Träumenden; denn das erste, zweite und besonders das dritte Buch sind voll von Beispielen dieser Art, das vierte aber, das dir persönlich gewidmet ist, beinhaltet eine eingehende Darstellung der wissenschaftlichen Grundlagen und eine neue Methode in der Auslegung strittiger Punkte. Gleichwohl will ich nunmehr mein Versprechen, das ich am Ende des vierten Buchs gegeben habe, treulich einlösen, denn Übung und Routine kannst du, wie ich glaube, gebrauchen. 1 Es träumte jemand, er sei an den Sockel des Poseidon vom Isthmos 489 angekettet. Er wurde Priester des Poseidon; denn als solcher durfte er sich vom Ort seines Priesteramts nicht entfernen. 2 Es träumte einer, er führe seine Frau wie ein Opfertier vor und schlachte sie, schneide ihr Fleisch in Stücke, verkaufe es und erziele damit einen ansehnlichen Gewinn. Es träumte ihm weiter, er empfinde Freude darüber und versuche, das eingenommene Geld aus Furcht vor dem Neid der Umstehenden zu verstecken. Dieser Mann verkuppelte seine eigene Frau und bestritt mit dem schmutzigen Geschäft seinen Lebensunterhalt. Dieses war für ihn zwar eine gute Einnahmequelle, durfte aber unter keinen Umständen ans Licht der Öffentlichkeit kommen. 3 Jemand träumte, das Gymnasium seiner Vaterstadt und erblicke sein Standbild, das dort tatsächlich als Weihgeschenk aufgestellt war. Dann kam es ihm vor, als sei das ganze äußere Gestell aus den Fugen gegangen. Als ihn jemand fragte, was denn mit seinem Standbild geschehen sei, glaubte er zu antworten: «Mein Standbild ist heil, nur das Gestell ist entzwei.» Der Mann wurde auf beiden Füßen lahm, was ganz begreiflich war, denn das Gymnasium versinnbildlichte seine gute Körperkonstitution im allgemeinen, das Standbild aber bedeutete sein Gesicht, das äußere Gestell die übrigen Körperteile. 4 Es träumte jemand, er wische sich den Hintern mit Weihrauch aus. Er wurde wegen Religionsfrevels verurteilt, weil er das, womit man die Götter ehrt, schändlich mißbraucht hatte. Der Geruch aber zeigte an, er werde ent deckt werden. 5 Es träumte jemand, er trinke zerriebenen Senf; nun war er in einen Prozeß verwickelt, und die Anklage lautete auf Mord. Er wurde verurteilt und geköpft; denn er war das Getränk weder gewöhnt, noch war es überhaupt trinkbar. Außerdem war der Senf, den er getrunken, vorher durch einen sogenannten Durchschlag geschieden worden; deshalb Fünftes Buch

115 115 kam er durch einen Schiedsmann, das heißt durch einen Richter, zu Tode Jemand träumte, er sei zum Fluß Xanthos 491 in der Landschaft Troia geworden. Zehn Jahre lang spie der Mann Blut aus, doch starb er nicht, wie zu erwarten war, weil Fluß unsterblich ist. 7 Es träumte jemand, er beteilige sich in Nemea am Ringkampf der Männer, erringe den Sieg und werde bekränzt. Er führte damals einen Prozeß um ein Stück Land, auf dem sich ein sehr großer Sumpf befand. Tatsächlich ge wann er den Prozeß wegen der Bedeutung des Sumpfes, weil die Sieger in Nemea mit Eppich bekränzt werden Es träumte jemand, er habe in seiner Matratze statt Wolle Weizen. Er hatte eine Frau, die früher nie empfangen hatte, in jenem Jahr aber schwanger wurde und ein Knäblein zur Welt brachte. Die Matratze bedeutete die Ehefrau, der Weizen den männlichen Samen Es gelobte dem Asklepios, werde ihm einen Hahn opfern, falls er ohne Krankheit durch das Jahr käme. Einen Tag später gelobte er wiederum dem Asklepios, er werde ihm einen zweiten Hahn opfern, falls er keine Triefaugen bekäme. Und in der Nacht träumte er, Asklepios sage ihm: «Ein Hahn genügt mir.«der Mann blieb zwar von sonstigen Krankheiten verschont, wurde aber schwer triefäugig; denn der Gott hatte an einem Gelübde genug und versagte ihm die andere Bitte. 10 Jemand träumte, er sei in einen Prozeß wegen politischer Vergehen verwickelt und habe seine Prozeßakten verloren. Am folgenden Tag, als der Prozeß verhandelt wurde, wurde er von allen Anklagepunkten freigesprochen, und das war es, was ihm das Traumgesicht andeutete, er werde von allen Anklagepunkten freigesprochen und benötige keine Prozeßakten mehr. 11 Es träumte einer, er zünde eine Lampe am Mond an. Er erblindete. Denn er versuchte, von dort Licht zu nehmen, wo er unmöglich eines anzünden konnte. Außerdem sagt man, daß der Mond kein eigenes Licht habe. 12 Einer Frau träumte, sie schaue im Mond drei Bilder ihrer selbst. Sie gebar weibliche Drillinge, aber alle drei starben in demselben Mond 494. Es versinnbildlichten nämlich die Bilder die Kinder, ein Kreis aber hielt sie umschlossen. Denn mit einer Eihaut, wie die Ärzte sagen, waren die Embryos geschützt. Wegen des Mondes aber blieben sie nicht länger leben. 13 Ein jugendlicher Ringkämpfer, der wegen der Zulassung zum Wettkampf in großer Sorge war, träumte, Asklepios sei Kampfrichter und der Gott habe ihn beim Vorbeimarsch, als er zusammen mit den übrigen jungen Leuten einzog, ausgeschieden. Noch vor Beginn des Wettkampfs starb er; der Gott hatte ihn nämlich nicht vom Wettkampf, sondern vom Leben ausgeschlossen, über das er nach allgemeinem Glauben noch weit mehr Richter ist. 14 Es träumte jemand, er erblicke im Mond sein eigenes Antlitz. Der Mann unternahm eine Reise in ein fernes Land und verbrachte die meiste Zeit seines Lebens auf Irrfahrten und im Ausland; denn die ewige Bewegung des Mondes sollte ihn in ihren Bann ziehen. 15 Es träumte jemand, er habe ein eisernes Geschlechtsglied. Es wurde ihm ein Sohn geboren, der ihn umbrachte; denn das Eisen wird durch den Rost zunichte, der aus ihm entsteht. 16 Ein Reeder träumte, befinde sich auf den Inseln der Seligen 495 und werde dort von den Heroen festgehalten, dann komme Agamemnon 496 hinzu und befreie ihn. Der Mann wurde zu Zwangsleistungen 497 für den Staat gepreßt und von den kaiserlichen Verwaltungsbeamten festgehalten, später aber, als er an den Kaiser gelangt war, kam er von dem Frondienst frei. 17 Es träumte jemand, der auf Reisen im Ausland war, er habe seinen Hausschlüssel verloren. Nach Hause zurückgekehrt, fand er seine Tochter verführt; das Traumgesicht sagte ihm gewissermaßen, daß die Verhältnisse zu Hause Fünftes Buch

116 116 nicht in Ordnung seien. 18 Es träumte einer, aus seinem Kopf sei ein ölbaum herausgewachsen. Er nahm mit großem Eifer das Studium der Philosophie auf und richtete sein Leben im Denken und Handeln nach ihr aus; denn der ölbaum ist immergrün, fest gewurzelt und der Athena geweiht. Die Göttin wird aber mit dem reinen Denken gleichgesetzt. 19 Es träumte jemand, er gehe mit der Sonne zugleich auf und halte mit dem Mond gleichen Schritt. Er wurde gehängt, und so sahen ihn Sonne und auch Mond beim Auf gang hoch in der Luft baumeln. 20 Es träumte jemand, sein Sklave, den er mehr als alle anderen schätzte, sei zu einer Fackel geworden. Der Mann erblindete und mußte sich von eben jenem Sklaven führen lassen, und auf diese Weise schaute er gewissermaßen durch jenen das Licht. 21 träumte einer, er fahre auf dem Aufsatz eines Dreifußes über das hohe Meer. Er wurde wegen politischer Vergehen angeklagt, verurteilt und auf eine Insel verbannt; denn das Gerät, das ihn dahintrug, war rings von Wasser umspült und glich dem Äußeren nach einer Insel. 22 Es träumte jemand, er ziehe seinem eigenen Kind die Haut ab und fertige daraus einen Schlauch. Am folgenden Tag fiel das Kind in einen Fluß und ertrank; denn der Schlauch wird aus Leichnamen gewonnen und nimmt Flüssigkeiten auf. 23 träumte jemand, es falle vom Himmel ein Stern herab und ein anderer steige von der Erde zum Himmel empor 498. Es war das jemandes Haussklave. Darauf starb sein Herr; er war nun des Glaubens, frei und herrenlos zu sein, mußte sich aber mit dem Sohn seines früheren Herrn abfinden, dessen Sklave er zwangsläufig wurde. Der herabfallende Stern bedeutete den Tod seines Herrn, der zum Himmel aufsteigende aber dessen Sohn, der ihn von nun an beaufsichtigen und kommandieren sollte. 24 Es träumte einer, er kacke in ein Kornmaß 499. Er wurde überführt, sich mit seiner eigenen Schwester eingelassen zu haben; denn das Kornmaß ist ein Maß, das Maß aber gleicht dem Gesetz. Er hatte also gewissermaßen das Gesetz übertreten, indem er das, was bei den Griechen allge mein als Recht und Sitte gilt, mißachtete. 25 Jemand träumte, er sehe seine Geliebte in einem irdenen Weinkrug liegen. Die Geliebte starb durch die Hand eines Staatssklaven 500. Das Liegen in dem irdenen Gefäß bedeutete der Frau ganz natürlich den Tod; durch die Hand eines Staatssklaven aber, weil der Krug der Öffentlichkeit gehört und jedermann zu Diensten steht. 26 Es träumte einer, er trage den auf einem Erzplättchen eingegrabenen Namen des Sarapis wie ein Amulett um den Hals. Er bekam eine Halsentzündung und starb innerhalb von sieben Tagen; denn Sarapis wird als Gott der Unterwelt verehrt und hat dieselbe Bedeutung wie Pluton; sein Name enthält sieben Buchstaben 501, und der Mann starb gerade infolge eines Leidens an dem Körperteil, um den er das Amulett geschlungen hatte. 27 Es träumte einer, der in der Fremde lebte, er baue sich daselbst Haus und Herd. Wie zu erwarten war, starb der Mann; denn Haus und Herd versinnbildlichten seine ganze Lage und sein Lebensziel, und da er sie in der Fremde baute, sollte er das Ziel seines Lebens erreichen. 28 Es träumte einem, der in der Fremde lebte, er baue sich daselbst Haus und Herd und beschmiere statt der Steine seine Bücher mit Lehm, dann aber entschließe er sich anders, reiße alles ein und höre mit dem Bauen auf. Er erkrankte ernst, geriet in äußerste Lebensgefahr, kam aber mit knapper Not mit dem Leben davon. Die Gründe dafür sind klar, deshalb erspare ich es mir, darüber zu sprechen. kannte, verfolge ihn in der Absicht, ihm Pänulen 502 heißen sie in der lateinischen Sprache -, deren Naht in der Mitte aufgetrennt war, umzuwerfen, und schließlich lasse er es widerwillig mit sich geschehen. Fünftes Buch

117 Die Frau verliebte sich in den Mann und heiratete ihn gegen seinen Willen, aber schon nach einigen Jahren ließ sie sich von ihm scheiden, weil die Pänulen aufgetrennt waren. 30 Eine Frau, die krank daniederlag, träumte, sie gehe schwanger, habe schon Wehen und sei kurz vor der Niederkunft; da berühre sie ein Weib, welches nach ihrer Meinung in diesen Dingen wohl erfahren sei, und sage: «Jetzt wirst du kein Kind zur Welt bringen, wohl aber nach sieben Monaten ein wunderschönes Knäblein.«Sie erkrankte lebensgefährlich; (daher glaubte niemand mehr, daß sie davonkommen und wieder völlig genesen würde, selbst wenn es ihr besser gehen sollte.) Wie zu erwarten war, starb sie nach sieben Tagen; denn sie sollte sich der Bürde und der Wehen nach sieben Monaten entledigen. Das schöne Knäblein aber war der Tod, der wegen seines süßen Friedens erstrebenswerter war als das Leben mit seinen Leiden und Kümmernissen. 31 Es träumte ein angesehener Mann, ein Pächter großer Abgaben, er gebrauche sich selbst. Er geriet in eine derart ausweglose Lage, daß er sich infolge wirtschaftlicher Not und ständiger Schulden das Leben nahm, was ganz folgerichtig ausging; denn er war gänzlich ohne Verkehr mit anderen Menschen und so bar aller Geldmittel, daß er sich selbst befriedigen mußte. 32 Es träumte jemand, er habe seinen Ring, mit dem er alles zu siegeln pflegte, verloren; dank eifriger Suche habe er dann den eingefaßten Stein, in (fünfundfünfzig Teilchen) zersplittert, wieder aufgefunden, so daß er nunmehr unbrauchbar war. Innerhalb von fünfundfünfzig Tagen machte er völlig bankrott. 33 Es träumte jemand, daß er beim Niederbücken einen üblen Geruch in seiner Nabelgegend verspüre. Er nahm freiwillig ein tödliches Gift ein, weil er seine Notlage und den Druck seiner Schuldenlast nicht mehr ertragen konnte; denn aus Furcht, seine verborgene Zwangslage könnte ruchbar und unnötig bekannt werden, (beging er Selbstmord) und endete so. 34 Es träumte einer, es gelinge ihm nicht, Fackeln an seinem häuslichen Herd anzuzünden und zünde sie deswegen am himmlischen Feuer an. Er wurde ans Kreuz geschlagen und erglühte auf diese Weise im himmlischen Feuer. 35 Es träumte einem, der eine reiche, aber kranke Schwester hatte, daß vor deren Haus ein Feigenbaum gewachsen sei, von dem er dunkle Feigen, sieben an der Zahl, abpflücke und verzehre. Die Schwester starb, nachdem sie noch sieben Tage gelebt und den Träumenden als Erben einge setzt hatte. Die Gründe liegen auf der Hand. 36 Es träumte jemand, er werde vom Bürgermeister seiner Stadt aus dem Gymnasium hinausgeworfen. Der Betreffende wurde von seinem Vater aus dem Haus geworfen; denn dieselbe Bedeut ung, die der Bürgermeister in einer Stadt hat, kommt dem Vater im Haus zu. 37 Eine Frau träumte, sie habe auf der rechten Brust ein Auge. Sie hatte einen heißgeliebten Sohn, dessen Tod sie bald darauf heftig beklagte; denn aus demselben Grund, demzufolge einst jemand, dem es träumte, er habe auf der rechten Schulter ein Auge, seinen Bruder verlor - es sagte ihm gewissermaßen das Traumgesicht: «Schau auf deine Schulter, gib auf sie acht!» -, kam auch die Frau nicht etwa um ihre Brust, sondern um ihren Sohn, dessen Symbol die Mutterbrust war. 38 Es träumte jemand, er esse seinen eigenen Kot mit Brot und verspüre dabei ein Wohlbehagen. Er gelangte auf unrechtmäßige Weise in den Besitz einer Erbschaft und wurde infolge des verspürten Wohlbehagens zwar nicht gerichtlich belangt, doch wegen des Kotes erweckte er Verdacht; es war ganz natürlich, daß der materielle Gewinn ihm Schande einbrachte. 39 Ein Mann, der zwei unverheiratete Töchter hatte, träumte, die eine hätte auf dem Kopf eine goldene Aphrodite aufgebunden, der anderen wäre ebendort ein Rebstock hervorgesprossen. Von diesen heiratete die erstere, während die letztere starb; denn Aphrodite war das Symbol der Ehe und der Kindererzeugung nach dem Worte Homers: «Du aber Fünftes Buch

118 118 gehe nur nach liebreizenden Werken der Ehe» 503 ; und das kostbare Material, aus dem sie gefertigt war, bedeutete die Freuden der Ehe; auch sonst steht das Gold zu Aphrodite in Beziehung 504. Das Gebinde aber bezeichnete das Unauflösliche der Ehe; der Weinstock dagegen versinnbildlichte, weil er aus der Erde hervorsprießt, den Tod, der die andere dahinraffen sollte - in Erde lösen sich auch die Körper auf -, und weil der Weinstock zur Zeit seiner vollsten Reife der Frucht beraubt wird. 40 Jemand träumte, er fahre gleich einer sich häutenden Schlange aus seinem Leib. Am folgenden Tag starb er; denn seine Seele, die den Körper verlassen wollte, gab ihm solche Vorstellungen ein. 41 Es träumte einer, er befinde sich am Isthmos und suche dort seinen Sohn. Der Sohn kam infolge der Geschichte von Melikertes 505 ums Leben. 42 Ein Mann, der drei Söhne hatte, träumte, zwei von ihnen schlachteten ihn ab und verzehrten sein Fleisch, der jüngste aber komme hinzu, mache den anderen beiden ernste Vorwürfe, sei ganz niedergeschlagen und sage voller Abscheu: «Ich rühre vom Vater nichts an.» 506 Es traf sich, daß sein jüngster Sohn starb; denn er allein sollte nicht etwa vom Fleisch, sondern vom Vermögen des Vaters seinen Teil nicht bekommen, indem er vor diesem aus dem Leben schied und ihn nicht beerbte. Die anderen aber, die gegessen hatten, erbten das väterliche Vermögen. 43 Es träumte einer, seine Schwester werde vom Vater ihrem Mann entrissen und einem anderen zur Frau gegeben. Es geschah, daß der Träumende starb; denn begreiflicherweise deutete der Vater auf seinen Dämon als den Urheber seines Lebens, während es der Schwester, welche das selbe wie die Seele bedeutet, aufgrund der Tatsache, daß sie von der Seite ihres Mannes gerissen wurde, bestimmt war, vom Dämon entrückt zu werden und an einen anderen Aufenthaltsort und in andere Lebensverhältnisse zu kommen; denn nach dem Glauben der Menschen weilen die Seelen der Verstorbenen, wenn sie sich vom Leib getrennt haben, an einem anderen Aufenthaltsort. 44 Ein Athlet träumte, schwanger zu und zwei dunkelhäutige Mädchen zu gebären. Er wurde blind, seine Pupillen 507 traten heraus und färbten sich schwärzlich. 45 Ein Allkämpfer träumte vor einem Wettkampf, er niedergekommen und nähre sein Kind. Er unterlag in diesem Wettkampf und gab für die Zukunft seinen Beruf als Athlet auf; denn es hatte ihm geträumt, er stehe nicht seinen Mann, sondern erfülle die Aufgaben einer 46 Es träumte jemand, er werde von seiner Mutter ein zweites Mal geboren. Als er aus der Fremde in die Heimat zurückgekehrt war, fand er seine Mutter auf dem Krankenlager und beerbte sie. Und das war es, was das Gesicht von der zweiten Geburt andeuten wollte, daß er durch die Mutter aus Armut zu Reichtum gelangen werde; denn er lebte in großer Not und Armut. 47 Es träumte einem, sein Bart verbrenne in strahlendem, reinem 508 Feuer. Sein Sohn verschaffte sich in der Kunst des Weissagens Namen und Ruhm. Sie lebten Jedoch nicht lange zusammen, sondern trennten sich infolge zwingender Umstände; der brennende Bart verhalf seinem Sohn zu Namen und Ansehen; denn ein Sohn ist die Zierde des Vaters wie der Bart die des Gesichts. Da aber das Feuer naturgemäß jeden Stoff verzehrt, blieb der Sohn nicht in seinem Haus, sondern trennte sich von ihm, aber nicht durch den Tod, weil das Feuer ohne Rauch erstrahlte. 48 Ein Allkämpfer, der in den Olympischen Spielen sowohl den Ring- wie den Allkampf bestreiten wollte, träumte, seine beiden Arme wären zu Gold geworden. Er errang in keiner Konkurrenz den Siegeskranz; denn er sollte starre und unbewegliche Arme haben, als wären sie aus Gold. 49 Es träumte jemand, er habe sich verwandelt und sei zu einem Wesen mit Bärentatzen geworden. Zum Tod verurteilt, mußte er in der Arena mit wilden Tieren kämpfen und wurde, an einen Pfahl gebunden, von einem Bären zerrissen; denn wenn der Bär in der Höhle liegt, steckt er die Tatze in den Rachen, saugt sie aus, als ob er sie verzehren wollte, Fünftes Buch

119 119 und nährt sich so Einer, der auf einer Gesandtschaftsreise im Ausland weilte, trä umte, er sei heimgekehrt, dann sei seine Frau auf ihn zugekommen und habe gesagt: «Die kleine Musa ist gestorben.» Er erhielt von seiner Frau die Nachricht, daß das jüngste seiner Kinder gestorben sei; es war das reizendes Kind und hold wie die Musen. 51 Es träumte jemand, er höre jemand sagen, sein Stock sei zerbrochen. Er erkrankte und wurde gelähmt; denn die Stütze des Körpers, das heißt seine Kraft und Körperkonstitution, wurden durch den Stock angedeutet. Derselbe Mann, der wegen der Lähmung, die chronisch ge worden, verbittert war und schwer an ihr trug, träumte, sein Stock sei wiederum entzweigegangen. Er kam augenblicklich wieder zu Kräften; denn er sollte keine Stütze mehr nötig haben. 52 Jemand, der einen Bruder auf Reisen hatte, der ihm immer wieder schrieb, er werde in die Heimat zurückkommen, träumte, sein Bruder sei, blind geworden, wieder da. Natürlich starb der Träumende; denn sein Bruder war nicht in der Lage, ihn zu sehen. 53 Eine Frau träumte, ihre Sklavin, die ihr als Friseuse diente, hänge sich ihr auf ein Medaillon gemaltes Bild um und ziehe ihre Kleider an, als wolle sie zu einem Festzug gehen. Alsbald machte die Sklavin ihr den Mann abspenstig, indem diese sie verleumdete, und beschwor ihr Widerwärtigkeiten und ärgerliche Szenen herauf Ein Mann träumte, er wolle eine Schulterhälfte sehen, bringe es aber nicht zustande. Er wurde einäugig und konnte auf diese Weise, da ihm auf der betreffenden Seite das Auge fehlte, die Schulter nicht sehen. 55 Ein Läufer, der in Olympia beim einfachen Stadionlauf der Knaben den Kranz errungen hatte und an einer anderen Konkurrenz teilnehmen wollte, träumte, er wasche sich in dem olympischen Kranz wie in einer Waschschüssel die Füße. Er unterlag in diesem Wettkampf und {wurde) schmähhch des Platzes ^verwiesen); denn er hatte den früher erworbenen Kranz geschändet. 56 Es träumte jemand, er reite auf einem schwarzen Ochsen, dieser aber trage ihn nur widerwillig und werfe ihn ab, bevor er ihm sonst einen Schaden zufügen konnte. Er befand sich gerade auf hoher See, geriet an jenem Tag in große Gefahr und erlitt wenige Tage darauf Schiffbruch, wobei das Schiff versank, er selbst aber nur mit knapper Not gerettet wurde. Über die Entsprechung von Schiff und Ochsen habe ich im zweiten Buch 5 " gesprochen. 57 Es träumte jemand, ein Adler reiße ihm mit den Fängen die Eingeweide heraus, trage sie durch die Stadt in das dichtbesetzte Theater und zeige sie den Zuschauern. Der Träumende war kinderlos, und es wurde ihm nach diesem Traumgesicht ein Sohn geboren, der in der Stadt Namen und Ansehen erlangte; denn der Adler bedeutete das Jahr 512, in welchem ihm der Sohn geboren werden sollte, die Eingeweide den Sohn - denn so pflegt man seine Kinder zu nennen 513 -, und das Ins-Theater-Tragen das Ansehen und den Namen desselben. 58 Es träumte jemand, er werde in einem Backtrog voll Menschenblut von einigen Leuten getragen und esse von dem geronnenen Blut; dann sei ihm seine Mutter entgegengekommen und habe ausgerufen: «Mein Sohn, du hast mich um meinen guten Namen gebracht!» Darauf hätten ihn die Träger abgesetzt, und er sei nach Hause gekommen. Er ließ sich als Gladiator eintragen mußte viele Jahre lang Kämpfe auf Leben und Tod in der Arena bestreiten; das Verzehren von Menschenblut bedeutete seine rohe und frevelhafte Art, mit Menschenblut seinen Lebensunterhalt zu verdienen, der Ausruf der Mutter weissagte ihm die Ehrlosigkeit seines Standes, und das Getragenwerden in einem Backtrog versinnbildlichte die Gefahr, in der er immer und unablässig schwebte; denn das, was man in einen Backtrog legt, wird auf jeden Fall verbraucht. Und der Mann wäre als Gladiator umgekommen, wäre er nicht abgesetzt worden und nach Hause zurückgekehrt; denn erst spät kam er auf energisches Betreiben von Freunden von den Gladiatoren frei. 59 Jemand träumte, es verwunde ihn eine vom Himmel herabgefallene Lanze an einem Fuß. Der Mann wurde an eben jenem Fuß von einer sogenannten Lanzenschlange gebissen, er bekam den Knochenfraß und starb. Fünftes Buch

120 Es träumte einer, daß er, unters Joch getrieben, zusammen mit seinem längst verstorbenen Bruder eingeschirrt und von seiner Mutter, die die Zügel führte, wie ein Zugtier angetrieben werde. Totkrank kam er bei seiner Mut ter an, starb und wurde an der Seite seines Bruders begraben; und das war das Zweigespann, das die Mutter mühevoll zusammengebracht hatte. 61 Es träumte jemand, Asklepios verwunde ihn mit einem Schwertstreich am Bauch, und er sterbe. Der Mann kurierte sich von einem Geschwür, das sich am Bauch gebildet hatte, indem er sich einem chirurgischen Eingriff unterzog. 62 Es träumte jemand, er füttere sein Geschlechtsglied wie ein Tier mit Brot und Käse. Er nahm ein schlimmes Ende; denn anstatt die Nahrung dem Mund zuzuführen, verabreichte er sie dem Glied, als ob er damit andeuten wollte, er habe weder Gesicht noch Mund. 63 Eine Frau träumte, aus ihrer Brust seien Weizenhalme gewachsen, die umgeknickt sich wieder in ihre Scham zurücksenkten. Diese Person übte infolge eines unvorhergesehenen Umstandes, ohne es zu ahnen, Geschlechtsverkehr mit ihrem eigenen Sohn, dann aber machte sie ihrem Leben ein Ende und starb elend; die Halme bedeuteten den Sohn, das Hinabsenken in ihre Scham die geschlechtliche Vereinigung, während ihr böses Schicksal durch die aus ihrem Körper emporgewachsene Saat angezeigt wurde; denn diese pflegt aus der Erde und nicht aus Körpern zu sprießen. 64 Ein Mann träumte, er finde in seinem Chiton 514 viele große Wanzen, ekele sich davor, bringe es aber beim besten Willen nicht fertig, sie abzuschütteln. Tags darauf kam ihm zu Ohren, daß sein Weib Ehebruch treibe; er war empört darüber, doch konnte er sich aus irgendeinem Hinderungsgrund nicht von ihr lossagen. Der Chiton bedeutete sein ihn umschlingendes Weib, die Wanzen die Schande. Weil er aber das Ungeziefer nicht beseit igen konnte, gelang es ihm auch beim besten Willen nicht, sich von seinem Weib zu trennen. 65 Es träumte jemand, sein Geschlechtsglied sei bis zur Eichelkrone voller Haare und infolge des plötzlich eintretenden Sprießens ganz zottig. Er wurde ein ausgesprochener Wollüstling, der sich jeder Art von Ausschweifung hingab, nur gebrauchte er sein Geschlechtsglied nicht nach Art, wie es Männer zu tun pflegen. Kein Wunder also, wenn dieser Körperteil so träge wurde, daß wegen der fehlenden Reibung an einem anderen Körper darauf wachsen konnten. 66 Träumte jemand, daß ihm einer sage: «Bringe dem Asklepios ein Opfer!» Am folgenden Tag traf ihn ein schlimmes Unglück; er wurde von einem Wagen, der umstürzte, heruntergeschleudert und brach sich dabei die rechte Hand; und das war es, was ihm das Traumgesicht andeutete, er müsse sich in acht nehmen und dem Gott Unheil abwehrende Opfer darbringen. 67 Es träumte einer, er halte auf der Straße nahe dem Markt platz einen Barbierspiegel in der Hand, und es mache ihm großen Spaß, sich darin zu beschauen. (Danach wurde der Spiegel ihm überlassen), er besah sich darin und erblickte sein Bild voller Flecken. Der Mann hatte ein Liebesverhältnis mit einer Hetäre, die er ohne jemandes Zustimmung mit Gewalt zu sich nahm, und aus diesem Verhältnis entsprang ein Sohn, der nicht nur wegen seiner Abstammung, sondern auch deshalb, weil er schielte, mit einem Makel behaftet war. Der Spiegel des Barbiers kennzeichnete das Frauenzimmer 515 als Prostituierte, die sich jedem hingab, die aber ihrem Verehrer das Verhältnis nicht leicht gemacht hatte; (es hatten nämlich einige Leute ihn davon abbringen wollen), diese Person zu sich zu nehmen. Da er ferner sein eigenes Bild erblickte, wurde ihm ein Sohn geboren, der ihm ansonsten in jeder Beziehung glich, doch wegen der Flecken mit einem Makel behaftet war. 68 Es träumte jemand, er habe im Hintern einen Mund, darin große schöne Zähne, spreche durch ihn, esse durch ihn und bediene sich seiner für alle Betätigungen, die sonst dem Mund zukommen. Der Mann mußte wegen frecher Reden die Heimat verlassen und in die Verbannung gehen. Ich erspare es mir, die Gründe anzuführen; denn was ihm widerfuhr, ist natürlich und hat seinen guten Grund. Fünftes Buch

121 träumte jemand, der sich in Rom aufhielt, er fliege dicht an den Dächern vorbei um die Stadt herum, sei ganz stolz auf die Leichtigkeit des Fliegens und werde von allen, die ihm zuschauten, bewundert; vor Anstrengung aber und infolge Herzbeschwerden höre er auf zu fliegen und verstecke sich vor Scham. Bewundert und im Ruf eines hervorragenden Weissagers lebte er als angesehene Persönlichkeit in der Stadt und erwarb nicht nur Anerkennung, sondern auch ein stattliches Vermögen. Doch hatte er weder an der Weissagekunst noch an seinen Einkünften rechte Freude; denn seine Gattin ließ ihn schmählich im Stich, so daß er aus gekränktem Ehrgefühl die Stadt verließ. 70 Es träumte einer, er wolle losfliegen, werde aber von einem Freund - dieser hieß Julius - daran gehindert, weil jener ihn am rechten Fuß festhielt; der Mann wollte von Rom wegziehen. Er hatte schon alle Reisevorbereitungen getroffen - es war gerade zu Beginn des Monats Juli -, als ein unvorhergesehener Umstand ihn zwang, zu bleiben. Doch war es kein Aufenthalt auf Dauer, weil der, welcher ihn festhielt, sein Freund war. 71 Ein kranker Mann träumte, er gehe in einen Tempel des Zeus und richte an den Gott folgende Frage: «Wird es mir besser gehen? Werde ich am Leben bleiben?» Zeus gab ihm darauf keine Antwort, doch nickte er ihm mit dem Kopf zu. Am folgenden Tag starb der Mann, wie es zu erwarten war; denn der Gott blickte auf die Erde, als er sein Ja mit dem Kopf kundgab Eine kranke Frau träumte, sie frage Aphrodite, ob sie am Leben bleiben werde, und die Göttin winkte mit einer Kopfbewegung ab. Gleichwohl blieb die Frau am Leben; denn die der vorhergehenden entgegengesetzte Gebärde war ein Zeichen des Heils. 73 Eine Frau, die sich sehnlichst Kinder wünschte, träumte, sie schaue sieben auf dem Meer einhertreibende Gebärstühle. Sie gebar zwar, wurde aber nicht Mutter, sondern starben die sieben Kinder, die sie Welt gebracht hatte, vorzeitig noch in den Windeln. 74 Es träumte jemand, er habe sich verwandelt und sei zu einem riesigen doppelstämmigen Baum geworden, und zwar sei die eine Hälfte eine Weißpappel, die andere eine Fichte; dann hätten sich auf die Weißpappel alle möglichen Vögel niedergelassen, auf die Fichte aber Möwen, Taucher und sonstige Meeresvögel. Es wurden ihm zwei Söhne geboren, von denen der eine wegen der Weißpap pel-athlet wurde 517, in der Welt viel herumkam und daher unter Menschen fremder Art leben mußte, der andere hingegen brachte es, obwohl Sohn eines Bauern, bis zum Schiffsherrn, und zwar zu einem von denen, die sich in der Seefahrt einen Namen gemacht haben. Der Träumende selbst erreichte ein hohes Alter und lebte bis an sein Ende in glänzenden Verhältnissen. 75 Ein Mann, der seinen Sohn als Allkämpfer nach Olympia begleitet hatte, träumte, dieser sei zum Tod verurteilt worden und solle am Altar des Zeus geschlachtet werden, er selbst aber erreiche durch lautes Klagen und inständiges Flehen, daß der Knabe am Leben blieb. Der Sohn wurde zu den Spielen zugelassen und beteiligte sich am Wettkampf, doch als er die größte Aussicht hatte, den Sieg zu erringen, unterlag er, wie zu erwarten war; denn er erreichte weder das Ende, das heißt, er ging als Sieger durchs Ziel, noch wurde ihm eine öffentliche Ehrung zuteil; denn zu Recht werden diejenigen, die sich für das Allgemeinwohl opfern, großer Ehren gewürdigt, ebenso aber auch die Sieger in Olympia. 76 Ein Mann, der seinen Sohn als Ringkämpfer nach Olympia begleitet hatte, träumte, dieser sei von den Hellenenrichtern abgeschlachtet und in der Rennbahn begraben "worden. Natürlich wurde sein Sohn Sieger in den Olympischen Spielen; denn es ist folgerichtig, daß ein Verstorbener genau so wie ein Sieger in Olympia eine Inschrift erhält und glückselig genannt wird. 77 Jemand träumte, es sage ihm einer: «Habe keine Furcht, daß du sterben wirst, aber leben kannst du auch nicht.» Der Mann erblindete, indem sich das Gesicht ganz natürlich und folgerichtig an ihm erfüllte; denn insofern er am Leben blieb, war er nicht gestorben, er lebte aber nicht, insofern er das Licht nicht sehen konnte. Fünftes Buch

122 Ein Lä ufer, der an einem heiligen Wettkampf teilnehmen wollte, träume, er sei mit einem Tonkrug zu einer Quelle gekommen, um Wasser zu schöpfen. Solange er unterwegs zur Quelle war, rann das Wasser; in dem Augenblick aber, als er sich näherte und schöpfen wollte, hörte es auf zu fließen. Als er nach einer Weile noch einmal sich näherte, hörte es wiederum auf zu fließen und ebenso ein drittes Mal. Schließlich blieb es ganz weg, so daß er in seiner Wut den Krug zertrümmerte und in Stücke schlug. Beim Wettlauf lief er mit einem anderen ein totes Rennen, und obwohl die Waagschale des Sieges mehr zu seinen Gunsten ausschlug, mußte er zu einem zweiten Lauf antreten. Als er bei diesem wiederum Brust an Brust mit Gegner durchs Ziel ging, lief er ein drittes Mal; obwohl er dabei klar im Vorteil war, sah er sich doch um den Siegeskranz betrogen; offensichtlich nahm der Veranstalter des Wettkampfs für seinen Gegner Partei. Es bot sich nun an, einen Vergleich zu ziehen zwischen der Quelle und dem Wettkampf, der Wasserleitung und dem Kampfrichter, dem Wasser und dem Siegeskranz, dem Tonkrug und der sportlichen Konkurrenz, und zwar zwischen der vergeblichen Anstrengung, Wasser zu schöpfen, weil die Wasserleitung versagte, und derjenigen, den Siegeskranz zu erringen, weil der Kampfrichter parteiisch war, und schließlich zwischen dem erfolglosen Einsatz und dem Zerschlagen des Krugs. 79 Ein Läufer, der an einem heiligen Wettkampf teilnehmen wollte, träumte, er reinige mit einem Besen eine von Unrat und Schlamm verschmutzte Wasserleitung und spüle sie mit viel Wasser aus, um sie wieder leicht fließend und sauber zu machen. Am folgenden Tag ließ er sich eine Klistierspritze geben und unterzog seinen Darm einer Generalreinigung, obwohl er kurz vor dem Wettkampf stand; schnellfüßig und erleichtert erkämpfte er sich den Siegeskranz. 80 Eine Frau träumte, ihr Liebhaber mache ihr einen Schweinskopf zum Geschenk. Sie begann einen Widerwillen gegen ihn zu empfinden und gab ihm schließlich den Laufpaß; denn das Schwein ist unempfindlich für 81 Ein kyklischer Flötenbläser 518 träumte, seine Fußsohlen seien von Würmern zerfressen. Er quittierte seinen Beruf, hörte auf zu spielen und an Wettbewerben teilzunehmen, und seine Füße wurden so schwach, als wären sie tatsächlich von Würmern zerfressen, so daß er seinen Platz auf der Bühne nicht mehr ausfüllen konnte. 82 Es träumte jemand, seine Genossen und Bruderschaftsmitglieder 519 träten plötzlich an ihn heran und sagten ihm: «Nimm uns auf und bewirte uns!» Er aber entgegne: «Ich habe keinen Pfennig und nichts im Haus, um euch etwas vorzusetzen»; dann habe er sie fortgewiesen. Am folgenden Tag erlitt er einen Schiffbruch, geriet in äußerste Lebensgefahr und wurde nur mit Mühe und Not gerettet, wobei das Traumerlebnis ganz natürlich und folgerichtig sich an ihm erfüllte. Denn es ist allgemeine Sitte, daß die Genossen nach einem Begräbnis in das Haus des Verstorbenen gehen und dort speisen; die Aufnahme aber erfolgt im Namen des Toten als Dank für die ihm von den Genossen erwiesene letzte Ehre. (Die ihn Bestürmenden und Einlaß Fordernden bedeuteten die Gefahr; weil er sie aber nicht aufnahm, entging er natürlich der Gefahr 520.) Einen Schiffbruch erlitt er, weil er sie aus Geldnot abgewiesen hatte. 83 Es träumte einer, er esse Brot in Honig getunkt. Der Mann vertiefte sich in philosophische Schriften, machte sich die in ihnen enthaltene Lebensweisheit zu eigen und verdiente dabei viel Geld; der Honig bedeutete ganz natürlich die Überzeugungskraft der Weisheit 521, das Brot aber den Erwerb. 84 Es träumte jemand, aus seiner Brust seien Weizenhalme gesprossen, dann sei einer auf ihn zugekommen und habe die Halme ausgerissen, gleichsam als paßten sie nicht zu ihm. Der Mann hatte zwei Söhne, die durch ein grausames Schicksal ihr Leben verloren; als sie nämlich auf ihrem Landbesitz waren, überfiel sie eine Räuberbande und brachte sie um. Die Weizenhalme bedeuteten die Söhne, das Ausreißen ihre Ermordung. 85 Ein Sklave träumte, er bekomme seiner Herrin ein gekochtes Ei, werfe die Schale weg, das Ei aber verzehre er. Seine Herrin war schwanger und schenkte bald einem Knäblein das Leben. Sie selbst starb, der Träumende aber nahm auf Geheiß des Mannes der Herrin das Kind zu sich und zog es groß. Auf diese Weise war die äußere Schale zum Wegwerfen und nichts wert, während das Umschlossene dem Träumenden die Mittel zum Lebensunterhalt gab. Fünftes Buch

123 Eine Frau träumte, sie halte das vom übrigen Körper losgelöste Geschlechtsglied ihres Mannes in den Händen, pflege es und sei sehr darauf bedacht, daß ihm nichts geschehe. Sie bekam von dem Mann einen Sohn, den sie großzog; das Glied des Mannes war das Symbol des Sohnes, weil dieser mit dessen Hilfe gezeugt war. Da aber das Glied vom übrigen Körper getrennt worden war, ließ sie sich von ihrem Mann scheiden, nachdem sie den Sohn großgezogen hatte. 87 Ein Mann träumte, er werde von Ares gebraucht. Er bekam ein Leiden am Gesäß und Hintern, und da er auf andere Weise nicht geheilt werden konnte, unterzog er sich einem chirurgischen Eingriff und wurde geheilt. Ares bedeutete das Eisen des Messers, wie man auch in der Umgangssprache statt Eisen bildlich Ares sagt; das Lustgefühl am Geschlechtsverkehr deutete an, daß der Eingriff glücklich verlaufen werde. 88 Es träumte Jemand, er habe kein Geld und sei darüber niedergeschlagen. Er erlitt einen Schlaganfall und starb. Der Ausgang war zu erwarten, denn er hatte keine Mittel zum Leben mehr. 89 Magenkranker, der Asklepios um eine Heilanweisung 522 bat, träumte, er betrete das Heiligtum des Gottes und dieser strecke ihm die Finger seiner rechten Hand entgegen, damit er sie esse. Der Mann verzehrte fünf Dat teln und wurde dadurch geheilt; denn die feinsten Datteln werden Finger genannt. 90 Es träumte jemand, er trage auf den Schultern eine Menge glänzenden Goldes. Er erblindete infolge des strahlenden Glanzes des Goldes; wie zu erwarten war, blendete es die Sehkraft des Tragenden. 91 Jemand träumte, er habe drei Geschlechtsglieder. Er war Sklave, wurde freigelassen und erwarb statt eines Namens indem er die zwei anderen -vom Freilasser hinzunahm. 92 Ein Kranker betete zu Sarapis, er möge ihm, falls es ihm bestimmt sei, gerettet zu werden, im Traum die rechte Hand schütteln, wenn nicht, die linke. Und wirklich träumte er, er betrete den Sarapistempel und Kerberos 523 schüttele ihm die rechte Hand. Am Tag darauf starb der Mann, wie zu erwarten war. Denn Kerberos, der nach allgemeinem Glauben den Tod bedeutet, zeigte sich durch das Ergreifen der rechten Hand bereit, ihn aufzunehmen Es träumte jemand, er sei von Sarapis in den auf dessen Kopf befindlichen Kalathos 525 gelegt worden. starb; denn der Gott wird mit Pluton gleichgesetzt. 94 Ein Mann, der sich am Hodensack operieren lassen wollte, flehte zu Sarapis um das Gelingen der Operation und träumte, der Gott sage ihm: «Laß den Eingriff ruhig vornehmen, du wirst durch ihn geheilt werden.» Der Mann starb; denn er sollte wie ein Geheilter von Mühsal frei werden. Ganz folgerichtig ereilte ihn dieses Geschick, weil Sarapis kein olympischer oder ätherischer, sondern ein Gott der Unterwelt ist. 95 Ein Athlet träumte, er habe, nachdem er sich das Geschlechtsglied abgeschnitten und mit einem Ölzweig den Kopf umwunden hätte, den Siegeskranz erhalten. Er wurde Sieger in den heiligen Spielen und berühmt; und solange er Jungfräulich lebte, errang er als Athlet glänzende Erfolge und Ruhm; als er sich aber den Freuden der Liebe ergeben hatte, mußte er ruhmlos seinen Beruf aufgeben. Fünftes Buch

124 124 Nachwort «Träume sind Wundertäter»', dieses Wort des griechischen Schriftstellers und Satirikers Lukian, eines Zeitgenossen des Artemidor, drückt in treffender Kürze die Einstellung des Griechen der antiken Welt zu Wesen und Sinn des Traumes aus. Für diesen war der Traum etwas Bedeutungsvolles, er betrachtete ihn als jenen Teil des menschlichen Lebens, der die Verbindung zu einer höheren Wirklichkeit darstellt. Und da der Mensch seiner Natur nach ein Wesen «auf Zukunft hin» ist, mußte der Traum, seine «Numinosität» vorausgesetzt, dem Menschen damals für eben diese Zukunft individuell Belangvolles und Wesentliches aussagen. Dieser Auffassung ent sprechend, haben Träume im Leben der Griechen, selbst im öffentlichen Leben, von der mythischen bis in die späteste Zeit hinein ein besonderes Gewicht gehabt. Und wenn auch einzelne griechische Denker, die es zum ersten Mal unternahmen, den Traum zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung zu machen, die herkömmliche Auffassung vom Traum in Frage stellten oder Kritik an ihr übten, etwa Aristoteles, Epikur und Karneades, der Begründer der neueren skeptischen Akademie, so überwog doch bei weitem die Traumgläubigkeit den immer lebendigen Zweifel, selbst in den Reihen der Historiker und Philosophen. Bei einer solchen Wertschätzung der Träume mußte von frühester Zeit an ihre richtige Auslegung von großer Bedeutung sein. Nur selten war ja der Sinn eines Traumes unmittelbar zu erfassen, und außerdem war von vornherein die Frage zu entscheiden, ob der betreffende Traum bedeutsam war oder nicht. Die Kunst, darauf eine Ant wort zu geben und einen Traum zu interpretieren, verstehen die Traumdeuter. Sie kommen schon in der Ilias (1,63) in derselben Reihe mit dem Seher und dem Opferer vor. Ihre Auslegungen beruhten, wie man glaubte, auf göttlicher Eingebung; ihre Kunst galt als eine Gabe der Gottheit. In historischer Zeit haben Traumdeuter sowohl im privaten wie im öffentlichen Leben ihren festen Platz, und je mehr der Glaube an die zukunftweisende Bedeutung der Träume um sich griff, umso mehr stieg ihr Ansehen. Dabei trat der Glaube an die Göttlichkeit dieser Kunst mit der Zeit zurück und wurde durch die Vorstellung von einer menschlichen Kunst ersetzt, zu deren Beherrschung weniger göttliche Inspiration als eine sichere Kenntnis aller Umstände und Beziehungen der Träume Voraussetzung sei. Plutarch berichtet 2, daß der Staatsmann Kimon während des ägyptischen Feldzugs der Athener einen solchen Mann in seinem Gefolge hatte. Schon früh begannen die Traumdeuter, ihr Wissen und ihre Erfahrung schriftlich aufzuzeichnen und damit den Grund zu einer Literatur zu legen, die mit der Zeit einen ' beträchtlichen Umfang annahm. Weil ähnliche Träume bei verschiedenen Personen vorkommen, lag es nahe, Traum-Lexika anzulegen. Wer ein solches besaß, brauchte nur das entsprechende Traumbild nachzuschlagen, um dessen Sinn und Bedeutung zu erkennen. Die Tradition der lexikonartigen Traumbücher läßt sich weit zurück verfolgen. So gibt es schon in der Bibliothek des assyrischen Königs Assurbanipal nicht nur zahlreiche Tontafeln, auf denen Träume niedergeschrieben waren, sondern auch einen Traumkanon, der feste Richt linien für deren Deutung aufstellte. Das älteste Traumbuch ist uns aber in einem ägyptischen Papyrus erhalten, der aus der Zeit der 12. ägyptischen Dynastie ( v.chr.) stammt und heute im Britischen Museum aufbewahrt wird. Das hieratische Traumbuch unterscheidet nicht nur zwischen guten und bösen Träumen, sondern auch zwischen zwei Gruppen von Menschen, von denen die einen in der Gefolgschaft des «guten» Gottes Horus sind, die anderen in der des «bösen» Seth-Typhon. Sie standen unter ganz verschiedenen Traumgesetzen. Die Tradition der Traumbücher wurde von den Griechen weitergeführt. Als Verfasser des ersten größeren Traumbuchs wird der Athener Antiphon genannt. Ob er mit dem Sophisten gleichen Namens, einem Zeitgenossen des Sokrates, identisch ist, bleibt umstritten. Seine Schrift muß viel Beachtung gefunden haben und war für spätere Autoren maßgebend. Es hat sich anscheinend um eine Sammlung einzelner Träume und ihres Ausgangs gehandelt; daneben enthielt das Buch Belehrungen verschiedenster Art, von denen wir ein Beispiel in der Anweisung haben, daß Schlafende Wahrträume haben würden, wenn man ihnen Lorbeer zu Häupten legte. Antiphons Sammlung ist offenbar durchaus kasuistisch angelegt gewesen, doch wird sie nirgends für eine Systematik angeführt. erste uns ganz erhaltene Nachwort

125 125 Traumbuch, das alle anderen überragt, sie gewissermaßen zusammenfaßt und die Literatur der griechischen Traumbücher abschließt, sind die, «Oneirokritika» des Artemidor. l Über Artemidors Leben besitzen wir nur dürftige Zeugnisse; eines in dem byzantinischen Lexikon des Suidas oder Suda (10. Jh. n. Chr.), der im übrigen, bestochen von der Diktion des Autors, viel aus dessen Werk für Ausdrücke aus der Umgangssprache ausgezogen hat; dazu zwei knappe Angaben, eine bei dem griechischen Arzt Galen (2. Jh. n.chr.), die andere in einer fälschlich dem Lukian zugeschriebenen Abhandlung 3. So ist unsere Hauptquelle über den Verfasser der «Oneirokritika» sein fünf Bücher umfassendes Werk über Traumdeutung. Es war wohl ursprünglich auf eine Beispielsammlung in zwei Büchern angelegt, denen dann ein drittes als Nachtrag beigefügt wurde. In den beiden ersten Büchern ist das Traummaterial nach Gruppen gegliedert. Es bezieht alle Lebensbereiche ein, die von jeher im Denken und Handeln des Menschen eine Rolle gespielt haben: Geburt und Tod, Erziehung und Unterricht, Körper und Körperteile, Sport und Spiel, Nahrung und Geschlechtsverkehr, Männer- und Frauenmode, Wetter, Jagd, Schiffahrt und Landwirtschaft, Staatswesen, Götter und Götterverehrung und dergleichen mehr (1,10). Diese drei zuerst erschienenen Bücher waren vermutlich für ein breites Publikum bestimmt; daher erklärt sich wohl auch die publikumswirksame Widmung an Cassius Maximus, der offenbar mit Maximos von Tyros identisch ist, einem bekannten Sophisten und Wanderredner des 2. Jhs. n.chr. Die Bücher vier und fünf dagegen hat Artemidor ausschließlich seinem gleichnamigen Sohn, der ebenfalls professioneller Traumdeuter war, zugedacht. Er will sein darin niedergelegtes reiches Erfahrungswissen an den Sohn weitergeben, der wohl noch zu wenig Berufspraxis besaß. Artemidor rät deshalb dem Sohn, die Bücher nicht etwa durch Abschriften einem größeren Kreis von Berufsgenossen zugänglich zu machen, sondern Aufzeichnungen, die ihn allen Fachkollegen überlegen oder mindestens ebenbürtig machen werden, für sich zu behalten (4, Vorwort). vierte Buch, das zugleich als eine Verteidigungsschrift gegen Kritiker und Nörgler gedacht ist, enthält eine Fülle von praktischen Ratschlägen und theoretischen Erörterungen über alle möglichen Probleme, die die Traumdeutung aufwirft. Artemidor liefert darin seinem Sohn mannigfache Argumente, die ein versierter Trauminterpret zur Hand haben muß, wenn er im Konkurrenz kampf seines Berufes bestehen will. Seine Hinweise und sind nüchtern und zeugen von gesundem Menschenverstand; z.b. warnt er seinen Sohn, allzu viele Geheimnisse in die Traumgesichte hineinzulegen. Manche Einzelheiten, so sagt er an anderer Stelle, dienten nur der Ausschmückung, man könne sie unberücksichtigt lassen. In den Fällen, wo es sich im Traum um Fabeln und Geschichten handele, die in zweifacher Version verbreitet sind, sei es ratsam, beide Fassungen zu kennen und der Deutung zugrundezulegen (4, 47). Das fünfte Buch ent hält eine gesonderte Sammlung erfüllter Träume; das vierte und fünfte Buch zusammen bilden eigentlich ein Werk für sich. Artemidors Lebenszeit fällt etwa in die Jahre vom Tod Domitians (96 n.chr.) bis zur Thronbesteigung des Commodus (180 n.chr.). Er berichtet (1,64), daß er persönlich einen Kitharaspieler gekannt habe, der in Smyrna an dem heiligen Wettkampf zu Ehren Hadrians teilnehmen wollte, aber wegen Übertretens der Wettkampfregeln von der weiteren Teilnahme am Wettbewerb ausgeschlossen wurde. Und an anderer Stelle (1,26) spricht er der Bekanntschaft mit einem Wettläufer, der sich an den in Italien veranstalteten Gedächtnisspielen beteiligte, die der Kaiser Antoninus ( n.chr.) zu Ehren seines Adoptiwaters Hadrian gestiftet hatte. Artemidor stammte aus Ephesos, der größten und bedeutendsten Stadt Kleinasiens, aus jenem Land, das so viele griechisch schreibende Traumdeuter hervorgebracht hat und das eine Mittlerrolle zwischen dem Ursprungsland der Traumdeutung, Babylonien, und dem griechischen Kulturkreis gespielt haben muß. Während er sich aber in seinen übrigen Schriften - er verfaßte u. a. ein Handbuch der Vogelschau - als Ephesier bezeichnet, gibt er als Verfasser des Traumbuches «Artemidoros aus Daldis» an, nach der lykischen Heimatstadt seiner Mutter. Er legte sich also sozusagen einen Künstlernamen zu, um dieser bis dahin unbedeutenden Stadt in Verbindung mit seinem Namen und Werk Ruf und Ansehen zu verschaffen (3,66). Im Vorwort zum ersten Buch, einem Muster rhetorischer Eleganz, spricht Artemidor über die Gründe, die, ihn Nachwort

126 126 veranlaßt haben, das Traumbuch zu schreiben. Zum einen will er die Weissagekunst und ihre Disziplinen, zu denen auch die Traumdeutung gehört, gegen ihre Kritiker und Verächter verteidigen, indem er gewissermaßen empirisch vorgeht und die tiefe Bedeutsamkeit der Träume unter Beweis stellt; zum anderen soll sein Werk all denen Hilfe bringen, die in ihrer Daseinsnot zum Traum greifen und Weisungen von ihm erwarten, bisher aber keinen zuverlässigen Schlüssel gefunden haben, der ihnen zur Enträtselung derselben verhelfen könnte, und die deshalb schon in ihrem Glauben an die Weissagekunst verunsichert sind. Artemidor wirbt um das Vertrauen seiner Leser mit dem ausdrücklichen Hinweis, daß es der Apollon Mystes von Daldis selbst gewesen sei, der ihn wiederholt in Traumvisionen aufgefordert habe, die Schrift zu verfassen (2,70). Solche von einer Gottheit eingegebenen Traumweisungen werden auch durch andere antike Zeugnisse bestätigt. So erzählt Sokrates in Platons Phaidon (4,60 E - 6iB) von einem mehrmals wiederkehrenden Traumerlebnis, demzufolge er aufgefordert wurde, zu komponieren, und daß er dieser Weisung gemäß in seiner Gefangenschaft dem Apollon zu Ehren gedichtet habe. Der Beliebtheit des Traumthemas ist es wohl zuzuschreiben, daß in der antiken Literatur Visionen Schlafender gerne als Einleitung bedeutsamer Szenen benutzt werden; so der Traum des Kallimachos am Beginn seiner «Aitia», der des Ennius in seinen «Annales», der Traum des Scipio in Ciceros Schrift «Vom Gemeinwesen», ferner der des eingangs erwähnten Lukian, der dessen Berufswahl bestimmte 4, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Schon im Vorwort zum ersten Buch und dann immer wieder in seinen theoretischen Erörterungen und praktischen Anwendungen bezeichnet Artemidor die Erfahrung, die Petra 5, als Grundlage seines Wissens, und zwar die eigene Erfahrung, die Erfahrung der Älteren und den beide Gesichtspunkte erweiternden empirischen Analogieschluß. Forscht man nach dem Ursprung seines Empirismus, so ist in erster Linie der Stoiker Poseidonios (135 bis 51 v. Chr.) zu nennen, dessen Einfluß auf die wissenschaftliche Mantik im späten Altertum groß war. Galen nennt ihn den wissenschaftlichsten unter den Stoikern. Unter den nachweisbaren Werken des Poseidonios wird auch eine Abhandlung «Über die Weissagekunst» in fünf Büchern erwähnt, die vermutlich ein reiches Tatsachenmaterial geboten hat. Die Mantik gilt Artemidor ebenso wie den Stoikern als eine Äußerung der göttlichen Vorsehung (pronoia). Er fühlt sich im Gegensatz zu jenen, die der Ansicht sind, es gäbe weder eine Weissagekunst noch eine göttliche Vorsehung (i, Vorwort). Stoisch ist es, wenn 2,39 neben Physis und Heimarmene auch Pronoia als Personifikation auftritt 6 ; ebenso, wenn Artemidor die Sterne, Wolken und Winde im Kapitel über die Götter (2,36) aufführt 7. Denn nach stoischer Lehre sind auch sie wie die sichtbare Welt ein Teil des Kosmos, der nur das Werk einer zweckmäßigen Vernunft sein kann, identisch mit der in allem Sichtbaren waltenden Gottheit 8. Stoisches Gedankengut findet sich auch in Artemidors Erklärungen zu den Deutungen. So bringt nach Artemidor (2,36) Helios, wenn er im Westen aufgeht, der Mehrzahl der Menschen Unheil; und als Erklärung fügt er hinzu: «... bewegt er sich nämlich in einer seiner Natur entgegenge setzten Bahn, dann leidet, wie sich denken läßt, das All und jeder Teil darunter. In jedem Fall ist auch der Träumende ein Teil des Alls.» Hier ist zweifellos auf die «Mit leidenschaft aller Dinge» (die sympatheia ton holon) angespielt, auf die Anschauung von der ewig gleichbleibenden absoluten Gesetzmäßigkeit allen Geschehens und der Einheit der Welt. Neben Poseidonios ist für Artemidors Methode der Trauminterpretation auch der Einfluß der Empirischen Schule maßgebend gewesen. Diese seit der Mitte des 3. Jhs. v. Chr. bestehende Ärzteschule, die ohne Zweifel aus dem von Pyrrhon von Elis ( v. Chr.) begründeten Skeptizismus hervorgegangen ist, gründete die Heilkunde einzig und allein auf die Erfahrung. Letztere schöpft aus den von sämtlichen «empirischen» Ärzten anerkannten Quellen wissenschaftlicher Erkenntnis: der Beobachtung (teresis), der geschichtlichen Überlieferung (historia) und dem Analogieschluß 9. Diese drei Prinzipien wurden von dem Empiriker Glaukias (um 180 v.chr.) unter dem Namen des «empirischen Dreifußes» zusammengefaßt. Artemidor gründet seine persönliche Erfahrung, die er wiederholt zum Zeugnis seiner Glaubwürdigkeit aufruft, auf einer Fülle von Informationen und Beobachtungen, die er, darin ein echter Nachfahre der lonier, auf seinen zahlreichen Nachwort

127 127 Reisen in die wichtigsten Teile der damals bekannten Welt gesammelt hat. Zweimal weist er in den Oneirokritika auf seine Bildungsreisen hin (i, Vorwort; 5, Vorwort). Er besuchte Kleinasien und die großen Inseln der Ägäis, Griechenland und Italien. Wie er im Vorwort zum ersten Buch erklärt, waren es besonders die Städte und Festversammlungen Griechenlands, die ihn anzogen, weil sie ihm Gelegenheit boten, mit öffentlichen Traumdeutern zusammenzukommen und empirisches Material über Träume und deren Erfüllung zu sammeln. Denn mit der Zeit war die Traumdeutung ein Geschäft wie mit jedem anderen Marktartikel geworden. Manche aus der Bahn geworfene Existenz verlegte sich auf dieses Gewerbe, um das tägliche Brot zu verdienen. So saß nach Plutarch 10 ein gänzlich heruntergekommener Enkel des großen Politikers Aristeides in Athen beim Tempel des lakchos, wo er mit Hilfe einer Traumtafel den Leuten weissagte. Artemidor hielt es nicht für unter seiner Würde, auch Marktwahrsager zu konsultieren, weil es nach seinen eigenen Worten unmöglich war, auf andere Weise alte Traumgesichte und ihren Ausgang in Erfahrung zu bringen. Die Friedenspolitik der Antonine und die öffentliche Sicherheit und Schnelligkeit des Verkehrs boten in dieser Zeit die besten Voraussetzungen für das Reisen zu Wasser und zu Land. Den glücklichen Zustand des Imperium Romanum unter diesen Kaisern preist die Rede «Auf Rom», die der Rhetor Ailios Aristeides, ein Zeitgenosse Artemidors, 156 n.chr. in der Hauptstadt des Reiches gehalten hat. Kein Wunder, daß sich damals im ganzen Reich auch diejenige Erscheinung entwickelte, die nur bei gefestigter öffentlicher Sicherheit möglich ist: die Touristik im modernen Sinn. So hat der eben erwähnte Ailios Aristeides als Tourist Ägypten durchquert und alle alten Tempel ausgemessen, wo sich ihm Gelegenheit bot; und von Lukian, der aus der syrischen Stadt Samosata stammte, wissen wir, daß er Reisen nach Kleinasien, Makedonien, Griechenland, Italien und Gallien unternahm. Unter den «guten» Kaisern des zweiten Jahrhunderts erlebte das römische Reich eine Ruhezeit, die auch der hellenischen Redekunst, den Wissenschaften und Künsten neue Impulse gab. Diese Bewegung, die an die Vorgängerin anknüpft, ist unter dem Namen «Zweite Sophistik» bekannt. Heimat derselben waren die wieder aufstrebenden Städte Kleinasiens: Ephesos, die Geburtsstadt Artemidors, Milet, Smyrna; später kam Athen dazu. Wie Götterfeste, Tempel und andere Bauten wiederhergestellt oder neu gestiftet wurden, so ahmte man die Vorbilder der Vergangenheit, die alten klassischen Schriftsteller, wenigstens stilistisch nach («Attizismus»). Die Sophisten dieser Epoche durchzogen als Wanderredner die römisch-griechische Welt und hielten bei den verschiedensten Anlässen wohlgesetzte Reden vor einem hör- und schaulustigen Publikum. Unter den Männern der neuen Richtung ragt Herodes Attikus ( n. Chr.) hervor, der es bis zum Konsulat brachte. Er war ein reicher, hochgebildeter Mäzen, der viele Orte, besonders Athen, mit öffentlichen Bauten ausstattete. Fast alle großen Sophisten der Antoninenzeit waren seine Schüler. Ebenso bedeutend waren der oben erwähnte Redner Ailios Aristeides, Lukian, Philostrat und der antike «Baedeker» Pausanias, um nur an Hand einiger illustrer Namen die geistige Umwelt abzustecken, in der Artemidor lebte. Die Kaiser waren der Zweiten Sophistik sehr gewogen, nicht nur aus propagandistischen Gründen, sondern auch aus echtem Bildungsinteresse. Während der Stil der Zweiten Sophistik anfangs vom «Asianismus», einer beweglichen, aufgeregten Redemode geprägt war, führte er dann in die Bahnen des attizistischen Klassizismus hinüber; dieser endete freilich in einer reinen Buchsprache. Auch Artemidors Ausdrucksweise ist diesem Zeitstil verpflichtet, doch zeigt sie starke Anklänge an die Koine, die griechische Gemeinsprache, die sich im Hellenismus über das ganze griechische Sprachgebiet bis weit nach Asien hinein ausbreitete. Artemidor läßt sich in seiner Tätigkeit als Traumdeuter; aber nicht nur von der persönlichen Erfahrung leiten, sondern macht sich auch die Erfahrung seiner Vorgänger zunutze, indem er die gesamte bis zu seiner Zeit erschienene Fachliteratur zu Rate zieht, ein Prinzip, das die Voraussetzung jeder wissenschaftlichen Tätigkeit ist, aber mit besonderem Nachdruck von den «empirischen» Ärz ten vertreten wurde. Im Vorwort zum ersten Buch rühmt sich Artemidor, daß es keine Schrift über Traumdeutung gebe, die er nicht erworben und studiert habe. So nennt er von den Nachwort

128 128 alten Traumbuchverfassern den oben erwähnten Antiphon von Athen als Gewährsmann für Träume über Polypen und Tintenfische (2,14). Als die beste Autorität für Zahnträume gilt ihm Aristandros von Telmessos in Karten (1,31), den er auch im Kapitel über das Anagramm zitiert (4,23). Artemidor erwähnt ferner Demetrios aus Phaleron, den Schüler des Theophrast (2,44), der ein Werk über Träume in fünf Büchern und über von Sarapis eingegebene Traumanweisungen und Wunderkuren geschrieben habe. Dreimal nennt er Alexander von Myndos im Zusammenhang mit Träumen, die von Zwiebeln (1,67), vom Blitzschlag (2,9) und von der Schwalbe (2,66) handeln. Nach Plutarch" lebte Alexander Myndos in der Zeit nach G. Marius ( v.chr.). Derselbe Autor verfaßte u. a. ein zoologisches Werk und eines über Pflanzen; beide Sachbücher, die auch mythologische Notizen enthielten, hat Artemidor vermutlich in den betreffenden Kapiteln über die Tiere bzw. Pflanzen als Vorlage benutzt 12. Artemidor führt noch eine ganze Reihe von anderen Traumbuchschriftstellern an, über deren Lebenszeit und Schriften jedoch zuverlässige Zeugnisse fehlen. Unser Autor verfügt aber nicht nur über ein reiches Fachwissen, sondern hat auch eine erstaunliche Allgemeinbildung; er ist belesen und wohl vertraut mit den klassischen Werken des Homer, Hesiod, Theognis, Pindar, Euripides, Xenophon, Menandros und Kallimachos, die er in seinem Werk zitiert. Daneben erwähnt er auch weniger bekannte Dichtungen wie die Liebesgedichte des Buenos von Paros, die «Alexandra» des Lykophron aus Chalkis, die «Liebesleiden» des Parthenios und die «Leschai» des Herakleides Ponrikos. Der Traum kommt von Zeus, heißt es bei Homer (Ilias,63). Doch nicht alle Träume sind wahr, sie können auch täuschen und trügen; so läßt schon der Dichter Penelope (Odyssee i9,56off.) klagen: Fremdling, es gibt doch dunkle und unerklärbare Träume, end nicht alle verkünden der Menschen künftiges Schicksal. Denn es sind, wie man sagt, Pforten der nichtigen Träume: Eine von Elfenbein, die andre von Hörne gebauet. Welche nun aus der Pforte von Elfenbeine herausgehn, Diese täuschen den Geist durch lügenhafte Verkündung; Pforte von glattem Hörne hervorgehn, deuten Wirklichkeit an, wenn sie den Menschen erscheinen 13. Es ist wahrscheinlich, daß die Unterscheidung der Träume bei Homer auf einem Wortspiel beruht; die trügerischen Träume, die betrügen (elephairontai), kommen durch eine Pforte von Elfenbein (elephas), die wahren, die sich verwirklichen (krainousin), durch eine von Hörn (keras). Solche Wort- und Gedankenverflechtungen hat ten in der Praxis der Traumdeutung ihren festen Platz. So waren Gleichklänge für den Ägypter mehr als bloße Zufälle. Die Sprache erschien ihm als etwas Heiliges, von Göttern Verliehenes. Was ähnlich klang, stand offenbar auch sonst in einem sympathetischen Zusammenhang. Viele Deutungen, die auf einfachen Wortspielen und Klangassoziationen beruhen, wurden später von den Griechen übernommen. Auch Artemidor bedient sich häufig dieses Kunstgriffs 14. Für die Auslegung kam es nun darauf an zu erkennen, ob ein Traum wirklich Gegenstand der Deutung bilden könne, das heißt, die zukunftweisenden von denen zu unterscheiden, welche keinen prophetischen Wert hatten. Zu diesem Zweck unterscheidet Artemidor zwischen bedeutungslosen Träumen (enhypnia) und bedeutsamen Traumgesichten (oneiroi). Die ersteren sind rein physiologisch erklärbar, sie gehen von bestimmten Leibreizen, Tageswünschen und Tagesängsten aus und sind daher für die Zukunftsdeutung belanglos. Er erläutert das näher 1,1. Ob die Pythagoreer bereits den Zusammenhang von Verdauung und Traum erkannten, ist ungewiß, doch wurde ihre Diätvorschrift, keine Bohnen zu essen, schon im Altertum dahin gedeutet, daß man bei Einhaltung der Vorschrift sich vor schlafstörenden Einflüssen und traumverwirrenden Wirkungen der Bohnen bewahren könne. Die obige Einteilung der Träume ergänzt Artemidor mit der kurzen Bemerkung, daß zu den bedeutungslosen Träumen noch das Phantasma gehöre, zu den bedeutsamen die Vision und das Orakel. Nun gibt der römische Schriftsteller Macrobius (um 400 n. Chr.) in seinem Kommentar zum «Traum des Scipio» dieselbe Einteilung der Träume wie Artemidor; vermutlich haben beide dieselbe Vorlage benutzt. Während aber Macrobius die einzelnen Arten näher bestimmt, äußert sich Artemidor nur oberflächlich über den Unterschied zwischen den verschiedenen Traumtypen. Nachwort

129 129 Schon hier wird deutlich, daß Artemidor gleich den «empirischen» Ärzten kein großes Interesse an theoretischen Spekulationen zeigt, sondern nur die praktischen Bedürfnisse im Auge hat. Dieser Tendenz entspricht es, daß die theoretische Betrachtung über die?natur der Träume sehr summarisch ist und er sich auch wenig Gedanken über das Wesen des Traumes macht. Da nach seiner Auffassung die bedeutsamen Traumgesichte von der Gottheit geschickt werden und aufgrund dieser Voraussetzung die prophetische Kraft derselben ausreichend begründet ist, bedrängt ihn nicht weiter die Frage, )b die Seele ihrer Natur nach prophetisch angelegt ist?der ob irgend etwas anderes als Ursache des Träumens.nzunehmen ist. Auch ist die psychologische Definition, las Traumgesicht sei eine Bewegung oder Formung der Seele (1,2), reichlich unbestimmt. Unter den bedeutsamen Traumgesichten unterscheidet ;Artemidor die theorematischen und die allegorischen. ' Die theorematischen entsprechen ihrem Erscheinungsbild; sie sind alltäglichen Inhalts und gehen meist sehr bald in Erfüllung; die allegorischen dagegen, die man sofort als Symbolverkleidungen erkennt, erst nach Ablauf l einer kürzeren oder längeren Zeitspanne (4, i). Nach Artemidor beruhen diese Regeln auf beobachtender Erfahrung. Nur ein einziges theorematisches Traumgesicht sei ihm bekannt, das erst spät und nicht augenblicklich in Erfüllung gegangen sei. «So träumte Druson aus Laodikeia, er habe das Haus seines Freundes gekauft; er kaufte es aber erst drei Jahre später.» (4, i) Theorematische, unverschlüsselte Traumgesichte sollen hauptsächlich Menschen zuteil werden, die einen guten und gesitteten Lebenswandel führen; denn ihre Seele werde weder durch. Befürchtungen noch durch Hoffnungen verwirrt, und außerdem seien sie auch Herr über die sinnlichen Leidenschaften, eine interessante Bemerkung, derzufolge Träume mit den Erlebnissen und Verhaltensweisen des Träumers etwas zu tun haben und der Mensch im Traum nicht als ein anderer weiterlebt, sondern im Traum nur Instinkte sich kundtun, die im betreffenden Menschen selbst stecken. Schon Homer kennt den Zusammenhang von nächt licher Traumerscheinung und psychischer Verfassung des Träumenden. Penelopes Traum in der Odyssee (19,5 35 ff.) ist der erste allegorische oder symbolische der griechischen Literatur. Penelope bittet ihren noch unerkannten Gatten ihr folgenden Traum zu deuten: Ein Adler tötete ihre zwanzig Gänse im Palast, danach stieg er in den göttlichen Äther. Da weinte und stöhnte sie selbst laut im Traum. Doch bald darauf kehrte der Adler zurück, war plötzlich Odysseus und deutete ihr den Tod der Gänse auf die Ermordung der Freier. Während in den übrigen Träumen in Ilias und Odyssee eine Traumgestalt den Schlafenden besucht, die ihm immer in traditioneller Stellung zu Häupten tritt, beschränkt sich bei dem Traum der Penelope das Bild auf ihre eigene träumende Person. Und der Dichter -weiß um den Zusammenhang von Tages- und Traumerlebnis, treten doch in Penelopes Traum Personen des Wachzustandes unter anderer Gestalt auf, Odysseus als Adler, die Freier als Gänse. Artemidors Interesse gilt in erster Linie den allegorischen Traumgesichten, auf sie stützt er sein Werk und seinen Beruf, aus verständlichen Gründen, denn schließ lich diente die Traumdeutung auch dem Zweck, klingende Münze durch sie zu verdienen. Von daher erklären sich einige Züge, die von einem materiellen Gesichtspunkt aus sich in seine sonst recht wissenschaftliche Arbeit eingeschlichen haben. So gibt er seinem Sohn folgenden «kollegialen» Wink: «Ich habe schon am Anfang meiner Schrift darauf hingewiesen und gebe dir auch jetzt den guten Rat, das Anagramm anzuwenden, wenn du in deinem Beruf den Eindruck erwecken willst, sachkundiger als andere Traumgesichte zu deuten, legst du aber dir selbst eines aus, keinen Gebrauch davon zu machen, weil du sonst getäuscht wirst.» (4,23) Die Aufgabe des antiken Traumdeuters bestand nun darin, die «Allegorie» oder Symbolverkleidung, das heißt die Verschlüsselung aufzulösen. Er hatte also dasselbe Ziel wie der moderne Analytiker, nur unterscheidet sich die Deutungsarbeit beider in der Methode und der Auswertung der gewonnenen Ergebnisse. Der antike Mensch erwartete vom Trauminterpreten keine Selbsterhellung bder existentielle Deutung, sondern einen Blick in die Zukunft. Um den Sinn eines Traumes zu ergründen, wandte der antike Traumdeuter die sogenannte «Chiffriermethode» an. Zu diesem Zweck zerlegte er den Traum in einzelne Bildabschnitte, indem er Bild für Bild im Traumbuch nachschlug und so die Bedeutung dafür erhielt. Es liegt dann an der Kombinationsfähigkeit des Deuters, ob er einen verbindenden Sinn erhält oder nicht. Deshalb fordert Artemidor vom Trauminterpreten nicht nur das selbstverständliche fachliche Wissen, Nachwort

130 130 sondern auch eine gewisse künstlerisch einfühlende Begabung, wie das ja auch im allgemeinen von bestimmten Tätigkeiten, z.b. der ärztlichen, gilt (i, 12). Bei der «Chiffriermethode» kommt alles darauf an, daß der Schlüssel, das Traumbuch, verläßlich ist. Artemidor bringt für diese Methode folgendes Beispiel (3,66): Ein armer Sohn eines reichen Vaters träumt, sein Kopf sei ihm von einem Lö wen abgerissen worden und er komme dadurch zu Tode. Der Traum ist nach Artemidor dahin auszulegen, daß der Vater erkranken und sterben, der Sohn aber den Vater beerben werde, denn das Gesicht setze sich aus folgenden Elementen zusammen: Kopf = Vater, Abreißen des Kopfes = Verlust des Vaters, Löwe = Krankheit, Tod = Wechsel in den Lebensverhältnissen. Artemidor deutet die Träume aus dem «manifesten» l Trauminhalt. Er geht nur vom realen Traumgeschehen, aus, so wie es der Träumer bei korrekter Wiedergabe als Traumtext liefert. Doch kommt er dem modernen Traumverständnis schon recht nahe, wenn er die Kenntnis der gesamten Lebensumstände des Träumers und besonders dessen, was ihn vor dem Einschlafen innerlich beschäftigte, als unerläßliches Ergänzungsmaterial für eine genaue Traumauslegung fordert, j Auch kann nach Artemidor ein und dasselbe Traumgesicht ganz Verschiedenes bedeuten, je nachdem ein Freier oder Sklave, ein Reicher oder Armer, ein Gesunder oder Kranker, ein Verheirateter oder Lediger, ein Redner oder Kaufmann geschaut hat. Ferner müsse der Deuter Informationen über örtliche Sitten und Gebräuche, über Land und Leute einholen, da sonst Traumbilder, die auf diese Dinge Bezug nehmen, nicht zu deuten seien. Überhaupt sei für den Interpreten ein umfassendes Allgemeinwissen unerläßliche Voraussetzung. So belehrt Artemidor den Sohn (4,4): «... Bücher über Traumdeutung allein reichen nicht aus, um dich zu fördern, es müssen alle anderen Wissensgebiete dazukommen.» Deshalb habe sich u.a. auch die Erkenntnisse der wissenschaftlichen Heilkunde zu eigen zu machen (4,22) 15. Ein wiederkehrendes Traumgesicht kann für ein- und denselben Träumer je einen verschiedenen Ausgang nehmen, wenn er es in verschiedenen Lebenslagen schaut. Artemidor bringt das Beispiel des Salbenhändlers, der dreimal vom Verlust seiner Nase träumte (4,27): «Er verlor sein Kapital und hörte auf, Salben zu vertreiben...» Begründung: Weil er keinen «Riecher» für die Prüfung von Salben hatte, mußte er sein Geschäft aufgeben. «Derselbe Mann träumte, als er schon nicht mehr Salbenhändler war, es fehle ihm die Nase. Er wurde der Urkundenfälschung überführt und floh aus der Heimat; denn eine Entstellung im Antlitz raubt diesem seine Würde; das Antlitz aber ist ein Abbild des Ehrgefühls und der Rechtsstellung. Ganz folgerichtig verlor er seine bürgerlichen Rechte.» Während einer Krankheit träumte derselbe zum dritten Mal vom Verlust seiner Nase. Bald darauf starb er, «denn die Totenschädel haben keine Nasen». Wie in zahllosen anderen Fällen wird auch bei diesem Traumbeispiel für Artemidor die Vorbedeutung zur Ursache des Vorbedeuteten. Diese Methode, die psychologisch Einleuchtendes mit rationalistischer Spitzfindigkeit verbindet, läßt dem Traumdeuter für Verlegenheiten allerlei Hintertüren offen. Und welches waren die Anliegen derer, die zu den Traumdeutern liefen? Es ging um Arm- oder Reichwerden, um Krankheit oder Gesundheit, um Tod oder Leben, um Erfolg oder Mißerfolg in der täglichen Arbeit, in Beruf, Prozes sen, Wettkämpfen und im öffentlichen Leben, um Sklaverei oder Freiheit. Ob Sturm oder günstiges Wetter bevorstehe, ob gefahrvolle oder glückliche Reise, ob glückliche Ehe und Kindersegen zu erwarten; ob Flucht oder Ergreifen von entlaufenen Sklaven; ob ge heime Wünsche und geplante Vorhaben sich erfüllen. Im großen und ganzen sind es die trivialen Dinge des täglichen Lebens, hauptsächlich materielle Güter, um die die Gedanken dieser Gesellschaft kreisen. Und keine soziale Schicht, die nicht von dem Verlangen und Streben nach Befriedigung dieser Wünsche erfaßt wäre, die Gebildeten ebenso wie die Ungebildeten, Freie wie Sklaven, Reiche wie Arme, Großhändler wie Tagelöhner, hohe Beamte wie einfache Bürger. Überblickt man die Traumwelt, die in Artemidors Schrift ihren Niederschlag gefunden hat, so stößt man einerseits auf die zeitgebundenen Vorstellungen und Gedankengänge des damaligen griechischen Lebensgefühls, andererseits auf einen fühlbaren Mangel an sublimen existentiellen Bedürfnissen, auf das Fehlen eines den Eudämonismus des einzelnen übersteigenden Lebensideals. Welch banausisches Urteil über bildende Künste und Dichtung kommt z.b. in den folgenden Auslegungen Artemidors zum Ausdruck (1,51): «Das Bildhauern, Malen, Ziselieren und Verfertigen von Nachwort

131 131 Statuen ist für Ehebrecher, Rhetoren, Fälscher und alle Sorten von Betrügern von guter Vorbedeutung, weil diese Künste das nicht Existierende als existierend darstellen.» Ferner 1,56: «Chöre und Lobgesänge bedeuten leere Deklamationen und Betrügereien; die lyrischen Dichter pflegen nämlich aus persönlicher Gewinnsucht anderen Leuten Vorzüge anzudichten, die diese gar nicht besitzen. Dichter... sind in dieselbe Klasse mit den Chören einzureihen.» Nur an einer einzigen Stelle stoßen wir auf ein günstigeres Urteil (1,26): «Dichtern aber bedeutet solches Traumerlebnis höchstes Glück; denn diese müssen innerlich ganz gelöst sein, wenn sie dichten wollen; sie sind es aber am ehesten dann, wenn sie infolge des Verlustes ihres Augenlichtes weder durch Formen noch durch Farben abgelenkt werden.» Im folgenden soll nun an Hand einiger Beispiele Oneirokritika Artemidors Methode der Traumdeutung näher untersucht werden. Dabei werden vorwiegend zwei Gesichtspunkte im Vordergrund stehen: erstens das Verhältnis der Traumdeutung zu den anderen Formen der Mantik beziehungsweise zum Volksglauben und zweitens die Symbolverkleidung. Es ist für die Beurteilung der antiken Traumdeutung wichtig zu wissen, daß sie nicht den Anspruch erheben kann, eine eigene und besondere «Techne» zu sein. Sie arbeitet vielmehr größtenteils nach den Regeln, die andere mantische Disziplinen festgelegt haben. Darauf weist Artemidor selbst in einigen Fällen geradezu hin, besonders deutlich 3, 28, wo er über die Maus und ihre Bedeutung im Traum spricht. Hier ist auf die Verbindung von Traumdeutung und Teratoskopie, der Beobachtung von Wunder- und Vorzeichen, hingewiesen. Ausgangspunkt für die Anwendung der Regeln dieser mantischen Disziplin in der Traumdeutung ist dabei der Satz, daß der Traum sich nicht von der Wirklichkeit unterscheide. So kann die Traumdeutung fast als ein Kapitel der Ominakunde bezeichnet werden. An anderer Stelle, wo Artemidor über die Gestirne im Traum handelt, empfiehlt er, bei der Interpretation solcher Gesichte von den Regeln auszugehen, die die Sternbeobachtung erarbeitet hat (vgl. 2, 36). Neben diesen beiden Formen der Mantik läßt Artemidor noch die Aussagen von Vogelschauern, Opferpriestern und Eingeweidebeschauern als glaubund vertrauenswürdig gelten. Alle anderen Arten aber, wie sie z.b. von Leuten praktiziert werden, die aus Gesichtszügen, Würfeln, Sieben, Wasserbecken usw. wahrsagen, müsse man rundum für Betrug und Quacksalberei halten. Bei den von Artemidor anerkannten Zweigen der Mantik handelt es sich offenbar um solche, die entweder im Rahmen des öffentlichen Kultes anerkannt waren oder die in den Kreisen der führenden Schichten in hohem Ansehen standen, wie z.b. die Astrologie. So sagt er ausdrücklich 2, 69, daß man den Astrologen, die Horoskope ausstellen, Beachtung schenken sollte. Die Astrologie fand im Rom der Kaiserzeit, vor allem durch das Vordringen orientalischer Kulte und Einflüsse, starken Zulauf in den oberen Kreisen. Astrologen, vorzugsweise Griechen, Orientalen und Ägypter gingen am Hof sowie in den Palästen der Vornehmen und Reichen ein und aus; die Kaiser bedienten sich ihrer als Ratgeber, einige waren selbst in die Geheimnisse dieser dunklen Kunst eingeweiht, wie z.b. Tiberius, Hadrian und Severus. Die Astrologie war neben der Traumdeutung in dieser Zeit die eigentlich aristokratische Art der Prophezeiung. War schon die Gegnerschaft der aufgeklärten Kreise gegen die Traummantik äußerst schwach, so war bei dem einfachen Volk der Glaube an die geheimnisvolle Macht des Traumes die ganze Antike hindurch unerschüttert. Man wird nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß die Traumdeutung in ihren Anfängen überhaupt vom Volks-, und Aberglauben ausging. Wenn nach dem Glauben des Volkes das Erscheinen oder der Schrei einer Eule oder isonst eines Nachtvogels als unheilvoll galt, so konnte auch die Traumdeutung, die in den Träumen nur eine andere Art der Wirklichkeit sah, für die entsprechende Erscheinung im Traum kaum eine andere Auslegung geben. Die auf diese Weise gesammelten Erfahrungen pflanzten sich in lebendiger Tradition fort und bildeten einen festen Bestandteil des Traumglaubens. Aber mit der Zeit muß den Traumbuchschreibern das Bewußtsein für diese Zusammenhänge geschwunden sein; das zeigen die oft so absurden Begründungen ihrer Deutungen. In den Anfängen wird man sich die Art und Weise der Traumerklärung so vorzustellen haben, daß der Traumdeuter sich meist damit begnügt haben wird, Nachwort

132 132 die Gesichte ohne Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse des Träumers und ohne besondere Begründung im engen Anschluß an den Volksglauben auszulegen. Bei Artemidor dagegen, den man als Endpunkt dieser Entwicklung betrachten kann, stoßen wir auf ein kompliziertes, bis ins einzelne kasuistisch aufgebautes System, bei dem nun die einzelnen Deutungen auch entsprechend der Herkunft, dem Alter, Beruf usw. des Träumers gegeben werden, und bei dem das Ganze einen mehr wissenschaftlichen Anstrich bekommen hat, indem zu fast jeder Auslegung eine besondere Erklärung oder Begründung hinzugefügt ist. Artemidors Traumbuch ist offensichtlich ohne einen gebildeten Leserkreis nicht denkbar, der, überzeugt von der Wissenschaftlichkeit der Traumdeutung, sich nicht mit einfachen Auslegungen zufrieden gibt, sondern auch nach deren Begründung fragt. Zu allen Zeiten war offenbar der Wunsch vorhanden, das Irrationale und Alogische des Traumes dem Gesetz des Rationalen zu unterwerfen. Daß Artemidors Erklärungen zu seinen Traumdeutungen nur ein äußerlich aufgetragener wissenschaftlicher «Firnis» sind, spricht er offen und ehrlich in dem Rat aus, den er zu dieser Frage seinem Sohn gibt (4, 2o): «Suche alles zu begründen und jeder einzelnen Deutung eine vernünftige Erklärung zu geben und einige beweiskräftige Belege hinzuzufügen; denn wenn du auch die reine Wahrheit sagst, aber nur einfache und trockene Auslegungen gibst, wirst du den Eindruck erwecken, als ob du weniger Erfahrung besitzt.» Artemidors erklärende Zusätze verdunkeln in vielen Fällen den ursprünglich auf den Volksglauben zurückge henden Sinn der Deutungen; und man wird deshalb bei jeder Auslegung, die er gibt, zunächst einmal versuchen, diese für sich allein zu verstehen und ihren volkstümlichen Ausgangspunkt zu erkennen, wobei uns die Tatsache zu Hilfe kommt, daß sich die Deutungen im großen und ganzen mit Zähigkeit erhalten und fortgeerbt haben. Freilich sind dem Verständnis des modernen Lesers hier Grenzen gesetzt, befindet er sich doch gewissermaßen in einem anderen seelischen Raum und ist für ihn die mythische Identität zwischen Wirklichkeit und Symbolverkleidung aufgelöst. So ist er auf eine Richtschnur angewiesen, die ihm das Verständnis und das Einfühlen in eine ihm fremde Welt erleichtert. Hier bietet sich ihm die moderne Wissenschaft vom Traum an; diese beschränkt sich bei ihren Forschungen nicht allein auf die Träume, sondern zieht ihre Erkenntnisse auch aus allen Bereichen, in denen überhaupt Symbole vorkommen, aus bestimmten Grenzgebieten der Psychotherapie, aus Volkskunde, Sagen, Märchen und Mythen. Das Gesagte soll nun an einigen Traumdeutungen Artemidors erläutert werden. 2, 27: «Glück bringt der Anblick eines Brunnens im Haus oder auf dem Feld, wo vorher keiner vorhanden war; er bedeutet Erwerb von Hab und Gut, einem Unverheirateten und Kinderlosen aber Frau und Kinder; denn Nymphen wohnen in dem Brunnen, und gleich der Gattin spendet er den Hausbewohnern das ersehnte Naß.» 2, 38: «Flüsse, Seen und Wassernymphen sind im Hinblick auf die Zeugung von Kindern von guter Vorbedeutung.» Ein ähnliches Traumgesicht und eine entsprechende Deutung wie in der ersten angeführten Stelle findet sich auch im Traumbuch des Achmst (97, 25), eines griechischen Christen, der für seine Sammlung arabische Quellen benutzt hat (9.-12.Jh.); «Träumt jemand, er grabe einen Brunnen in der Erde und stoße auf Wasser, so wird er eine schöne Frau finden, mit der er wunderschöne und wohlgestaltete Kinder zeugen wird, wegen der Reinheit des Wassers, aber er wird auch zu Reichtum kommen entsprechend der Menge des Wassers.» Während Artemidor im zweiten Traum sich mit der Deutung begnügt, fügt er zu dem ersten, seiner Gewohnheit entsprechend, eine Erklärung hinzu. Wir haben es hier mit der Vorstellung zu tun, daß die Kinder aus Brunnen, Flüssen und Seen kommen, eine Anschauung, die uns auch aus dem Volksglauben unserer Märchen geläufig ist. Es ist dies nur ein anderes Bild für die Vorstellung, die alle Kinder aus dem Schoß der Mutter Erde «quellen» und «wachsen» läßt. Denn auch das Wasser strömt ja aus dem Schoß der lebenspendenden Erde und ist nur ein Teil von ihr. So kann es auch Besitz und Reichtum versinnbildlichen wie in den Deutungen von Artemidor und Achmet. In der Erklärung, die Artemidor gibt, werden die Nymphen als die Urheber des Kindersegens genannt. Abgesehen davon, daß Artemidor auch an dieser Stelle ein Wortspiel gebraucht, indem er auf die zweifache Bedeutung des griechischen Wortes nymphe Nachwort

133 133 als Nymphe (niedere Naturgottheit) und als Braut, junge Frau Bezug nimmt, spielen die Nymphen im griechischen Volksglauben eine wichtige Rolle. «Keine Hochzeitsfeier ohne die Nymphen», heißt es in einem antiken Zeugnis 16, und sie werden «Pfleger der Jugend» (kourotrophoi), «Lebensspender» (biodoroi) und «Zeugerinnen» (genethliai) genannt. Dieser Stufe des Denkens, nach welcher man sich die aus der Erde strömenden menschliche und vegetabilische Fruchtbarkeit spendenden Wasser mit persönlichen Geistern belebt vorstellt, entspricht die Anschauung unseres Volksglaubens, nach der in den Kinderbrunnen Frau Holle, Maria oder ein hilfreicher Geist wohnt. Im vorliegenden Fall gibt also auch die Erklärung Artemidors etwas für das Verständnis der Deutung aus, weil sie noch in tatsächlichem Zusammenhang mit dieser steht. Artemidor behandelt den Traum vom Brunnen in dem Kapitel über das Wasser. Dieses spielt im Traum eine fast ebenso große Rolle wie in den Mythen und Märchen. Ohne das Wasser kann nichts leben und nichts gedeihen. Nach Thaies, dem ionischen Naturphilosophen aus Milet, ist es der «Urstoff», aus dem alles entstanden ist. So versinnbildlicht es Zeugung und Geburt. In mythischer Vermählung von Himmel und Meer gezeugt, steigt Aphrodite aus den Fluten, die «Schaumgeborene», Göttin der Schönheit und des lebensweckenden Verlangens. Nach altägyptischer Anschauung taucht der Mensch wie der Sonnengott nachts im Schlaf in die erquickenden Fluten des Nun, des unergründlichen Ozeans, des bergenden Urgrundes der Welt, und erwacht morgens wieder gestärkt mit neuer Lebenskraft. Weil das Wasser als das Ursprüngliche, Mütterliche erfaßt wird, kann es in der Symbolsprache des Traumes auch für die Frau schlechthin gebraucht werden. So erscheint sie bei Artemidor unter dem Bild des Brunnens (2, 2/) und im selben Kapitel unter dem des Sees: «Ein mittelgroßer oder ein kleiner See bedeutet eine Frau, die reich ist und sich den Liebesfreuden gerne hingibt; denn auch ein See nimmt diejenigen auf, die hineinsteigen wollen, und wehrt ihnen den Zutritt nicht.» Auch hier wieder eine Erklärung, die das Irrationale des Symbols dem Rationalen unterwirft. Dagegen bringt nach Artemidor -immer noch im selben Kapitel - ein aus dem Haus strö mender Fluß einem armen Mann Unglück, weil er dessen Ehefrau in den Ruf des Ehebruchs und der Liederlichkeit bringt. Sodann gleicht auch das Meer einer Frau, wegen der Feuchtigkeit, wie Artemidor 3, 16 erklärt. Und im selben Kapitel bedeutet der Traum, auf dem Meer zu wandeln, für einen jungen Mann, daß er sich in eine Hetäre verlieben, und einer Frau, daß sie das Leben einer Hetäre führen werde. Dazu Artemidors rationalistische Erklärung: «Das Meer ist auch einer Hetäre vergleichbar, weil es zuerst angenehme Vorstellungen erweckt, dann aber den meisten übel mitspielt.» Der Gleichsetzung von Meer und Hetäre begegnen wir auch in dem Traum 4, $3. Im Vorwort zum vierten Buch macht Artemidor die Bemerkung, daß Leute, die in der Traumauslegung geschult sind und Sachverstand haben, gewöhnlich ihre Wünsche durch Symbole kundtun: «Wenn sich z.b. einer, der von Traumdeutung etwas versteht,... in eine Frau verliebt hat, so wird er nicht die Geliebte schauen, sondern ein Pferd, einen Spiegel, ein Schiff, das Meer... oder sonst etwas, was eine Frau bedeutet.» Daß das Schiff zu den Wasser- und Sexualsymbolen gehört, kann durch den deutschen Sprachgebrauch verdeutlicht werden, wo ja eine Verwandtschaft zwischen «Schiff» und «schiffen» (urinieren) besteht. Und wenn schließlich auch das Pferd als Symbol der Frau an der eben zitierten Stelle genannt wird 17, so war dem Menschen der Antike auch dieses Bild gewiß ohne weiteres geläufig, weil in seiner Vorstellung das Pferd dem Meeresgott Poseidon, einer ursprünglich chthonischen Gottheit, heilig war. Und noch heute werden in manchen Sprachen Wellen mit springenden Pferden verglichen, z.b. im Italienischen «cavalloni», im Englischen «white horses». Wie Mythen, Märchen und Folklore ausweisen, bezeichnet das Tiersymbol allgemein das Animalische im Menschen. So bedeutet das Pferd, das nicht nur Sinnbild des Triebes ist, sondern auch all dessen, was auf dem Trieb aufruht, den tragenden Grund der Vitalität und Animalität. Und wenn die Frau auch das Natur- und Triebhafte, das gebiert und nährt, verkörpert, so wird einsichtig, daß Frau und Pferd in der Deutung Artemidors geradezu äquivalente Symbole sind. Nun ist nicht jedes Bild, das im Traum erscheint, mit einem Symbol gleichzusetzen. Die Auslegung der Träume vollzieht sich bei Artemidor zu einem sehr großen Teil nach den Regeln der Analogie. Läßt man die den Träumen auftauchenden Bilder unbefangen sprechen, können sie unmittelbar wie eine Parabel verstanden werden. Artemidor Nachwort

134 134 äußert sich zu dieser Frage «Was die übrigen Bäume anbetrifft, so muß man sich an die vorgelegten Regeln halten und die Auslegung bilden, indem man immer die ähnlichen Momente in den Erfüllungen übernimmt. Denn die Traumdeutung ist im Grunde nichts anderes als ein Vergleichen von Ähnlichkeiten.» 18 Artemidor erläutert dieses Verfahren sehr instruktiv an einem Beispiel, das er zum besseren Verständnis für seinen Sohn ausgewählt hat (4, 67): «Als Übungsbeispiel für das Herausfinden von Analogien dürfte dir folgendes Traumgesicht genügen: Eine Frau, die schwanger ging, träumte, sie habe einen Drachen geboren. Der Sohn, den sie gebar, wurde ein hervorragender und namhafter Redner; denn der Drache hat wie ein Redner eine zweischneidige Zunge. Es war das eine reiche Frau, und der Reichtum ist der Zehrgroschen der Bildung. Eine andere hatte dasselbe Traumgesicht, und ihr Sohn wurde ein Hierophant; denn heilig ist der Drache, heilig auch der Myste. In diesem Fall war die Träumende die Gattin eines Priesters. Eine dritte träumte dasselbe Traumgesicht, und ihr Sohn wurde ein hervorragender Weissager; der Drache ist nämlich dem Apollon, dem Ur- und Vorbild aller Weissager, geheiligt. Diese Frau war die Tochter eines Weissagers. Eine vierte hatte dasselbe Gesicht, und ihr Sohn wurde ein zügelloser und frecher Bursche und verführte viele Frauen in der Stadt 19 ; denn der Drache geht krumme Wege. Es war aber schon die Mutter ein Ausbund von Geilheit und Hurerei. Eine fünfte träumte das selbe Traumgesicht, und ihr Sohn wurde als Straßenräuber ergriffen und geköpft, denn der Drache wird, wenn er eingefangen wird, auf den Kopf geschlagen und endet so. Auch dieses Weib war ganz und gar nicht ohne Fehl. Der Sohn einer sechsten, die dasselbe Traumerlebnis hatte, wurde ein flüchtiger Sklave; denn der Drache windet sich durch die engsten Spalten und versucht, sich den Blicken der Verfolger zu entziehen. Die Mutter selbst war eine Sklavin. Einer siebenten träumte dasselbe, und ihr Sohn wurde gelähmt; denn der Drache bedient sich zum Vorwärtskommen seines ganzen Körpers, genauso wie die Gelähmten. Als die Frau dieses Traumgesicht schaute, lag sie an einer Krankheit danieder. Es war zu erwarten, daß das während der Krankheit empfangene und ausgetragene Kind sich nicht normal fortbewegen würde.» Wie man sieht, beruht die Auslegung dieser Träume im wesentlichen darauf, Beziehungen des Traumbildes zu : der Träumerin zu entdecken, woraus sich dann der Kern l des Gleichnisses erkennen läßt. Daß der Traum in Bildern spricht, ist die natürliche Eigenart des Traumlebens, das an Stelle des Gedankens eine Handlung setzt und durch Verdichtung und Zusammenfließen von Bildern zu Zweideutigkeiten, Wort- und Bildsymbolismen neigt. Im Gegensatz zur Allegorie, die von der Anspielung auf etwas anderes lebt, steht ein echtes Symbol immer für sich selbst. Geht man von seiner eigentlichen Bedeutung aus - das Wort kommt ja von symballein = zusammenwerfen, zusammenballen - so vereinigt das Symbol offensichtlich in sich Gegensätze, die rational kaum zu fassen sind, sondern bestenfalls im Nacheinander widersprüchlicher Aussagen zu umspannen sind. Ein solches Symbol ist zweifellos auch das Wasser; seine Natur ist Heil und Unheil, Leben und Tod, Gutes und Böses, Zeugen und Vernichten, das heißt nicht eindeutig bestimmbar, sondern nur in der Form des Sowohl-als-Auch. In den beiden angeführten Träumen Artemidors (2, 27; 2, 38) tritt uns nur der eine Pol dieses Symbols entgegen; das Bergende, Weibliche, Zeugende. Aber in 2, 27 wird in der Auslegung auch der andere Pol deutlich; das Männliche, Dynamische, Vernichtende des Elementes; «... es gleichen nämlich die Flüsse Herren und Richtern, weil sie ihren Willen ohne Rechenschaft schuldig zu sein und nach freiem Ermessen durchsetzen, ferner Reisen und Bewegungen, weil ihr Wasser nicht stillsteht, sondern weiterfließt.» Und weiter heißt «Wild strömende Flüsse bedeuten rücksichtslose Richter, unangenehme Herren und die Volksmenge, weil sie ungestüm und mächtig tosen.» Auch zeigt ein ins Haus strömender, schlammgetrübter Fluß den Gewaltakt eines Feindes an, der Haus und Hausbewohnern großen Schaden zufügen wird, besonders wenn er etwas vom Hab und Gut des Hauses mit fortreißt. An einem zweiten Beispiel soll Artemidors Traumdeutung näher beleuchtet werden : «Der dreifüßige Tisch und der Herd bezeichnen das Leben, die Lebensverhältnisse insgesamt und die Gat tin des Träumenden. Nehmen Tisch oder Herd Schaden, so muß man folgern, daß das durch sie Bezeichnete Schaden erleidet. Nachwort

135 135 Der vierfüßige Tisch unterscheidet sich in keiner Weise von dem dreifüßigen, ebensowenig wie irgendein anderes Stück der Einrichtung, auf dem man speist.» 2. 10: «Träumt man, auf dem Herd oder im Backofen Feuer anzuzünden, das schnell aufflammt, so ist es von Segen und bedeutet die Geburt von Kindern; denn der Herd und der Backofen gleichen einer Frau, weil sie das zum Leben Notwendige aufnehmen; das Feuer in ihnen prophezeit, die Ehefrau werde schwanger gehen; denn dann wird auch die Frau hitziger. Trifft man aber Feuer in ihnen und läßt es dann ausgehen, wird man sich selbst schweren Schaden verursachen.» Grundlage der Auslegung des ersten Traumes ist offenbar die hohe Bedeutung und religiöse Heiligung des Herdes im antiken Haus. Als Träger des segenspendenden Feuers, als Sinnbild der Familie überhaupt, bildet er den religiösen Mittelpunkt des Hauses. An ihm, so glaubte man, haben die Seelen der Verstorbenen ihren Sitz, die als gute Geister bei ihrer Familie weilen und über das Wohl und Wehe der Nachkommen wachen 20. Die Deutung des Herdes auf das Leben des Träumenden begegnet übrigens noch einmal bei Artemidor, wo er auf die Erscheinung der Hestia, der Göttin des Herdes, im Traum zu sprechen kommt (2, 37). Der mit dem Herd zusammen genannte Dreifuß ist so eng mit diesem verbunden, weil er zum Einhängen von Kesseln über dem Herd seinen festen Platz hatte. Daß der Tisch - auch den Dreifuß konnte man jederzeit durch eine übergelegte Platte zum Eßtisch machen - die gleiche Auslegung wie der Herd erfährt, erklärt sich daraus, daß er vielfach an dessen Stelle getreten ist und daß ursprünglich das Mahl am Herd selbst verzehrt wurde. Den Herd vertritt der Tisch auch bei dem von Aelian (um 200 n.chr.) in den «Tiergeschichten» (2, 30) erwähnten Zauber, nach dem man einen neu erworbenen Hahn dreimal um den Speisetisch führen soll, um ihn auf dem Hof zu halten. Die gleiche Vorschrift treffen wir auch im deutschen Volksglauben an 21. Die Heiligkeit des Tisches bezeugt Plutarch 22. Der Tisch, so führt er aus, gleiche geradezu der Mutter Erde; denn abgesehen davon, daß er uns ernährt, ist er rund und fest, und zutreffend werde er von einigen «Herd» genannt. Auch die Gleichsetzung von Herd und Frau, die noch durch den zweiten angeführten Traum verdeutlicht wird, indem hier Herd und Backofen als Symbol der Frau erscheinen, ist echt volkstümlich und den Alten sehr geläufig gewesen. Auch außerhalb der Antike begegnet der Vergleich zwischen Herd und Frau, vorzüglich aber der zwischen dem tonnenförmigen Gewölbe des Backofens und dem schwangeren Leib der Frau. Aus dem heutigen Griechenland sei besonders angeführt, daß in Epiros der Platz, an dem Herd und Backofen stehen, ebenso genannt wird wie die Mutter, nämlich «Manna» 23. Wenn im zweiten Traum das Feuer in Herd und Backofen dahin gedeutet wird, daß die Ehefrau schwanger gehen wird, so haben wir es hier mit der antikem Denken so geläufigen Vorstellung von der zeugenden Kraft des Feuers zu tun 24. Artemidor widmet den Träumen vom Feuer zwei umfangreiche Kapitel (9 und 10) des zweiten Buchs. Ebenso wie das Wasser ist das Feuer ein echtes, bedeutungsvolles Symbol. Wie im indischen Traumschlüssel und im europäischen Volksglauben ist es ein günstiges Zeichen, im Traum reines Feuer zu schauen. Der Deutung Artemidors liegt die Vorstellung von der reinigenden Kraft des Feuers zugrunde. Als Beispiele sei auf die Sage von Denieter und Demophon sowie auf das Feuerspringen an dem römischen Burgfest der Palilien hingewiesen 25. Verwandte Bräuche des deutschen Volksglaubens werden bei den Jahres - und Johannisfeuern geübt. Daß die lebenspendende Funktion des Herdfeuers an seine Helligkeit und Reinheit gebunden ist, kommt in Artemidors Auslegung 2, 9 klar zum Ausdruck; «Am besten ist es, Herdfeuer leuchtend und rein zu sehen. Es bedeutet großen Wohlstand; denn wo keine Mahlzeiten zubereitet werden, kann man kein Feuer auf dem Herd sehen. Er lischt es, droht bittere Armut, und ist jemand im Haus krank, kündigt es dem Betreffenden den Tod an.» Wenn ferner erlöschendes Herdfeuer bei Artemidor Armut beziehungsweise schweren Schaden für den Träumer prophezeit (s. den zweiten oben zitierten Traum, 2, 10), so findet diese Auslegung ihre Parallele im deutschen Volksglauben, nach dem es geradezu Vertreibung von Haus und Hof bedeuten kann, wenn der Herd kalt gelegt und das Herdfeuer auf offener Straße ausgeschüttet wird 26. Kündet derselbe Traum aber Kranken den Tod, so deswegen, weil es Nachwort

136 136 üblich war, bei einem Todesfall das Feuer des Herdes zu löschen. Es war durch den Tod gewissermaßen verunreinigt und mußte erneuert werden. Die zeugende Kraft des Feuers, von der oben die Rede war, wird noch durch folgenden Traum bei Artemidor verdeutlicht (2, 57): «Hephaistos bedeutet zumeist das selbe wie das Feuer... Von guter Vorbedeutung ist er allen Handwerkern, Heiratslustigen und Leuten, die sich einer.gemeinschaft anschließen wollen...» Artemidors Begründung freilich ist, wie so häufig, rationalistisch: «... wegen des Zusammenhauchens der Blasebälge und wegen des Zusammenschweißens des Eisens.» Kommt schon dem irdischen Feuer solche Bedeutung so mußte das himmlische in viel höherem Maße wirksam sein. So wird bei Artemidor 2, 36 die Sonne mit Zeugung und Geburt in Verbindung gebracht; dieselbe Auslegung begegnet bei Achmet 127, 26 und 128, 15. Von der zeugenden Kraft der Sonne weiß die Geburtsgeschichte des Branchos, des Stammvaters des milesischen Priestergeschlechts der Branchidai zu berichten 27. Ähnlich ist die Legende von dem Traum, den des Augustus Vater hatte; ihm schien, aus dem Leib seiner Gattin strahle der Glanz der aufgehenden Sonne 28. Die Sexualsymbolik, wie sie uns in dem Vergleich zwischen Herd und Frau beziehungsweise Backofen und Frau begegnet, nimmt in der Traumsammlung Artemidors einen breiten Raum ein, vor allem in den Schlußkapiteln des ersten Buches, wo er ausführlich und unverhüllt über Sexualträume handelt, aber auch in den vielen Träumen und Deutungen, die über die fünf Bücher seines Werkes verstreut sind. Die Mehrzahl der Symbole ist uns noch heute geläufig, der Bildgehalt damaliger Träume unterscheidet sich kaum von dem der gegenwärtigen. Eine Fülle von Traumsymbolen hat Artemidor ähnlich oder gleich interpretiert wie später Freud und seine Schüler. So hat Wolfram Kurth in seinem Aufsatz «Das Traumbuch des Artemidoros im Lichte der Freudschen Traumlehre» feine Reihe von Deutungen Artemidors zusammenge stellt, die mit der Symbolik Freuds übereinstimmen 29 ; auch hat er es unternommen, die von Freud entdeckten Komplexe in den Träumen Artemidors wiederzufinden. Als Ergebnis seiner Untersuchung kommt er zu dem Schluß, «daß die Griechen bereits vor 2000 Jahren in ihren Träumen dieselbe Symbolik verwandt haben wie die heutigen Menschen» und «daß sich die latenten Traumgedanken, soweit sie sich aus den Symbolen erschließen lassen, mit den gleichen Vorstellungen und Problemen beschäftigen, die Freud auch für unsere Zeit feststellte. Daraus ergibt sich im einzelnen, daß das Sexualleben im Traum des erwachsenen Griechen die gleichen Verdrängungen und Komplexe wie das des Menschen unserer Tage zeigt.» Wenn auch eine weitgehende Übereinstimmung der Sexualsymbole bei Artemidor und Freud festzustellen ist und Artemidor eine Menge Todes -, Geburts- und Inzestträume kennt, so ist doch des Verfassers Feststellung, es lägen «die gleichen Verdrängungen und Komplexe» vor, keineswegs überzeugend. Sie erklärt sich aus seiner Ausgangsposition, daß das Traumsymbol immer zum Ausdruck bringe, was als Verdrängung unbewußt gewünscht werde und als Ergebnis der «moralischen Zensur» etwas verhülle, was sich nicht offen zeigen dürfe. Demgegenüber ist darauf hinzuweisen, daß die Symbole keineswegs immer das Ergebnis von Verdrängungen sind und darauf zielen, den Sinn des Traumes zu verhüllen, vielmehr die Selbstdarstellung der Seele beziehungsweise eine getreue «Abbildung» des innerseelischen Gesamtzustandes des Träumers sind. Daß das Symbol sein Dasein nicht immer der Verdrängung verdankt, zeigt allein die Tatsache, «daß Symbole einen künftigen Bewußtseinszustand antizipieren können» 30. Es ist nachzuweisen, daß die Symbolübersetzung, wie wir sie bei Artemidor und Freud finden, auch auß erhalb des Traumlebens in der Antike geläufig war 31. Es überrascht die Fülle der Namen und Bilder, die Griechen und Römer für das männliche und weibliche Genitale gebrauchten. «Sie zeigen deutlich jenen Verschiebungsprozeß mittels des Formvergleiches, durch welche die Fixierung an das Sexualorgan schrittweise aufhört und der zur Prägung der Sexualsymbole führte, die dann auch in umfassenderer Bedeutung gebraucht wurden.» 32 Grundsätzlich können alle Symbole sexuell interpretiert werden, kommt der Triebgrund des Menschen doch immer auch in sexuellen Symbolen zum Ausdruck. Aber es widerspricht dem Wesen des Symbols, wenn man es einseitig faßt. So hat auch das Sexualsymbol über seine vordergründige Bedeutung hinaus einen umfassenderen Inhalt, der höchst Sublimes und Nachwort

137 137 Triebhaftes umfaßt. Wie beides ins Bild gebannt wird und dadurch eine echte Sublimation stattfindet, zeigt u. a. das Beispiel des «Hohenliedes» Salomos im Alten Testament. Hier werden in den Bildern irdischer und göttlicher Liebe tiefe menschliche Erlebnismöglichkeiten angesprochen. Auch Seelisches und Geistiges kann sich letztlich im Bilde des Körperlichen ausdrücken. Die Ambivalenz des Sexualsymbols wird auch bei Artemidor in den Träumen über das männliche Genitale deutlich (1, 45). So kann dessen generative Tätigkeit betont werden, und das Genitale somit Symbol der Eltern sein, dann auch das der Gezeugten, also der Kinder, und in weiterem Sinne der Brüder und aller Blutsverwandten. Ebenso kann es auf die Personen anspielen, zu denen der Träumer Sexualbeziehungen hat, auf die Frau und die Geliebte. Sodann bedeutet es Körperstärke und Mannes kraft. Und Artemidor führt weiter aus: «Ferner bezeichnet es die Rede und die Bildung, weil das Geschlechtsglied, ebenso wie das Wort, das Allerzeugungsfähigste ist... Ferner zeigt es Überfluß und Besitz an, weil es sich bald vergrößert, bald wieder zurückgeht und sowohl ge währen als auch ausscheiden kann. Weiterhin bedeutet es geheime Pläne, weil diese auch medea genannt werden ebenso wie das Glied; dann gleicht es Armut, Knecht schaft und Fesseln, weil es das <Notwendige> heißt und das Symbol von Not und Zwang ist. Ferner gleicht es der Würde; denn aidos bedeutet Scham und Würde.» Wir sehen: Die ganze Skala von einfacher Symbolübersetzung über allegorische Auswertung, indirekte Anspielung, Er setzung durch eine zufällig wortgleiche Bezeichnung ;wird hier angewendet. Noch an einem dritten und letzten Beispiel aus Artemidors Traumsammlung soll die Mannigfaltigkeit und Ausdruckskraft der Symbole beziehungsweise der Volksglaube als Wurzel der Deutungen Artemidors erläutert werden. 2, 49: «Einem Unverheirateten kündigt (der Tod) Hochzeit an; denn beide, Hochzeit und Tod, gelten den Menschen als Ziel und Vollendung, und immer wird das eine durch das andere angezeigt. Deshalb prophezeit das Heiraten Kranken den Tod; denn beiden, dem Hochzeiter wie dem Verstorbenen, wird dasselbe zuteil, das Geleit von Freunden, Männern und Frauen, Kränze, wohlriechende Essenzen, Salben und eine schriftliche Aufzeichnung des Vermögens.» 33 2, 65; «Da die Hochzeit dem Tod gleicht und durch den Tod angedeutet wird, hielt ich es für angezeigt, sie an dieser Stelle 34 zu behandeln. Eine Jungfrau heiraten bedeutet einem Kranken den Tod; denn dieselben Bräuche, die bei einer Hochzeit geübt werden, kommen auch bei einer Bestattung vor.» Die wechselseitige Auslegung, nach der eine Hochzeit auf Tod, ein Todesfall auf Hochzeit weist, treffen wir auch sonst, z.b. in Achmets Traumbuch (74, i) und im indischen Traumschlüssel des Jagaddeva (60; 240; 278 f.). Träumt man von einer Leiche, einem Leichenzug oder vom Sterben, so steht nach unserem Volksglauben bald eine Hochzeit bevor, und wer sich im Traum selbst als Toten sieht, heiratet bald. Man könnte zuhächst daran denken, daß wir hier einen jener Fälle vor uns haben, wo sich in der Traumdeutung die Allegorie dem Kontrast nähert und nach dem Prinzip «Träume sind Schäume» Deutungen gegeben werden, die gerade das Gegenteil von dem sind, was man erwartet. So heißt es z.b. bei Artemidor 2, 60: «Weinen und Klagen um einen Toten oder sonst jemand und das Trauern selbst prophezeien Freude über etwas und ein zukünftiges Erfolgserlebnis...» Nach diesem Prinzip wird im oben erwähnten indischen Traumschlüssel die Regel aufgestellt, daß das, was im ge wöhnlichen Leben Unheil bedeutet, im Traum im höchsten Maß auf Glück weist und umgekehrt. Ähnliches findet sich auch in der volkstümlichen Traumdeutung unserer Zeit. Doch dürfen die Zusammenhänge nicht ganz so einfach gesehen werden. Immer wieder stoßen wir nämlich in Volksglauben und Sage auf die eigentümliche Nachbarschaft von Hochzeit und Tod, deren Grund und Ursache nicht leicht zu erklären sind. Artemidor bringt zwei Begründungen vor. Einmal weist er auf die äußeren Gegebenheiten hin, die bei Hochzeit und Tod ähnlich sind, auf den begleitenden Zug von Männern und Frauen, auf die Kränze, Parfümerien, Salben und die schriftliche Aufzeichnung des Vermögens, eine Bemerkung, die mehr antiquarischen Wert besitzt, als zur Erklärung beiträgt. Das andere Mal spielt er mit dem Begriff «telos», indem dieses Wort erstens die religiöse Weihe bezeichnen kann und zweitens soviel wie Ende, Ziel. Daß man in der Ehe tat sächlich ein solches Nachwort

138 138 «telos» sah, daß sie Ziel und Vollendung des Lebens bedeute, ist eine bei den Griechen geläufige Vorstellung 35. Aber zur Erklärung dieser eigenartigen Beziehung des Volksglaubens, die uns in Artenudors Deutung entgegentritt, wird man eine andere Anschauung heranziehen müssen. Nach allgemeiner antiker Vorstellung geht der Sterbende eine Ehe mit der Todesgottheit ein. Jedes Weib, das stirbt, vermählt sich mit Hades, dem Gott der Unterwelt, Männer und Jünglinge treten in die Brautkammer der Persephone, der Gattin des Hades. Für die spezielle Deutung aber in dem ersten, oben angeführten Traum, nach der gerade ein Unverheirateter nach diesem Gesicht Hochzeit halten wird, könnte man an den merkwürdigen Brauch der sogenannten Totenhochzeit erinnern, nach dem für unverheiratet gestorbene Personen eine regelrechte Hochzeit gefeiert wird 36. Ein Rest dieses Brauches, dessen Zweck es wohl war, dem Toten durch die nachträgliche symbolische Erfüllung seiner Lebensaufgabe die Ruhe im Grab zu sichern, finden wir noch in Attika der Sitte, einem verstorbenen Junggesellen oder einer Jungfrau eine Lutrophore auf das Grab zu stellen, d.h. ein Gefäß, wie es zum Wasserschöpfen für das der Hochzeit vorangehende rituelle Bad üblich war 37. Zieht man aus den ausgewählten Beispielen den Schluß, erkennt man, daß selbst in manchen Dingen, deren Deutung uns ganz fremd oder willkürlich gewählt zu sein scheint, der Volksglaube maßgebend gewesen ist. In meiner Arbeit «Volkskundliches aus dem Traumbuch des Artemidor» 38 glaube ich in wenigstens 248 Deutungen den ursprünglichen, auf den Volksglauben zurückgehenden Sinn derselben nachgewiesen zu haben. Dabei habe ich das umfangreiche Kapitel über die Götter (2, 34-41) und solche Deutungen, die offensichtlich auf der Mythologie basieren, nicht in die Untersuchung eingeschlossen. Und was die Symbolik betrifft, die wir in Artemidors Traumsammlung vorfinden, so kann deren Bedeutung gar nicht überschätzt werden, ist sie doch ein allgemein menschliches und bei allen Völkern anzutreffendes Phä nomen. Denn letztlich geht es bei der Symbolinterpretation um anthropologische Fragen erster Ordnung, sofern die Symbolik für das Menschsein von hohem Gewicht ist. Und schließlich ist die antike Traumdeutung und Symbolinterpretation außerordentlich wertvoll, weil sie uns eine Menge zum Teil erstaunlicher Erkenntnisse sowie fast alle Probleme und Voraussetzungen der modernen Traumdeutung geliefert hat. Was die Symbolik für den griechischen Kulturkreis selbst anbelangt, so ist nicht zu verkennen, daß ein großer Teil dieser Symbole noch eine umfangreichere Bedeutung hatte, ja sogar die Grundlage für die Bilderwelt von Dichtern und bildenden Künstlern abgab. Die Analyse der Träume in Artemidors Oneirokritika ist zugleich ein Beitrag zum Verständnis des griechischen Menschen, genauer des Griechen der Spätantike. Welch ein Wust von Abnormitäten und Ungeheuerlichkeiten tritt einem in den Träumen entgegen! Da ist von Inzest, Sodomie, Homosexualität, Ehebruch, neurotischen Fehlhaltungen, kriminellen Antrieben usw. die Rede. Der moderne Leser, der mit dem Begriff «Griechentum» die Vorstellung von der vorbildhaften, einmaligen Leistung griechischer Kultur und seinem Ideal der «Mitte» verbindet, wird hier mit dem Einblick in sonst verschlossene seelische Bereiche des griechischen Menschen konfrontiert. Es zeigt sich ihm ein ungeschminktes Bild des unbewußten Seelenlebens der Menschen des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts. Artemidors Deutungen sind von einer nüchternen Sachlichkeit, ohne Schönfärberei gegenüber der Wirklichkeit des Lebens. Glück oder Unglück prophezeiende Träume scheinen sich die Waage zu halten, vielleicht überwiegen die Unglücksdeutungen. Auf diese trifft Oepkes Urteil zu: «Die ünglücksdeutungen... lassen den, welchen sie angehen, pessimistisch und unbarmherzig mit seinem Schicksal allein... In einem völlig anderen Sinn, als der antike Mensch glaubte, gilt: In somnio veritas! Nirgends demaskiert der Mensch sich so sehr wie im Traum!» 39 ' Lukian: Traum, Kimon, Kap. 18. Nachwort

139 139 3 Pseudo-Lukian: Philopatris, Lukian: Traum, 5 ff. 5 Vierzehnmal gebraucht Artemidor den Begriff in seiner Schrift; daneben ist die häufige Verwendung des Ausdrucks terein (= «beobachten») kennzeichnend für seine empirische Methode Weinreich: Antike Heilungswunder. Religionsgeschicht liche Versuche und Vorarbeiten 8, i. Gießen 1909, S G. Reichardt: De Artemidoro Daldiano librorum onirocriticorum auctore. Diss. Jena-Leipzig 1893, S Vgl. Cicero: De natura deorum i, 37; 2, Vgl. C. Blum: Studies in the Dream-Book of Artemidorus. Diss. Uppsala 1936, S Aristeides, Kap Marius, Kap Vgl. J. Fischer: Ad artis veterum onirocriticae historiam symbola. Diss. Jena 1899, S. 37ff., S. 41 ff.; H. Jungwirth: Zu Art emidors Traumbuch. In: Wiener-Studien 3$, 1913» S ff. 13 Übersetzung von J. H. Voß. Etwas Ähnliches wie Homer hat auch Lukian im Sinn, wenn er in seiner Erzählung «Wahre Geschichten» (2, Kap. 33) die Reisenden auf der hinsei der Träume» zwei Tempel finden läßt, einen des Trugs (Apates) und einen der Wahrheit (Aletheias). 14 Z.B. i, 22; i, 45; i, 68; 2, 39 ""d öfter. 15 Wie die psychologische Seite des Traumes Gegenstand philosophischen Fragens und Denkens war, so erregte schon frühzeitig der Zusammenhang von Traum und körperlichen Vorgängen das Interesse der griechischen Ärzte, abgesehen davon, daß göttliche Traumanweisungen häufig die Richt schnur für die Behandlung von Krankheiten abgeben muß ten. Unter den gebildeten Ärzten ragt Hippokrates von Kos (um v.chr.) hervor, der kritisch sein ärztliches Interesse dieser Frage zuwandte und die mögliche Bedeutung des Traumes für Diagnose und Therapie gesehen hat. Unter seinen Schriften befindet sich eine kleine Abhandlung über Träume (peri enhypnion). Nach seiner Auffassung ruht im Schlaf nur der Körper, die Seele aber nicht. Diese behalte die Fähigkeit des Denkens, Wahrnehmens und Fühlens, indem die Seelenteile nur ihre Verbundenheit mit den Sinnesorganen lösten. Er hat also bereits den Vorgang der Dissoziation gekannt. 16 Scholion zu Pindar: Pythische Oden 4, io6a. 17 Vgl. auch i, $6; 4, 46; s. auch Achmet n, zoff. 18 Weitere Beispiele für den Analogieschluß: i, 50; i, 12; 2, 25; 3, 47> 4» 2^; 4> 56 und öfter. 19 Zur Textgestalt vgl. Anm Vgl. den Prolog zu Plautus' Komödie «Aulularia». 21 J. Grimm: Deutsche Mythologie. Bd. 3. Tübingen ^^ S. 454, Nr. $77; S. 455, Nr Quaestiones convivales 7, 4, E. Rieß: Volkstümliches bei Artemidoros. In: Rheinisches Museum für Philologie 49, 1894, S Vgl. Servius zu Vergils Aeneis, Buch 7, 678; S. Eitrem: Opferritus und Voropfer der Griechen und Römer. Kristiania Nachwort

140 , S. 154^; K. Kerenyi: Asterobleta Keraunos. Archiv für Religionswissenschaft 26, 1928, S f. 25 E. Rieß, a.a. O., S. 186; E. Rohde: Psyche. Bd. i. Tübingen 9 I I925, S. 31, Anm. 2; J.Grimm, a.a.o., Bd. i, S. 520, Anm H. Bächtold-Stäubli: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Bd. 3, Berlin-Leipzig 1927, S. 27 Konon, Erzählungen E. Norden: Die Geburt des Kindes. Leipzig 1924, S In der Philosophie begegnet der Gedanke sehr früh, daß die Sonne nicht nur Schöpfer des vegetabilischen, sondern auch des menschlichen Lebens ist (s. Jessen in: Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft. Bd. 8, S. 62, 2ff.; A. Dieterich: Abraxas. Studien zur Religionsgeschichte des späteren Altertums. Aalen 1973, S. 54 f.). 29 In: Psyche 4, 1951, S W. von Siebenthai: Die Wissenschaft vom Traum. Berlin-Göttingen-Heidelberg 1953, S Vgl. Th. Hopfner: Das Sexualleben der Griechen Römer. Prag W. v. Siebenthai, 33 Vgl. auch 4, Artemidor behandelt den Traum innerhalb der Kapitel, die über den Tod handeln. 35 Vgl. z.b. bei Hesych, einem griech. Lexikograph aus dem 5. oder 6. Jh. n.chr., unter: Proteleia. 36 B. Schmidt: Totengebräuche und Gräberkultus im heutigen Griechenland. In: Archiv für Religionswissenschaft 24, 1926, S. 287 mit Anm ; P. Sartori: Sitte und Brauch. Bd. i. Leipzig 1914, S. i$3; H. Bächtold-Stäubli, a.a.o., Bd. 4, S.i$3. 37 Stergianopulos: Archaiologike Ephemeris 1936, S. $3f.; Kenner, in: österr. Jahreshefte 31, 1939, S. 94; E. Buschor: Grab eines attischen Mädchens. München 2 I94I, 38 Diss. masch., Berlin »A. Oepke: Theologisches Wö rterbuch Neuen Testament. Bd. $. Stuttgart i9$4, S Nachwort

141 141 Anmerkungen Erstes Buch 1 Cassius Maximus, vermutlich Maximos von Tyros, bekannter Wanderredner, der unter Kaiser Commodus ( n.chr.) lebte. Überliefert sind von ihm 41 griech. Vorträge über allerhand ethische, die damalige Zeit beschäftigende Fragen. 2 Dichter, ohne besonderen Zusatz, ist für den Griechen Homer. Zitat aus Ilias, 10, 122 (Voß). 3 Artemidor ist wie die Stoiker der Anschauung, daß die Weis sagekunst (Mantik) ebenso wie Heilorakel und Heilträume Äußerungen göttlicher Vorsehung sind. Gegner dieser Auffassung waren u.a. die Sophisten, Epikureer und Anhänger V der neueren skeptischen Akademie. 4 Griech. gymnasmata, ein aus der Schulrhetorik stammender Begriff, d.h. Übungen mit aus der Praxis genommenen Fällen. 5 Die Traumdeutung ist eine Disziplin der Mantik, wie Vogelschau, Sternbeobachtung, Wunder- und Vorzeichenkunde, Eingeweideschau u.a. 6 Artemidor nennt drei Gruppen von Vorgängern in der Traumdeutungskunst: i. die nur wenig älteren, 2. die alten und 3. die ganz alten. Zur ersten Gruppe gehört vermutlich Hermippos von Berytos, der zur Zeit des Kaisers Hadrian ( n.chr.) lebte und in einem Werk von $ Büchern über Träume und Traumdeutung gehandelt hatte, vgl. Tertullian (um n.chr.): De anima, Kap. 46. Vertreter der zweiten Gruppe sind der Sophist Antiphon aus Athen, vermutlich ein Zeitgenosse des Sokrates, und Aristandros aus Telmessos, Alexanders des Großen ( v.chr.) bevorzugter Wahrsager und Zeichendeuter. Die Lebenszeit der ganz alten ist in das Ende des $. bzw. den Anfang des 4. Jhs. v.chr. zu setzen, vgl. J. Fischer: Ad artis veterum onirocriticae historiam symbola. Diss. Jena 1899, S Wie Artemidor zieht auch sein Zeitgenosse Lukian gegen die Aufgeblasenheit und den Dünkel gewisser Philosophen seiner Zeit zu Felde, z.b. Lukian: Totengespräche, Kap. 10, 8; Ikaromenippos, Kap An dieser wie an den folgenden durch das Zeichen (.. ^markierten Stellen ist der griech. Text lückenhaft bzw. verderbt. 9 Hier verwendet Artemidor Oneirogmoi, eigentlich Pollutionsträume, vgl. Aristoteles: Historia animalium 10, 6, 637 B 27; Plinius: Historia naturalis 26, 94. Das Wort kommt bei Artemidor nur an dieser Stelle vor, das dazugehörige Verbum zweimal (i, 6 und 4, 2). 10 Oneiros (gesprochen oniros) wird fälschlich von oreinein (= orinein) = erregen abgeleitet. 11 To on eirein (gesprochen irein) = das Seiende sagen (eirein = legein). 12 Homer: Odyssee n, Iros wird von eirein (gesprochen irein) = Sdgen, verkünden abgeleitet. 14 Homer: Odyssee 18, Gewichtseinheit des alten Orients; als Rechnungseinheit = 100 Drachmen. Die Kaufkraft der Drachme war zu verschiedenen Zeiten sehr verschieden; so war z.b. unter Perikies ( v.chr.) 7 3 Drachme das Existenzminimum einer Familie für einen Tag. 16 Nach Macrobius (um 400 n.chr.), der in seinem lat. Kommentar zum «Traum des Scipio» eine Einteilung der Träume überliefert, die ziemlich mit der Artemidors übereinstimmt, ist ein Phantasma die Erscheinung von unnatürlichen Wesen im Zustand zwischen Wachen und Schlafen, zu denen auch der Alp gehört; die Vision (= horama) ist ein Traumgesicht, das das Zukünftige unmittelbar offenbart, das Orakel (= chrematismos) eine Offenbarung, die von einer bedeutenden Person oder selbst von einem Gott gegeben wird. 17 Artemon von Milet schrieb in der Zeit Neros ein Werk über Traumdeutung in 22 Büchern, es enthielt auch eine Sammlung von Sarapis einge gebenen Heilträumen. Phoibos Antiocheia lebte vermutlich im i.jh. v.chr. 18 Der Traum, einen Schatz zu finden, begegnet in zahlreichen Zeugnissen der antiken Literatur. So bringt Cicero in seiner Schrift «Von der Weissagung» (De divinatione 2, 134) folgendes Beispiel für diese Art von Wunscherfüllungsträumen; es ist nach seinen Worten dem Traumbuch des Chrysippos (um v. Chr.), eines scharfsinnigen und gelehrten Stoikers, entnommen: Ein Mann träumte, daß ein Ei am Gurt seiner Bettstelle hinge. Der Traumdeuter erklärte, unter dem Bett sei ein Schatz vergraben. Der Mann gräbt nach und findet ziemlich viel Gold (= Eidotter), und zwar von Silber (== Eiweiß) umgeben. Cicero kritisiert, daß der Traum auf so dunkle Weise dem Mann andeutete, daß eine Ähnlichkeit zwischen Ei und Schatz bestehe. 19 Auch Ovid unterscheidet in den Metamorphosen (n, 644 f.) zwischen den Träumen von Königen und Fürsten und solchen von Leuten aus dem einfachen Volk. Über den Königstraum im Alten Orient vgl. E. L. Ehrlich: Der Traum im Alten Testament. Berlin 1953, S. 21, Anm. ^. 20 Homer: Ilias 2, Über Nikostratos ist nichts Näheres bekannt. Nach dem by zantinischen Suda- (Suidas) Lexikon hat Panyasis von Halikarnassos (vermutlich 5. Jh. v. Chr.) ein Werk über Träume in zwei Büchern geschrieben. 22 Die sechs genannten Kategorien stellen eine Art Faustregel für den Deuter dar; es handelt sich nicht um ein Einteilungsprinzip der Träume, sondern um Kategorien, die die Punkte angeben, die bei der Auslegung der Träume jeweils zu berücksichtigen sind, ob das Traumgesicht im Einklang mit Natur, Zeit usw. steht oder nicht. Anmerkungen

142 Textverständnis und Übersetzung dieses Satzes verdanke ich K. Latte, in: Gnomon 5, 1929, S. 15^. Die Naturerscheinung, die für die Reichen ungünstig ist, ist ausgefallen; sie läßt sich nicht erraten. 24 Nach K. Latte, a.a.o., vermutlich ein Zitat. 25 Vgl. den französischen Ausdruck Hautevolee. 26 Das Epigramm des bekannten Sonderlings und Menschenfeindes Timon, das seinen Selbstmord bekennt, seinen Namen, s. Plutarch: Antonius, Kap. 70, /. 27 Den Verstorbenen beim Totenmahl namentlich aufzurufen war üblich; so ruft Achilleus des Patroklos Seele zum Opfer (Homer: Ilias 23, 200), desgleichen der Archon der Plataier alljährlich die für Griechenlands Freiheit gefallenen Helden, 28 Fährmann der Unterwelt, der die Seelen der Verstorbenen in seinem Nachen über die Unterweltsströme setzt. Im neugriechischen Volksglauben der Totengott. 29 Das Brettspiel galt bei den Ägyptern als Hauptzeitvertreib im Jenseits. 30 Die Ableitung des Wortes von Kammeros (= Schenkelbeuger) ist unrichtig, es ist semitischen Ursprungs. 31 Die Liebesgedichte des Euenos von Paros an Eunomos, eines Sophisten und Zeitgenossen des Sokrates, sind weiter nicht bekannt. 32 Gestalt der griech. Sage mit einem kreisrunden Auge auf der Stirn; nach Homer sind die Kyklopen ein rohes Riesenvolk, Repräsentant desselben ist Polyphemos. 33 Ein Titan, Vater des Zeus, er wird von diesem entthront und zusammen mit den übrigen Titanen im Tartaros eingesperrt. 34 Der Sonnengott. 35 Daß Geschenke, die man von Toten erhält, Unglück bringen, erklärt sich daher, daß es sich hier offensichtlich um Grabbeigaben handelt, da sowohl Salben als auch Rosen häufig als solche vorkommen. Daß aber das Empfangen solcher Totenbeigaben unheilvoll ist, sagt Artemidor 4, 82 selbst. 36 Herchers Ergänzung («auf dem Meer wandeln») ist unsicher, doch entspricht sie antiker Vorstellung. Danach übersteigt das Wandeln auf dem Meer menschliche Kraft und ist gefährlich. Als die Apostel Jesus auf dem See wandeln sahen, meinten sie, es sei ein Gespenst und schrien laut auf. 37 Zu der guten Vorbedeutung, die dem Traum vom Blitztod zukommt, vgl. das ausführliche Kapitel 2, p. 38 Freigelassene und Sklaven, die in den Militärdienst einge stellt wurden, konnten die Freiheit und das Bürgerrecht erlangen. 39 Oneiraitetein ist der technische Ausdruck für die mit magi schen Mitteln ausgeführte Forderung an göttliche oder dä - monische Mächte um einen offenbarenden Traum. Viele solcher Traumforderungen überliefern die erhaltenen antiken Zauberpapyri, s. K. Preisendanz: Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft Bd. 18, S ; ders.: Papyri Graecae Magicae. 2 Bde. Stuttgart 2 I973, Aristoteles ( v.chr.), Erzieher und Lehrer Alexanders des Großen, Begründer und Organisator der abendländischen wissenschaftlichen Arbeit bis zum Beginn der Neuzeit. Er hat in zwei kleineren Schriften über die Träume gehandelt, in «Über Träume» und «Über die Weissagung im Schlaf». Im Gegensatz zu den früheren Theorien sucht er Entstehung und Wesen der Träume nicht außerhalb des Menschen, sondern erklärt sie aus den Seelentätigkeiten selbst. Nach ihm haben die Träume nur mittelbar einen göttlichen Ursprung, insofern sie aus den natürlichen Gesetzen des allerdings mit der Gottheit verwandten menschlichen Geistes folgen. 41 Artemidor räumt der Zeit, in der man träumt, keinen ent scheidenden Einfluß auf die Wahrheit des Traums ein. Doch sind auch für ihn die Morgenstunden für Wahrträume bes onders günstig. Weit verbreitet war aber die Auffassung, daß Träume, die nach Mitternacht sich einstellten, als wahr oder zuverlässiger galten; Horaz erzählt (Satiren i, 10, 33), daß ihm Quirinus im Traum nach Mitternacht, zur Stunde der wahren Träume, erschien und ihm verbot, Verse in griech. Sprache zu schreiben. Und bei dem byzantinischen Traumbuchschreiber Achmet (241, 13) lesen wir, daß die Träume, die von der neunten Stunde (==15 Uhr) bis zum Morgen sich einstellen, wahrer sind und sich schneller erfüllen. 42 Um Träume in ihrer vollen Reinheit aufzunehmen, war es geboten, den Körper von störenden Einflüssen, z.b. Überladung des Magens, zu bewahren. Setzt der Mensch, so folgert Platon (Staat 9, 571 E B), den begehrlichen Seelenteil weder dem Mangel noch der Übersättigung aus, wird er am besten die Wahrheit erfassen und reine Traumerscheinungen schauen. 45 Die Tätowierung ist als thrakische Sitte vielfach bezeugt, sie kam aber auch sonst bei anderen Völkern der antiken Welt vor. 44 Ein thrakisches Volk, das zu beiden Seiten der Donau und der Theiß wohnte. Bekanntlich lag der Verbannungsort Ovids im Gebiet dieses Volks. 45 Sie wohnten in den Gebirgen am südöstlichen Gestade des Schwarzen Meers. Ob die bei ihnen bezeugte Sitte des coitus publicus glaubwürdig ist, ist fraglich, da die Möglichkeit besteht, daß aus zufälligen Beobachtungen Fehlschlüsse gezogen wurden. 46 Sie enthielten sich des Fisches ebenso ängstlich wie die des Schweinefleisches. 47 Syrisch-phönikische Liebes- und Fruchtbarkeitsgö ttin, mit der griech. Aphrodite gleichgesetzt wurde. 48 Geier standen bei den Griechen, vor allem aber bei den Römern als Auguralvögel, deren Flug man sorgfältig beobachtete, in Ansehen. Anmerkungen

143 Von den Stierspielen sind am besten die sog. Taurokathapsia bekannt, die thessalischen Ursprungs waren. Anders als bei den heutigen spanischen Stierkämpfen ging es nicht in erster Linie um das Töten, sondern um das Einfangen und Bändigen der Stiere. Die Spiele verbreiteten sich nicht nur über die griech. Welt, besonders lonien, sondern wurden seit Caesar auch bei den Römern beliebt. Anderer Art waren die Taurokathapsia in Eleusis. Im Rahmen des Kultes war hier für wirkliche Stierjagden keine Gelegenheit; statt dessen gab es die Sitte, daß die Epheben die zum Opfer bestimmten Rinder in die Höhe hoben und zum Altar trugen. Der Dichter des zitierten Verses ist unbekannt. 50 griech. Ausdruck Leiturgien bezeichnet persönliche Leistungen reicher Bürger für die Allgemeinheit, z. B. die Ausrü stung für ein Kriegsschiff, die Kosten für die Aufführung einer Tragödie, für einen Wettkampf u.a.m. 51 Griech. Isopsepha; da die griech. Zahlen durch Buchstaben dargestellt werden, kann man jedes Wort als eine Summe von Ziffern ansehen. So kann man jedes beliebige Wort durch Addition der Buchstaben in einen Zahlenwert umwandeln. Dabei können ganz verschiedene Wörter den gleichen Zahlenwert ergeben. Diese Isopsepha setzt die Traumdeutung auch sachlich gleich und gewinnt auf diese Weise neue Auslegungsmöglichkeiten. Das 3, 28 gegebene Beispiel soll die Methode erklären: dike (== Prozeß) = =42; gale (= Wiesel) = = 42. Also wird ein im Traum gesehenes Wiesel auf einen Prozeß gedeutet. Weitere Beispiele 3, 34; 3, 45; 4, 22; 4, 24; 5, Neugeborene wurde auf die Erde gelegt, um es mit der lebenspendenden Kraft der Mutter Erde zu erfüllen. 53 Plutarch setzt den Autor dieses Pentameters mit Euenos Paros gleich, vgl. Anm Ursprünglich Vorsteher von Mahlzeiten oder Symposien, die auf gemeinsame Kosten veranstaltet wurden, dann Vorsitzender von Zusammenschlüssen mit zinsloser Teilhaberschaft zu verschiedenen Zwecken, z.b. zur gegenseitigen Unterstützung, zum Loskauf aus Gefangenschaft usw. 55 D.h. er wird bekränzt werden. 56 Wortspiel: kephalaia == Summe, Kapital (vgl. lat. caput) und kephale = Kopf. Beim Addieren schrieben die Alten die Zahlen zwar wie wir untereinander, das Ergebnis aber darüber; deshalb summa = oberste Linie, Summe, griech. kephalaion = Kopf. 57 Wörtlich: «für dionysische Techniten». Seit Anfang des 3.Jhs. v.chr. schlössen sich Schauspieler und andere Künstler zu einer Art Genossenschaft zusammen, um u. a. Festaufführungen zu gestalten. Zu diesen Techniten vereinen gehörten neben Schauspielern auch Chorlehrer, Tänzer, Musiker und Dichter. Die Vereine, die immer religiösen Charakter hatten, wurden von einem Priester des Dionysos ge leitet. 58 Die Sitte, zum Zeichen der Trauer die Pflege des Haares zu vernachlässigen, lebt auch im heutigen Griechenland, zumal auf dem Land, fort, wenn sich die Männer bei einem Todes fall den Bart wachsen lassen. Diese Sitte reiht sich in die Reihe der anderen von Artemidor erwähnten leidenschaftlichen Gebärden und Äußerungen des Schmerzes ein, wie sie der antike Mensch bei Todesfall oder anderem Leid sichtbar werden ließ. 59 Im Griech. liegt hier ein Gleichklang von: desma (= Fesseln) und desmeuetai (= wird zusammengebunden) vor. 60 Rechts und links spielt im antiken Volksglauben und in den Deutungen Artemidors eine wichtige Rolle. Daß die bessere rechte Seite auf das männliche Geschlecht, die schlechtere linke dagegen auf das weibliche bezogen wird, ist vermutlich damit zu erklären, daß man rechts als die entwickeltere, links als die schwächere Seite ansah. 61 Die ägyptischen Priester rasierten sich aus Gründen der kultischen Reinheit den Kopf. 62 Der Brauch, nach einem Schiffbruch seinen Kopf zu scheren, bezeichnet die Erfüllung eines Gelübdes, die Weihe des Haares an eine Gottheit zum Ausdruck der Dankbarkeit für Errettung aus höchster Not. 63 Karenai - charenai, ein Wortspiel, das sich im Deutschen nicht nachbilden läßt. 64 Vgl. den französischen Ausdruck «rogner les ongles ä qn.». 65 Griech. kapeloi. Paulus gebraucht das dazugehörige Verbum (kapeleuein) in ähnlich verächtlichem Sinn = Geschäfte machen (2 Kor. 2, i/). 66 Dieses Won hat zu Artemidors Zeit keinen geringschätzigen Nebensinn. Die Sophisten dieser Epoche waren Wanderredner und -lehrer, die vor allem die Rhetorik als Mittel der Jugendbildung (paideia) einsetzten. 67 Auch im indischen Traumschlüssel bedeuten Ameisen und Ameisenhaufen stets Unglück, s. J. v. Negelein: Der Traumschlüssel des Jagaddeva. Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten n, 4. Gießen 1912, S. 178; 207. Nach^Achmet (238, 14) künden sie denen Tod und Krankheit, in deren Haus sie erscheinen. Den Grund haben wir wohl mit Artemidor in ihrer Beziehung zur Erde zu suchen, die ihre Wohnstatt ist und die der Toten. 68 Wörtlich: «weil ein Esel seine Ohren nicht schnell bewegt», d.h. erst nach reiflicher Überlegung nachgibt. 69 Vgl. Anm Unübersetzbares Wortspiel mit den verschiedenen Bedeutungen von psephos; das Wort bedeutet eigentlich Steinchen, dann, weil man diese zum Zählen und Rechnen benutzte, Geld. Ferner bezeichnet es den glänzenden Stein im Ring, mit dem wiederum die Pupille im Auge verglichen wird. 71 Vgl. den spanischen Ausdruck la nina del ojo (= Pupille und 72 fig. Augapfel für Kinder). 71 Antoninus Pius stiftete 139 n.chr. bei Puteoli einen alle fünf Jahre zu veranstaltenden Wettkampf. 73 Vgl. Anm Vgl. Anm Kleine Münzen pflegte man beim Einkauf auf dem Markt häufig in den Kinnbacken mit sich zu führen. 76 Nach Livius (Römische Geschichte seit Gründung der Stadt, Buch 5, 41, 9) soll Marcus Papirius einen Gallier, als der Anmerkungen

144 144 ihm den Bart streichelte, mit seinem Elfenbeinstab über den Kopf geschlagen haben. Noch heute gilt es im Orient als Beleidigung und Verhöhnung, wenn einem der Bart mit Gewalt gerupft wird. 77 Von den Geschichtsschreibern Alexanders des Großen häufig erwähnter Zeichendeuter und Wahrsager des Makedonenkönigs. Er ist der erste sicher datierbare Autor, der an Stelle einer mehr zufälligen Beispielsammlung von Träumen eine umfassende Sy stematik anstrebte. 78 Dieselbe Deutung bringt Achmet (26, 13; 37, i). Bei den Deutungen der menschlichen Körperteile stehen zwei Prinzipien im Vordergrund: i. die anthropomorphe Auffassung der Körperteile, d.h. die Gleichstellung einzelner Glieder mit Sohn, Tochter, Sklave usw., 2. die Gleichsetzung des menschlichen Körpers mit einem Haus und umgekehrt. 79 Die Deutung von Zahnausfall auf Tod einer Person findet sich schon bei den Ägyptern, ferner bei Achmet, im indischen Traumschlüssel und im Talmud. In der Psychoanalyse ( werden Zahnträume vorwiegend sexuell gedeutet, doch ist der Zahn kein reines Sexualsymbol, sondern kann die gesamte Lebenssituation des Träumenden treffend darstellen. 80 Herodot (um v.chr.) berichtet in den Historien (Buch 6, 107) von Hippias, dem Sohn des Peisistratos, daß dieser während der Vorbereitungen für die Schlacht bei Marathon übermäßig stark niesen und husten mußte und dadurch einen Zahn herausstieß. Dieser fiel in den Sand, und Hippias konnte ihn nicht finden. Er deutete den Vorgang dahin, daß er das Land nicht erobern werde, weil sein Zahn nun den Teil besitze, der eigentlich ihm zukäme. 81 Der griech. Ausdruck apophora bezeichnet das Mietgeld oder die feste Abgabe, die der Sklave seinem Herrn aus den Einkünften entrichten mußte, die er in der handwerklichen Produktion und aus dem Verkauf seiner Produkte erzielte, wenn ihm vom Herrn Arbeitsräume und Rohstoffe zur Ausübung eines Gewerbes zur Verfügung gestellt waren. 82 Apuleius (geb. um 124 n. Chr.) fordert in der Apologie (Kap. 7), daß ein Redner weiße Zähne habe. 83 Bedeutende Redner führten den Beinamen Chrysostomos = Goldmund, z.b. Dion von Prusa (um n.chr.) und Johannes aus Antiocheia (um n.chr.). 84 Aus Megara gebürtiger Dichter (um 550 v.chr.); Vers seiner Sentenzensammlung. 85 Ein sonst unbekannter Traumdeuter, erwähnt. 86 Dieselbe Deutung findet sich bei Achmet (61, 2); auch im indischen Traumschlüssel begegnet immer wieder die Gleichsetzung von Blut und Geld. Im heutigen Aberglauben bedeutet es allgemein Gutes, von Blut zu träumen. Alle diese Auslegungen sind letzten Endes ein Ausfluß der Vorstellung, daß das Blut der Stoff ist, der das Lebensprinzip verkörpert. 87 Vgl. lat. viscera = Eingeweide, Kinder. 88 Vgl. Anm Im Lat. entspricht der Ausdruck capite deminutus, im Deut schen ein Namenloser. 90 Das Schiff ist für Griechen und Römer Sinnbild des Menschen, unwillkürlich vergleicht er die einzelnen Teile des Schiffs mit den Gliedern des Menschen. 91 Der Deutung liegt die im Volksglauben wurzelnde Anschauung zugrunde, daß es für den Menschen gefährlich ist, bei bestimmten Handlungen und Unternehmungen sich umzusehen. Als Eurydike, die junge Gattin des Orpheus, an einem Schlangenbiß starb, holte er sie mit Erlaubnis des Gottes Hades, den er durch seine Klagelieder gerührt hatte, aus der Unterwelt zurück; da er sich aber gegen das Verbot nach ihr umsah, wurde ihm Eurydike wieder genommen. Und Genesis 19, 23 wird berichtet, daß Lots Frau zu einer Salzsäule wurde, weil sie gegen Jahwes Verbot nach Sodom und Gomorra zurückschaute, über die jener Schwefel und Feuer regnen ließ. Wenn bei Artemidor dieser Traum speziell eine Reise vereitelt, so vergleiche man damit das bei dem Neuplatoniker Jamblich überlieferte pythagoreische Gebot, das einem von Haus Abreisenden verbot, sich umzusehen. Hier ist auch der Grund des 8Verbotes deutlich ausgesprochen: «Die Unterweltsgeister folgen dem Abreisenden; kehrte er sich um, so würde er sie erblicken.» (S. E. Rohde: Psyche. Bd. 2. Tübingen 9 I I925, S. 85, 2; F. Boehm: De symbolis Pythagoreis. Diss. Berlin 1905, Nr. 43, S. 471.). 91 Vgl. Anm Griech. cheir bedeutet sowohl Hand als auch Handschrift, Unterschrift (= cheirographon). 94 Vgl. Anm Im Volksglauben der Antike ist der Fremde gleichbedeutend mit dem Feind. Im Lat. haben sowohl hostis = Feind wie = der Gast, Fremde dieselbe Wurzel hos-. 96 Der Auslegung liegt die Vorstellung zugrunde, daß die Leber Sitz der Seele und der Lebenskraft ist. So wünscht sich in der Ilias (24, 212) Hekabe als Rache für ihren erschlagenen Sohn, die Leber des Achilleus zu essen. Die Leber galt vielfach auch deshalb als Ursprung und Sitz des Lebens, weil man glaubte, daß die Ernährung des Embryos durch sie erfolgte. Darauf wird auch beruhen, daß dieses Organ nach Artemidor u.a. ein Kind bedeutet. Sicher sah man in der Leber das Leben verkörpert, da sie, wie Achmet (51, 7) sagt, als blutreichstes Organ die Wurzel des Blutes ist. 97 Berühmt war der hölzerne Phallos, in dessen Gestalt Hermes in der elischen Stadt Kyllene, im Nordwesten der Peloponnes, nach manchen Autoren auch auf dem arkadischen Berg des gleichen Namens verehrt wurde. Der Phalloskult, die Verehrung der zeugenden Naturkraft, ist keine Schöpfung der Griechen, sondern hatte schon in der vorgriechischen Religion seine Stätte; er gehört in die erste Entwicklung des Anthropomorphismus. Der Phallos ist namentlich an den Hermen erhalten, für die er ein konstitutives Element bildet. Daß die Herme, deren Wurzel ohne Zweifel in einer primitiven Bildnerei liegt, in der älteren Zeit in erster Linie dem Hermes zugeeignet war, erklärt sich Anmerkungen

145 145 wahrscheinlich daraus, daß dieser als Wegegott die alten Steinmale auf seine Person vereinigt hatte. Als heiliges Zeichen spielt der Phallos dann im Kult des Dionysos, dem die Welt die Komödie verdankt, eine große Rolle. Als Symbol der Zeugungskraft der Natur genießt er heute noch in Indien (dort lingam genannt) religiöse Verehrung. 98 Panflöten, bei denen acht Pfeifen durch einen Querriegel floßartig miteinander verbunden sind. 99 Daß derselbe Traum nur für Arme von guter Vorbedeutung ist, ist sicher Artemidor zuzuschreiben, wie überhaupt die Reichen in seinen Auslegungen häufig schlechter wegkommen, oft aber nur um des Gegensatzes willen, z.b. i, 33; i, 9; 4, 26; 2, 53 und öfter. 100 Der mit Hades identifizierte Gott der Unterwelt. Weil die Erde, in der er wohnt, auch Reichtum spendet, wird er auch Pluton (plutos = Reichtum) genannt. 101 Nach antiker Vorstellung kommt übermenschliche Größe oder Schönheit nur den Göttern und Heroen zu. 102 Homer: Ilias 3, Vgl. Anm Artemidors Deutungen liegt die volkstümliche Gleichset zung von Frau und Saatfeld, Säen und Zeugen zugrunde. Wie lebendig antikem Denken diese Vorstellung gewesen ist, zeigen noch folgende Stellen: 2, 24; 4, zo; 5, 8; 5> 63; 5' Welcher Lesart im Text man auch für Artemidors Begründung der Deutung den Vorzug gibt, es verblüfft die negative Beurteilung der Goldschmiedkunst. Vielleicht nimmt Artemidor auf eine Fabel bezug, die das Wort chrysochoein ( = in Gold arbeiten) sprichwörtlich machte für getäuschte Hoffnungen. Zu der negativen Auslegung des Goldes vgl. 1,4; i, 5; i, 50; i, 77; 2, 5; 2, 30; 5, Barbar, lautmalende Bezeichnung für den Fremden, Ausländer, d.h. für jeden, der unverständlich spricht, dann Bezeichnung für alle, die nicht griechisch oder römisch gebildet sind. 107 Für den jungen Athener begann mit 18 Jahren der militärische Ephebendienst. Ursprünglich zweijährig, wurde er später auf ein Jahr verkürzt, die militärische Ausbildung trat zurück. Der Ephebe trug während der Dienstzeit kurzes Haar, uniformiert war er mit einem großen Hut (petasos) und kurzem, schwarzem Mantel (chlamys). In der Kaiserzeit vermittelte die Ephebie neben der sportlichen Übung die sprachlich-literarische Bildung. Sie wurde ein Privileg für Söhne reicher Eltern. 108 Ebenso wie rechts und links spielen bei Anemidor die -weiße und schwarze Farbe eine wichtige Rolle. Immer wieder bezeichnen Weiß und Schwarz Glück bzw. Unglück, manchmal stufen sie die jeweilige Auslegung ab, indem Weiß diese stets verbessert. Schwarz dagegen verschlechtert. Auch im indischen Traumschlüssel und bei Achmet findet diese Regel durchgängig Anwendung. Die gute Vorbedeutung der weißen, und die üble der schwarzen Farbe ist wohl darauf zurückzuführen, daß Weiß die Farbe des den Menschen freundlichen und nützlichen Lichtes ist. Schwarz dagegen dem bedrohlichen und gefahrvollen Dunkel eignet, vgl. G. Radke: Die Bedeutung der weißen und schwarzen Farbe im Kult und Brauch der Griechen und Römer. Diss. Berlin 1936, S. 3i. 109 Griech. salpinx he hiera, ein Metallblasinstrument, das unter anderem bei kultischen Handlungen wie Opfern, Prozessionen usw. verwendet wurde. Es ist ein langgestrecktes Rohr aus Bronze oder Eisen mit Hornmundstück und glockenförmigem Schalltrichter. 110 Die Kithara ist ein mächtiger flacher Schallkörper, der sich in breiten Armen fortsetzt und mit sieben, neun oder elf Saiten bespannt ist; sie wurde mit einem Plektron (Schlaginstrument) geschlagen. 111 Neura bedeutet im Griech. I.Darmsaiten, 2. Sehnen auch Nerven, lat. nervi, weil die frühe Medizin noch nicht den Unterschied zwischen Sehnen und Nerven kannte. 112 Hauptvertreter der alten Komödie, die bis zum politischen Niedergang Athens (404 v.chr.) blühte, ist Aristophanes, Hauptvertreter der neueren Komödie Menandros (um v.chr.). 113 Auch Achmet (112, 7ff.) bringt die Deutung Pferd = Frau. Zum Pferd als Sexualsymbol vgl. das Nachwort S. 37$. 114 Homer: Odyssee 4, Dem Meeresgott Poseidon, einer ursprünglich chthonischen Gottheit, i&t das Pferd (hippos) geweiht, dessen Gebrauch er m Attika eingeführt haben soll. 116 Die Deutung ist eine Reminiszenz an die früh abgekommene (^riech. Sitte, die Leiche zu fahren, s. E. Rieß: Volkstümliches bei Artemidoros. In: Rheinisches Museum für Philologie 49, i»94, S. 179 ff. 117 D. L. in Olympia, Delphi, Korinth oder Nemea. 118 Wir haben es in dieser Deutung mit dem Entrückungsgedanken zu tun, der zur Voraussetzung hat, daß das gemeinsame Totenland am äußersten Ende der Welt liegt. Die Vorstellung, daß diese Fahrt ins Jenseits durch eine Einöde geht, wird dem Orient seinen Ursprung verdanken. 119 Der Wettkampf vereinigte Sprung (halma), Lauf (dromos oder Stadion), Diskuswurf (diskobolia), Speerwurf (akontismos) und Ringkampf (pale). 120 Ein im Deutschen nur schwer wiederzugebendes Wortspiel. Das griech. synhallisthai bedeutet i. zusammen springen, 2. vor Schreck zusammenfahren. 121 Griech. Diaulos, entspricht ungefähr dem heutigen 400-m-Lauf. 122 Wettkampfteilnehmer wurden Altersklassen zugeteilt; der Kaiserzeit war die Dreiteilung in Knaben, Jünglinge (Unbärtige) und Männer an allen großen Agonen üblich. Anmerkungen

146 Vgl. den Genesis 32, 24 ff. geschilderten Ringkampf Jakobs mit dem Engel. Bei Tagesanbruch, als sein Gegner sah, daß er Jakob nicht überwinden könne, bat dieser, ihn zu segnen. Der Engel änderte Jakobs Namen in Israel und versprach ihm, daß er über Menschen siegen werde. 124 Daß die Berührung der Erde oder die Verbindung mit ihr für den um ein Stück Land Prozessierenden günstig ist, wird noch durch zwei weitere Beispiele bei Artemidor verdeut licht: 1,35 und i, 79. Es scheint sich darin die Vorstellung zu spiegeln, daß die Berührung mit der Erde eines bestimmten Ortes Anrecht auf denselben gibt, wie ja auch der Besitz einer Scholle Erde den Besitz des Landes verbürgt, von dem die Scholle stammt. Ähnliches findet sich auch im deutschen Volksglauben, vgl. H. Bächtold-Stäubli: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Bd. 2. Berlin-Leipzig 1927, S Wie nun die Verbindung mit der Erde für einen solchen Streitfall Glück bringt, so bedeutet das Gegenteil davon Unglück, z.b. i, Auf welchen Ringergriff Artemidor anspielt, ist nicht bekannt. 126 Schon E. Rieß (a.a.o., S. 181) hat kurz darauf hingewiesen, daß wir es hier mit einer Personifikation der als Dämon ge faßten Krankheit zu tun haben. Die zugrunde liegende Vorstellung wird deutlich durch die im Deutschen gebräuchliche Redensart «mit dem Tode ringen». Die Agonie des Sterbenden, als ein Ringkampf mit dem Todesgott aufgefaßt, ist noch im heutigen Griechenland lebendig, vgl. B. Schmidt: Volksleben der Neugriechen. Leipzig 1871, S Griech. Pankration, eine Verbindung von Ring- und Faustkampf (ohne Riemen), bei der fast alle Mittel erlaubt waren; ein Ende des Kampfes war erst erreicht, wenn ein Kämpfer tot war oder sich besiegt gab. 128 So sehr bemühte sich Horaz (Satiren i, iof.), auf der heuigen Straße den zudringlichen Schwätzer loszuwerden, daß ihm der Angstschweiß bis unten auf die Knöchel rann. Als Jesus im Garten des ölbergs vor seinem Leiden betete, wurde sein Schweiß wie Blutstropfen, die zur Erde rannen (Lukas 22,44). 129 Ein Hernmungstraum - man bringt etwas nicht zustande. Freud sah besonders in diesem Traumtyp die Darstellung des Willenskonfliktes. Weitere Beispiele für Hemmungsträume bei Artemidor 2, 2; i, 23; 2, Vgl. Anm.2i. 131 Zitat aus der Schrift des Sokratesschülers Xenophon: Gastmahl 2, Theognis: Sentenzensammlung, Vers Es war ein allgemein verbreiteter Aberglaube, daß Weinreben die Nähe des Kohls nicht vertragen. Aus dieser Antipathie erklärt es sich, daß diejenigen gegen Rausch und Betrunkenheit gefeit sein sollten, die vorher rohen Kohl gegessen hatten. 134 Er lebte in der Zeit nach G. Marius ( v. Chr.), vgl. auch das Nachwort S Wortspiel: pison = Erbse und peitho (gesprochen piso) = Überredung. 136 Auch bei Achmet bedeuten Hülsenfrüchte Kummer und Sorgen, ihr Genuß sogar Krankheit, z.b. 160, 18. Im Volksglauben galten sie als Speise der Toten. 137 Zahlreich sind die antiken Zeugnisse, denen zufolge die Bohne kultisch geächtet war. In der Überlieferung werden verschiedene Gründe für das Verbot der Bohnenspeise angeführt: Blähwirkung, geistige Abstumpfung, sexuelle Erregung, böse Träume u.a. 138 Die Linse war Speise der Totenmahlzeiten. Nach Plutarch (Crassus, Kap. 19, 6) sahen es die Soldaten des Triumvirn als ein böses Vorzeichen an, als sie in einer bedrängten Lage während des parthischen Feldzugs beim Empfang ihrer Ration zuerst Linsen und Gerstenbrot erhielten, weil beides beim Trauermahl vorgesetzt werde. 139 Nach der Überlieferung empfing Triptolemos von Demeter die Gerste, die zuerst auf den rharischen Gefilden bei Eleusis gesät wurde. 140 Wortspiel: chimaira = Ziege und cheimon (gesprochen chimon) = Sturm. 141 Die Deutung enthält noch einen Rest der archaischen Vorstellung von Kannibalismus, wie er uns durch zahlreiche Beispiele aus dem Leben primitiver Völker bekannt ist. Legt man den tieferen Sinn der Anthropophagie, nämlich den Wunsch, das Orenda und die körperlich-seelische Kraft auf den Essenden zu übertragen, Artemidors Auslegungen zugrunde, so wird begreiflich, warum es besser sein soll, das Fleisch von Männern als das von Frauen zu essen (s. unten). Die Lebenskraft des verzehrten Mannes ist danach wertvoller als die der Frauen, ebenso die von jüngeren Menschen wirksamer als die von älteren. 142 Wortspiel: tyros = Käse und tyreuo = Käse machen, auch = durcheinanderrühren, eine Intrige ersinnen. 143 Bei Symposien erhielt derjenige als Preis einen Honigkuchen, der bis zum frühen Morgen durchgezecht hatte ohne einzuschlafen. 144 Wie Kallimachos erzählt, lebte auf Keos Akontios, ein armer junger Mann, der Kydippe liebte, die aus vornehmem Haus war. Da er sie aber nicht gewinnen konnte, warf er ihr bei einem Fest einen Apfel mit der Aufschrift «Ich schwöre bei Artemis, keinen anderen zu heiraten als Akontios» zu, die Kydippe ahnungslos laut ablas. Wegen des so gesprochenen Schwurs wurde sie jedesmal krank, wenn sie einem ändern verbunden werden sollte, bis schließlich Akontios sie erhielt. - Als Fruchtbarkeits- und deshalb auch Liebessymbol begegnet der Apfel in Hochzeitsbräuchen bei allen indogermanischen Völkern. 145 Die Göttin der Liebe. 146 Die Göttin der Zwietracht. 147 Griech. syka = Feigen; Sykophanten hießen ursprünglich Leute, die gewerbsmäßig Bürger anzeigten, die verbotswidrig Feigen aus Attika ausführten, sodann alle, die in beliebiger Sache - womöglich unter Erpressung - andere fälschlich denunzierten. Anmerkungen

147 Durch den Genuß eines Granatapfels verlor die von Hades entführte Persephone, die Tochter der Demeter, das Recht, auf bleibende Rückkehr zur Oberwelt. Den eleusinischen Mysten war daher die Frucht dieses Baumes verboten. 149 Grundlage der Deutung ist die uns so bekannte Anschauung vom Lebenslicht (ebenso 2, 9). Eine auffallende Ähnlichkeit mit Artemidors Deutungen zeigt Achmet 121, 17. Für den deutschen Volksglauben vgl. H. Bächtold- Stäubli, Bd. 5, S Traum ist eingehender im Nachwort S. 378 f. behandelt. 151 Griech. kline; sie galt nicht nur als Ruhe-, sondern auch als Speiselager. Beim Mahl lagerte der Mann darauf, während die Frau - wenn zugegen - saß. 152 Ganz unbekannt war im Altertum der Tanz als gesellschaftliche Veranstaltung. Seinem Ursprung entsprechend hatte er bei Griechen und Römern vor allem im Kultus seinen Platz. Cicero sagt in seiner Rede für Murena 6,13 knapp und deut lich: «Keiner tanzt nüchtern, außer er den Verstand verloren hat.» 153 Griech. pyrriche, wohl im roten Kriegsgewand ausgeführt, ahmte die Bewegungen des Angriffs und der Verteidigung nach. Der Tanz war auf Kreta und in Sparta heimisch. Caesar ließ den Waffentanz durch Fürstensöhne aus dem Osten in Rom öffentlich vorführen. 154 Narzissen wurden das ganze Altertum hindurch zum Schmuck der Gräber verwendet. Die unheilvolle Verbindung mit dem Wasser geht auf die bekannte Sage von dem schönen Jüngling Narkissos zurück. Dieser hatte die Liebe der Bergnymphe Echo verschmäht und mußte sich deshalb an einer Quelle in sein eigenes Bild verlieben. 155 Für die unglückbringende Bedeutung der purpurnen Veilchenkränze war die Verwendung dieser Blume im Totenkult maßgebend; nach ihnen war das röm. Totenfest der Violaria benannt, vgl. G. Wissowa: Religion und Kultus der Römer. Handbuch der klass. Altertumswissenschaft 5,4, S. 434,3. «Purpurn» als Beiwort des Todes begegnet in Homers Ilias dreimal (5, 83; i6, 334; 20, 477). 156 Auch nach deutschem Volksglauben kündigt es Kranken baldigen Tod an, wenn sie von Rosen träumen, s. H. Bächtold-Stäubli, a.a.o., Bd. 7, S. 778 f. Bei den Alten war die Rose eine Blume der Gräber, vgl. das röm. Fest der Rosalia oder Rosaria. 157 Eine Art Immortelle; wegen seiner Haltbarkeit benutzte man ihn zum Schmuck und zur Bekränzung von Götterbildern und Gräbern. Noch heute soll man in Griechenland den Amarant auf die Gräber pflanzen, vgl. J. Murr: Die Pflanzenwelt in der griech. Mythologie. Innsbruck 1890, S Diese Vorstellung geht sicher auf die Verwendung dieser Pflanzen in der Heilkunde zurück. So waren solche Kränze in der Volksmedizin ein übliches Mittel z.b. gegen Kopfschmerzen. Wie hä ufig die Pflanzen, die Artemidor erwähnt, in der Medizin vorkommen, zeigt vor allem das Werk des Dioskurides (i.jh. n.chr.), der unter Nero in Rom lebte. 159 Die Malve ist eine Pflanze des Totenkults, und auf chthonischen Charakter ist es zurückzuführen, daß die Pythagoreer sie als Speise verschmähten. Den Oleander hielt man für einen schädlichen Strauch, dessen Blüten und Blätter nach Mord riechen. 160 Auch der Eppich ist mit Tod und Begräbnis verbunden; sprichwörtlich sagte man von einem hoffnungslosen Kranken, er bedürfe des Eppichs. Mit Kränzen aus Eppich wurden auch die Sieger in den Wettkämpfen bei den isthmischen und nemeischen Spielen geschmückt. Beide Agone waren nach dem Glauben der Alten ursprünglich Leichenspiele. Den Eppichkranz löste, wahrscheinlich erst in der Kaiserzeit, der Fichtenkranz als Preis für den Sieger in den Isthmien ab. 161 Wie Plutarch (Amatorius 10, 755 A) erzählt, schmückte man mit Kränzen von der Palme und vom ölbaum bei einer Hochzeit die Türen. Bei Achmet 108, 26 erfährt die Palme eine ähnliche Auslegung. Als Sinnbild der Ehe begegnet sie bei den Orientalen. So wird im türkischen Hochzeitszug eine Palme als Zeichen männlicher Kraft einhergetragen. Athleten zeigt der Traum natürlich Ruhm und Sieg an, denn mit Kränzen vom ölbaum wurden die Sieger in den Olympischen Spielen und in den Agonen der Panathenäen geehrt, der Palmzweig aber ist neben dem Kranz als Siegespreis überall üblich. 162 Wortspiel: kerinos == wächsern und Ker = Todesgöttin. 163 Verschiedenfarbige Wollfäden, meist solche von roter, schwarzer und weißer Farbe fanden im Schaden- und Bindezauber als magische Fessel Verwendung. 164 Die Deutung erklärt sich auch aus der Sitte, die Toten zu bekränzen, und zwar häufig mit goldenen Kränzen. 165ff In der Offenbarung des Johannes (6, 8) wird das Roß, auf dem der Tod saß und in dessen Gefolge der Hades war, als fahlgelb beschrieben. 166 Weinlaub und Efeu waren dem Dionysos, dem Schutz- und Schirmherrn der Schauspieler, geweiht; daher die gute Vorbedeutung für diese. Wenn dieselben Kränze Fesselung prophezeien, so spiegelt sich in dieser Auslegung die gleiche Anschauung von der bindenden und hindernden Kraft des Efeus und Weinlaubs wider, die uns auf römischem Boden in der bekannten Vorschrift für den Flamen Dialis, den Einzelpriester für den Himmelsgott Jupiter, begegnet, wonach dieser weder Efeu berühren noch sich in eine Rebenlaube bege ben durfte, vgl. F. Boehm, a. a. Nr. 22, S. 29. Für die Deutung auf Krankheit ist speziell auf die ausgedehnte Verwendung des Efeus und des Weins in der Medizin hinzuweisen. 167 Vgl. auch 4,9. Im indischen Traumschlüssel bedeutet es Glück, frühmorgens beim ersten Ausgang (sogenannter Angang) einer Hure zu begegnen, s. J. v. Negelein, a.a.o., S. 201, i, und bei Achmet bringt der Traum, mit Hetären geschlechtlich zu verkehren, Reichtum (77, 9 ff.; 79, 20). Ebenso bedeutet es nach deutschem Volksglauben Unglück, wenn man frühmorgens zuerst einer Jungfrau begegnet. Glück, wenn es eine Hure ist, vgl. H. Bächtold- Anmerkungen

148 148 Stäubli, a.a.o., Bd i, S. 422, mit Anm. 142; Bd. 4, S Mit der Dirne verbindet sich die Vorstellung fesselloser, uneingeschränkter Zeugung und Fruchtbarkeit und daher des Reichtums und Glücks. 168 Ta aporreta (= das Geheime) ist gleichbedeutend mit ta aidoia (= die Schamteile). 169 Die Ausdrücke apokriseis poieisthai = absondern, ausscheiden und apousias poieisthai = Verluste erleiden werden im Griech. auch in sexueller Bedeutung gebraucht. 170 Zahlreich sind die in der griech. und röm. Literatur überlieferten Inzestträume. So berichtet Herodot (a.a.o., Buch 6, 107), daß Hippias, der Sohn des Peisistratos, in der Nacht, bevor er seine Truppen nach Marathon führte, träumte, er verkehre mit seiner Mutter. Er deutete den Traum dahin, daß er nach Athen zurückkehren und die Herrschaft wieder erlangen werde. Nach Plutarch (Caesar, Kap. 32, 9) träumte Caesar in der Nacht vor dem Übergang über den Rubikon, er übe Verkehr mit seiner Mutter. Der Traum wurde dahin ausgelegt, daß Caesar die Welt erobern werde, weil die Mutter in diesem Fall die Erde, d.h. die Mutter aller Dinge, versinnbildliche. In Sophokles' «König Oidipus» (V. 981 f.) sagt lokaste zu Oidipus: «Viele Menschen haben schon im Traum der Mutter beigewohnt.» Artemidors umfangreiche Ausführungen zeugen sicher auch für die Bedeutung der Inzestträume im Hinblick auf die Probleme und Konflikte der damaligen Gesellschaft, vgl. E. R. Dodds: The Greeks and the Irrational. Berkeley-Los Angeles 1951, S. 47, 6if. 171 Vgl. den Anm. 170 erwähnten Traum bei Herodot. 172 Über diesen Traumdeuter wissen wir nichts Näheres. 173 Das Notwendige (to anankaion) bedeutet auch das männliche Glied. 174 Die Mondgöttin. 175 Vgl. dazu Platons Gedanken im «Staat» (9, 571 E B), wo er von den ungebärdigen Begierden im Traum spricht. Hier vollbringe der Träumende die schändlichsten Sexualdelikte, deren er im Tagesleben nicht fähig wäre. Platon hat hier deutlich die Kompensation im Traum gesehen. Über das Verbot der Sodomie bei den Juden vgl. das Buch Leviticus 18, 23; 20, 15 f. 176 Große Bedeutung hatten im alten Griechenland die kultischen Träume, die sogenannten Inkubationsträume. Kranke, Konfliktbeladene, aber auch Gesunde, die vor lebenswichtigen Entscheidungen Hilfe suchten, legten sich im Tempel zum Schlaf nieder und warteten auf eine Traumoffenbarung der Gottheit. Die Inkubation wurde besonders in den Heiligtümern des Asklepios geübt; aus dem von Epidauros sind uns zahlreiche Inschriften mit Berichten von Wunderheilungen durch Asklepios überliefert, vgl. R. Herzog: Die Wunderheilungen von Epidauros. In: Philologus, Suppl.-Bd. 22, H. 3, 177 Es ist der Glaube an die Gespenster der Toten, die an Grä bern ihr unheimliches Wesen treiben. Auch die Wege, an denen vielfach Gräber lagen, galten als Aufenthaltsort der Geister. 178 Von einer falschen Verwendung des Abschiedsgrußes «hygiaine» (bleibe gesund!) statt «chaire» (sei gegrüßt!) beim Besuch eines abergläubischen röm. Großen berichtet Lukian in seiner Schrift «Über ein Versehen beim Grüßen», in der er den Glauben an die üble Vorbedeutung des falschen Grußes lächerlich machte. Zweites Buch 179 Im Angangsglauben spielen bestimmte Zeiten eine Rolle; man berücksichtigt besonders den ersten Tag des Jahres, wie der Woche, und vom Tag ist natürlich der Morgen wichtig, vgl. Anm Die Berü hrung mit einem Toten ist nach antikem Volksglauben unheilvoll und schädigend, weil der Leiche etwas Unreines, Gefährliches anhaftet. Das Küssen eines Toten ist auch bei Achmet (90, 22) verhängnisvoll. Auch außerhalb der Antike finden sich zahlreiche Beispiele für diese Anschauung, vgl. H. Bächtold-Stäubli. a.a.o., Bd. 8, S Kleidung war in Griechenland Privatsache, der Römer dage gen unterlag beim öffentlichen Auftreten in Kleiderdingen nicht nur einer strengen Konvention, sondern sogar gesetzlichem Reglement. So mußte der, der sich beim Volk um ein Amt bewarb, in weißer Toga auftreten, in der toga candida (daher candidatus). 182 Wörtlich: denen, die die thymele betreten. Letztere bezeichnete ursprünglich den Opferaltar des Dionysos in der Mitte der Orchestra (eigentlich = Tanzplatz), verblaßte aber allmählich zur Bedeutung Podium, Bühne. 183 Ursprünglich ein griech. Kleidungsstück, später Bezeichnung für die röm. Toga. 184 Sie war dem Mann vorbehalten. Tuch wurde einmal vertikal gefaltet, umgelegt und auf der rechten Schulter mit einer Spange (Fibel) zusammengehalten. Der linke Arm wurde dabei von der geschlossenen Seite des Tuches verdeckt, der rechte Arm blieb ganz frei, vgl. auch Anm I85 Ein von den Galliern übernommener Umhang aus schwerem Stoff, der bei den Römern weite Verbreitung fand. 186 Menandros: Fragment 665 (in der Ausgabe von Koerte; 608 bei Kock). 187 Der Ring kann dank seiner hegenden und bindenden Kraft schädliche Kräfte abwehren und nimmt daher die Stelle eines Amuletts ein. Daneben aber spielt auch das Material der Ringe eine Rolle, vor allem das Eisen, das von jeher als ein Abwehrmittel gegen Dämonen und ihre Einwirkungen angesehen wurde; vgl. auch Artemidor 5, 26. Bei Lukian, Lügenfreund (Kap. 17), rühmt sich Eukrates, daß das Umgehen von Gespenstern ihn gar nicht mehr beeindrucke, seit er von einem Araber einen solchen eisernen Ring bekommen und von ihm die Beschwörung der Anmerkungen

149 149 Geister gelernt habe. Bei den Rö mern schützte ein Eisenring die Braut und den Triumphator. Für den deutschen Volksglauben vgl. H. Bächtold-Stäubli, a.a.o., Bd. 2, S Homer: Odyssee 6, 48; 14, Daß es gefährlich ist, sich zu spiegeln, sagt schon ein pythagoreisches Gebot, vgl. F. Boehm, a.a.o., Nr. 52, S. 51 f. Vor allem aber dürfen Kranke nicht in den Spiegel sehen, weil sich sonst die Krankheit verschlimmert. Der Grund für diese Vorstellung liegt wohl in dem Glauben, daß wie im Schatten des Menschen so auch im Spiegelbild seine Seele lebe. Weil aber überall Dämonen lauern, ist es gefährlich, vor allem in solch kritischen Zeiten wie denen der Krankheit, seine Person oder seine Seele in den Spiegel hineinzuprojizieren. Gleiche gilt vom Spiegelbild im Wasser. 190 In dieser Deutung ist noch ein Niederschlag babylonischer Astrologie zu greifen. 191 Die gute Vorbedeutung des Blitztodes erklärt sich daraus, daß es der Gott selber ist, der im Blitz herniederfährt und in dem Menschen Wohnung nimmt. 192 Plutarch berichtet im Leben des Königs Pyrrhos (Kap. 2) von einem Traum, den dieser vor Sparta hatte. Es schien ihm, daß unter den von ihm geschleuderten Blitzen die Stadt in Flammen aufgehe und er darüber Freude empfinde. Er deutete das Gesicht als von guter Vorbedeutung für die beabsichtigte Eroberung der Stadt, aber Lysimachos belehrte ihn, daß eine göttliche Macht ihn warne, die Stadt zu betreten, weil vom Blitz getroffene Plätze für Menschen unbetretbar würden. 193 Vgl. Anm Vgl. Anm Chorlyriker aus Theben (um $ v.chr.); Zitat Olympische Hymnen i, if. 196 Daß Blitztod den Getroffenen heiligt und ihn zu höherem Leben erhebt, begegnet in zahlreichen antiken Sagen, wie denen von Semele, Herakles, Asklepios und anderen. Bei Lukian, Alexander (Kap. 59), heißt es von dem Lügenpropheten, er habe von sich gesagt, daß er i$o Jahre leben und alsdann vom Blitz getötet werden würde. Durch die Ankündigung seines Blitztodes wollte er den Leuten weismachen, daß er ein Wesen höherer Ordnung sei. 197 Im gleichen Sinn gebraucht der Römer den Ausdruck fulminatus = vom Blitz get roffen, vgl. auch Juvenal (um n.chr.), Satiren 8, Bei Griechen wie Römern finden wir die rituelle Pflicht, den vom Blitz Erschlagenen nicht zu verbrennen, sondern zu begraben, s. G. Wissowa, a.a.o., S. 546, Plutarch erwähnt im Leben des Antonius (Kap. 16, 3), daß der Triumvir wenige Tage nach dem Traum, seine rechte Hand sei von einem Blitzstrahl getroffen worden, erfuhr, daß Oktavian gegen ihn ein Komplott plane. 200 Phemonoe soll die älteste Prophetin des delphischen Orakels gewesen sein. 201 Hinter dieser Auslegung verbirgt sich vermutlich das sogenannte Elmsfeuer, das den Seeleuten bald Glück, bald Unglück bedeutet. 202 Auch im indischen Traumschlüssel und in unserem Volksglauben ist es ein günstiges Zeichen, im Traum reines Feuer zu schauen. Sueton (um n.chr.) berichtet im Leben des Tiberius (Kap. 14), daß, als dieser seinen ersten Feldzug antrat und das Heer durch Makedonien nach Syrien führte, auf den einst bei Philipp! für die siegreichen Legionen ge weihten Altären plötzlich von selbst Flammen aufleuchteten. Und am Tag bevor Tiberius die Nachricht seiner Rückberufung von Rhodos nach Rom erhielt, schien ihm beim Wechseln der Kleider seine Tunika zu brennen. 203 Der dritte der klassischen Tragiker in Athen; Vers $7 aus «Iphigenie bei den Taurern». 204 Der Deutung liegt die Vorstellung vom Lebensbaum zugrunde; vgl. z.b. die Meleagersage, nach der Althaia den Olivenzweig, an dessen Erhaltung Meleagers Leben geknüpft ist, ins Feuer wirft und dadurch dessen Tod herbeiführt. Eine Weiterentwicklung dieses Gedankens ist es, wenn auch eine Gemeinschaft, eine Familie oder ein Dorf, in einem Baum das Symbol des gemeinsamen Lebens sieht, womit Artemidor i, 73 erklärt wird (vgl. auch 2, p; 5, 74). Auch bei Achmet trifft man durchgä ngig auf die Deutung Baum = Mensch, z.b. 107, 21; i09, 30; l2$, 22 und öfter. 205 Homer (Odyssee 5, 490) spricht vom Samen des Feuers; ähnlich Pindar und Platon, vgl. auch das Nachwort S f. 206 Feine Vogelnetze. 207 Zierliche Tiere der Spitzhundrasse mit langem, weißem Seidenhaar; sie waren in der Kaiserzeit bei den Damen sehr beliebt. 208 Vermutlich steckt in der ungünstigen Deutung der Hunde noch der allgemeine Glauben der Antike, wonach der Hund als ein unreines und dämonisches Wesen angesehen wurde. Plutarch berichtet im Leben des Kimon (Kap. 18) von einem sonderbaren Traum, den dieser kurz vor einem militärischen Unternehmen gegen Ägypten und Kypros hatte. Es schien ihm, als wenn ein böser Hund ihn anbellte und unter dem Bellen mit menschlicher Stimme zu ihm sage, er solle mit ihm gehen, denn er würde ihm und seinen Jungen ein Freund sein. Astyphilos von Poseidonia, ein Freund Kimons, erklärte ihm, der Traum bedeute seinen Tod, denn ein Hund sei für einen Menschen, den er anbelle, ein Feind, und von einem Feind könne man nicht eher, als wenn er sterbe, ein Freund werden. Die Hundstage, an denen Sonne und Sirius gleichzeitig aufgehen, dauern vom 24. Juli bis zum 24. August und stellen für Europa die heißeste Jahreszeit dar. 209 Wortspiel: probaten = Schaf und probainein = vorwärtsgehen, vorankommen. 210 Kreiein (gesprochen kriein) == herrschen wird irrtümlich mit krios (der Widder) in Verbindung gebracht. 211 Götterbote, Handels. Anmerkungen

150 Homer: Ilias 2,148. Artemidors Wortspiel fußt auf der Silbe aig in dem Ausdruck labros epaigizon = ein heranziegender Sturm. 213 Vgl 2, In den Handschriften folgt dieses Traumerlebnis, das Hercher aus sprachlichen Gründen zu Recht ausgeschieden hat; wegen der Erwähnung der bekannten Redensart «Hörner aufsetzen» ist es in die Übersetzung mitauf genommen worden. 215 Onos = Esel und onosthai == Gewinn haben. 216 Erzieher des Dionysos, glatzköpfig, meist so betrunken, nicht laufen konnte, sondern auf einem Esel ritt. 217 Als die Götter im Kampf mit den Giganten lagen, trat Dionysos mit seinem Gefolge von Silenen und Satyrn auf, die auf Eseln ritten. Letztere jagten durch ihr Geschrei die Giganten in die Flucht. Lukian erzählt in den «Wahren Geschichten» (1,17) von dem kriegerischen Zusammenstoß des Phaethon und Endymion. Dieser erfolgte, nachdem man die Feldzeichen aufgesteckt und die Esel, derer man sich statt der Trompeten bediente, auf beiden Seiten ihr Geschrei erhoben hätten. 218 Welche Redensart gemeint ist, läßt sich nicht sagen. 219 Homer: Ilias 10, Boes = Rinder und periboeseis = üble Nachreden (von boe = Geschrei, Wirrwarr). 221 Histokeraia (= segeltragende Querstange des Mastes) ent hüllt die ursprüngliche Bildbedeutung von selbst; die rechts und links vom Mast abstehende Querstange sieht aus wie die Hörner eines Stieres. 222 Auch nach Achmet (218,27) bedeutet der Löwe einen König. 223 Zu der Deutung des Löwen auf Krankheit vgl. noch Artemidor 3,66. Die Krankheit oder der Krankheitsdämon als bösartiges Tier war in der Antike allgemeine Anschauung. Speziell der Löwe galt als Erscheinungsform des Dämonischen, als Todesdämon. Bei Achmet (219,2) nimmt Charon, der hier schon wie im neugriech. Volksglauben zum Totengott schlechthin geworden ist, die Gestalt eines Löwen an. Auch die Krankheitsnamen können hier herangezogen werden: leon (Löwe) hieß es einfach für leontiasis, kyon (Hund) für kynanthropia, elephas (Elefant) für elephantiasis, ja es findet sich sogar das einfache therion (Tier) als Krankheit. Unser Volksglaube gebraucht für den krankheitserregenden Dämon neben bestimmten Namen ebenfalls häufig nur das Wort «Tier»; der Franzose bezeichnet die Gesamtheit der Krankheitsdämonen als betes noires. 224 Grundlage der Deutung ist die aus dem Mithras kult bekannte Identifikation von Löwe und Feuer. 225 Ebenso bei Achmet 222, Nach Ovid (Metamorphosen 2, 409 ff.) wurde Kallisto, eine arkadische Nymphe, von Zeus verführt, der sich Tracht und Gestalt der Artemis zugelegt hatte. Kallisto wurde von Artemis aus deren Begleitung ausgestoßen und von Hera in eine Bärin verwandelt. 227 Vgl. Homer: Ilias 18, Nach Juvenal (Satiren 12,10$ fr.) wurden in Italien von Kaisern Elefanten für Zirkusspiele gehalten. 229 Artemidor leitet das Wort lykabas (= Jahr) wie andere antike Autoren von lykos (= Wolf) und bainein (= gehen) ab. 230 Artemidor begründet die Deutung des Pavians richtig mit seiner Beziehung zur Mondgöttin Selene, die die «heilige Krankheit» verursachen, aber auch heilen konnte. Man hat dies e Vorstellung mit Recht auf Ägypten als Ursprungsland zurückgeführt, wo der Pavian von jeher das heilige Tier des Mondgottes Thoth ist und wo ihm alle möglichen direkten Beziehungen zum Mond zugeschrieben wurden, die bis zu einem gewissen Grad auf richtigen Beobachtungen fußen, vgl. 0. Keller: Die antike Tierwelt. Bd. i. Leipzig 1909, S. 7f. Hippokrates von Kos (um v.chr.), der Begründer der Medizin als Wissenschaft, hat in einer eige nen Schrift das übernatürliche Wesen dieser Krankheit bekämpft. 231 Auslegung beruht auf der Vorstellung von der Zwitternatur dieses Tieres und daß es nicht geschlechtlich gezeugt sei. Antiker Volksglaube schrieb der Hyäne einen regelmäßig wiederkehrenden Geschlechtswechsel zu. Die Gleichsetzung Tieres mit einer Zauberin begegnet auch bei Achmet (223,10). 232 Menandros: Fragment 666 (in der Ausgabe von Koerte; 917 bei Kock). 233 Gesteuert wurde durch ein oder zwei seitlich am Heck ange brachte breite Ruder, die zur leichteren Bedienung einen waagerechten Griff besaßen. 234 Ein berühmtes Beispiel für sprechende Tiere ist Achilleus' Roß Xanthos, das dem Helden seinen Tod prophezeit. In den röm. Prodigienberichten heißt es des öfteren, daß ein oder eine Kuh mit Menschenstimme geredet habe. 235 Das griech. Wort drakon bedeutet Schlange, aber auch Drache, Lindwurm. Auch bei Achmet (228,9) ist der Drache Symbol eines Königs. 236 Auch außerhalb der Traumdeutung findet sich die Gleichung Schlange = Zeit. Als deren Symbol erscheint sie mit Kronos-Aion, dem löwenköpfigen mithreischen Dämon der Ewigkeit. 237 Köre ist Beiname der Persephone (wörtlich = Mädchen, Tochter). Hekate, chthonische Göttin mit sehr verschiedenen Funktionen, später namentlich Göttin der Dreiwege und des Spuks. Asklepios, Gott der Heilkunde und Ärzte. Heroen, ursprünglich Halbgötter, die der Verbindung von Göttern mit Menschen entstammen und als Sippen- oder Stammesahnen lokal beschränkte göttliche Verehrung genossen. Dann Menschen, die nach ihrem Tod als Wesen höherer Art, aber noch nicht als wirkliche Götter betrachtet wurden. Ferner Menschen, denen man schon zu Lebzeiten wie einem Gott Spiele weihte und Verehrung zollte. Anmerkungen

151 Die Schlange ist als Symbol eine Verdichtung von Gut und Böse, Heil und Unheil, männlich und weiblich. Wenn der Drache dem Kranken Unheil und Todesnähe prophezeit, so ist hier speziell an die Schlange als Erscheinungsform der Totenseelen zu denken. Die Gleichsetzung von Schlange und Krankheit bzw. Feind findet sich auch bei Achmet (229,27). Ophis (Schlange) als Krankheitsnamen überliefert der Lexikograph Julius Polydeukes, genannt Pollux (2. Hälfte des 2.Jhs. n.chr.) in seinem Onomasticon (= Vokabularium), Buch 4, Von der befruchtenden Tätigkeit der Schlange berichten Sagen und Wundergeschichten. So verwandelt sich Apollon in eine Schildkröte, dann in eine Schlange, um Dryope beizuwohnen. Söhne, die von einem Gott^in Schlangengestalt mit einer Sterblichen gezeugt waren, sollten zu großen Taten ausersehen sein, wie Alexander der Große, Scipio Maior, Augustus, die einer solchen Verbindung entstammten. Auch ist auf die Gleichsetzung von Schlange und Phallos hinzuweisen, um so mehr als kolpos auch in der Bedeutung Mutterleib, Mutterschoß üblich ist. Wenn schließlich nach Artemidors Deutung eine Schwangere nach diesem Gesicht eine Fehlge burt haben werde, so überliefert Plinius (Historia naturalis 30,128) eine abergläubische Anschauung, nach der eine schwangere Frau eine Fehlgeburt haben werde, wenn sie über eine Schlange getreten sei. 240 Alexandrinischer Dichter (2. Jh. v. Chr.), verfaßte u. a. zwei erhaltene Lehrgedichte über Heilmittel gegen den Biß giftiger Tiere und über Heilmittel gegen Vergiftungen aller Art. 241 Wortspiel: dolones = Fischfallen und dolous = Anschläge. 242 Die Stummheit der Fische war schon in der Antike sprichwörtlich, vgl. auch Artemidor 2, Trigle (Meeräsche) wird von Artemidor mit tris (dreimal) in Verbindung gebracht. 244 Aristophanes von Byzanz (2$7-i8o v.chr.), Grammatiker und Leiter der alexandrinischen Bibliothek. Seine Schrift «Über Tiere» scheint aus den Werken des Aristoteles, Theophrast u.a. zu schöpfen. 245 Vgl. Anm. 6 und Nachwort S Der Delphin galt den Schiffern als Wetterprophet. Noch heute wissen diese im ägäischen Meer, daß der Delphin nach der Richtung hin zu schwimmen pflegt, woher der nächste Wind oder der des folgenden Tages kommen werde. Noch wichtiger aber war der Delphin nach dem Glauben der Alten deswegen, weil er durch besonders ausgelassene Sprünge auf einen bald ausbrechenden Sturm deutete. Verständlich, daß nach Artemidors Auslegung ein gestrandeter Delphin Unglück bringen sollte. Als Motiv ist dieses Gesicht in der Kallimacheischen Elegie von Hero und Leander verwendet worden. Der Wortlaut der Deutung Artemidors läßt vermuten, daß der Traum der Hero vielleicht die direkte Vorlage gewesen ist. 247 Auch die Möwen und möwenähnlichen Vögel waren für die Schiffer der Antike Wetterpropheten und Vorboten von Stürmen. Sie spielen auch deswegen im Aberglauben der Schiffer eine Rolle, weil man im Altertum wie noch heute in den Möwen Verkörperungen menschlicher Seelen erblickte, und zwar handelt es sich um Seelen von Menschen, die auf dem Meer verunglückt sind, vgl. 0. Keller, a.a.o., Bd. 2, S. 24$. 248 Der Adler wurde als eines der Vehikel betrachtet, auf dem der vergottete Kaiser zum Himmel emporgetragen wurde. In dieser Funktion ist der Adler jedoch nicht auf die Apotheose des Kaisers beschränkt. Als Symbol der Himmelfahrt erscheint er auch auf bildlichen Darstellungen ge wöhnlicher Sterblicher; doch handelt es sich dabei meist um höherstehende Personen, wie Artemidor zutreffend bemerkt. 249 Wie im Alten Orient war der Adler bei Griechen und Rö mern Symbol siegreicher Schlagkraft. Als gemeinsames Feldzeichen der ganzen Legion führte Marius um 100 v.chr. den silbernen Adler ein, der, mit ausgebreiteten Schwingen auf einem Stab befestigt, der Truppe gewissermaßen zum Sieg voranflog. 250 Aetos = Adler und a 251 Alle drei Auslegungen gehen auf die im Altertum verbreitete Anschauung zurück, daß die Krähe ein sehr hohes Alter erreiche, was Artemidor auch andeutet. Daß der Vogel auch Sturm und schlechtes Wetter kündet, begründet Artemidor zutreffend mit seiner Eigenschaft als Wetterprophet. 252 Das Heiligtum der Göttin in Paphos (Zypern) war durch seine Tauben berühmt, so daß man Tauben als paphische Vögel bezeichnete. 253 Daß der Storch Kindersegen verspricht, geht nicht auf die uns geläufige Anschauung vom Storch als Kinderbringer zurück, sondern, wie Artemidor richtig bemerkt, auf die Vorstellung, daß die Störche aus Pietät ihre alten Eltern pflegen und ernähren. 254 Nach Platon (Phaidon 8 5 B) spielte Sokrates vor seinem Tod auf die im Volk verbreitete Vorstellung an, daß der Schwan im Sterben sein schönstes Lied ertönen lasse. Doch sei sein Gesang nach Sokrates mehr Ausdruck der Freude als der Trauer, weil der Vogel dem Apollon heilig und zukunftskundig sei. 255 Vgl. Anm Der Honig ist als gewöhnliche Totenspende unheilvoll. Auch im indischen Traumschlüssel ist der Genuß von Honig verhängnisvoll für den Träumenden, vgl. Negelein, a.a.o., S Ein am Heck befestigtes Ornament. 257 Das Wortspiel ist dunkel. 258 Zu der Deutung der Pflugschar als Geschlechtsglied des Träumenden vgl. man einen aus dem südlichen Teil der Insel Leukas berichteten Brauch aus dem heutigen Griechenland: Die Frauen sollen dort nach der Geburt eines Mädchens mit nackten Füßen über zwei Pflugspitzen schreiten. Dadurch erreichten sie, daß das nächste Kind ein Knabe wird. Hinter dieser Sitte steht offenbar der Glaube, daß der Pflug ( = Phallos) die Zeugung eines männlichen Kindes bewirke. 259»Vgl. Anm Anmerkungen

152 Daphne, die Tochter des Flußgottes Peneus, verschmähte die Liebe Apollons, weil sie jungfräulich zu bleiben wünschte, und floh vor dem Gott. Apollon verfolgte sie; in dem Augenblick aber, wo er sich ihrer bemächtigen will, wird sie von ihrem Vater in einen Lorbeerbaum verwandelt. 261 In den Geoponica (11,10), einem um 950 n.chr. redigierten Sammelwerk zur Landwirtschaft, wird von Boreas, dem Nordwind, erzählt, daß er ein Mädchen von einem Felsen gestoßen habe, weil dieses seine Liebe verschmäht und dem Gott Pan den Vorrang gegeben habe. Das Mädchen wurde dann von der Erde in eine Fichte verwandelt, die klagt, so oft Boreas über sie hinstreicht. 262 Der Sage nach brachte Herakles die Weißpappel aus Thesprotien nach Griechenland. 263 Das Wort aphodos bedeutet sowohl Abtritt, Abzug als auch Reise, Rückkehr. 264 Vgl. die ausführliche Besprechung Abschnitts Nachwort. S ff. 265 Die genannten Orte galten allgemein als düster und unheimlich, weil in ihnen Dämonen und wilde Wald- und Berggeister hausen. In die Berge und Wälder scheuchte man in der Geisterbannung die schädlichen Dämonen, weil dort ihre Heimat sei. 266 Griech. Hellanodiken, Organisatoren und Schiedsrichter der Wettkämpfe in Olympia. Sie prüften Herkunft und Alter der Bewerber, ahndeten Regelverstöße und stellten die Sieger fest. 267 Ein Beispiel für eine unfreiwillige Verfehlung ist die von Herodot (a.a.o., 1,43) erzählte Geschichte von Kroisos und dem Phryger Adrastos. 268 Beides wird griech. pygme genannt. 269 Die Thraker wurden von den Kaisern, Caligula und Titus, als Gladiatoren bevorzugt; sie trugen einen Krummsäbel (sica), einen kleinen, rechteckigen oder runden Schild (parma). Lederbandagen (fasciae) um Unter- oder Oberschenkel und zwei Beinschienen. 270 Seine Ausrüstung bestand aus einem Gesichtshelm (galea) mit riesigem Kamm und Federbusch, Beinschienen, großem Langschild (scutum), Schwert (gladius) oder Lanze und Ärmel am rechten Arm. 271 Den Secutor (Verfolger) betrachtet man gewöhnlich als Abart des Samniten, doch fehlen genaue Angaben über seine Ausrüstung. 272 Der Netzfechter war der Hauptgegner des Secutor. Er war mit einem Dreizack oder einer Thunfisch-Harpune (fascina), mit einem Netz und Dolch ausgerüstet. Weil er keine prächtige Rüstung trug, -wurde er niedriger eingestuft. Er bedeutet bei Artemidor eine Gassendirne, weil er unaufhörlich in der Arena hin und her rennen muß. 273 Er ist ein Gladiator zu Pferd; er ist mit einer Tunica bekleidet und trägt einen Rundschild. 274 Er kämpfte vom Wagen aus, der von einem Lenker geführt wurde. 275 Der Herausforderer ist ein weniger bekannter Typus des Gladiators. 276 Wie der Name Dolchen; er war unbehelmt. 277 Die Bezeichnung kommt nur an dieser Stelle vor. Nach Pack leitet sich das Wort von arbelos her, das ein sichelförmiges Messer bedeutet. 278 Griech. charizesthai = Gefälligkeiten erweisen, wird auch in sexuellem Sinn gebraucht. 279 Dies ist auch im indischen Traumschlüssel ein sehr unglückliches Vorzeichen, s. J. v. Negelein, a.a.o., S. 260 f. Überhaupt wurde die plötzliche Bewegung eines Götterbildes oder einer Statue als böses Prodigium angesehen; besonders, wenn sich das Bild, wie bei Artemidor 2,3 5, nach Westen, der Richtung des Totenreiches, wandte. Diese Vorstellung kann man jener allgemeineren unterordnen, wonach jede spontane Bewegung, jedes Zerbrechen oder Fallen eines Gegenstandes auf Tod und Unglück gedeutet wird. Alle diese Vorgänge, die dem primitiven Menschen mehr oder weniger unerklärlich sind, werden nach vorwärts verbunden, «weil man sie sozusagen nach rückwärts nicht kausal verknüpfen kann» (s. H. Bächtold-Stäubli, a.a.o., Bd. 8, S. 1002). 280 Eine ähnliche Klassifizierung der Götter findet sich in den Zauberpapyri, vgl. K. Preisendanz: Papyri Graecae Magicae, Bd. i, S. 170; 186; Bd. 2, S Vgl. Am Eine unsichere Ableitung des Namens; er ist wahrscheinlich kleinasiatisch. 283 Agrotera = Jägerin, Elaphebolos = Hirscherlegerin. 284 Angespielt wird auf drei bedeutende Artemiskultstätten in Kleinasien, in Ephesos (Karlen), Perge (Pamphylien) und Myra (Lykien). 285 Auch 1,5 und 2,39 wird die Erscheinung eines Götterbildes im Traum auf gleiche Stufe mit der Erscheinung des Gottes selbst gestellt. Zugrunde liegt die altertümliche Vorstellung, daß die Macht eines Geistes auch in seinem Abbild wohnt und daß für primitives Denken zwischen Dargestelltem und Darzustellendem kein Unterschied besteht, s. L. Deubner: De incubatione. Leipzig 1900, S. 9 f. 286 Die Deutung wird durch die Sage von Aktaion belegt. Dieser, ein schöner junger Jäger, erblickte die jungfräuliche Göttin Artemis im Bad und wurde deshalb von ihr in einen Hirsch verwandelt und von seinen eigenen Hunden zerrissen. 287 Beiname des Apollon als Helfer und Retter. 288 Der Beiname bedeutet Meisterin, Werkerin. Vom Handwerk liebt sie am meisten die Kunst der Schmiede und Erzgießer und die Frauenarbeiten: das Sp innen und Weben. 289 Von Selene, der Mondgöttin, hängt jegliches Wachstum in Pflanzen- und Tierwelt ab, Ebbe und Flut, die Zyklen der Anmerkungen

153 153 Frau, Auswahl günstiger Tage für wichtige Unternehmungen. 290 Vgl. Anm Menandros: Fragment 223, 3 (Koerte). 292 Nach volkstümlicher Anschauung steht jeder Mensch in unsichtbarer Verbindung mit einem besonderen Stern, der gleichzeitig mit seiner Geburt aufgeht und bei seinem Tod erlischt, vgl. auch 2,36 und 5,23. Travestiert ist diese Anschauung von Lukian (Wahre Geschichten i,29) in der witzigen Beschreibung der sagenhaften Lichterstadt Lychnopolis. Die Lichter haben auch einen Archon, der sich in seinem Amtsgebäude die ganze Nacht hindurch aufhält und einen jeden Bewohner namentlich zu sich zitiert. Auf Ungehorsam aber steht die Todesstrafe. Diese besteht in dem Auslöschen der Flamme. Weitere Belege gibt auch Achmet an die Hand (z.b. 132,20). Im Talmud wird das Gesicht, einen Stern verschlungen zu haben, dem Träumenden dahin ausgelegt, daß er den Sohn eines Israeliten verkauft und das Gold aufgegessen habe; in den Parallelstellen, daß er den Sohn eines Israeliten getötet habe, s. H. Lewy: Zu dem Traumbuch des Artemidoros. In: Rheinisches Museum für Philologie 48, 1893, S Wenn der Traum, Sterne unter dem Dach zu sehen, auf den Tod des Hausherrn gedeutet wird, so ist der Anblick des gestirnten Himmels gewissermaßen schon ein Schauen seiner zukünftigen Heimat. Der Glaube, daß der Tote zu den Sternen emporgehoben oder der Verwandlung in einen Stern teilhaftig wird, ist vor allem seit dem Beginn der Kaiserzeit häufiger anzutreffen. Die Hoffnung auf ein Fortleben des Menschen in der Sternenwelt wird vor allem auf die Person des Kaisers und besonders begnadeter Menschen übertragen, dann aber auch allgemein für gewöhnliche Sterbliche ausge sprochen. Dafür zeugen besonders die Grabinschriften. 294 Die Göttin des Regenbogens, Dienerin der Hera und Götterbotin, die auf dem Regenbogen zu den Menschen heruntersteigt, vgl. auch Anm Die Göttin auf den Wegen; sie wurde bei Beschwörungen und Zaubereien als Helferin angerufen. Die im folgenden genannten Mysterien der Göttin sind geheime, religiöse Weihen für die Anhänger ihres Kultes. 296 Er hat die Beine der Ziege, die zum Sprung, weniger zum Stehen geeignet sind. 297 Rom. Incubus. im Deutschen der Alp. 298 Wie Apollons Beiname, s. Anm Kastor und Polydeukes (lat. Pollux), die Söhne des Zeus. Sie galten als Schutzherren der Seefahrer, denen sie durch sogenannte Elmsfeuer ihre hilfreiche Nähe bewiesen. 300 Ruhmreicher Sieger. 301 Dionysos von dianyein (= vollbringen). 302 Die eifersüchtige Hera gab Semele, die damals schon im sechsten Monat schwanger war, den Rat, von ihrem geheimnis vollen Liebhaber zu verlangen, daß er sich ihr in seiner wahren Natur und Gestalt zeigen solle. Als Zeus im Blitz erschien, wurde Semele verzehrt. Aber Hermes rettete ihren sechs Monate alten Sohn, indem er ihn in den Schenkel des Zeus nähte, damit er dort noch weitere drei Monate reifen sollte. Noch andere Sagen erzählen über Feinde des jugendlichen Gottes, aber immer entgeht Dionysos dem Verderben. 303 Vgl. Anm. 304 Ein Rohrstab mit einem Pinienzapfen und flatternden Bändern, der mit Efeu und Weinlaub umwunden war. Der Thyrsos war das Abzeichen des Dionysos und seines Gefolges. 305 Hermes ist auch Schutzpatron der Turn- und Ringschulen (Gymnasien und Palästren). 306 Der Name der Göttin ist nicht von nemesan, wie Artemidor angibt, sondern von nemein = zuteilen (besonders gerechte Strafe, Zorn und Rache der Götter) abzuleiten. Nemesis wurde besonders an zwei Orten kultisch verehrt, in Smyrna und Rhamnus in Attika. 307 Allerweltsgöttin, die Göttin der käuflichen 308 Die Göttin der himmlischen Liebe. 309 Die Meeresgöttin. 3t0 Aphrodite war nach dem Glauben der Alten dem Meer ent stiegen; daher ihr Beiname Anadyomene. 311 Obwohl der Gott des Feuers von Geburt lahmte und infolge seiner Arbeit rußig aussah, bekam er die schönste Göttin, Aphrodite, zur Frau. Sie war ihm jedoch nicht treu. Als er sie eines Tages bei einem Schäferstündchen mit Ares ertappte, spannte er über beide ein kunstvoll gearbeitetes Netz, aus dem es für sie zum großen Ergötzen der Götter, die Hephaistos zusammenrief, kein Entrinnen mehr gab. 312 Lat. Fortuna, die Göttin des Schicksals und des Zufalls. 313 Peitho, die Göttin der Überredung; Chariten (lat. Gratiae, Grazien), Göttinnen der Anmut; Hören, Göttinnen der Jahreszeiten; da die Griechen im allgemeinen drei Jahreszeiten annahmen, meist in Dreizahl auftretend. Aristobule = die den besten Rat gibt; Eunomia = Rechtlichkeit. 314 Die Göttin des Herdes (lat. Vesta). 3I5 Ino Leukothea hatte sich des kleinen Dionysos angenommen, als dieser durch den Tod ihrer Schwester Semele verwaist war. Dafür wurde Ino samt ihrem Gatten Athamas mit Wahnsinn bestraft. Als dieser in seiner Raserei auch Inos jüngeren Sohn Melikertes töten wollte, riß Ino ihn an sich und floh. Sie rannte zum Molurischen Felsen, von dem sie in das Meer sprang und ertrank. Zeus, der sich der Freundlichkeit Inos gegenüber Dionysos erinnerte, wollte ihren Geist nicht in den Tartaros senden und machte sie zur Göttin 316 Fast alle Meergottheiten besitzen die Fähigkeit, ihre Gestalt zu verwandeln, und manche auch die Gabe der Weissagung; vgl. auch 2,59 und Homers Erzählung (Odyssee 4,35411.) von dem Meergreis Proteus. Auch dem Anmerkungen

154 154 Nereus und Phorkys wurden Verwandlungskünste zugeschrieben. 317 Gott des gleichnamigen Flusses, Sohn des Okeanos; er wurde als König der Flüsse und Sinnbild des fließenden Wassers in ganz Griechenland verehrt. 318 Beiname des eleusinischen Dionysos und zugleich ein Ruf, mit dem man das göttliche Kind der eleusinischen Mysterien feierte. 319 Köre ist Beiname der Persephone; zu der Geschichte, auf die Artemidor anspielt, vgl. Anm Sarapis, ein rein aus politischen Gründen geschaffener Gott. Ptolemaios I. erhob ihn offiziell zum Gott des von ihm in Ägypten gegründeten Reichs; der Name ist eine Vereinigung der ägyptischen Götternamen Osiris und Apis. Isis, ägyptische Göttin, -wurde auch von Griechen und Römern, wohl von allen fremden Gottheiten am meisten verehrt. Anubis, ägyptischer Totengott, meist als Mensch mit Schakalkopf dargestellt. Harpokrates, besondere Form des Gottes Horus (= das Kind). Besondere Verbreitung erhielt die Verehrung des Gottes seit der Einrichtung des Sarapiskultes durch die Ptolemaier in Alexandreia. 321 Weibliche Zorn- und Rachegeister, die in der Unterwelt zu Hause waren. Sie erschienen dort, wo eine Mutter beleidigt oder gar ermordet war. Sie trugen Fackeln und hielten Schlangen. 322 Der personifizierte Schrecken und die Drohung, schon bei Homer (Ilias 4,440) im dämonischen Gefolge des Ares. 323 Vgl. Anm Heimarmene = die Schicksalsmacht; Pronoia = Vorsehung. w 325 Vgl. Anm ; 326 Kratinos, der Schöpfer der politischen Komödie Attikas (um 450 v.chr.), nennt das weibliche Geschlechtsglied kausis (Brand), andere anthrakes (glühende Kohlen), eschara (Herd); vgl. auch die Gleichsetzung von Herd und Backofen mit einer Frau bei Artemidor 2, Ebenso wie das Backen wird das Mahlen häufig mit dem Zeugen verglichen. Es lag also nahe, das Stoßen des Getreides im Mörser, das ebenso vie das Mahlen die gewöhnliche Arbeit der Frauen war, unter dem gleichen Bild zu sehen. Wenn im Lügenfreund des Lukian (Kap. 3 5 ff.) der Ägypter Pankrates sich seine Diener, die er benötigt, aus Türriegel, Besen oder Mörserkeule hervorzaubert, so dürfte letztere besonders dazu geeignet sein, wenn man an die bei den Alten übliche Identifikation von Mörserkeule und Phallos denkt. 328 Fabelwesen, ersteres ein Pferd mit menschlichem Oberkörper und Fischschwanz, letzteres ein Meerungeheuer, vorgestellt als Fischweib. 329 Die Hoffnung. 330 Die Schicksalsgöttinnen. 331 Über diesen Traumdeuter wissen wir nichts Näheres. 332 Vielseitiger Gelehrter und Schriftsteller; war v.chr. im Auftrag des Königs Kassandros von Makedonien Regent von Athen und hatte dann am Hof Ptolemaios I. eine bedeutende Stellung inne. 333 Vgl. Anm Strabon (63 v.chr.-i9 n.chr.) berichtet von zwei Arten religiöser Schriftsteller im Sarapisheiligtum in Kanopos. Die einen zeichneten sofort erfolgte Wunderkuren auf, andere Heilorakel und Weisungen, die den Inkubanten in Visionen und Träumen offenbart wurden. 335 In der Geheimen Offenbarung des Johannes (10,9) wird dieser von dem Engel aufgefordert, ein Buch zu essen, d.h. seinen Inhalt in sich aufzunehmen. Es werde in seinem Magen zwar bitter, aber in seinem Mund süß wie Honig sein. 336 Abschätzig urteilt auch der Kirchenvater Ambrosius (um ) über diesen Vogel (Briefe 1,32, 2-6). Sein Name (perdix) leite sich von perdere = zugrunde richten ab. 337 Vgl. die Besprechung dieses Traums im Nachwort S ff. 338 Dieselbe Deutung bei Achmet (84,1 f.). 339 Artemidor gebraucht den Begriff syntheton hier in doppeltem Sinn: i. = Kompositum (in grammat. Sinn), 2. Mixtur (als Medizin). 340 Vgl. Matthäus 27,35, als die Soldaten Jesus ans Kreuz schlugen und seine Kleider unter sich verteilten. 341 Vgl. Johannes 19,17» als sich Jesus selbst das Kreuz auflud. 342 Auch dieser Traum ist ein Beispiel für die Vorstellung, dass die dämonische Macht in Tieren nimmt, vgl. Anm Die Auslegung beruht auf dem volkstümlichen Glauben an die schatzhütenden Toten. Aus dem Schoß der Erde wird das Silber und Gold gewonnen; um den Schatz zu haben, muß man ins Reich der Toten, der Geister hinabsteigen. Auf dieser Vorstellung, daß den Toten alle Schätze und Metalle ge hören, wird es auch beruhen, daß nach der Ansicht einiger Traumdeuter alles Geld im Traum Unglück bringt (vgl. Artemidor 2,58). 344 Zu der Deutung vgl. Nachwort S Tereus, der König von Thrakien, war mit Prokne, der Tochter des Königs Pandion von Athen, verheiratet. Sie gebar ihm einen Sohn, Itys. Unglücklicherweise verliebte sich Tereus in ihre Schwester Philomela, nachdem er ihre Stimme gehört hatte; er holte sie aus Athen ab und schändete sie unterwegs. Damit sie nichts verrate, schnitt ihr Tereus die Zunge ab und verbarg Philomela im Wald. Aber diese weiß sich gleichwohl mit Prokne zu verständigen, indem sie das ihr Widerfahrene durch ein von ihr gewirktes Gewebe verrät. Beide Schwestern vereinigen sich zu blutiger Rache an Tereus und setzen ihm das Fleisch des geschlachteten Knaben Itys vor. Tereus verfolgt die Schwestern und will sie töten; da werden alle drei in Vögel verwandelt, Tereus in den Wiedehopf, Prokne in die Nachtigall, Philomela in die Schwalbe. Anmerkungen

155 Vgl. Anm Der Genannte ist nicht weiter bekannt. 348 In der Antike wird das Erscheinen der Schwalbe bald als gutes, bald als böses Vorzeichen gedeutet. Für die unglückbringende Vorbedeutung der Schwalbe ist die Vorstellung vom Seelenvogel bestimmend. Schwalbe wie Nachtigall begegnen häufig auf Grabdenkmälern, besonders denen verstorbener Kinder, vgl. Artemidor 2,66. Als Totenvogel erscheint die Schwalbe noch im neugriech. Volksglauben. Die Wurzel für die gute Vorbedeutung der Schwalbe wird wohl in ihrer aphrodisischen Bedeutung zu suchen sein. Nach dem byzantinischen Lexikographen Suidas bezeichnet chelidon (Schwalbe) auch das weibliche Geschlechtsglied; chelidonion (Schwälbchen) ist ein Hetärenname. 349 Zu den Träumen, die in ihrer Art typisch sind und in der Regel kraft ihres Symbolgehaltes interpretiert werden können, gehören die Flugträume; Artemidor widmet ihnen ein umfangreiches Kapitel. 350 Vgl. Anm Nach Sueton (Caesar, Kap. 81,7) träumte dieser in der Nacht von seiner Ermordung, daß er bisweilen über den Wolken schwebe. 352 Die Alten glaubten, daß die bösen Geister als Unglücksvögel die Häuser der Menschen umflattern, an den Totenfesten Attikas und Roms auch die Seelen der Verstorbenen. Vor allem war nach dieser abergläubischen Anschauung das des Hauses von Dämonen bedroht. 353 Die Deutung beruht auf der volkstümlichen Gleichsetzung von Barbaren und Vogelsprache, vgl. auch 5,74. Meist ist es das Zwitschern der Schwalbe, mit dem das Sprechen der Barbaren verglichen wird, weil dies er Vogel den Griechen besonders geschwätzig erschien. 354 Es war im alten Griechenland weitverbreiteter Glaube, daß die Seele des Sterbenden nicht zum Hades entweicht, sondern in den Himmel emporsteigt, eine Anschauung, die besonders seit der frühen Kaiserzeit anzutreffen ist. Aber der Schwerpunkt der Begründung Artemidors liegt wohl in dem Vergleich mit den Vögeln (vgl. die Vorstellung von Vogelgestalt der Seele). 355 Menandros: Fragment 223,3 (Koerte). 356 Griech. physiognomonikoi (Physiognomiker); diese versuchten aus der Gestalt, der Bewegung und den Gesichtszügen des Menschen Schlüsse auf die Wesensart und den Charakter desselben zu ziehen. Ansätze der Physiognomik sind bereits bei Homer in Vergleichen mit Tieren, Beobachtungen in ethnologischer Hinsicht usw. vorhanden. Das maßge bende griech. Werk darüber, überliefert in einer arabischen Übersetzung, stammt von dem bedeutenden Sophisten Pole-mon aus Laodikeia, der zur Zeit Hadrians gelebt hat. Daß Artemidor die Physiognomikerunterdieunglaubwürdigen Gewährsmänner einreiht, hat, wie Pack vermutet, rein persönliche Motive. Durch die Lehrtätigkeit Polemons in Smyrna, wohin die Jugend aus ganz Griechenland geströmt war, um ihn zu hören, hatte die Stadt eine solche Vorzugsstellung erhalten, daß Ephesos, der andere geistige Mittelpunkt der Provinz und Geburtsstadt Artemidors, in den Hintergrund gerückt zu sein schien. 357 Es geht letztlich auf die mantische Kraft der Toten zurück, wenn ihre Aussagen als unverbrüchliche Wahrheit für den Träumenden zu gelten haben. Denn der vom Körper befreiten Totenseele eignet besonders die Schau des Zukünftigen, ja schon die Seele des Sterbenden vermag die Zukunft zu erkennen, vgl. 1, Nach Plutarch (über Isis und Osiris 14,3 56 E), erfuhr Isis von Kindern über den Verbleib des Kastens mit der Leiche des Osiris. Aus diesem Grund glaubten die Ägypter, daß Kinder die Gabe hätten, zu prophezeien, und hielten besonders die Reden derselben, wenn sie in Tempeln miteinander spielten, für Vorhersagen. Bei Matthäus (21,16) fragt Jesus die Hohenpriester, ob sie noch nicht in den Schriften gelesen hätten: «Aus dem Munde von Kindern und Säuglingen läßt du dein Lob verkünden?» 359 Griech. Galloi, Priester der phrygischen Göttin Kybele, die oft nur Magna Mater (= Große Mutter) genannt wurde. Die Gläubigen feierten ihr Fest in orgiastischer Weise unter wildem Schreien und der betäubenden Musik lärmender Instrumente. 360 In der Ilias (i,2$off.) heißt es von Nestor, daß er schon zwei Generationen von Menschen hinsterben sah und daß er in Pylos jetzt die dritte als König beherrsche. 361 Als Zahlzeichen wurden die Buchstaben des griech. Alphabets verwendet, und zwar für die Zahlen 1999 mit einem Strich rechts oben (z. B. e = 5), von 1000 an mit einem Strich links unten geschrieben (z.b.,k = 20000). Dabei haben sich von früher Zeit her einige Zeichen erhalten, die im griech. Alphabet sonst verschwunden sind: für 6 == c, (stigma), für 90 = R (koppa), für 900 = ^ (sampi). Des besseren Verständnisses wegen folgt hier das alphabetische System: Anmerkungen

156 156 Drittes Buch 363 Zu psephoi (Steine) vgl. Anm Lucius Caelius (um 110 v. Chr.) schreibt bei Cicero (Von der Weissagung, Kap. 48) von einem Traum Hannibals. Anmerkungen

157 157 Dieserhabe die goldene Sä ule im Tempel der Juno Lacinia wegzunehmen beschlossen; da sei ihm die Göttin erschienen und habe ihm gedroht, wenn er es tue, so werde sie bewirken, daß auch das Auge, mit dem er gut sehe, verliere. Bei Platon (Gesetze 9, 854) werden Tempelräuber den Verrätern gleichgestellt, und solchen wurde das Begräbnis in heimischer Erde versagt. 365 Die Auslegung entspricht durchaus dem in der griech. Volksmoral geltenden Satz, die Gerechtigkeit bestehe darin, den Freunden zu nützen, den Fremden bzw. Feinden zu schaden. Wie tief die diesem Satz zugrunde liegende Anschauung Volk wurzelte, dafür zeugen zahllose Aussprüche griech. Schriftsteller, vgl. auch 2, u und Anm Wachtelkämpfe und Veranstaltungen dieser Art erfreuten sich bei den Griechen großer Beliebt heit und zogen die Leute in Massen an. Der Wachtelhahn ist besonders hitzig und streitlustig. 367 Griech. metakomizesthai ist nach Martin Kaiser (Artemidor von Daldis, Traumbuch. BaselStuttgart 1965, S. 231, Anm. 2) ein technischer Ausdruck des Wachtelkamp fes. 368 Artemidor spielt hier offenbar mit dem Begriff oligopsychos, der i. verzagt, kleinmütig, 2. schwach, matt bedeuten kann. 369 Sueton berichtet im Leben des Nero (Kap. 46), daß dem Kaiser träumte, sein Körper werde von einem großen Schwärm Ameisen ganz und gar bedeckt, was sein nahes Ende ankündigte. Nach demselben Historiker zeigten Ameisen dem Tiberius Unglück an, indem sie eine Lieblingsschlange von ihm lebend auffraßen. 370 Aelian (um 200 n. Chr.) beschreibt (De natura animalium 23) die Taktik der Krokodile; sie lauern im Schilf denen auf, die Wasser aus dem Nil schöpfen, und packen ihr Opfer im geeigneten Augenblick. 371 Eine marderähnliche Schleichkatze, die in Ägypten beheimatet, aber Griechen und Römern gut bekannt war. 372 Artemidors Deutung erinnert an die von Ovid in den Metamorphosen (8, 611 ff.) erzählte Geschichte von Philemon und Baukis. Diese nahmen trotz ihrer Armut Zeus und Hermes, die zur Prüfung der Menschen auf die Erde gekommen waren und nirgends Obdach fanden, gastfreundlich auf; dafür wurden allein sie von einer großen Überschwemmung verschont und schließlich auf ihre Bitte um gleichzeitigen Tod in eine Eiche und eine Linde verwandelt. 373 Der «Vorbedacht», Sohn des Titanen lapetos, wurde zur Strafe an einen Felsen im Kaukasus gefesselt; ein Adler fraß täglich an seiner Leber, die ininner wieder nachwuchs. 374 Die Auslegung des Traums bringt die von Herodot (a. a. 0., Buch i, 31) berichtete Geschichte von Kleobis und Biton in Erinnerung. Diese waren die Söhne der Kydippe, einer Priesterin der Hera. Als einst zu der Fahrt in das Heiligtum der Göttin die Zugtiere fehlten, zogen beide Söhne die Mutter auf ihrem Wagen dahin. Kydippe bat Hera, diese Tat kindlicher Liebe mit dem Schönsten zu belohnen, was es für Menschen gebe; darauf versanken Kleobis und Biton in einen sanften Schlaf, aus dem sie nicht mehr erwachten. 375 Vgl. Anm Die negative Deutung erklärt sich wohl aus der ungünstigen Meinung, welche die Griechen von den linksläufig schreibenden Semiten hatten, vgl. H. Lewy, a.a.o., S er auch der Verfasser zweier überlieferter physiognomi-scher Schriften ist, ist fraglich. 378 Vgl. Anm Dike (Prozeß) = = gale (Wiesel) = = 42, vgl. Anm Die Verbindung des Wiesels mit dem Tod findet ihre Ent sprechung in der üblen Vorbedeutung, die die Alten dem Tier im Angang zuschrieben, vgl. Anm Wortspiel: = Schlaukopf, Fuchs = Gewinn. 382 Vgl. Artemidor 1,13 und Anm = 100; ep' agatha (= viel Glück!) ==$+8o+i+3+ i i == (= Nachricht) == = ioo. 386 Peze (= zu Fuß, Land) = == ioo. 387 Mene (= bleib!) = = ioo. 388 (= Fesseln) = = 100, 389 Neme (= weide!) == = ioo. 390 Ein Wortspiel: halysis = Kette und alytos = unlösbar; die Ehefrau ist die Partnerin, von der man sich nicht lösen kann. 391 Vorstellung vom Webstuhl tritt hier an Stelle der bekannten vom Spinnen des Lebensfadens, wie sie schon bei Homer vorkommt. Über das Weben im Traum vgl. auch Achniet 215, 9 ff. 392 Für Griechen und Römer war der Name von besonderer Wichtigkeit. Man gab einem Kind einen möglichst glückverheißenden Namen, der ihm für seine Zukunft alles Heil sichern sollte. Zahlreich sind die griech. Namen, die etwas Schönes, Starkes, Erfreuliches bezeichnen. 393 Wörtlich: der Ausharrende, der Standhafte, der Sieger. 394 Wörtlich: der Zeussohn, der Zeusgeliebte, der Gottgeschenkte. 395 Wörtlich: der Erfolgreiche, der Hoffnungsbringer, der Glückliche (== Felix). 396 Wörtlich: der Kühne, der Beherzte, der kühne Kämpfer. 397 Vgl. Anm Vgl. Anm. 81. Anmerkungen

158 Kele (= Bruch) = = 66; Schaden) = i = Wortspiel: staphylotomein = i. Trauben schneiden, 2. ein Zäpfchen herausschneiden. 401 Eine starke Verdickung der Haut und des Unterhautzellen-gewebes infolge chronischer Lymphgefäßstauung. 402 Im heutigen Griechenland ist das Werfen von Steinen als Ausdruck der Schmähung und Verfluchung üblich, vgl. E. Rieß, a.a.o., S Wenn bei Artemidor der Traum, mit Steinen bewerten zu werden, eine Reise oder ein Außer- Landes-Gehen bezeichnet, so liegt hier gewiß eine Reminis zenz an den Brauch der Steinigung und Austreibung des Pharmakos, des «Sünden bocks» vor, wie er uns vom Fest der attischionischen Thargelia bekannt ist. 403 In Platons Phaidros (259) erzählt Sokrates die Geschichte von den Grillen. Diese waren ursprünglich menschliche Wesen in einer Zeit, bevor es die Musen gab. Als letztere erschienen und mit ihnen der Gesang, waren sie so von dem Gesang begeistert, daß sie unaufhörlich sangen und niemals ans Essen und Trinken dachten. Daher gingen sie zugrunde. Als besonderes Geschenk der Musen wurden sie als Grillen wiedergeboren, die keiner Speise bedürfen. 404 Meerzwiebeln wurden außerdem zur Abwehr jeglichen aufgehängt oder unter der Türschwelle vergraben. 405 Ein im Mittelmeergebiet heimisches Liliengewächs mit weißen Blütenrispen und zuckerhaltiger Wurzel. 406 Die gute Vorbedeutung dieses Traums erklärt sich daher, daß der Düngerhaufen ein wichtiger Träger der Ackerfruchtbarkeit ist und als solcher magische Kräfte besitzt, vgl. H. Bächtold-Stäubli, a.a.o., Bd. 2, S. 470 ff. Artemidors Erklärung ist, wie so häufig, durchsichtig genug. 407 Gastwirte und Gasthäuser hatten bei Griechen und Römern einen schlechten Ruf; die Wirte galten häufig als Betrüger und Weinpantscher, die Gasthäuser als Stätten der Prostitution. 408 Telos = Zoll, Ende, Tod. 409 Auch Esparto, Aifa oder Haifa genannt, es kam besonders in Afrika und Spanien vor; es wurde zu Seilen, auch für Schiffe, verarbeitet. 410 Strengere Haft war das Fesseln im Block, Halseisen und Joch. Die Gefangenen standen untereinander im Verkehr. 411 Herakleides Pontikos, ein Schüler Platons, erzählt bei Cicero, «Von der Weissagung» (i, 46), folgenden Traum: Die Mutter des Phalaris, des grausamen Tyrannen von Akragas ( v. Chr.), habe einst im Traum eine Statue des Merkur gesehen, der aus einer Schale, die er in der rechten Hand hielt, Blut ausgegossen habe; als es die Erde berührte, sei es aufgebraust, so daß das ganze Haus in Blut geschwommen sei. Dieser Traum der Mutter wurde dann durch die unmenschliche Grausamkeit des Sohnes bestätigt. 412 Der Glaube an die unheilvolle Bedeutung der Nachtvögel ist in der ganzen Welt verbreitet. Daß es nach Artemidor sogar ". Verödung des Hauses bedeutet, wenn ein Steinkauz oder sonst einer der angeführten Nachtvögel dort nistet, findet seine Parallele in dem weit verbreiteten Glauben, daß durch das Erscheinen oder durch das Krächzen einer auf einem Haus sich niederlassenden oder am Haus vorbeifliegenden Eule irgendeinem Bewohner desselben der Tod prophezeit werde (s. 0. Keller, a.a.o., Bd. 2, S. 41 f.). Es sind, wie man glaubt, in Vogelgestalt erscheinende Seelen von Verstorbenen, die einen Überlebenden ins Reich der Toten nachziehen und abrufen wollen. Es entspricht auch dem Volksglauben, wenn der Steinkauz nach Artemidor heftigen Sturm ankündigt, denn er wurde vielfach als Wetterprophet angesehen. Viertes Buch 413 Der personifizierte nörgelnde Tadel, der selbst nichts kann, aber alles besser wissen will. 414 Homer: Ilias 2, 415 Homer: Ilias 2, 305 und Odyssee 17, 539; i8, Die höchste Stufe im Schulsystem war die Rhetorenschule; sie vermittelte besonders für eine politische oder juristische Laufbahn die geforderte Beredsamkeit. 417 Bedeutende Handelsstadt in Phrygien Vgl. Anm Pindar: Fragment 215 (Snell). 420 Vermutlich der bedeutende Redner P. Ailios Aristeides von Smyma (um n.chr.). 421 Vgl. Am Die Göttin hat mit Artemis ursprünglich nichts zu tun, sondern war eine kleinasiatische Fruchtbarkeitsgöttin (= Magna Mater). Man stellte sie mit mehr als zwanzig Brüsten dar. 423 Artemidors Erklärung wird beglaubigt durch Achilleus Ta- (3. oder 4. Jh. n.chr.), der in seinem Roman «Von der Liebe der Leukippe und des Kleitophon» (7, 13) erwähnt, daß es Ehefrauen unter Todesstrafe untersagt war, das Heiligtum der Göttin zu betreten; Männer und Jungfrauen durften es aufsuchen. 424 Vgl. auch i, 78 und Anm ^Vgl. i Kepos (Garten) heißt häufig auch das weibliche Geschlechtsteil. 427 Es war ein allgemein verbreiteter Aberglaube, daß es nichts Gutes bedeute, wenn Kinder etwas tun oder an sich haben, was ihren Jahren nicht zukommt. Im Gegensatz zu Artemidors Auffassung galt auch nach röm. Volksglauben das frühe Sprechen von Kindern als übles Vorzeichen. Offenbar steht hier Artemidors praktische Erfahrung althergebrachten Anschauungen gegenüber. 418 Artemidor bezweifelt nicht die Heilungswunder; er wendet sich vielmehr im folgenden gegen gewisse Aufzeichnungen von angeblichen Heilanweisungen (syntagai), die seiner Meinung nach lächerlich und erfunden sind. Anmerkungen

159 Plutarch berichtet im Leben des Perikies (Kap. 13) von einem solchen Fall. Während des Baues der Propyläen stürzte der tüchtigste unter den Künstlern aus großer Höhe und verletzte sich schwer. Da erschien die Göttin Athena dem Perikies und zeigte ihm, wie er den Verunglückten heilen könne. Er tat, wie die Göttin geheißen, und machte den Mann wieder gesund. 430 Eine Suppe aus Muscheln (pelorides); pelorides bedeutet sowohl Muscheln wie, mit einem Wonspiel, Meerwunder, d.h. Nereiden oder Seenymphen. Da aber die Anweisung im Winter (griech. cheimon) gegeben wurde, müsse es eine Suppe aus Venusmuscheln (cheimai = chemai) sein. Dieses und die folgenden Beispiele von Deutungen und Vergleichen sind für den heutigen Leser unverständlich. Sie zeigen, wie einfache Wortspiele und Klangassoziationen zu abstrusen Auslegungen führten. Sicher haben die griech. Traumdeuter etliche solcher Deutungen von anderen Völkern übernommen. In ihrer Sprache ging dann der ohnehin dürftige Sinn, der in einem Wortspiel liegt, völlig verloren. Bedenkt man, daß dieselben Deutungen dann an weitere, anderssprachige Völker tradiert wurden, dann werden einem die Ungereimt heiten vieler Auslegungen in den Volkstraumbüchern, auch denen unserer Zeit, begreiflich. 431 Er stammte aus Ägypten; sein Buch «Idiophye» (= Sonderbares aus der Natur) betitelt, war Ptolemaios Euergetes ( v.chr.) gewidmet. 432 Ein griech. Arzt aus dem i.jh. n.chr., der über animalische Heilmittel und Nahrung schrieb. 433 M. Cornelius Front o ( n.chr.) war der bedeutendste Redner seiner Zeit. Er unterrichtete die Kaiser M. Aurelius Antoninus und L. Verus in lateinischer Beredsamkeit. 434 Wortspiel: propolis bedeutet sowohl Vorstadt als auch Bienenwachs. 435 Pei, die erste Silbe des Namens im Griech. ergibt 95 (?t + e + l = 80 + $ + lo). 436 Griech. «Nein» (ou) besteht aus o + v = == 470.Vgl. Anm. $i. 438 Graus (= alte Frau) =y+q+a+v+<^=^ = 704. He ekphora (die Bestattung) = r\ + e + x 4- qp+o+q+a=8+5+2o i == 704. Artemidor verwendet übrigens besonders häufig die Zahlen 3 und 7, also die Zahlen, die im Glauben und Kult vieler Völker als bedeutsam gelten. 439 Sein Name ist Quintus Marcius Turbo. Der im folgenden erwähnte jüdische Aufstand erfolgte unter Trajan in Ägypten und der Kyrenaika (n$-i6). 440 Griech. thanatos. 441 Sa Tyros = dein ist Tyros. 442 Nach Herodot (a.a.o., Buch 7, 12-18) träumte Xerxes, ein großer, schöner Mann trete ihm zu Häupten und sage, er solle seine Absicht, gegen Griechenland zu Felde zu ziehen, trotz der Warnung des Artabanos nicht ändern. Am folgenden Tag versammelte Xerxes die Perser und erklärte, er habe die gleiche Meinung wie Artabanos gewonnen und wolle nicht gegen die Griechen in den Kampf ziehen. In der Nacht träumte Xerxes wieder von dem großen, schönen Mann, der seine Warnung wiederholte. Als schließlich Artabanos das selbe Gesicht schaut, beschließen Xerxes und Artabanos, durch die nächtliche Erscheinung erschreckt, den Feldzug zu unternehmen. Sophokles wurde durch ein sich wiederholendes Traumgesicht veranlaßt, den Dieb einer goldenen Schale aus dem Tempelschatz des Herakles dem Areopag anzuzeigen (Cicero: Von der Weissagung, i, 54). 443 Der Adel in Rom teilte sich in zwei Gruppen: i. den Beamtenadel, 2. den Geldadel, in Rom equites = Ritter genannt. Je größer der Einfluß der Wirtschaft auf die Politik wurde, umso mehr wuchs die Macht der Ritter. Die Mitglieder beider Adelsgruppen waren schon von weitem an der Kleidung kenntlich; die Senatoren trugen einen breiten (latus clavus), die Ritter einen schmalen Purpurstreifen (angustus clavus) an der Tunica. 444 Hoher Rang in der röm. Ämterlaufbahn. Der Prätor hatte als höchster Gerichtsbeamter das bestehende Recht auszuführen, konnte aber auch (bis 120 n.chr.) als Gerichtsherr nach freiem richterlichen Ermessen selbständig Recht schaffen. 445 Gemeint ist Athena. 446 Hekatontarches = Centurio, Führer einer Hundertschaft (lat. centum = 100, griech. hekaton). 447 Anhänger einer von dem Sokratesschüler Antisthenes begründeten philosophischen Richtung, sie waren die Proletarier unter den antiken Philosophen. Eine große Anzahl Anekdoten war über sie im Umlauf, besonders über Diogenes, den bekanntesten Kyniker. 448 Griech. androgynos (== Mannweib), ist zusammengesetzt aus aner (Genitiv = andros) = Mann und gyne = Frau, Weib. 449 Pentheus, der König von Theben, hatte eine Abneigung gegen die Verehrung des Dionysos. Er versuchte, dem Treiben der Bakchantinnen Einhalt zu gebieten. Aber von Wein und religiöser Inbrunst berauscht, zerrissen diese ihn Glied um Glied. Seine eigene Mutter Agaue führte die Rasenden an und riß ihrem Sohn eigenhändig den Kopf 450 der Deutung vgl. Anm Plutarch berichtet im Leben des Alkibiades (Kap. 39) von einem Traum, den dieser kurz vor seinem Tod gehabt habe. Alkibiades lebte damals in der Verbannung in einem Dorf Phrygiens in Gesellschaft der Hetäre Timandra. Ihm träumte, er hätte das Kleid der Hetäre an und sie hielte seinen Kopf in ihren Armen und behandele sein Gesicht wie das eines Weibes mit Schminkstift und weißem Puder. Alkibiades wurde bald darauf ermordet, und Timandra hüllte seine Leiche in ihre eigenen Gewänder. 452 Herakles, der Sohn des Zeus und der Alkmene, verbrannte sich nach Vollbringung seiner zwölf Arbeiten selbst auf dem Berg Oeta. Er wurde unter die Unsterblichen aufgenommen. Anmerkungen

160 Eine griech. Familie war nicht nur eine rechtliche Einheit, sondern auch eine Kultgemeinschaft; sie war im gemeinsamen Kult des Zeus Phratrios auch Teil einer «Bruderschaft» (Phratrie). Diese traf sich im Wechsel bei einem «Bruder», wobei die Auslagen aus gemeinsamer Kasse bestritten wurden. 454 Vgl. Anm Die Sage vom Vogel Phoinix ist von verschiedenen antiken Autoren, z.b. Herodot, Achilleus Tatios, Tacitus, überliefert; auch im Christentum erscheint der Mythos, erstmals bei Klemens im Kiemensbrief. 456 Das Märchen von den Sparten, die aus den von Kadmos gesäten Drachenzähnen entstanden, ist phoinikischen Ursprungs. 457 Endymion war der schöne Sohn des Zeus und der Nymphe Kalyke. Eines Nachts schlief er in einer Höhle, als ihn Selene zum ersten Mal erblickte, sich zu ihm legte und ihn sanft auf seine geschlossenen Augen küßte. Später soll er in die Höhle zurückgekehrt und in einen tiefen Schlaf gefallen sein, aus dem er nie mehr erwachte. 458 Vgl. Anm Der Sonnengott hat zwölf Strahlen. 460 Eine sicher falsche Darstellung Artemidors. 461 Hesiod: Werke und Tage, V Der Vers findet sich nicht in der Andromache, wie Artemidor meint, des Euripides, sondern gehört zu dessen Satyrspiel Syleus, dessen Stoff der Heraklessage entstammt. 463 Euripides' Hermione ist eifersüchtig auf Andromache. Diese war nach dem Fall Trojas dem Neoptolemos als Beute zugefallen. Andromache schenkte ihm einen Sohn, Molossos, während die Ehe des Neoptolemos mit Hermione kinderlos blieb. 464 Homer: Ilias 18, Hinter Artemidors Erklärung steht der Gedanke der Sympathie. So nimmt im Volksglauben eine Kuh Schaden, wenn eine ungeeignete Person, z.b. eine menstruierende Frau, von deren Milch trinkt, denn die Milch bleibt auch nach dem Abmelken noch in sympathetischer Beziehung zu dem Tier; so muß man auch darauf achten, daß die Milch nur in bestimmte Gefäße kommt, vgl. H. Bächtold-Stäubli, Bd. 8, S Sohn des Zeus und der Danae; er wurde von dem König Polydektes, der auf der Insel Seriphos herrschte, auf ein gefahrvolles Unternehmen gesandt: Er sollte ihm den Kopf der Gorgo Medusa bringen, dessen Anblick alle, die ihn ansahen, versteinerte. 467 Das einzige erhaltene Gedicht von Lykophron aus Chalkis (3. Jh. v. Chr.) ist «Alexandra»; es enthält die Weissagung der troischen Königstochter Kassandra (= Alexandra) vom Untergang der Stadt. 468 Von seinen Werken ist nichts erhalten; er lehrte in Rom unter Claudius und Nero. 469 Er stammte aus Nikaia (i. Jh. v.chr.) und kam als Kriegsgefangener nach Rom; in Neapel wurde Vergil sein Schüler. Wir besitzen von ihm ein Büchlein in Prosa, «Liebesleiden», das Geschichten unglücklicher Liebe erzählt. 470 Vielleicht Antipatros von Tarsos (2. Jh. v.chr.), Lehrer des Panaitios. 471 Vgl. Anm Der oberste Kultusbeamte in Eleusis; im Mittelpunkt dieses bedeutenden Kultes standen Demeter und Persephone. 473 Die in den Handschriften folgenden Worte «denn der Drache windet sich durch die engsten Spalten...» sind, wie bereits Gebhardt (Über die Traumbücher des Mittelalters, Programm Eisleben 1912, S. 10, i) gesehen hat, an der Stelle, wo sie im Text stehen, sinnlos, da sie in keiner Beziehung zu der Deutung stehen, die sie erklären sollen. Sie gehören vielmehr mit Gebhardt hinter den Satz: «Der Sohn wurde ein flüchtiger Sklave.» Diese Umstellung wird durch den Text des bedeutenden Arztes und Mathematikers Cardanus (Girolamo Cardano) erhärtet, der in seiner Schrift «Synesiorum somniorum libri IV» aus dem Jahr 1562 Artemidor entsprechend paraphrasiert (i, 35). Entgegen Gebhardts Auffassung gehö ren aber die Worte «ou gar orthe... drakon» nicht hinter das letzte Wort des Kapitels («erromenous»), vielmehr bieten sie gerade die erwünschte Begründung für die Auslegung auf den Frevler und Ehebrecher; nur darf man orthe nicht, wie gewöhnlich, mit «aufrecht» wiedergeben, sondern muß, «ouk orthe» zu einem Begriff zusammenfassend, mit «gewunden», «krumm» übersetzen, worin zugleich die moralische Beurteilung liegt, die man erwartet. Und Cardanus übersetzt an der Stelle, die sich offensichtlich auf unsere Auslegung bezieht: «Er bedeutet einen Frevler, denn er hat einen bösen Charakter (scelestum, est enim improbi moris).» 474 Griech. lyristes; die Lyra diente im allgemeinen mehr für den privaten Gebrauch, die Kithara, das größere Instrument dieser An, mehr für öffentliche Aufführungen. 475 Vgl. 2, Wahrscheinlich ist Plutarch aus Chaironeia ( n.chr.) gemeint, der letzte große Schriftsteller, den das griechische Mutterland hervorgebracht hat. Großen Ruhm gewann er durch seine Biographien bedeutender Griechen und Römer, von denen 46 erhalten sind. 477 Ares, der Gott des Krieges, hatte Aphrodite, die Frau des Hephaistos, verführt. Poseidon hatte mit Athena im Streit um den Besitz Attikas gelegen, Zeus seinem Vater Kronos die Herrschaft geraubt, die olympischen Götter hatten die Titanen unterworfen und in den Tartaros gesperrt. 478 Der Flußgott, vgl. Anm Artemis ist eine jungfräuliche 480 Vgl. Anm Zum Heros gehörte sein Kult. Im kleinen war es die gleiche Verehrung, die im großen den Anmerkungen

161 161 Unterweltsgöttern, den Beherrschern der Abgeschiedenen, dargebracht wurde. 481 Wortspiel: Tokos bedeutet sowohl Zins als auch Kind. 482 Wohl der bedeutende Jurist lulius Paulus, der unter Septimius Severus oder Caracalla, aber auch unter Alexander Severus ( n.chr.) Mitglied des kaiserlichen Staatsrats war. Als juristischer Schriftsteller war er außerordentlich fruchtbar. 483 Nikon = der Sieger. 484 Zu Artemidors Deutung, daß es Unheil prophezeit, wenn man von den bei einem Leichenschmaus aufgetragenen Speisen ißt, vgl. den Kult der Demeter Olympia auf Kos: für die Priesterin dieser Göttin bestand die ausdrückliche Vorschrift, an keinem Totenmahl teilzunehmen. Diese Scheu, die Speisen eines Leichenmahles anzurühren, begegnet auch im deut schen Volksglauben. Ebenso gefährlich ist es natürlich von Totenopfern zu essen. Wenn aber nach Artemidor auch schon der Anblick von Leichenmahl und Totenopfer Unglück bringt, so findet das seine Entsprechung in der Vorschrift, einem Leichenzug aus dem Weg zu gehen; denn schon der Anblick des Toten wirkt verunreinigend und schä digt, vgl. Th. Wächter: Reinheitsvorschriften im griech. Kult. Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten Gießen 1910, S.52f. 485 Sklaven nannte man meist nach der Herkunft: Syrer, Lyder, Thraker, Afer (= Afrikaner) usw. Verächtlich nannte man eine Sklavin nur «Barbarin»; so ist Barbara zu erklären. 486 Vgl Gänse waren in Italien der Juno geweiht. Nach der Sage retteten sie durch ihr Schreien das Kapitol vor dem Galliersturm. Wegen ihrer Fruchtbarkeit war die Gans, die auch als Liebesgeschenk diente, mit dem Bereich der Aphrodite verbunden. 488 Kallimachos aus Kyrene ( v.chr.), Haupt der alexandrinischen Dichterschule; Kallimachos, Fragment 475 (Pfeiffer). Fünftes Buch 489 Der antike «Baedeker» Pausanias berichtet in seiner Reisebeschreibung Griechenlands (Buch 2, i, 6-7), daß nach der Überlieferung der Korinther die Götter Poseidon und Helios um das Land gestritten hätten. Auf Grund der Entscheidung des Briareus sei Poseidon der Isthmos und das angrenzende Land zugesprochen worden. Seit dieser Zeit, so behaupten die Korinther, gehöre der Isthmos Poseidon. Dessen Kolossalfigur erwähnte Philostrat (3. Jh. n.chr.) in der Lebensbeschreibung des Herodes Atticus. 490 Wortspiel: Krinein = sowohl scheiden als auch entscheiden und richten. 491 Beiname des kleinasiatischen Flusses Skamandros, vgl. Homer (Ilias 21, 31 ff.). Zehn Jahre spie der Mann Blut, weil nach Homer der Xant hos so lange vom Blut der Gefallenen getränkt war. 492 Artemidor geht von dem Wort heleioselinon (Sumpfeppich) aus, das aus helos (Sumpf) und selinon (Eppich) zusammengesetzt ist. Kränze aus Eppich waren der Siegespreis bei den isthmischen und den nemeischen Spielen. 493 Vgl. i, 51,4,20; $,63; 5, Griech. men bedeutet sowohl Monat als auch Mond. Das Jahr war im Altertum zunächst ein Mondjahr von 355 Tagen, die antiken Monate also kürzer als die heutigen. Die dadurch entstehende Differenz gegen den Sonnenlauf glichen die Griechen durch Schaltmonate aus. 495 Nach der Vorstellung der Alten waren sie der Ort der Verheißung, der allen Menschen, die ihr Leben gottgefällig verbracht hatten, nach dem Tod vorbehalten war. Man dachte sich die Inseln der Seligen im Inneren der Unterwelt gelegen. Daneben muß die Phantasie sie auch auf der Oberfläche der Erde, in fernen unentdeckten Weiten gesucht haben. 496 Der Führer der Griechen im trojanischen Krieg, König von Mykene. 497 Griech. angareia, altpers. «Post- und Transportdienst». Inschriften der Kaiserzeit zeigen, wie schwer dieser Frondienst auf der Bevölkerung lastete. 498 Anm. 499 Eine Choinix (Kornmaß) ist ein Trockenmaß, besonders für Korn, etwas über ein Liter. Sie war die Tagesration eines Mannes. 500 Nicht nur Privatpersonen verfügten über Sklaven, auch der Staat, die Städte und öffentlich-rechtliche Körperschaften besaßen Sklaven (griech. = douloi demosioi, lat. = servi publici). 501 Vgl. Am Über der Tunica trug man die Pänula - im Text steht das Fremdwort in gräzisierter Form: phainoles -, ein trichterförmiges Gewand ohne Ärmel mit einem meist Vförmigen Loch zum Durchstecken des Kopfs; in der frühen und mittleren Kaiserz eit in halber, später in ganzer Länge vorne zugenäht. 503 Homer: Ilias 5, Philostrat (Die Bilder, Buch i, 6, /; 304 K) schildert eine Grotte, in der die Nymphen ein kleines Heiligtum für Aphrodite errichtet und als Geschenke einen Silberspiegel, eine vergoldete Sandale und goldene Spangen für Aphrodite geweiht haben. Goldene Sandalen im Schmuck von Hetären erwähnt Lukian. 506 Vgl. Anm Auch nach Achmet ($3, ioff.) bedeutet Menschenfleisch Reichtum und Geld: Träumt einer, daß er dicker geworden sei, so wird er entsprechend der Gewichtszunahme reicher werden, im entgegengesetzten Fall verarmen und erkranken. Anmerkungen

162 Wortspiel: Köre = sowohl Mädchen, Tochter als auch Pupille. 508 Vgl. Anm Aelian (De natura animalium 6, 3) bemerkt unter Berufung auf Aristoteles, daß der Bär vierzig Tage während des Winterschlafs ohne Nahrung sei und die Zeit überstehe, indem er seine rechte Tatze lecke. 510 Ein schwer im Deutschen nachzubildendes Wortspiel: Pompe bedeutet Festzug, Prozession, pompeia Spott, Verweil bei bakchischen Aufzügen und in Rom beim Triumphzug Spott- und Schmähreden erlaubt und üblich waren. 512 Vgl. Anm Vgl. Anm Lat. tunica, ein kurzärmeliges Hemd aus sowohl von Männern wie Frauen getragen. 515 Vgl. 4, Vorwort. 516 Noch heute bedeutet in Griechenland das Senken des Kopfes Zustimmung, das Zurückwerfen Ablehnung. 517 Vgl. Anm Er trat zusammen mit dem dithyrambischen Chor auf. Der Dithyrambos, von dessen Vorsängern nach Aristoteles die Tragödie stammte, wird von den antiken Autoren als kyklios choros = Rundtanz beschrieben. Der Musiker, nach dessen Tönen die Choreuten sich bewegten, blies gewöhnlich einen Doppelaulos, ein Instrument, das meist als Flöte bezeichnet wird, doch mehr unserer Oboe entspricht. 519 Vgl. Anm Der überlieferte Text dieser Stelle ist äußerst korrupt; die Übersetzung folgt dem Wiederherstellungsversuch von Th. Gomperz, a.a.o., S. $ Der Neuplatoniker Olympiodoros (6. Jh.) berichtet im i. Kapitel seines «Leben Platons» : Als Platons Eltern, um ein Opfer auf dem Hymettos darzubringen, das kleine Kind auf den Boden gelegt hatten, flogen Bienen herzu und füllten ihm den Mund mit Honigwaben. Auch dem kleinen Pindar sollen Bienen Honig auf die Lippen geträufelt haben. 522 Artemidor schöpft offensichtlich, wie es der technische Ausdruck syntage (Heilanweisung) und die in den Kapiteln 4, 92 ff. berichteten Sarapisträume zeigen, aus Traumbüchern, in denen Heilungen und Anweisungen der Inkubationsgötter, namentlich des Asklepios und Sarapis, aufgezeichnet waren. 523 Der dreiköpfige, mit Schlangenmähne und -schweif versehene Höllenhund, der die Toten an der Rückkehr aus der Unterwelt hindert. 524 Wortspiel: he dexia = die Rechte und paradexasthai = aufnehmen. 525 Becherförmiger Kopfschmuck des Sarapis. Anmerkungen

163 163 Zum Text Die Erstausgabe des Artemidor, die Aldina, erschien 1518 in Venedig. Es folgte die Ausgabe von Rigault, Paris 1603, dann die von Reiff, Leipzig Alle drei Editionen bieten einen meist unzuverlässigen Text. Die Aldina und die Ausgabe von Rigault fußen auf dem Marcianus 268 (V) aus dem 15. Jh., die von Reiff auf V und dem aus derselben Zeit stammenden Marcianus 267 (M). Beide Handschriften, die sich, wie ihr Name besagt, in der Bibliothek San Marco in Venedig befinden, wurden von dem Byzantiner Michaelos Apostoles um 1454 oder 1455 abgeschrieben. Nach seinen eigenen Worten schrieb letzterer auf Kreta nach der Eroberung seiner Vaterstadt durch die Türken, am Hungertuch nagend, dieses Buch ab. Hercher hat zum erstenmal eine Florentiner Handschrift aus dem n. Jh., den Laurentianus 87, 8 (L), herangezogen und den Text des Artemidor auf die zwei Handschriftenfamilien gestellt, die durch L und V vertreten sind. Jedoch hat er die beiden Codices, die er zur Grundlage der ganzen Überlieferung ge macht hat, nicht eigenhändig untersucht, sondern sich zweier älterer Kollationierungen von Gronovius (1680) beziehungsweise J. Müller bedient. Anknüpfend an die Forschungen von C. Blum über die handschriftliche Überlieferung des Artemidor (Studies in the Dream-Book of Artemidorus. Diss. Uppsala 1936, Kap. i) und dessen Kritik an der Methode Herchers, hat Pack für eine neue vollständige Durchsicht der Hauptzeugen der Überlieferung Artemidors gesorgt und außerdem diejenigen Handschriften neu sondiert, die Hercher für abgeleitet hielt und deshalb nicht berücksichtigt hat. So ist es Pack gelungen, die zahlreichen Ungenauigkeiten in der Ausgabe seines Vorgängers zu berichtigen und einen sorgfältig erarbeiteten Text vorzulegen. Auf der anderen Seite ist durch Packs textkritische Arbeit Herchers Einschätzung der Grundlinien der Überlieferung Artemidors bestätigt worden, wonach diese sich tatsächlich auf die zwei Handschriftenfami lien stützt, die sich von L und V herleiten. Während der Drucklegung der Packschen Neuausgabe des Artemidor versetzte eine Nachricht die wissenschaftliche Welt in Erstaunen: Man hatte eine arabische Übersetzung der ersten drei Bücher des Traumbuchs entdeckt, die aus dem 9. Jh. stammt und einem Hunayn b.ishäq zugeschrieben wird (Artemidore d'ephese, Le Livre des Songes, traduit du grec en arabe par Hunayn b.ishäq, edition critique avec introduction par Toufic Fahd, Institut Francais des Damas, 1964). Pack hat aus diesem für die Überlieferungsgeschichte des Artemidor sensationellen Ereignis keinen Nutzen mehr ziehen können, doch ist zu erwarten, daß die Arbeit an dieser arabischen Übersetzung, die sich im Gegensatz zu der griechischen Überlieferung als frei von Interpolationen erweist, weitere Aufschlüsse für die Textgestaltung Artemidors an die Hand geben wird, vgl. D. Del Corno, Gnomon 37, 1965, S Übersetzung gibt den Text von Roger A. Pack, Artemidori Daldiani Onirocriticon Libri V, Lipsiae 1963, wieder. Sie beruht an folgenden Stellen auf einer anderen Lesart: Zum Text

164 164 y Zum Text

165 Zum Text 165

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