Arbeitsrecht aktuell 01/13
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- Oswalda Rosenberg
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1 Arbeitsrecht aktuell 01/13 Steuerberater Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, Ihnen die erste Ausgabe unseres Newsletters Arbeitsrecht aktuell im Kalenderjahr 2013 zu übersenden. Dieser regelmäßig erscheinende Newsletter informiert Sie vierteljährlich über die jüngsten Entwicklungen im Arbeitsrecht sowie praxisrelevante Urteile. Im Fokus dieser Ausgabe stehen Hinweise zum in der Praxis häufig fehlerhaften Umgang mit schwerbehinderten Menschen im Bewerbungs- und Einstellungsverfahren sowie aktuelle Rechtsprechung zu Gratifikationen, Leiharbeit, ehrenamtlicher Tätigkeit und Rückzahlungsklauseln. Daneben möchten wir Sie bereits einmal auf eine hausinterne Veranstaltung zum Thema Flexibilisierung von Arbeitsbedingungen am 19. September 2013 aufmerksam machen. Weitere Informationen zu dieser Veranstaltung folgen in unserer nächsten Ausgabe von Arbeitsrecht aktuell. Eine interessante Lektüre wünscht Ihnen Ihr Dr. Volker Vogt Inhaltsübersicht Seite Kontakt/Anfragen I. Praxisempfehlungen zum Umgang mit schwerbehinderten Bewerbern im Einstellungsverfahren 2 II. Aktuelle Rechtsprechung 1. Gratifikationszahlungen nach billigem Ermessen 3 2. Betriebsratswahl: Leiharbeitnehmer zählen im Entleiherbetrieb 4 3. Leiharbeit: Einsatz auf Dauerarbeitsplätzen 5 4. Arbeitnehmereigenschaft bei unentgeltlicher Tätigkeit 6 5. Rückzahlungsklauseln richtig formulieren 6 III. Aktuelle Mitteilungen 1. Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung 8 2. Verlängerung der Kurzarbeitergeld-Regelungen 8 3. Veröffentlichungen 8 Schomerus & Partner Steuerberater Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Dr. Volker Vogt, LL.M. Fachanwalt für Arbeitsrecht Deichstraße Hamburg Telefon 040 / Telefax 040 / info@schomerus.de Kooperation mit HLB International A world-wide network of independent accounting firms and business advisers. Arbeitsrecht aktuell 01/13 Seite 1
2 I. Praxisempfehlungen zum Umgang mit schwerbehinderten Bewerbern im Einstellungsverfahren Die Rechte schwerbehinderter Menschen wurden in der Vergangenheit zu Recht immer weiter gestärkt und durch die Rechtsprechung konkretisiert. Für Arbeitgeber ist dies mit der Notwendigkeit verbunden, im Umgang mit Bewerbungen und Einstellungen von schwerbehinderten Menschen einen besonderen Sorgfaltsmaßstab anzulegen. Regelungen hierzu finden sich im IX. Buch des Sozialgesetzbuches (SGB IX), überschrieben mit dem Titel Rehabilitationen und Teilhabe behinderter Menschen, d.h. Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50, in Ausnahmefällen bereits einem Grad der Behinderung von wenigstens 30 (gleichgestellte behinderte Menschen). Das SGB IX regelt unterschiedliche arbeitgeberseitige Pflichten. Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Mitarbeiter Zunächst sind Unternehmen gehalten, sich mit der grundsätzlichen Frage auseinander zu setzen, inwieweit sie eine Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen trifft. Gemäß 71 Abs. 1 SGB IX sind private und öffentliche Arbeitgeber mit einem Jahresdurchschnitt mit monatlich mindestens 20 Arbeitsplätzen angehalten, auf wenigstens 5 % der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen, wobei schwerbehinderte Frauen wiederum besonders berücksichtigt werden sollen. Verstöße hiergegen können nach 156 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX als bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Allerdings handelt es sich hierbei nur um eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung im Verhältnis zum Staat, so dass schwerbehinderten Menschen aufgrund der Beschäftigungspflicht gemäß 71 SGB IX kein Recht auf Einstellung zusteht. Mindestbeschäftigungsquote Erfüllen Unternehmen die Beschäftigungspflicht nicht, ist eine Ausgleichsabgabe nach 77 SGB IX an das Integrationsamt zu zahlen, die jedoch nicht dazu führt, dass die Pflicht der Unternehmen zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen aufgehoben wird. Prüfungspflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Bewerber Gemäß 81 SGB IX sind Arbeitgeber dazu verpflichtet, aktiv zu prüfen, ob Stellen mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden können. Anders als die in 71 Abs. 1 SGB IX geregelte Beschäftigungspflicht ist die in 81 SGB IX normierte Prüfungspflicht nicht als Verpflichtung gegenüber dem Staat ausgestaltet, sondern als unmittelbar gegenüber den schwerbehinderten Menschen bestehende Verpflichtung. Aktive Prüfungspflicht bei der Stellenbesetzung Auch nach dieser Vorschrift steht schwerbehinderten Menschen jedoch kein durchsetzbarer Einstellungsanspruch gegenüber dem jeweiligen Unternehmen zu. Allerdings kann der Betriebsrat seine Zustimmung zu einer Einstellung nach 99 Abs. 2 BetrVG verweigern, wenn im Vorfeld nicht geprüft wurde, ob die Stelle auch mit einem schwerbehinderten Menschen besetzt werden könnte. Implikationen durch das AGG Besonders im Fokus stand zuletzt das Zusammenspiel der Regelungen aus dem SGB IX mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). 81 Abs. 2 SGB IX untersagt Arbeitgebern unter Bezugnahme auf die Regelungen des AGG, schwerbehinderte Beschäftigte wegen ihrer Behinderung zu benachteiligen. Wird ein Schwerbehinder- Arbeitsrecht aktuell 01/13 Seite 2
3 ter aufgrund seiner Behinderung benachteiligt, steht ihm gemäß 15 AGG ein Schadensersatzanspruch gegenüber dem (potenziellen) Arbeitgeber zu. Zu welchen Folgen eine Missachtung dieser Regelung führen kann, zeigt sich anschaulich anhand einer Entscheidung des BAG vom (8 AZR 608/10). In dem zugrundeliegenden Sachverhalt forderte der schwerbehinderte Kläger von einem potenziellen Arbeitgeber eine finanzielle Entschädigung, weil er sich wegen seiner Behinderung bei der Bewerbung benachteiligt sah. Er hatte sich zuvor auf eine Stelle für eine Mutterschaftsvertretung in den Bereichen Personalwesen, Bauleitplanung, Liegenschaften und Ordnungsamt bei der beklagten Gemeinde beworben. Wegen schlechter Erfahrungen bei Bewerbungen in der Vergangenheit gab er keinen Hinweis auf seine Schwerbehinderteneigenschaft, sondern führte im Bewerbungsschreiben nur aus, durch seine Behinderung nicht eingeschränkt zu sein. Der potenzielle Arbeitgeber nahm weder Kontakt mit der Agentur für Arbeit auf noch prüfte er, ob die in Rede stehende Bewerbung mit einem schwerbehinderten Menschen besetzt werden konnte. Die Bewerbung des Klägers wurde dementsprechend aussortiert. Eingestellt wurde schließlich eine nicht behinderte Arbeitnehmerin. Der Kläger erhielt eine Absage. Das BAG bejahte einen Anspruch des Klägers auf Entschädigung aus 15 Abs. 2 AGG, 81 Abs. 2 SGB IX, obwohl er seine Schwerbehinderteneigenschaft gegenüber dem potenziellen Arbeitgeber gar nicht offenbart hatte, denn der Arbeitgeber habe bereits gegen das Verbot verstoßen, schwerbehinderte Beschäftigte wegen ihrer Behinderung zu benachteiligen. Die Prüfpflicht zur Berücksichtigung schwerbehinderter Menschen bei der Besetzung freier Stellen besteht nach Auffassung des BAG nämlich immer und für alle Arbeitgeber unabhängig davon, ob sich überhaupt ein schwerbehinderter Mensch beworben oder diesen Status offenbart hat. Verletze der Arbeitgeber diese Prüfpflicht, sei dies bereits ein Indiz dafür, dass er einen abgelehnten schwerbehinderten Bewerber wegen seiner Behinderung benachteiligt hat. Benachteiligungsverbot schwerbehinderter Bewerber: zuletzt fast uferlos. Die Anforderungen an den Diskriminierungsschutz zugunsten schwerbehinderter Menschen sind streng. Für Arbeitgeber sollte nicht erst die tatsächliche Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen der Anstoß sein, sich mit dem Thema der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen einmal auseinander zu setzen. II. Aktuelle Rechtsprechung 1. Gratifikationszahlungen nach billigem Ermessen Nach langer Zeit hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mal wieder eine formularmäßige Klausel zu Gratifikationszahlungen unbeanstandet gelassen. In seinem Urteil vom (10 AZR 26/12) hat das BAG entschieden, dass eine formularmäßige Klausel, mit der dem Arbeitgeber ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zur Entscheidung über die Höhe einer jährlichen Gratifikation vorbehalten wird, der AGB- Kontrolle regelmäßig standhält. Die Parteien hatten arbeitsvertraglich vereinbart, dass dem Arbeitnehmer eine jährliche Weihnachtsgratifikation in der vom Arbeitgeber jeweils pro Jahr festgelegten Höhe zusteht. In den Jahren 2007 bis 2010 zahlte der Arbeitgeber unterschiedlich hohe Beträge an den Arbeitnehmer aus. Der Arbeitnehmer war der Auffassung, dass ihn die getroffene Regelung unangemessen benachteilige und sie folgedessen rechtsunwirksam sei. Er verlangte stattdessen die Zahlung eines Weihnachtsgeldes nach Arbeitsrecht aktuell 01/13 Seite 3
4 den einschlägigen tariflichen Vorschriften der Metallindustrie. Das BAG hielt diese Zahlungsklage für unbegründet. Nach Auffassung des BAG war die Vertragsklausel wirksam. Sie enthält insbesondere keinen unzulässigen Änderungsvorbehalt ( 308 Nr. 4 BGB), da dem Arbeitgeber nicht die Möglichkeit eingeräumt wird, eine versprochene Leistung nachträglich zu ändern, sondern die Höhe der Leistung erstmals festzusetzen. Die Höhe der Festsetzung hat gemäß 315 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen. Eine Vertragsklausel, nach der eine jährliche Gratifikation in der jeweils pro Jahr festgelegten Höhe vereinbart wird, ist wirksam. Die gewählte Formulierung hält auch einer Transparenzkontrolle stand. Der Arbeitnehmer könne nämlich eindeutig erkennen, dass der Arbeitgeber die Höhe der Gratifikation jährlich neu festsetze. Auch wenn im Vertragstext kein Kriterium für die Festsetzung benannt sei, erhalte der Arbeitnehmer einen klagbaren Anspruch auf die Leistung. Er könne die Ausübung des Leistungsbestimmungsrechtes daher von einem Arbeitsgericht überprüfen lassen. Insoweit muss eine gewisse Unsicherheit, die daraus resultiert, dass die Kriterien der Leistungsbestimmung nicht im Arbeitsvertrag aufgeführt werden, vom Arbeitnehmer zwangsläufig hingenommen werden. Die Vertragsklausel führt auch nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers ( 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Einseitige Leistungsbestimmungsrechte sind nach Auffassung des BAG nämlich gesetzlich anerkannt. Im vorliegenden Fall sollen mit der Zahlung auch nicht bestimmte Leistungen des Arbeitnehmers im Bezugszeitraum honoriert werden, sondern die Zahlung ist allein vom Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungszeitpunkt abhängig. Es besteht also nicht die Gefahr, dass der Arbeitgeber einerseits die leistungssteuernde Wirkung eines Vertragsversprechens für die Zukunft in Anspruch nimmt, andererseits die Entscheidung über den Eintritt der Bedingung allein vom eigenen Willen abhängig macht. Die vertragliche Regelung setzt keine spezifischen Leistungsanreize für den Arbeitnehmer, die nachträglich enttäuscht werden könnten. Daher war die Klage abzuweisen. Dank dieser Entscheidung werden die arbeitgeberseitigen Gestaltungsmöglichkeiten zur variablen Regelung jährlicher Sonderzahlungen ein wenig erweitert. Neben Freiwilligkeits- oder Widerrufsvorbehalten können sich Arbeitgeber auch die Festsetzung einer Sonderzahlung nach billigem Ermessen vorbehalten. Das damit verbundene einseitige Leistungsbestimmungsrecht bezieht sich allerdings nur auf das wie, d. h. auf die konkrete Höhe der jährlichen Zahlung, die zudem gerichtlich überprüfbar ist. Der Vorteil einer solchen Gestaltung besteht für Unternehmen darin, dass ein bestimmter Zahlungsbetrag nicht bereits von vornherein geschuldet ist und das Ergebnis der Leistungsbestimmung auch dazu führen kann, dass die Sonderzahlung in einzelnen Jahren mit Null festzusetzen ist. In einem solchen Fall müssen die tatsächlichen Umstände etwa ein spürbarer Gewinnrückgang ein derartiges Ergebnis allerdings rechtfertigen, da anderenfalls eine Klagewelle seitens der Mitarbeiter droht. 2. Betriebsratswahl: Leiharbeitnehmer zählen im Entleiherbetrieb Bei einigen Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) ist die Anzahl der im Betrieb (wahlberechtigten) Beschäftigten ausschlaggebend. Nicht nur für die Größe des zu wählenden Betriebsrates ( 9 BetrVG) oder erzwingbare Durchsetzung von Auswahlrichtlinien ( 95 BetrVG), sondern auch bei der Frage, ob Interessenausgleichsverhandlungen ( 111 ff. BetrVG) geführt werden müssen, ist die Belegschaftsstärke wichtig. Leiharbeitnehmer sind bei der für die Größe des Betriebsrates maßgeblichen Anzahl der Arbeitnehmer eines Betriebes grundsätzlich zu berücksichtigen. Zuletzt hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) bereits entschieden, dass bei der Berechnung des sogenannten Schwellenwertes von 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern im Sinne von 111 BetrVG Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen sind, sofern Arbeitsrecht aktuell 01/13 Seite 4
5 diese länger als 3 Monate im Unternehmen eingesetzt sind (Urteil vom AZR 335/10). Diese Rechtsprechungsänderung hat das BAG nun mit seinem jüngsten Beschluss vom (7 ABR 69/11) weiter ausgebaut. Nach dieser Entscheidung, die bisher nur als Pressemitteilung vorliegt, sind Leiharbeitnehmer bei der für die Größe des Betriebsrates maßgeblichen Anzahl der Arbeitnehmer eines Betriebes grundsätzlich zu berücksichtigen. Die Entscheidung betrifft damit nicht die Leiharbeitsbranche, sondern alle Arbeitgeber, bei denen regelmäßig Leiharbeitnehmer zum Einsatz kommen. Wie das BAG damit unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung entschieden hat, zählen in der Regel beschäftigte Leiharbeitnehmer bei den Schwellenwerten des 9 BetrVG im Entleiherbetrieb mit. Das gebiete eine am Sinn und Zweck der Schwellenwerte orientierte Auslegung der Norm. Im Hinblick auf die im nächsten Frühjahr stattfindenden Betriebsratswahlen ist dieser Beschluss unbedingt zu beachten, da sonst Anfechtungen der Betriebsratswahlen im Raum stehen. Im Vorwege der kommenden Betriebsratswahlen sollte ein deutliches Augenmerk auf gegebenenfalls im Betrieb vorhandene Leiharbeitnehmer geworfen werden. Denn diese sind in Personallisten, die vom Arbeitgeber sowie vom Betriebsrat genutzt werden, in der Regel nicht verzeichnet, so dass vorschnell von einer falschen Arbeitnehmeranzahl im Betrieb ausgegangen werden kann. Hierauf sollte unbedingt im Vorfeld der nächsten Betriebsratswahlen geachtet werden. 3. Leiharbeit: Einsatz auf Dauerarbeitsplätzen Das LAG Berlin-Brandenburg (LAG) hat entschieden, dass der Einsatz von Leiharbeitnehmern auf Dauerarbeitsplätzen ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher begründet (LAG Berlin-Brandenburg vom Sa 1635/12). Beklagt wurde eine Krankenhausgesellschaft, die seit Jahren Leiharbeitnehmer als Krankenpflegepersonal einsetzt. Diese entleiht sie von einer Tochtergesellschaft, die als konzerneigenes Verleihunternehmen ausschließlich für die beklagte Krankenhausgesellschaft tätig ist. Die Klägerin, die nach einem erfolgreichen Bewerbungsgespräch bei der beklagten Krankenhausgesellschaft einen Arbeitsvertrag mit dem Verleihunternehmen abgeschlossen hatte, machte mit ihrer Klage das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zur Entleiherin geltend. LAG: Rechtsmissbrauch bei Einsatz von Leiharbeitnehmern auf Dauerarbeitsplätzen. Die Klage war vor dem LAG erfolgreich. Das Gericht entschied, dass ein Rechtsmissbrauch vorliege, wenn ein konzerneigenes Verleihunternehmen ausschließlich für Konzernunternehmen tätig werde und die Einschaltung nur dazu diene, Lohnkosten zu senken oder kündigungsschutzrechtliche Wertungen ins Leere laufen zu lassen. Dies habe zur Folge, dass dem Scheinentleiher die Arbeitgeberstellung zukommt. Darüber hinaus liege eine nicht mehr nur vorübergehende und damit von der Erlaubnis nicht gedeckte Überlassung bereits dann vor, wenn die verliehenen Arbeitnehmer auf Dauerarbeitsplätzen eingesetzt werden, für die keine Stammmitarbeiter vorhanden seien. Die Brisanz dieser Entscheidung liegt darin, dass das LAG auf einen Verstoß gegen 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG abstellt, wonach eine Überlassung nur vorübergehend erfolgen darf. Hier nimmt das LAG an, dass ein solcher Verstoß auch zu individualrechtlichen Sanktionen nach 10 Abs. 1 AÜG führe, wonach ein Arbeitsverhältnis des Leiharbeitnehmers zum Entleiher fingiert werde. Diese Auffassung wurde bislang von anderen Gerichten nicht geteilt. Bemerkenswert ist ebenfalls, dass ein Verstoß gegen 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG nach Auffassung des LAG bereits dann vorliegen soll, wenn die verliehenen Arbeitnehmer auf Dauerarbeitsplätzen eingesetzt werden und hierdurch auch durch wechselnde Arbeitsrecht aktuell 01/13 Seite 5
6 Leiharbeitnehmer ein Dauerbeschäftigungsbedarf abgedeckt wird. Ungeachtet der Frage, was der Begriff vorübergehend in 1 Abs. 1 S. 2 AÜG genau bedeuten soll, legt das LAG dieses Merkmal entgegen der bisherigen Rechtsprechung des BAG arbeitsplatz- und nicht personenbezogen aus. Ob das BAG dieser Sichtweise folgen wird, ist daher mehr als fraglich. Das Merkmal vorübergehend bezieht sich nach bisheriger Rechtsprechung nämlich auf die Überlassung von Leiharbeitnehmern und nicht auf deren Einsatz in dem Entleihbetrieb. Angesichts der jüngsten Gesetzesänderung zum Thema Arbeitnehmerüberlassung sind derzeit etliche Fragen offen und warten auf eine höchstrichterliche Klärung. Hierzu gehört etwa auch die Frage, ob der Betriebsrat der Einstellung eines Leiharbeitnehmers bei einer nicht nur vorübergehenden Arbeitsnehmerüberlassung nach 99 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG widersprechen kann. Die hier dargestellte Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg weicht von der bisherigen BAG-Rechtsprechung ab und ist daher mit Vorsicht zu genießen. Gleichwohl sollte im Hinblick auf den Dauereinsatz von Leiharbeitnehmern eine entsprechende Risikobewertung vorgenommen werden. 4. Arbeitnehmereigenschaft bei unentgeltlicher Tätigkeit Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass durch die Ausübung unentgeltlicher ehrenamtlicher Tätigkeit kein Arbeitsverhältnis begründet wird (BAG v AZR 499/11). Nach Auffassung des BAG ist eine fehlende Erwerbsaussicht bei ehrenamtlicher Tätigkeit jedenfalls im Rahmen der Gesamtwürdigung ein wichtiges Indiz gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses. Die Ausübung unentgeltlicher ehrenamtlicher Tätigkeit begründet kein Arbeitsverhältnis. Geklagt hatte eine telefonische Seelsorgerin, die mehrere Jahre lang ehrenamtlich im Umfang von zehn Stunden pro Monat für eine kirchliche Einrichtung die Beklagte tätig war. Die Klägerin erhielt lediglich EUR 30 monatlich als Aufwandsentschädigung. Im Jahr 2010 entband die Beklagte die Klägerin mündlich von ihrem Dienst. Die Klägerin sah darin eine fristlose Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses und erhob Kündigungsschutzklage. Die Klage wurde in allen Instanzen abgewiesen. Das BAG stützt seine Entscheidung auf die Abgrenzung einer beruflichen Tätigkeit zum Erwerb des Lebensunterhalts und einer hier einschlägigen aus rein ideellen Gründen heraus geleisteten Tätigkeit. Letztere sei nicht dem Arbeitsrecht zuzuordnen. Vielmehr handele es sich um ein unentgeltliches Auftragsverhältnis, das beiderseitig jederzeit ohne besonderen Grund beendet werden könne. Die Entscheidung ist zu begrüßen. Die Begründung der Entscheidung des BAG verdeutlicht allerdings, dass es sich juristisch um einen schmalen Grad handelt, denn nach der äußeren Durchführung des Vertragsverhältnisses sprachen vorliegend etliche Argumente für das Vorliegen eines ganz normalen Arbeitsverhältnisses. Offen bleibt, ab welcher Höhe eine Aufwandsentschädigung nicht mehr als solche, sondern vielmehr als Arbeitsvergütung zu erachten ist. 5. Rückzahlungsklauseln richtig formulieren Wenn der Arbeitgeber die Aus- oder Fortbildung eines Mitarbeiters finanziert, hat er ein begründetes Interesse daran, dass die erworbenen Qualifikationen auch seinem Unternehmen zugute kommen. Um zu verhindern, dass der Arbeitnehmer nach Abschluss der Fortbildung das Arbeitsverhältnis kündigt und zur Konkurrenz abwandert, werden Arbeitnehmer oft vertraglich dazu verpflichtet, Rückzahlungsvereinbarun- Arbeitsrecht aktuell 01/13 Seite 6
7 gen abzuzeichnen, mit denen der Arbeitnehmer eine längere Vertragsbindung eingeht und sich für den Fall des vorzeitigen Abwanderns zur Rückzahlung der Fortbildungskosten verpflichtet. Diese Vereinbarungen gewährleisten, dass der Arbeitgeber einen Nutzen aus seiner Finanzierung ziehen kann. Die Rückzahlungsklauseln unterliegen als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) einer rechtlichen Kontrolle am Maßstab der 305 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte hat in der Vergangenheit in erster Linie die vereinbarte Dauer der Vertragsbindung zugunsten des Arbeitnehmers beschränkt, d.h. sie hat in einer Vielzahl von Fällen entschieden, dass die den Arbeitnehmer abverlangte Vertragsbindung zu lang ist. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellte nunmehr in einem aktuellen Urteil klar, dass die Klauseln auch dem in 307 Abs. 1 S. 2 BGB normierten Transparenzgebot genügen müssen. Dies ist laut dem BAG dann der Fall, wenn die Klauseln hinreichend klar und verständlich formuliert sind (BAG vom AZR 698/10). Rückzahlungsklauseln müssen dem in 307 Abs. 1 S. 2 BGB normierten Transparenzgebot genügen dies ist nur bei klarer und verständlicher Formulierung der Fall. Dem Urteil des BAG lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger betreibt ein Ingenieurbüro. Er führt u. a. Fahrzeugprüfungen im Auftrag einer amtlich anerkannten Überwachungsorganisation durch. Im Rahmen dieser Tätigkeit bildet er Ingenieure für deren spätere Funktion als Kfz-Prüfingenieure aus. Der Beklagte ist Diplomingenieur und musste, bevor er sich weiterbilden ließ, eine Fortbildungsvereinbarung mit folgender Klausel unterschreiben: 10. Abbruch der Ausbildung. Kommt es durch Umstände zum Abbruch der Ausbildung, die der Lehrgangsteilnehmer zu vertreten hat, oder besteht der Lehrgangsteilnehmer die erforderliche Abschlussprüfung endgültig nicht, so haftet dieser gegenüber dem Ingenieurbüro mit den Kosten der Ausbildung. In diesem Fall beziffert das Ingenieurbüro die angefallenen Ausbildungskosten entsprechend der erfolgten Leistungen und gegebenenfalls nach billigem Ermessen. Hierzu gehören in jedem Fall die Lehrgangskosten bei der amtlich anerkannten Überwachungsorganisation, die Fahrzeugkosten, die Übernachtungskosten sowie die Kosten im Zusammenhang mit der praktischen Ausbildung, soweit diese nicht durch Förderungsmaßnahmen der Agentur für Arbeit übernommen worden sind. Der Beklagte begann seine Ausbildung in diesem Unternehmen am 21. Januar 2008 und beendete sie am 9. Juni 2008, um die Fortbildung zum Kfz-Prüfingenieur anderweitig fortzusetzen und sie erfolgreich abzuschließen. Das Ingenieurbüro forderte ihn daraufhin auf, Fortbildungskosten in Höhe von EUR zurückzuzahlen und erhob Klage. Der Kläger verlor in allen drei Instanzen. Das BAG hielt die Rückzahlungsklausel in 10 der Vereinbarung für unwirksam. Sie benachteilige den Beklagten unangemessen i.s.d. 307 Abs. 1 S. 2 BGB, da sie nicht hinreichend klar und verständlich formuliert sei. Demnach muss eine Vertragsabrede im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners so klar und präzise wie möglich umschreiben. Die Rechtsprechung hatte bislang offen gelassen, unter welchen Voraussetzungen in einer Rückzahlungsvereinbarung über Fortbildungskosten die Größenordnung der zurückzuzahlenden Beträge anzugeben ist. Hierzu entschied das BAG nunmehr, dass zu erstattende Kosten dem Grunde und der Höhe nach im Rahmen des Möglichen in der Rückzahlungsvereinbarung angegeben werden müssen, wobei die Anforderungen daran nicht überzogen sein dürfen. Der Arbeitgeber ist insbesondere nicht verpflichtet, die Kosten bereits beim Abschluss der Rückzahlungsvereinbarung in exakter Höhe zu beziffern. Er muss aber zumindest ihre Art und die Berechnungsgrundlagen für die spätere Abrechnung angeben. Dazu gehört einerseits die genaue und abschließende Bezeichnung der einzelnen Positionen (wie etwa Lehrgangsgebühren, Fahrtkosten, Unterbringungs- und Verpflegungskosten) und die Angabe, nach welchen Parametern die einzelnen Positionen zu berechnen sind (etwa Kilometerpauschale für Fahrtkosten, Tagessätze für Übernachtungs- und Verpflegungskosten). Andernfalls bleibt für den Vertragspartner unklar, in welcher Größenordnung eine Rückzahlungsverpflichtung auf ihn zukommen kann und er kann sein Zahlungsrisiko bei Vertragsschluss nicht Arbeitsrecht aktuell 01/13 Seite 7
8 abschätzen. Eine ergänzende Vertragsauslegung scheide ebenfalls aus, da anderenfalls die gesetzlichen Wertungen des 307 BGB unterlaufen werden würden. Schomerus & Partner Steuerberater Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Praxis-Tipp Da Rückzahlungsklauseln der gerichtlichen Inhaltskontrolle ( 305 ff. BGB) unterliegen ist anzuraten, Anhaltspunkte aus der Rechtsprechung bei der Formulierung von Rückzahlungsklauseln zu berücksichtigen. Rückzahlungsklauseln sind dabei insbesondere klar und verständlich zu formulieren. Es besteht ansonsten das Risiko, bei einem möglichen Rechtsstreit nach Ausscheiden eines Mitarbeiters auf den Kosten sitzen zu bleiben. Deichstraße Hamburg Telefon 040 / Telefax 040 / info@schomerus.de Partnerschaftsgesellschaft Amtsgericht Hamburg PR 361 III. Aktuelle Mitteilungen 1. Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung Die Verdienstgrenze für geringfügig Beschäftigte wurde zum 1. Januar 2013 von bislang EUR 400 auf EUR 450 angehoben. Auch für Beschäftigte in der Gleitzone (sog. Midi-Jobs) wurde die Grenze auf EUR 450,01 bis EUR 850 angehoben. Für geringfügige Beschäftigungen, die seit dem 1. Januar 2013 aufgenommen wurden, besteht zudem Rentenversicherungspflicht. Dabei wird der Rentenversicherungsbeitrag des Arbeitgebers in Höhe von 15 % um 4,5 % aufgestockt. Auf Antrag kann der geringfügig Beschäftigte auf eine Aufstockung verzichten, so dass es nach wie vor bei der pauschalen Abgabe des Arbeitgebers bleibt. 2. Verlängerung der Kurzarbeitergeld-Regelungen Die gesetzlich auf sechs Monate begrenzte Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld wurde durch die Verordnung über die Bezugsdauer für das konjunkturelle Kurzarbeitergeld nochmals auf zwölf Monate verlängert. Diese Regelung gilt für alle Beschäftigten, deren Anspruch auf Kurzarbeitergeld bis zum 31. Dezember 2013 entsteht. 3. Veröffentlichungen Dr. Volker Vogt/Dr. Niels Gercke, Pauschalabgeltung von Überstunden ist regelmäßig unwirksam, StBW 2013, 236 Kontakt In allen Fragen des Arbeitsrechts stehe ich Ihnen gern zur Verfügung: Kai W. Voß Wirtschaftsprüfer Steuerberater Rainer Inzelmann Wirtschaftsprüfer Steuerberater Dr. F. Michael Boemke Thomas Krüger Fachanwalt für Steuerrecht Wieland Kirch Wirtschaftsprüfer Steuerberater Manfred Lehmann Wirtschaftsprüfer Steuerberater Dr. Nadja Sievers Rechtsanwältin Mediatorin Rainer Schöndube Wirtschaftsprüfer Dr. Dirk Schwenn Fachanwalt für Handels- u. Gesellschaftsrecht Jens Kindt Heide Bley Rechtsanwältin Steuerberaterin Fachberaterin für Internationales Steuerrecht Dr. Otto-Ferdinand Graf Kerssenbrock Wirtschaftsprüfer Steuerberater Jörg Bolz Wirtschaftsprüfer Steuerberater CPA (IL US) Fachberater für Internationales Steuerrecht Dr. Christian Freudenberg Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz Dr. Mario Wagner Steuerberater Karin Häßler Steuerberaterin Fachberaterin für Internationales Steuerrecht Dr. Volker Vogt, LL.M. Fachanwalt für Arbeitsrecht Of Counsel: Prof. Dr. Bernhard Schwarz Steuerberater Dr. Volker Vogt, LL.M. Fachanwalt für Arbeitsrecht Tel. Sekretariat: 040 / volker.vogt@schomerus.de Haftungsausschluss Arbeitsrecht aktuell ersetzt keine rechtliche Beratung im Einzelfall. Wir übernehmen mit der Herausgabe und Übersendung dieses Rundschreibens keine Haftung. Verantwortlich für den Inhalt: Dr. Volker Vogt; Stand: Kooperation mit HLB International A world-wide network of independent accounting firms and business advisers. Arbeitsrecht aktuell 01/13 Seite 8
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