3. Fall Lösungsskizze
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- Michaela Beyer
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1 3. Fall Lösungsskizze Ein Verfahren vor dem BVerfG hat Aussicht auf Erfolg, wenn es zulässig und begründet ist. Fraglich ist zunächst, welches Verfahren hier überhaupt in Betracht kommt. Vorüberlegungen: Vorüberlegungen, die hier um der besseren Verständlichkeit willen ausformuliert werden, haben in einer Klausur grundsätzlich nichts verloren. Diese müssen im Kopf des Bearbeiters bzw. auf der Lösungsskizze stattfinden. In einem Fall wie dem vorliegenden ergibt sich allerdings nicht schon aus der Aufgabenstellung, welches Verfahren zu prüfen ist. Vielmehr ist die Rede davon, dass das Gericht die Verfassungswidrigkeit von 4 S. 2 SächsLadÖffG "feststellen" lassen will. Es bietet sich daher an, kurz darauf einzugehen, warum hier welches Verfahren vor dem BVerfG in Betracht kommt. Eine VB scheidet offensichtlich aus (das Gericht ist nicht jedermann und schon gar nicht in eigenen Rechten verletzt). Die Norm kann lediglich im Wege einer Normenkontrolle zur Prüfung vor das BVerfG gebracht werden. Allerdings scheitert eine abstrakte Normenkontrolle (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG) wiederum an der Antragsberechtigung: Gerichte sind dort nicht genannt; der Kreis der Antragsberechtigten ist abschließend geregelt. Eine Verwerfung verfassungswidriger Normen durch die Fachgerichte selbst kommt jedoch auch nicht in Betracht: Das würde einen Eingriff in die Autorität des parlamentarischen Gesetzgebers (Bundestag, Landtag) durch das Gericht und damit einen Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip bedeuten. Zum anderen sind auch die Gerichte an den Vorrang des Gesetzes gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG) und müssen diese anwenden. Letztlich würde die umfassende Möglichkeit einer Inzidentverwerfung zu einer Rechtszersplitterung führen: Das LG München mag die Verfassungsmäßigkeit einer bestimmten Norm anders beurteilen als das LG Leipzig. Dass die Gerichte aber deshalb verfassungswidrige Normen sehenden Auges sollen anwenden müssen, ist auch nicht einsichtig. Daher gibt ihnen Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG die Möglichkeit, Normen, auf deren Anwendung es im Verfahren ankommt, zur Kontrolle vor das BVerfG zu bringen: das sog. konkrete Normenkontrollverfahren. Die Kenntnis dieser Hintergründe der konkreten Normenkontrolle ist unerlässlich, will man dieses Verfahren in Klausur souverän behandeln. Eine abstrakte Normenkontrolle (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG) scheidet vorliegend mangels Antragsberechtigung des Bezirksberufsgerichts aus. In Betracht kommt jedoch eine konkrete Normenkontrolle gem. Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG, 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG.
2 A. Zulässigkeit I. Zuständigkeit Gem. Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG, 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG ist das BVerfG für derlei Streitigkeiten zuständig. II. Vorlageberechtigung Das Bezirksberufsgericht müsste vorlageberechtigt sein. Klausurtipp: Bitte achtet hier auf die Terminologie: Es handelt sich hier nicht um eine Antragsberechtigung (vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG), sondern um eine Vorlageberechtigung. Gem. Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG ist jedes Gericht vorlageberechtigt. Fraglich ist daher, ob es sich bei dem Bezirksberufsgericht um ein Gericht i.d.s. handelt. Klausurtipp: Im Verfahren des Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG verweisen 80 ff. BVerfGG hinsichtlich der Vorlageberechtigung auf den Art. 100 GG. Anders als sonst (z.b. 76 BVerfGG) sind deshalb nicht die Normen des BVerfGG - als einfachgesetzliche Konkretisierung des GG - zu zitieren, son - dern Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG selbst. Gerichte i.s.d. Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG sind alle staatlichen Spruchkörper, die sachlich unabhängig, gesetzlich mit den Aufgaben eines Gerichts betraut und als Gerichte bezeichnet sind. Gleichgültig ist, welcher Instanz und welchem Gerichtszweig diese angehören. Die Berufsgerichte treffen sachlich unabhängige Entscheidungen und sind im Rahmen ihrer Zuständigkeit mit den Aufgaben eines Gerichts betraut (nämlich der Ausübung der Gerichtsbarkeit über die Heilberufe, zu denen auch Apotheker gehören). Diese Aufgabe ist ihnen auch gesetzlich zugewiesen; die entsprechenden Gesetze bezeichnen die Berufsgerichte zudem als Gerichte. Exkurs: Gesetzliche Grundlage sind die entsprechenden Gesetze über die Berufsgerichtsbarkeit für Heilberufe und die darauf basierenden Berufsgerichtsordnungen. Klausurtipp: Deren Kenntnis wird in der Klausur sicherlich nicht erwartet. Die Begriffsmerkmale eines Gerichts i.s.d. Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG sollten jedoch bekannt sein. Alles Weitere ergibt sich dann aus dem SV oder ist durch vernünftige Subsumption zu lösen.
3 Das Bezirksberufsgericht für Apotheker ist also Gericht i.s.d. Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG und damit vorlageberechtigt. III. Vorlagegegenstand Weiterhin müsste es sich bei 4 S. 2 SächsLadÖffG einen gültigen Vorlagegegenstand handeln. Gem. Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG können nur Gesetze Vorlagegegenstand sein. Fraglich ist, was unter Gesetz zu verstehen ist. Das BVerfG legt dem Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG einen restriktiven Gesetzesbegriff zugrunde. Gesetz i.s.d. Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG sind demnach nur formelle, nachkonstitutionelle Gesetze. Exkurs: Gesetze im formellen Sinne sind alle staatlichen Anordnungen, die von den für die Gesetzgebung zuständigen Organen (Bundestag, Landtag) in dem verfassungsmäßig vorgesehen Verfahren in der dafür vorgesehenen Form erlassen werden. Demgegenüber sind Gesetze im materiellen Sinne alle abstrakt-generellen Regelungen mit Außenwirkung, gleichviel ob sie vom Gesetzgeber oder sonstigen Trägern öffentlicher Gewalt erlassen werden. Die Begriffe sind nicht zwingend kongruent; d.h., es existieren formelle Gesetze, die keine abstrakt-generellen Regelungen mit Außenwirkung enthalten (z.b. Haushaltsgesetze); auf der anderen Seite muss eine abstrakt-generelle Regelung nicht von den Gesetzgebungsorganen getroffen werden, sondern kann auch durch die Exekutive erfolgen (z.b. Rechtsverordnungen). Klausurtipp: Warum können lediglich formelle, nachkonstitutionelle Gesetze zur Kontrolle gebracht werden? Dies sollte an dieser Stelle klar sein, wenn man die Vorüberlegungen aufmerksam gelesen hat... Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG soll in erster Linie die Autorität des Gesetzgebers sicherstellen. Diese wird aber nur in Frage gestellt, wenn formelle, d.h. vom Gesetzgeber erlassene Gesetze, in Rede stehen. Gesetze im (nur) materiellen Sinn können dagegen inzident verworfen werden - darin liegt kein Angriff auf die Autorität des parlamentarischen Gesetzgebers. Dasselbe gilt für das Erfordernis des nachkonstitutionellen Erlasses: Die Autorität des Bundestages wird ja nicht in Frage gestellt, wenn Gesetze des Reichstages verworfen werden... 4 S. 2 SächsLadÖffG wurde - mangels entgegenstehender Angaben - vom Sächsischen Landtag in einem entsprechenden Verfahren und in der entsprechenden Form erlassen. Es handelt sich daher um ein formelles Gesetzes. Dieses wurde auch nach Inkrafttreten des GG erlassen. Ein gültiger Vorlagegegenstand liegt damit vor.
4 IV. Überzeugung des Gerichts von der Verfassungswidrigkeit Das Bezirksberufsgericht müsste davon überzeugt sein, dass 4 S. 2 SächsLadÖffG verfassungswidrig ist. Dies ist lt. SV der Fall. Klausurtipp: Hier bitte nicht den aus dem Verfahren der abstrakten Normenkontrolle bekannten Streit ausführen, ob Zweifel ausreichen (Wortlaut Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG) oder ein Für-nichtig-Halten ( 76 Abs. 1 Nr. 1 BVerfGG) erforderlich ist. Der Streit resultiert aus der Formulierung des 76 BVerfGG, die in 80 BVerfGG fehlt. V. Entscheidungserheblichkeit Die vorzulegende Norm muss entscheidungserheblich sein. Entscheidungserheblichkeit ist gegeben, wenn das Gericht bei Ungültigkeit der Norm anders entscheiden müsste als bei deren Gültigkeit. Wäre 4 S. 2 SächsLadÖffG verfassungswidrig und daher unwirksam, müsste das Bezirksberufsgericht die Anklage gegen den A zurückweisen. Wäre die Norm hingegen verfassungsgemäß und damit wirksam, müsste das Gericht den A verurteilen. Die Entscheidung des Bezirksberufsgerichts fällt daher bei Gültigkeit des 4 S. 2 Sächs- LadÖffG anders aus als bei dessen Ungültigkeit. Somit ist Entscheidungserheblichkeit gegeben. Vl. Form und Frist Gem. 80 Abs. 2 S. 1, 2 BVerfGG muss die schriftliche ( 23 Abs. 1 BVerfGG) Vorlage vom Gericht begründet werden. Der Antrag ist dabei unabhängig von der Rüge durch einen Prozessbeteiligten, 80 Abs. 3 BVerfGG. Die Einhaltung einer Frist ist nicht erforderlich. VIII. Ergebnis Zulässigkeit Die Vorlage gem. Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG ist damit zulässig. B. Begründetheit Die konkrete Normenkontrolle ist begründet, wenn 4 S. 2 SächsLadÖffG verfassungswidrig ist.
5 I. Verfassungsmäßigkeit 4 S. 2 SächsLadÖffG 1. Formelle Verfassungsmäßigkeit a) Gesetzgebungskompetenz aa) Das Land Sachsen müsste zuständig, d.h. gesetzgebungskompetent, für den Erlass des Gesetzes gewesen sein. Nach dem Grundsatz des Art. 70 Abs. 1 GG steht den Ländern die Gesetzgebungskompetenz zu, soweit nicht der Bund zuständig ist. Eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes gem. Art. 71, 73 GG ist nicht ersichtlich. bb) Der Bund könnte jedoch die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz gem. Art. 72, 74 GG innehaben. 4 S. 2 SächsLadÖffG könnte der Materie Wirtschaft i.s.d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG unterfallen. Das Recht der Wirtschaft i.d.s. erfasst alle das wirtschaftliche Leben und die wirtschaftliche Betätigung regelnden Normen; vor allem fallen darunter Normen, die die Herstellung, Erzeugung und Verteilung von Gütern betreffen (Degenhart, in: Sachs, Art. 74 Rn. 37). Auch das Ladenschlussrecht regelt insofern einen wirtschaftlichen Sachverhalt. Exkurs: In der Veranstaltung wurde vorgeschlagen, auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG abzustellen. Das ist eine gute Idee, geht es doch ausweislich der Intention des 4 S. 2 SächsLadÖffG um den Schutz der Arbeitnehmer. Das Arbeitsrecht i.d.s. erfasst allerdings lediglich das Arbeitsvertragsrecht (d.h. die Beziehung Arbeitnehmer-Arbeitgeber), den Arbeitslohn, das Urlaubsrecht etc. Das Arbeitsschutzrecht erfasst zwar grundsätzlich auch Arbeitszeitbestimmungen; nach umstrittener Auffassung fällt auch das Ladenschlussrecht insofern darunter, als dieses dem Arbeitnehmerschutz dient. Allerdings zeigt der Wortlaut des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG, dass das Ladenschlussrecht zumindest auch als Aspekt der Wirtschaft angesehen wird, so dass eine Zuordnung auch zum Recht der Wirtschaft möglich ist. Ausführungen hierzu werden in der Klausur sicherlich nicht erwartet. Allerdings regelt Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG explizit, dass das Recht des Ladenschlusses nicht erfasst ist. Dies bedeutet jedoch, dass eine konkurrierende Zuständigkeit des Bundes nicht besteht. cc) Damit bleibt es beim Grundsatz des Art. 70 Abs. 1 GG (Länderzuständigkeit). Das Land Sachsen war daher zuständig. Klausurtipp: Die Systematik der Gesetzgebungskompetenzen muss sitzen. Diese ist jedenfalls in kurzer Form Gegenstand nahezu jeder Klausur im Grundrechtsbereich. b) Gesetzgebungsverfahren Das Gesetzgebungsverfahren ist mangels entgegenstehender Angaben im SV ordnungsgemäß verlaufen. Klausurtipp: Das BVerfG würde im Übrigen auch gar nicht prüfen, ob die Art. 70 ff. SächsVerf, nach
6 denen sich die Gesetzgebung in Sachsen richtet, eingehalten wurden. Denn Prüfungsmaßstab des BVerfG ist das GG! Ein schwerer Fehler wäre es, an dieser Stelle die Art. 76 ff. GG zu prüfen; danach richtet sich das Gesetzgebungsverfahren des Bundes, nicht aber das der Länder. Lediglich auf die Kompetenzen des GG muss zurückgegriffen werden, da die Landesverfassungen die Länderkompetenzen freilich nicht autonom regeln können. c) Zwischenergebnis Das Gesetz ist damit formell verfassungsgemäß. II. Materielle Verfassungsmäßigkeit Fraglich ist, ob 4 S. 2 SächsLadÖffG auch materiell verfassungsgemäß ist. In Betracht kommt hier jedoch ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1, 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 GG. Wären diese Grundrechte verletzt, wäre 4 S. 2 SächsLadÖffG verfassungswidrig. 1. Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG: Berufsfreiheit Möglicherweise liegt ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG vor. a) Schutzbereich Dies setzt voraus, dass der Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG eröffnet ist. Art. 12 Abs. 1 GG gewährt als einheitliches Grundrecht der Berufswahl und Berufsausübung allen Deutschen, ihren Beruf frei zu wählen. Beruf i.d.s. ist jede auf Dauer angelegte Tätigkeit, die der Schaffung oder Erhaltung einer Lebensgrundlage dient und nicht schlechthin verboten ist. Klausurtipp: Diese Definition wird in dieser oder ähnlicher Form sicherlich erwartet. Das Merkmal des Verbotenseins muss i.d.r. nicht erörtert werden. Dadurch sollen lediglich Tätigkeit aus dem Schutzbereich ausgeschieden werden, die als solche, d.h. unabhängig davon, ob sie innerhalb eines Berufes ausgeübt werden, verboten sind; (lebensfremdes) Standardbeispiel: Berufskiller (wegen 211, 212 StGB "schlechthin" verboten). Nicht gemeint ist damit, dass etwa ein gesetzli - cher Erlaubnisvorbehalt für den betreffenden Beruf besteht (z.b. Erlaubnis zum Betreiben einer Gaststätte oder eines Casinos). Denn dem Gesetzgeber darf es selbstverständlich nicht freistehen, durch Verbotsnormen den Schutzbereich von Art. 12 GG zu bestimmen - das würde den Grundrechtsschutz ad absurdum führen. Hier aber bitte nicht viele Worte dazu verlieren! Der Betrieb einer Apotheke erfüllt diese Merkmale und ist damit ein Beruf i.d.s. Damit ist der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG eröffnet.
7 Klausurtipp: Ein Fehler wäre es, hier auf den persönlichen Schutzbereich mit Blick auf den A einzugehen. Es handelt sich gerade nicht um ein Verfahren im Individualrechtsschutz - vielmehr wird die Verfassungsmäßigkeit des 4 S. 2 SächsLadÖffG prinzipal und nicht mit Blick auf den A geprüft. b) Eingriff Durch 4 S. 2 SächsLadÖffG müsste in den Schutzbereich eingegriffen werden. Ein Eingriff ist jede staatliche Maßnahme, die grundrechtlich geschütztes Verhalten unmöglich macht oder wesentlich erschwert. Die Norm ermächtigt zu einem Öffnungsverbot während der allgemeinen Ladenschlusszeiten. Dadurch wird die berufliche Betätigung der Apotheker beeinträchtigt. Da die Norm ausdrücklich die Berufsausübung regelt und zu ihrem Gegenstand macht, liegt auch eine (subjektiv) berufsregelnde Tendenz vor. Ein Eingriff ist damit gegeben. Klausurtipp: Das Erfordernis der sog. berufsregelnden Tendenz ist eine besondere Anforderung, die das BVerfG für Eingriffe in Art. 12 GG aufgestellt hat. Es ist nicht jede Regelung, die sich irgendwie auf die berufliche Tätigkeit auswirkt, auch ein Eingriff in Art. 12 GG. Das wird in mehr oder weniger intensiver Form auf nahezu jede Maßnahme des Staates zutreffen (z.b. die Regelung des Vertragsrechts im BGB). Deshalb werden nur spezifische Maßnahmen erfasst. Wenn eine Maßnahme die Regelung der Berufswahl- oder ausübung intendiert, d.h. ausdrücklich zu ihrem Gegenstand macht (z.b. Verbot des Verkaufs von Feuerwerkskörpern), handelt es sich um Maßnahmen mit subjektiv berufsregelnder Tendenz. Berufsneutrale Regelungen, die sich objektiv in erheblicher Weise auf die Berufswahl- oder ausübung auswirken, weisen eine objektiv berufsregelnde Tendenz auf. Dies leuchtet ein, wenn man das obige Beispiel (Feuerwerkskörper) dahingehend abwandelt, dass zwar nicht der Verkauf, aber der der Umgang mit Feuerwerkskörpern verboten wird; die Händler könnten diese dann zwar theoretisch verkaufen. Da keiner sie verwenden darf, würde sie jedoch auch niemand kaufen. Problematisieren muss man diese Frage also immer dann, wenn es sich um berufsneutrale Regelungen handelt. c) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Der Eingriff könnte jedoch gerechtfertigt sein. aa) Schranken Dies setzt voraus, dass Art. 12 Abs. 1 GG Einschränkungen zugänglich ist. Nach Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG kann die Berufsausübung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden. Vorliegend handelt es sich um eine Berufsausübungsregelung; es geht nicht etwa um den Zugang zum Beruf des Apothekers. Damit ist eine Schranke gegeben. Klausurtipp: Im Fall handelt es sich um eine insoweit unproblematische Berufsausübungsregelung,
8 für welche der Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG schon dem Wortlaut nach gilt. Oftmals stehen aber Berufswahlregelungen (z.b. Zulassung als Apotheker) in Rede. Dann muss darauf eingegangen werden, ob der Vorbehalt auch für diese gilt. Der Wortlaut spricht zwar dagegen, wenn diese in S. 1 explizit benannt wird, in S. 2 jedoch nicht. Allerdings ist eine Trennung zwischen Berufswahl und Berufsausübung schlechterdings unmöglich. Diese Tätigkeiten gehen ineinander über: Wenn man einen Beruf wählt, übt man diesen aus. Die Ausübung wiederum bestätigt fortlaufen diese Wahl. Im Übrigen leuchtet nicht ein, warum die Berufswahl nicht soll geregelt werden können. Die h.m. geht daher davon aus, dass es sich (1.) um ein einheitliches Grundrecht der Berufswahlund Berufsausübungsfreiheit handelt, das (2.) dem einheitlichen Schrankenvorbehalt des S. 2 unterliegt. Dies muss ausführlich allerdings nur dann angesprochen werden, wenn es sich um eine Berufswahlregelung handelt! bb) Schranken-Schranken, insbesondere Verhältnismäßigkeit (Drei-Stufen-Theorie) 4 S. 2 SächsLadÖffG müsste auch verhältnismäßig sein. Die Verhältnismäßigkeit bildet eine Schranken-Schranke. Hierbei ist die sog. Drei-Stufen-Theorie des BVerfG (Apotheken- Urteil - BVerfGE 7, 377) zu beachten. Diese stellt eine besondere Ausformung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für Art. 12 GG dar. Klausurtipp: Diese mystische Theorie ist im Prinzip nichts anderes als eine modifizierte Verhältnismäßigkeitsprüfung. Deshalb nicht isoliert irgendwo im Fallaufbau Worte zur Drei-Stufen-Theorie verlieren, sondern in die Prüfung der Verhältnismäßigkeit integrieren. Der Inhalt dieser Theorie ist folgender: Unterschieden wird zwischen Regelungen der Berufsausübung (1. Stufe) und Berufswahlregelungen (2. und 3. Stufe). Berufsausübungsregelungen betreffen die Frage des "Wie" (z.b. Öffnungszeiten). Berufswahlregelungen betreffen in Form von Zulassungsbeschränkungen die Frage des "Ob"; hierbei sind wiederum zwei Formen denkbar. Das "Ob" kann einerseits durch subjektive Zulassungsbeschränkungen (z.b. die persönliche Qualifikation) geregelt (2. Stufe) oder durch objektive Zulassungsbeschränkungen (z.b. bestimmte Zahl von Apotheken, unabhängig von persönlichen Voraussetzungen) eingeschränkt (3. Stufe) werden. Die Stufen drücken dabei nichts anderes aus, als eine bestimmte Eingriffsintensität; die Intensität ist auf der 1. Stufe am geringsten, auf der 3. Stufe am höchsten. Damit gehen auch stärkere Einschränkungen für den Staat einher - der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird hier immer strenger. 4 S. 2 SächsLadÖffG regelt die Modalitäten der Berufsausübung, d.h. das "Wie". Somit handelt es sich um eine Berufsausübungsregelung.
9 (1) legitimer Zweck: Gemeinwohlbelange Die Regelung müsste einen legitimen Zweck verfolgen. Für Berufsausübungsregelungen besteht dieser darin, dass Gemeinwohlbelange bzw. vernünftige Gründe des Gemeinwohls verfolgt werden. Der Arbeitszeitschutz ist als solcher Belang anzusehen. Ein legitimer Zweck liegt damit vor. Klausurtipp: Hier zeigt sich also die Auswirkung der Drei-Stufen-Theorie. Handelt es sich um Berufswahlregelungen ist wiederum zu differenzieren: Subjektive Berufswahlregelungen (2. Stufe) sind zulässig, wenn die Ausübung des Berufs ohne Erfüllung der Voraussetzungen unmöglich oder unsachgemäß wäre und auch dann, wenn sie Gefahren oder Schäden für die Allgemeinheit mit sich bringen würde (Pieroth/Schlink, Rn. 855). Objektive Zulassungsbeschränkungen müssen der Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut notwendig sein. Dies alles kann in der Klausur bereits im Rahmen des legitimen Zwecks erörtert werden. (2) Geeignetheit Die Norm müsste geeignet sein, diesen Zweck zu erreichen. Durch 4 S. 2 SächsLadÖffG wird die Verteilung der Arbeitszeit insoweit günstig beeinflusst, als die Arbeitnehmer der zu schließenden Apotheken an diesen Tagen nicht zusätzlich arbeiten müssen. Damit ist die Geeignetheit zu bejahen. (3) Erforderlichkeit Die Norm müsste erforderlich sein. Eine Maßnahme ist erforderlich, wenn keine gleichermaßen geeigneten Mittel bei zugleich geringerer Eingriffsintensität ersichtlich sind. Hier sind keine anderen weniger belastenden Regelungen mit gleicher Wirksamkeit ersichtlich. Klausurtipp: I.R.d. Erforderlichkeit schlägt sich die Drei-Stufen-Theorie ein weiteres Mal nieder. Soweit Maßnahmen auf 2. oder 3. Stufe getroffen wurden (s.o.), ist hier zu überlegen, ob eine Maßnah - me auf einer niedrigeren Stufe ebenso geeignet wäre. Denn die niedrigere Stufe bedeutet hier zugleich das mildere Mittel. Liegt also eine objektive Zulassungsbeschränkung vor, ist zu prüfen, ob Maßnahmen auf 2. oder 1. Stufe ausreichend wären. (4) Verhältnismäßigkeit i.e.s Die Norm müsste letztlich verhältnismäßig i.e.s. sein. Dies bedeutet, dass der Eingriff nicht außer Verhältnis zu dem verfolgten Zweck stehen darf...
10 Klausurtipp: Hier ist eine Gesamtabwägung zwischen Schwere des Eingriffs und Gewicht der rechtfertigenden Gründe anzustellen. Dies soll hier nur stichpunktartig erfolgen, da der Bearbeiter selber argumentieren muss. Dabei kann i.d.r. - wie auch hier - auf das Vorbringen der Parteien im SV zurückgegriffen werden. - Eingriff in die Berufsausübung, aber schonende Verteilung der Arbeitszeit - zudem abwechselndes Öffnungsverbot, sodass grundsätzliche Öffnung an Sonn- und Feiertagen gemäß 4 S. 1 SächsLadÖffG bestehen bleibt - Arbeitszeitschutz vorrangig? Je nachdem, wie man sich hier entscheidet, verstößt 4 S. 2 SächsLadÖffG gegen Art. 12 Abs. 1 GG oder nicht. 2. Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG: Eigentumsgarantie Ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG (Eigentum) liegt nicht vor: Art. 14 Abs. 1 GG schützt nicht den Erwerb, sondern Erworbenes. Der Erwerb ist allein von Art. 12 Abs. 1 GG erfasst. Klausurtipp: Man kann dies auch etwas ausführlicher gestalten. Wenn in der Klausur wenig Zeit bleibt, ist eine kurze Abhandlung jedoch empfehlenswert. 3. Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG: Allgemeine Handlungsfreiheit Ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG scheidet aus. Hier ist der Freiheitsbereich des Art. 12 Abs. 1 GG spezieller (siehe zur Grundrechtskonkurrenz die Lösung zu Fall 2). Klausurtipp: In einem so eindeutigen Fall wie hier, kann man sich auf einen Satz zur Konkurrenz beschränken. 4. Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG: Allgemeiner Gleichheitssatz Letztlich könnte 4 S. 2 SächsLadÖffG gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Dies setzt voraus, dass wesentlich Gleiches willkürlich ungleich behandelt wurde. Klausurtipp: Eine Prüfung des Art. 3 GG nach dem klassischen Schema Schutzbereich-Eingriff-Rechtfertigung bietet sich nicht an. Denn ein Schutzbereich als solcher existiert nicht; vielmehr geht es um eine bestimmte Relation zweier Gruppen. a) Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem
11 Zunächst müssten Apotheker gegenüber einer Vergleichsgruppe ungleich behandelt worden sein. Als Vergleichsgruppe kommen hier sonstige Händler in Betracht. Der Bezugspunkt des Vergleichs ist dann also der Handel (mit Medikamenten und sonstigen Gütern). Fraglich ist hier jedoch schon die Ungleichbehandlung: Für alle anderen Händler gilt das Verbot des 3 Abs. 2 SächsLadÖffG ohne die Vergünstigung des 4 S. 1 SächsLadÖffG. Dass den Apothekern diese Vergünstigung wieder genommen wird, kann also insofern von vornherein keine Ungleichbehandlung bedeuten. b) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Aber selbst wenn man dies anders sähe, ist diese Ungleichbehandlung nicht willkürlich, sondern dient dem Arbeitszeitschutzes, da Apotheken nach 4 S. 1 SächsLadÖffG an allen Tagen geöffnet haben dürfen c) Zwischenergebnis 4 S. 2 SächsLadÖffG verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. 5. Ergebnis Begründetheit Das Ergebnis der Begründetheit hängt davon ab, wie man sich i.r.d. Art. 12 Abs. 1 GG entscheidet. Sieht das BVerfG die Vorlage als begründet an, wird es die entsprechende Norm für nichtig bzw. für mit dem GG unvereinbar erklären, 82 Abs. 1, 78 BVerfGG. C. Ergebnis Siehe dazu (5.).
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