Erfahrungsbericht. Istanbul Teknik Üniversitesi WS 11/12. via Erasmus

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1 Erfahrungsbericht Istanbul Teknik Üniversitesi WS 11/12 via Erasmus

2 Dieser Report schildert meine Erfahrungen, die ich während meines Auslandssemesters in Istanbul gewonnen habe, und soll Interessierten mit Einschätzungen und Ratschlägen bei der Entscheidung helfen, ob ein Auslandssemester in der Türkei für sie das Richtige ist. Inhalt 1. Warum Istanbul? 2. Eindrücke 3. Organisationsaufwand in Deutschland 4. Organisationsaufwand und Unterkunft vor Ort 5. Situation an der Universität und Kurswahl 6. Ratschläge und Erfahrungen zum Überleben in der Türkei 6.1. Sprache 6.2. Internet und Telefon 6.3.Wohnsituation 6.4. Öffentlicher Nahverkehr 6.5. Lebenshaltungskosten 6.6. Freizeit- und Abendgestaltung 6.7. Risiken 7. Fazit

3 1. Warum Istanbul? Dass ich zumindest ein Semester meines Studiums im Ausland verbringen möchte, stand für mich von Anfang an fest. Wie die meisten, dachte ich primär an ein englischsprachiges Land, zumindest aber an Skandinavien oder Frankreich. Als ich über den Verteiler der Hochschule im April den Hinweis bekam, dass kurzfristig noch Plätze zur Verfügung stünden, u.a. in Istanbul, einer neuen Partneruni der Fakultät 09, habe ich nicht lange überlegt und innerhalb eines Wochenendes die Erasmus Bewerbung fertiggestellt. Mir war von Beginn an klar, mein Auslandssemester in einer echten Großstadt verbringen zu wollen, gerne auch in einem Land mit anderer Kultur. Der Bewerbungsaufwand sollte möglichst gering aber effektiv sein, und die Kosten sollten im überschaubaren Rahmen bleiben (zumindest nicht teurer als in München). Istanbul, eine Stadt mit über 14 Mio. Einwohnern, damit viertgrößte Stadt der Welt und einer durch den Islam geprägten Gesellschaft erfüllte dank der Erasmus Partnerschaft auch die letztgenannten Kriterien. Die Bewerbung forderte keine aufwändigen Formalitäten und war auf der Fakultätshomepage detailliert erörtert. Dank Erasmus-Förderung und verhältnismäßig geringen Lebenshaltungskosten war es auch finanziell zu stemmen. 2. Eindrücke Die Türkei ist sicherlich das Land im Erasmusabkommen mit den stärksten kulturellen Unterschieden, wirkliche Probleme hat mir das entgegen aller Vorurteile aber nie bereitet. Auch wenn sich die Großstadtbevölkerung selbst als modern und westlich betrachtet, gibt es nach wie vor große Unterschiede. Die Tradition zählt viel. Die Lage am Bosporus an der Grenze zwischen Europa und Asien macht die Stadt weltweit einzigartig, das Aufeinanderprallen von Historie und Moderne zeigt sich sowohl in der Gesellschaft als auch in den Bauwerken und auch das tägliche Leben unterscheidet sich doch sehr von dem in Deutschland und hat so zumindest für einen begrenzten Zeitraum seinen Reiz. Kommt man zum ersten Mal nach Istanbul, verblüffen einen vor allem die Unterschiede zu deutschen Großstädten. Auf den ersten Blick fallen die vielen wilden (aber stets zutraulichen und harmlosen) Hunde und Katzen auf, die in der Stadt umherstreunen, in den traditionelleren Vierteln begegnet man Männern, die mit Schubkarren auf dem Bürgersteig und in Seitenstraßen nach recyclebarem Material für ihren Lebensunterhalt suchen, an den belebten Plätzen betteln kopftuchtragende Frauen mit ihren Kleinkindern um Münzen und werden von den passierenden fein gekleideten Geschäftsleuten und Society-Damen keines Blickes gewürdigt. Die Gegensätze in Istanbul sind groß, eine solide Mittelschicht befindet sich noch im Aufbau. Nach Moskau, New York und London ist Istanbul die Stadt mit den viertmeisten Milliardären in der Welt. Der Verkehr ist in der Stadt fast immer dem Kollaps nahe, und ist geprägt von Bussen, Dolmus und Taxis. Auch auf den Bürgersteigen herrscht stets reges Treiben von

4 Einheimischen und einer Vielzahl von Touristen. Man sieht ungewohnt viele junge Menschen, das Durchschnittsalter in Istanbul ist 29 Jahre. Regelmäßig ruft der Muezzin auf arabisch zum Gebet, die zahlreichen Moscheen und Minarette kennzeichnen das Stadtbild und bilden vor allem am goldenen Horn, der Halbinsel mit dem historischen Part der Stadt, einen interessanten Kontrast zur Architektur zu Zeiten von Konstantinopel. Durch die Meerenge wird Kontinentaleuropa von Kleinasien getrennt, der rege Verkehr von Fähren und Öltankern ist charakteristisch für den Bosporus. Besonders die Vielfalt des gesellschaftlichen Lebens ist hier beeindruckend. Zum einen gibt es Viertel, in denen es scheint, die Zeit sei stehengeblieben: Dort reihen sich in engen Gassen kleine spezialisierte Geschäfte eng aneinander, in denen man fast alles fürs tägliche Leben finden kann. Von Lebensmittelgeschäften im Tante-Emma Stil über Gas- und Kohlehändler bis hin zu Barbieren und Schuhputzern: Viel erinnert eher an die 60er Jahre. Die Familien sind patriarchalisch geprägt und kinderreich, die Frauen häufig verschleiert. Nicht weit entfernt davon existieren moderne, geplante Trabantenstädte mit Hochhäusern, meist bewohnt von karriereorientierten Singles beiderlei Geschlechts und aus dem Westen angeworbenen Angestellten. Eingekauft wird dort entweder im Supermarkt oder man lässt sich die Waren von Kurierfahrern bringen. Die Istiklal Caddesi im einst von genuesischen Händlern bewohnten Viertel Beyoglu ist die längste Fußgängerzone der Stadt mit zahlreichen Geschäften und vielen Bars und Diskotheken. Vor allem im Sommer ist sie rund um die Uhr so belebt wie die Kaufingerstraße am Samstag Vormittag. Zum Shoppen von Kleidung und Schmuck geht man jedoch vorrangig in die Mega-Malls am Stadtrand, den größten Kontinentaleuropas, in denen man aus einer Vielzahl von Geschäften und Restaurants wählen kann. 3. Organisationsaufwand in Deutschland Die Vorbereitungen zuhause waren überschaubar. Nach der Bewerbung und Zusage in München kamen aus Istanbul noch Bewerbungsformulare zum Ausfüllen, das war jedoch nur noch Formsache. Im Juli kam dann die endgültige Zusage aus der Türkei. Über die Homepage der Fakultät traf ich eine erste Auswahl an Kursen, musste die Wahl im Laufe der Zeit immer mal wieder ändern, weil sie entweder in jenem Semester nicht angeboten wurden oder sich zeitlich überschnitten. Die Uni gab das definitive Angebot erst Anfang September bekannt, mein endgültiger Kursplan stand am ersten Tag meiner Ankunft. Das Internet ist für eine Vorauswahl unverzichtbar. Als Faustformel kann man sagen, dass alle Kurse mit ungeraden Semesternummern im Wintersemester angeboten werden, die mit geraden im Sommersemester. Es gibt viele Kurse mit vergleichbaren Inhalten zum Wirtschaftsingenieurcurriculum in München, für ein Semester findet man auf alle Fälle genug. Als Nächstes ging ich via Internet auf Wohnungssuche und wurde fürs Erste fündig. Leider war es ein Reinfall. Aber dazu später mehr.

5 Angereist bin ich mit dem Flugzeug, von München aus die beste Möglichkeit. Für Abenteurer gibt es eine 40h Zugverbindung, die aber genausoviel kostet wie ein Linienflug. Tickets liegen in der Preisspanne von ca. 140 bis 230 Euro (Roundtrip). Pegasus und Sunexpress sind günstig, landen aber am weiter entfernten Sabiha Gökcen Flughafen auf der anatolischen Seite der Stadt. Turkish Airlines und die Lufthansa fliegen mehrmals täglich den internationalen Atatürk Flughafen an. Zuletzt kann ich noch jedem empfehlen, sich das kostenlose Comdirect Girokonto zuzulegen. Damit kann man an jedem Geldautomaten in der Türkei völlig kostenlos seine Lira abheben, ein türkisches Konto ist damit überflüssig. 4. Organisationsaufwand vor Ort In Istanbul hatte ich zum ersten Mal die Möglichkeit, alle angebotenen Kurse mit den endgültigen Zeiten einzusehen. Am Eingang der Fakultät hing ein Plan mit allen Informationen, der jedoch der letzten Internetübersicht fast eins zu eins entsprach, lediglich ein paar Vorlesungszeiten hatten sich noch geändert. Mithilfe dieses Plans stellte ich mein persönliches Kursangebot nun endgültig zusammen, übertrug es ins Learning Agreement Formular und begab mich auf Unterschriftenodyssee. Die erste Unterschrift wurde vom Erasmusbetreuer der Fakultät benötigt, nach 2 erfolglosen Versuchen konnte ich die Dame dank des sehr hilfsbereiten Sekretariats ausfindig machen. Mit Ausnahme der Professoren sprechen nur wenig angestellte der Universität Englisch, im Sekretariat riefen sie jedoch immer einen Übersetzer hinzu, der dann auch prompt zur Stelle war. Die nächste Unterschrift bekam man in der Erasmus-Verwaltung am Campus in Maslak am Stadtrand. Hier muss man das Formular abgeben und ca. 3 bis 4 Tage warten, bis es unterschrieben wird. Das voll unterschriebene Dokument bringt man nun ein Stockwerk tiefer zur Kurseinschreibung. Bei dieser Gelegenheit sollte man auch gleich das Certificate of Arrival unterschreiben lassen und nach München faxen. Man bekommt seinen Studentenausweis, einige weitere hilfreiche Unterlagen und der Papierkrieg ist vorerst vorbei. Die meisten werden wohl mit ihrer von zuhause aus organisierten Unterkunft nicht zufrieden sein, die Standards unterscheiden sich deutlich, und vor allem westliche Studenten werden nicht selten abgezockt. Ich bewarb mich via Internet für ein WG-Zimmer bei einem Deutsch- Türkischen Reiseleiter und Unternehmensberater. Auf den Fotos im Internet war eine helle, freundliche und vor allem saubere Wohnung zu sehen sowie ein Bild eines adretten jungen Herren im dunklen Anzug. Als ich meinen Fuß über die Schwelle setzte, war ich ziemlich schockiert. Der Herr auf dem Bild war inzwischen rund 20 Jahre älter, eine sehr ungepflegte Erscheinung, ebenso die Wohnung. Die Fotos aus dem Internet waren definitiv in einem anderen Haus aufgenommen worden, der angebliche Geschäftsmann war schon länger arbeitslos. Im Gegensatz zu Bad und Küche war mein eigenes Zimmer halbwegs akzeptabel, als aber nach ca. 3 Wochen jener Herr um 3 Uhr Nachts in mein Zimmer kam und behauptete, er hätte Frauenstimmen gehört und daraufhin alles durchsuchte, zog ich aus. Meine zweite Wohnung fand ich via Craigslist, jedoch zog sich die Suche länger hin, als erwartet.

6 5. Situation an der Universität und Kurswahl Türkische Universitäten orientieren sich stark am verschulten amerikanischen Studiensystem. In den Kursen herrschte zu 70% Anwesenheitspflicht, es gab Class Exercises, eine Art benotete Gruppenarbeit über das aktuelle Thema, und neben dem Final Exam auch einen Midterm sowie Referate. Daneben musste man für jeden Kurs eine Projektarbeit anfertigen. Die Vorlesungsinhalte waren auf Englisch gut verständlich und auch die Kommunikation mit den Kommilitonen und in den Projektgruppen klappte meistens. Für die Projektarbeiten habe ich die Erfahrung gemacht, dass es von Vorteil ist, sich mit anderen internationalen Studenten zusammenzuschließen. Oft legten die einheimischen Studenten weniger Wert Zuverlässigkeit und auf die Qualität ihrer Arbeit. Auch die Mentalität, alles schnell auf den wirklich allerletzten Drücker zu erledigen ist etwas gewöhnungsbedürftig. Wie überall, hängt es aber hauptsächlich von den einzelnen Personen ab. Ich traf genügend engagierte Leute, mit denen man sehr gut zusammenarbeiten konnte. Die Vorlesungsinhalte waren immer interessant, im Vergleich zu Deutschland wurde aber weniger Wert auf kritisches Hinterfragen und Transferdenken gelegt. Wie überall dort, läuft auch das Leben an der Uni etwas gemütlicher ab. Pausen werden grundsätzlich überzogen, Zuspätkommen ist weit verbreitet und wenn sich die Mitstudenten bei einem Referat demonstrativ über etwas Anderes unterhalten, empfindet es niemand als unhöflich. Prüfungen waren bei ausreichender Vorbereitung gut machbar, nur die Organisation der nicht durch die Prüfungsordnung geregelten Midterms war leider oft chaotisch. Teilweise wurde vor dem vereinbarten Zeitpunkt gestartet, einmal kam es vor, dass die Prüfungsaufsicht Hilfsmittel wie Taschenrechner nicht erlaubte, obwohl es vom Professor zuvor gestattet worden war. Die Fakultät bot verschiedene Programme an, von denen man sich aber als Erasmus Student die Inhalte beliebig zusammenstellen konnte, ohne an ein festes Programm oder Semester gebunden zu sein. Das Angebot bestand aus Management Engineering, es entspricht im Deutschen wohl der technischen Betriebswirtschaftslehre und Industrial Engineering, was dem Wirtschaftsingenieurwesen noch am nächsten kommt. Diese beiden Programme gab es wiederum mit 30% Englischanteil oder komplett in Englisch. Letzteres ist ein ca $ teures Programm in Kooperation mit der New York State University, für Erasmus Studenten sind die Kurse natürlich kostenfrei. In diesen Kursen war die Leistungsbereitschaft im Allgemeinen höher, was wiederum die Noten ein wenig drückte. An der ITÜ wird nach Gauß-Kurve benotet, wer im Durchschnitt liegt bekommt ca. eine Drei, die besten 10% eine Eins, usw. Folgende vier Kurse habe ich an der Fakultät belegt: Business Planning: Vermittelt einem das theoretische Handwerkszeug um einen vollständigen Business Plan zu erstellen, im dazugehörigen Projekt darf man für ein Unternehmen seiner Wahl das Gelernte in die Tat umsetzen. Das Modul wird laut Prof. Metze für Unternehmensplanung und Organisation angerechnet. Fundamentals of Production Management: Erklärt die Strategien und Prozesse zur Produktionsplanung und Logistik in Unternehmen, Gastvorträge aus der Industrie und eine Exkursion zu Hyundai runden das Ganze ab.

7 Business Communication: Kommunikation im geschäftlichen und interkulturellen Umfeld, erstellen von Reports, Presentations, Cover Letters sowie CVs nach amerikanischen Standards. Nützlicher Kurs mit westlich orientierter türkischer Dozentin. Ergonomics: Vermittlung von Grundlagen der Arbeitswissenschaften. Gute, kurzweilige Vorlesung mit sehr kompetentem, USA-erfahrenem Professor. Laut Prof. Kurz wird das Modul für Ergonomie anerkannt. 6. Ratschläge und Erfahrungen zum Überleben in der Türkei 6.1. Sprache Türkisch zu lernen erfordert für Deutsche einen vergleichsweise hohen Zeitaufwand, daher haben sich meine Sprachkenntnisse in den fünf Monaten leider nur um Standardwendungen erweitert. In der Uni hat es mit Englisch immer gut funktioniert, auch die Kommilitonen waren immer sehr hilfsbereit und boten sogar in ihrer Freizeit Unterstützung an. Man sollte sich auf alle Fälle einen Sprachführer Türkisch kaufen (gibt es von Langenscheidt und Pons), damit kann man zumindest grob seinen Alltag meistern. Für aufwändigere Angelegenheiten, wie Handykarte oder Internet, muss man einen Unterstützer finden, der die Sprache gut beherrscht. Neben englischsprechenden einheimischen Studenten trifft man auch viele Deutschtürken an der Uni. Von der Bevölkerung abseits der Touristischen Gegenden und von Taxifahrern sollte man aber keine Fremdsprachenkenntnisse erwarten Internet und Telefon Wie auch in Deutschland, gibt es für beides Prepaidtarife und Festverträge. Anbieter sind Avea, Turkcell und Vodafone, mit ziemlich ähnlichen Angeboten. Ich hatte eine Prepaidkarte von Vodafone sowie einen UMTS Stick für den Internetzugang, den man nach Verbrauch des gebuchten Datenvolumens wieder aufladen konnte. Vorteil hierbei war die hohe Zuverlässigkeit, die Festnetzleitungen fielen regelmäßig zumindest für ein paar Minuten aus. Bringt man sein Handy selbst mit, muss man es vom Betreiber vor Ort freischalten lassen. Obwohl die Türkei gestattet, mit dem Personalausweis für 90 Tage einzureisen, verlangen die Telefongesellschaften ausnahmslos einen Reisepass Wohnsituation Entgegen meiner Erwartung gestaltete sich die Wohnungssuche schwierig, zum Schluss musste ich mich mit einer überteuerten Kompromisslösung begnügen. Fast immer sind die Wohngemeinschaften in der Türkei nach Geschlechtern getrennt, vor allem als Mann braucht man sich gar nicht erst für eine Damen-WG zu bewerben. In Studentenwohnheimen gibt es fast ausschließlich Mehrbettzimmer und es herrscht nächtliches Besuchsverbot. Man sollte auch beachten, dass fast alle privaten Internetangebote, in denen das Wort Erasmus auftaucht, Abzocke sind. Aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens und der vielen Staus ist eine Wohnung in Uninähe ratsam. Die Stadtteile Besiktas, Taksim, Cihangir, Harbiye oder Nisantasi sind dafür gut geeignet, Tarlabasi sollte man meiden. Wohnungen mit mitteleuropäischem Standard können dann aber schnell die Münchener Mietpreise übersteigen. Zugige, undichte Fenster und

8 vereinzelter Schimmelbefall sollten einen nicht erschrecken, in der Regel hält es sich aber im erträglichen Rahmen. Man sollte sich immer vorher den Mietvertrag mit der Gesamtmiete zeigen lassen und für etwaige Anzahlungen wie Kaution eine schriftliche Bestätigung fordern Öffentlicher Nahverkehr Mit öffentlichen Bussen und Fähren kann man sich sehr günstig fortbewegen, die Busfahrpläne sind jedoch eine Wissenschaft für sich. Die großen Haltestellen sind am Bus angeschrieben, für die kleineren muss man den Fahrer fragen (oder jemanden dabeihaben der es kann). Neben einer U-Bahnlinie gibt es noch zwei unterirdische Standseilbahnen, die vom europäischen Zentrum zum Bosporus führen und eine Straßenbahnlinie mit der man u.a. ins Zentrum des historischen Konstantinopels kommt (Sultanahmet). Für die Benutzung muss man sich vorher eine wieder aufladbare Magnetkarte zulegen (Istanbulkart, bzw. Akbil). Trotzdem wird man, vor allem nachts, häufig auf das Taksi angewiesen sein. Taxifahren kostet etwas weniger als die Hälfte verglichen mit Deutschland, jedoch muss man sich vor allem als Fremder auf Ehrenrunden einstellen. Sehr oft kommt es vor, dass der Fahrer den Weg nicht kennt. Es empfiehlt sich immer, einen Stadtplan dabeizuhaben und sich die Wörter rechts, links und geradeaus auf türkisch zu merken, um notfalls selbst navigieren zu können. Daneben gibt es den Dolmus, eine Art Sammeltaxi, das zwischen größeren Plätzen für TL 2,20 pendelt, sowie Minibusse, die wohl lebensgefährlichste Art der Fortbewegung in Istanbul. Diese Kleinbusse verbinden die Vororte mit der Innenstadt, sind vor allem zu Stoßzeiten sehr überfüllt. Fahren mit geöffneter Tür oder Fahrgäste, die auf dem Armaturenbrett oder der Mittelkonsole sitzen sind keine Seltenheit, dafür kommt man für umgerechnet 70cent kostengünstig ans Ziel Lebenshaltungskosten Die Lebenshaltungskosten in Istanbul liegen im Schnitt unter den von deutschen Großstädten, vor allem Nahrungsmittel, Tabak und Dienstleistungen sind günstiger. Westliche Produkte (z.b. Nudelsauce, Kosmetik, Markenware) sind meist teurer als in Deutschland, genauso wie Alkohol im Supermarkt und in Lokalen. Wer sich also etwas anpasst, kommt im Schnitt 30% günstiger weg als in München. Das Problem für Fremde ist, dass vor allem Händler auf Märkten und an der Straße mit überhöhten Preisen zu betrügen versuchen. Das kann zu einem generellen Misstrauen führen, was schade ist, da es auch genügend aufrichtige und ehrliche Leute gibt Freizeit- und Abendgestaltung Hier für bietet Istanbul schier endlose Möglichkeiten und wirklich jeder sollte etwas finden, was seinen Interessen entspricht. Neben der Vielzahl an historisch und kulturell bedeutenden Gebäuden, gibt es wunderschöne Plätze und Nahausflugsziele am Meer, Shoppingmöglichkeiten sowie Restaurants und Clubs entweder direkt am Bosporus oder mit großen Aussichtsterrassen in höheren Stockwerken der Altbauhäuser. Eine der wahrscheinlich weltweit höchsten Dichten an vielfältigen Bars und Clubs findet man an der Istiklal Caddesi, wo vor allem im Sommer jeden Tag der Bär steppt. Auch daher kann ich jedem empfehlen, lieber ein Modul weniger zu belegen und etwas mehr von der Stadt und den Menschen zu erleben.

9 6.7. Risiken Istanbul ist ein Risikogebiet für Erdbeben und die meisten Gebäude sind wohl nicht solide genug dafür gebaut, darüber hinaus wird es von Zeit zu Zeit Ziel terroristischer Angriffe. In dem Zeitraum, in dem ich mich dort aufhielt, gab es zwei Attentate von Einzeltätern. Der Erste wurde beim Versuch, eine Fähre zu Kapern sofort erschossen, niemand wurde verletzt. Beim zweiten Attentat feuerte ein religiös motivierter Mann einige Gewehrsalven am Topkapi-Palast ab, traf einen Wachmann an der Schulter und wurde unmittelbar darauf von einer Polizeikugel tödlich getroffen. Die Polizeipräsenz ist sehr hoch, ich fühlte mich zu keinem Zeitpunkt unbehaglich. Die Wahrscheinlichkeit, in Deutschland in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt zu sein ist jedenfalls höher, als in Istanbul einem Attentat oder Erdbeben zum Opfer zu fallen. 7. Fazit Das halbe Jahr in Istanbul hat sich in jeder Hinsicht gelohnt, ich kann es allen reisefreudigen und abenteuerlustigen Studenten sehr empfehlen. Eigeninitiative, Improvisationstalent sowie ein gefestigter Charakter sind aber auf jeden Fall Grundvoraussetzung, um der oft vorherrschenden Trägheit und dem Chaos Paroli zu bieten und das Leben dort dann auch genießen zu können.