Mitteilungen der Juristischen Zentrale
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- Felix Bayer
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1 Mitteilungen der Juristischen Zentrale VERTRAGSANWÄLTE Nr. 57/ IL Aktuelle EuGH-Entscheidung und Rechtsprechungsübersicht: Verbrauchergerichtsstand bei grenzüberschreitenden Käufen Sehr geehrte Damen und Herren, mit dieser Mitteilung möchten wir Ihnen anlässlich der am ergangenen EuGH-Entscheidung (C-218/12) einen Überblick über die bisherige Rechtsprechung zum Verbrauchergerichtsstand des Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO geben. 1. Voraussetzungen des Verbrauchergerichtsstands Der Verbraucher hat nach der Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO die Wahlmöglichkeit, Klage bei dem Gericht seines Wohnsitzes zu erheben, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Der Gewerbetreibende muss seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit im Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausüben oder sie auf irgendeinem Wege (z. B. über das Internet) auf diesen Mitgliedstaat ausrichten und der streitige Vertrag muss in den Bereich dieser Tätigkeiten fallen. 2. EuGH zum Ausrichten der Tätigkeit auf andere Mitgliedstaaten ( , verbundene Rechtssachen C-585/08 und C-144/09, Pammer / Reederei Schlüter und Hotel Alpenhof / Heller = ADAJUR Dok. Nr , DAR 2011, 77) Bereits im Jahr 2010 hatte der EuGH zur Frage Stellung bezogen, wann ein Gewerbetreibender seine Tätigkeit auf andere Mitgliedstaaten ausrichtet. e Der in Österreich ansässige Kläger buchte eine Frachtschiffsreise von Italien nach Fernost bei einer in Deutschland niedergelassenen Reederei unter Vermittlung durch eine deutsche Reiseagentur. Nach der Buchung lehnte der Kläger es jedoch ab, die Reise anzutreten, da seiner Ansicht nach die Bedingungen an Bord nicht der ursprünglichen Reisebeschreibung entsprachen. Er verlangte daher die Rückerstattung des Reisepreises. Da ihm die Reederei nur einen Teil erstattete, erhob er Klage vor einem österreichischen Gericht. Die Reederei erhob die Einrede der Unzuständigkeit, da sie in Österreich keine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübe.
2 2 Der in Deutschland ansässige Beklagte buchte bei einem in Österreich gelegenen Hotel mehrere Zimmer für einen einwöchigen Aufenthalt. Er nahm diese Buchung über unter Verwendung der -Adresse vor, die auf der Website des Hotels angegeben war. Der Beklagte bemängelte die Leistungen des Hotels und verließ es ohne Begleichung der Hotelrechnung. Das Hotel verklagte ihn daraufhin bei einem österreichischen Gericht auf Zahlung des Rechnungspreises. Hiergegen erhob er eine Unzuständigkeitseinrede mit der Begründung, als in Deutschland wohnhafter Verbraucher könne er nur vor den deutschen Gerichten verklagt werden. Für das Merkmal des Ausrichtens muss der Gewerbetreibende nach Ansicht des EuGH seinen Willen zum Ausdruck gebracht haben, Geschäfte mit Verbrauchern anderer Mitgliedstaaten zu tätigen. Das bloße Betreiben einer Website wurde hingegen als nicht ausreichend erachtet. Anhaltspunkte für ein Ausrichten sind vielmehr alle offenkundigen Ausdrucksformen des Willens, Verbraucher anderer Mitgliedstaaten als Kunden zu gewinnen, so z. B. das Anbieten von Dienstleistungen oder Gütern in mehreren namentlich benannten Mitgliedstaaten oder Ausgaben des Gewerbetreibenden für Internetreferenzierungsdienste von Suchmaschinenbetreibern (schlichtweg Google), um in anderen Mitgliedstaaten wohnenden Verbrauchern den Zugang zu seiner Website zu erleichtern. Weitere Anhaltspunkte sind z. B. die Angabe von Telefonnummern mit internationaler Vorwahl, die Verwendung von Domänennamen wie.com oder.eu, die Wiedergabe von Anfahrtsbeschreibungen von einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten aus zum Ort der Dienstleistung oder die Erwähnung einer internationalen Kundschaft, die sich aus in verschiedenen Mitgliedstaaten wohnhaften Kunden zusammensetzt, insbesondere durch die Wiedergabe von Kundenbewertungen. Auch wenn die Website dem Verbraucher die Verwendung einer anderen Sprache oder Währung als der im Mitgliedstaat des Gewerbetreibenden üblicherweise verwendeten ermöglicht, kann dies ein Anhaltspunkt für eine grenzüberschreitende Tätigkeit des Gewerbetreibenden sein. 3. EuGH zum fehlenden Erfordernis eines Vertragsschlusses im Fernabsatz ( , C-190/11, Mühlleitner / Yusufi = ADAJUR Dok. Nr , DAR 2012, 632) Die in Österreich wohnhafte Klägerin wollte einen Pkw erwerben und stieß hierbei bei Recherchen im Internet auf ein Angebot eines Autohauses in Deutschland. Zur Unterzeichnung des Kaufvertrags und Übernahme des Autos begab sie sich nach Hamburg. Zurück in Österreich entdeckte sie, dass das Fahrzeug wesentliche Mängel aufwies. Da sich das Autohaus weigerte, das Fahrzeug zu reparieren, erhob sie Klage bei den österreichischen Gerichten, deren internationale Zuständigkeit von den Beklagten gerügt wird. Der Oberste Gerichtshof legte dem EuGH die Frage vor, ob die Zuständigkeit der österreichischen Gerichte zusätzlich voraussetze, dass der Vertrag im Fernabsatz geschlossen worden sei.
3 3 Diese Frage wurde vom EuGH verneint. Wesentliche Voraussetzung für die Anwendung des Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO ist die der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit, die auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausgerichtet ist. Insoweit sind sowohl die Aufnahme von Fernkontakt als auch die Buchung eines Gegenstands oder einer Dienstleistung im Fernabsatz und erst recht der Abschluss eines Verbrauchervertrags im Fernabsatz selbst Indizien dafür, dass der Vertrag an eine solche Tätigkeit anschließt. Es ist jedoch nicht zwingende Voraussetzung, dass der streitige Vertrag auch im Fernabsatz geschlossen wurde. Die europäische Regelung sah zwar im Wortlaut bis 2002 vor, dass der Verbraucher die zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen in seinem Wohnsitzstaat vorgenommen hat, die derzeitige Regelung enthält diese Voraussetzung jedoch aus Verbraucherschutzgründen nicht mehr. Daher kann der Verbraucher den in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gewerbetreibenden auch dann vor den Gerichten seines eigenen Mitgliedstaats verklagen, wenn der Vertrag nicht im Fernabsatz abgeschlossen wurde, sofern der Gewerbetreibende seine Tätigkeit im Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausübt oder sie auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat ausrichtet und der streitige Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. 4. BGH im Anschluss an die EuGH-Entscheidung Mühlleitner / Yusufi ( , XII ZR 10/10 = ADAJUR Dok. Nr ) Die Klägerin mit Geschäftssitz in Deutschland, vermietete Wohnmobile. Auf ihrer Homepage bestand die Möglichkeit, einen mit Wegbeschreibung bezeichneten Link anzuklicken. Dieser Link führte zu einer Straßenkarte, in der auch die Anfahrt aus der Grenzregion der Niederlande eingezeichnet war. Außerdem befand sich an mehreren Stellen des Internet-Auftritts der Klägerin neben einer niederländischen Flagge der Hinweis Wij spreken Nederlands!. Nach dem Austausch mehrerer s schickte das Vermietungsunternehmen dem Beklagten, der in den Niederlanden wohnt, per Fax einen Reservierungsantrag, den dieser unterschrieben per Fax zurückschickte. Auf der Rückseite des Reservierungsantrags waren die von der Klägerin verwendeten Allgemeinen Mietbedingungen für die Anmietung eines Reisemobils abgedruckt, die in Ziffer 19 eine Gerichtsstandsvereinbarung enthielten, nach der für alle Streitigkeiten aus oder über diesen Vertrag als Gerichtsstand der Sitz des Vermieters vereinbart wird, soweit der Mieter keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat. Der Mietvertrag wurde wiederum direkt in den Geschäftsräumen der Vermieterin geschlossen. Wegen technischer Defekte erhielt die Klägerin das Fahrzeug erst nach Ablauf der vereinbarten Mietzeit zurück und machte den aus der verspäteten Rückgabe entstandenen Schaden geltend.
4 4 Bis zur EuGH-Entscheidung Mühlleitner spielte es im Rahmen der Beurteilung des Ausrichtens eine wesentliche Rolle, ob der Unternehmer eine sogenannte aktive (Online-Vertragsschluss möglich) oder nur eine passive Website (Online-Vertragsschluss nicht möglich) betrieb. Hiervon ist der BGH nun aufgrund der unter Ziffer 2 aufgestellten Rechtsgrundsätze des EuGH abgewichen. Vielmehr wurde weil die Klägerin sich durch die Gestaltung ihrer Homepage gezielt an Personen in den Niederlanden gewandt hatte ein Ausrichten der gewerblichen Tätigkeit auf den Wohnsitzstaat des Beklagten bejaht. Auch bzgl. der weiteren Frage, ob Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO einen Vertragsabschluss mit den Mitteln des Fernabsatzes voraussetzt, schloss sich BGH dem EuGH an. 5. EuGH zum fehlenden Erfordernis einer Kausalität zwischen Internetauftritt des Anbieters und Vertragsschluss ( , C-218/12, Emrek / Sabranovic) Der EuGH hat aktuell nochmals die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGV- VO präzisiert. Der Beklagte betrieb in Frankreich einen Gebrauchtwagenhandel. Er unterhielt eine Internetseite, auf der französische Telefonnummern und eine deutsche Mobilfunknummer, jeweils mit internationaler Vorwahl, angegeben waren. Der in Deutschland wohnhafte Kläger hatte über Bekannte (nicht über Internetseite) von dem Autohändler erfahren. Er begab sich dorthin und kaufte einen Gebrauchtwagen. Da sich der Pkw als mangelhaft erwies, machte der deutsche Käufer vor dem AG Saarbrücken Ansprüche geltend. Das AG wies die Klage als unzulässig ab. Das LG Saarbrücken, bei dem der Kläger Berufung eingelegt hat, war dagegen der Ansicht, dass die gewerbliche Tätigkeit des Beklagten auf Deutschland ausgerichtet gewesen sei. Es fragt sich jedoch, ob das zum Ausrichten der gewerblichen Tätigkeit auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers eingesetzte Mittel d. h. die Internetseite für den Vertragsschluss kausal sein müsse. Der EuGH stellt erneut fest, dass der Wortlaut der EuGVVO nicht ausdrücklich eine solche Kausalität verlange (vgl. bereits unter Ziffer 2 Mühlleitner / Yusufi ). Eine solche zusätzliche (und nicht in der EuGVVO vorgesehene) Voraussetzung würde dem mit dieser Verordnung verfolgten Ziel des Verbraucherschutzes zuwiderlaufen. So könnten sich insbesondere erhebliche Beweisschwierigkeiten stellen, insbesondere wenn der Vertrag nicht im Fernabsatz über diese Internetseite geschlossen worden ist. Die Schwierigkeiten, die mit dem Beweis der Kausalität verbunden sind, könnten die Verbraucher davon abhalten, die nationalen Gerichte ihres Wohnsitzes anzurufen, wodurch der mit der Verordnung erstrebte Schutz der Verbraucher geschwächt würde.
5 5 Allerdings kann dieser Kausalzusammenhang, auch wenn er keine Voraussetzung ist, dennoch ein Anhaltspunkt sein, den der nationale Richter bei der Feststellung berücksichtigen kann, ob die Tätigkeit tatsächlich auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausgerichtet ist. Mit freundlichen kollegialen Grüßen Ulrich May Leiter Juristische Zentrale
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