Raum für die Flamme und eben eine Flamme, die kräftig genug ist, das

Transkript

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2 Glas schmelzen Eigentlich ist es ja ganz einfach Glas zu schmelzen: man braucht einen Hafen (oder Pott oder Tiegel oder wie man es sonst noch nennen möchte) aus einem Material, das die Temperatur aushält, dicht ist und bleibt, wenn man Glas darin schmilzt (auch ein Kapitel für sich ), darum herum genügend Wärmeisolierung, darüber nochmal soviel Raum für die Flamme und eben eine Flamme, die kräftig genug ist, das Ganze warm zu halten. Dann, wenn der Ofen die richtige Farbe innen hat, so ungefähr gelb-orange, kann man Glasscherben Schäufelchen für Schäufelchen einfüllen, die dann doch relativ schnell schmelzen und zu einer Suppe mit recht dicker Konsistenz und vielen Luftblasen werden, vielleicht ein bisschen rühren und stehen lassen, dann kann man schon mit Pfeife oder Eisen das Glas portionsweise herausholen, ihm die eine oder andere Form geben und es, bevor es ganz kalt wird, in einen Kühlofen zum Entspannen bringen.

3 Chemie Soweit so gut. Wenn man sich aber dann auf die Recherche nach alten Farbglasrezepten macht, Chemiebücher ausgräbt, um zu verstehen, was die damals eigentlich gemacht haben und wie man es heute machen könnte oder will ich wirklich mit Arsenik oder Mennige kiloweise um mich werfen? - dann kommt man sich vor, wie wenn man zum ersten Mal eine eigene Küche hat und anfangen will nicht mehr nur die Tiefkühlpizza aufzutauen sondern überlegen muss wie viel Mehl, Hefe, Wasser und Salz jetzt in die Schüssel kommt und hat aber nur die Zutatenliste von verschiedenen, alten Pizzakartons. Die nächste Hürde werden dann zunächst mal von den Lieferanten gestellt, die auf die Gesetzgebung und die zuständigen Behörden verweisen. Gut, in der EU gilt das Vorsorgeprinzip und es mag schon seine Gründe haben, dass es einem schwer gemacht wird Schwefel und Salpeter, Nickel-, Kobaltoder Kupfersalze einfach so für den Hausgebrauch einzukaufen und bei manchen Stoffen überlegt man es sich ja auch zweimal (siehe oben), aber dass inzwischen auch Borax, Zinkoxid und Quarzmehl kennzeichnungspflichtig sind, war mir neu. Hier hatte die Gewerbeanmeldung von damals doch sein Gutes und nachdem ich mich traute, die schlafende Hunde beim Gewerbeaufsichtsamt zu wecken, wurde mir bescheinigt, dass es sich um eine erlaubte Verwendung handeln müsste (man beachte den

4 Konjunktiv!) und keinen Sachkundenachweis dafür nötig wäre. Immerhin ist dabei mein Bewusstsein für den Umgang mit Giften, kanzerogenen, mutagenen, reproduktiongefährdenden oder umweltgefährdenden Stoffen und entsprechenden Schutzmaßnahmen für Mensch (z.b. mich selber...) und Umwelt (z.b. der eigene Garten ) etwas geschärft worden. Farbglas Fast so einfach wie eine reine Scherbenschmelze mit schönen Kristallglasscherben ist es eine solche mit ein paar Promille Kobalt- oder Chromoxid zu färben und ein tiefes, klares Kobaltblau, respektive Flaschenrün, zu schmelzen. Auch Kupfer, Eisen und Mangan machen das, was sie sollen, man braucht nur etwas mehr davon. Interessanter wird es, wenn man sich dem Gelb und Rot nähern möchte. Wenn man davon absehen möchte, das Geld in Goldchlorid und Silbernitrat anzulegen und auch Cadmium - Selenverbindungen aus bekannten Gründen meiden möchte, dann kommt man unweigerlich zum Kupferrubin und Kohlegelb. Interessant deswegen, weil beide klassischen Glasfärbungen etwas mit Redoxreaktionen während der Schmelze zu tun haben. Und dabei kann erstaunliches passieren, sogar noch bei der über- über- übernächsten Schmelze! Gibt man vielleicht 1% elementarer Schwefel und etwas weniger Holzkohle plus etwas Braunstein zu den Scherben, dann bekommt man erst mal schon ein ganz schönes Gelb-Orange braun, ähnlich den Apothekerfläschchen, nur kann die ganze Schmelze irgendwann auch in ein Dunkel-Schwarzbraun kippen. Für das Kupferrubin glühe Kupferspäne, zerreibe den Zunder zu einem rot violettem Pulver und gib, wenn das Glas damit klar geschmolzen, etwas

5 Zinnfolie dazu und rühre kräftig mit einem nassen Holz, so ungefähr lautet die Anweisung die ich ge- (er)funden habe. Das funktioniert auch - nur kann man auch, mal wieder, ein schönes Schwarz bekommen, vor allem, wenn das Kristallglas doch noch einen kleinen Bleianteil hat, wie man später erfahren hat Blei lässt sich eben auch leicht reduzieren, zu einem Schwarzbraun! Und das schöne am Zinn ist, dass es das elementare Kupfer einlegiert und im Hafen wie so eine Pfütze Quecksilber bleibt und die nächsten Male, trotz Ausschöpfen und Putzen, den jeweils letzten Gläsern eine elegante rotschwarze Schliere abgibt, wenn nicht gleich das ganze Glas, erst ganz unschuldig ohne jede Farbe, höchstens ein bisschen grünlich, erst im Kühlofen alle Stücke dunkelrot anlaufen lässt. Überraschungen gibt es auch bei Versuchen historische Trüb- oder Milchgläser zu erschmelzen. Nicht nur, dass hier die divergierendsten Rezepturen gegeben werden, vor allem wird dabei das Glas in seinen Grundkomponenten so stark verändert, dass man meint, ein ganz anderes Material in den Händen zu haben. Das Beinglas, z.b., wird durch das Einbringen von Knochenasche in das Gemenge gewonnen, nur wird damit auch der Kalziumanteil des Glases erhöht und damit auch die Temperatur für hohe Viskosität, während die Temperatur für die niedrige abgesenkt wird, das Glas wird einfach kürzer! Und der Kühlofen muss hochgestellt werden! Wehrendessen der Flussspat seinem Namen alle Ehre macht und das Gemenge auch bei moderaten Schmelztemperaturen leichtflüssig werden lässt. Nur - damit ist noch lange nicht gesagt, dass man ein Opalglas geschmolzen hat: mit Glück läuft der

6 Glasposten auf der Pfeife opal an, wenn man ihn erst kalt werden lässt und ihn dann wieder erwärmt um ihn überhaupt wieder weich zu bekommen. Was aber überhaupt nicht immer automatisch passiert, handelt es sich doch um eine erwünschte Devitrifikation, also hier um Auskristallisierungen von Phosphor- bzw. Fluor- Verbindungen aus der Schmelze, was aber wieder mit Keimbildung und Keimwachstum zu tun hat. Ja, ich glaube es gerne, dass ein studierter Chemiker nur ein oder zwei Dutzend Glasfarben schmelzen kann, für mehr braucht es einfach Erfahrung und immer ein bisschen Alchemie - so wie vor fünf- sechshundert Jahren, geschweige denn von den antiken Zeiten und die hatten nicht mal ein Periodensystem R A G A N A R N O L D - A t e l i e r f ü r G l a s Wasenstrasse Baltmannsweiler fon mobil ragan-arnold@web.de