Pay-for-Delay-Vereinbarungen zwischen Patentrecht und Kartellrecht
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- Anton Bösch
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1 Pay-for-Delay-Vereinbarungen zwischen Patentrecht und Kartellrecht Cursus intégré franco-allemand en sciences juridiques Potsdam Paris Ouest Nanterre Niveau Master 1 Prof. Dr. Florian Bien, Maître en Droit (Aix-Marseille) Mardi, 28 Février 2016
2 Gliederung I. Einführung II. Zulassung neuer Medikamente: materielle Voraussetzungen (Klinische Studien) III. Verfahren der Marktzulassung 1. Originalpräparat Einzelstaatliches Verfahren Dezentrale Verfahren Zentrales Verfahren 2. Generikum 180-Tage-Regelung des US-Patentrechts insbesondere IV. Patentschutz und erweiterte Schutzzertifikate V. Anreiz für Unternehmen, Pay-for-Delay-Vereinbarungen zu schließen VI. Kartellrechtliche Beurteilung am Beispiel des Falls Lundbeck (Citalopram)
3 Marktzulassung: materielle Voraussetzungen Voraussetzungen zur Zulassung eines Arzneimittels sind: angemessene pharmazeutische Qualität ( Beschaffenheit eines Arzneimittels, die nach Identität, Gehalt, Reinheit, sonstigen chemischen, physikalischen, biologischen Eigenschaften oder durch das Herstellungsverfahren bestimmt wird, 4 Abs. 15 AMG), Therapeutische Wirksamkeit (Wahrscheinlichkeit der Heilung oder Besserung der zu behandelnden Krankheit), Unbedenklichkeit (Nebenwirkungen = schädliche und unbeabsichtigte Reaktionen auf das Arzneimittel, 4 Abs. 6 AMG) sowie Günstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis (nicht nur die Risiken für den Patienten, sondern auch für die öffentliche Gesundheit und die Umwelt sind zu berücksichtigen).
4 Quelle: ICH40 Topic E8 - General Considerations for Clinical Trial (CPMP/ICH/291/95) Quelle: ICH40Topic E8 - General Considerations for Clinical Trial (CPMP/ICH/291/95)
5 Präklinische Studien In vitro/tierversuche (ca. 5,5, Jahre) Klinische Studien Phase 0 (nicht vorgeschrieben): wenige gesunde Menschen Phase 1: gesunde Probanden Phase 2: erkrankte PRobanden Phase 3: > 1000 erkrankte Probanden Phase 4: Begleitstudien zu Unverträglichkeiten, Nebenwirkungen nach Zulassung
6 Originalpräparat und Generikum zeitliche Abfolge Quelle: Juliane Langguth (Diss. Würzburg 2017), nach Tschabitscher/Platzer/Baumgärtel/Müllner, in: Wiener Klin. Wochenschr. (2008) 120/3-4: S. 63, S. 64, Abb. 1
7 VO 469/2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel Artikel 13 Laufzeit des Zertifikats (1) Das Zertifikat gilt ab Ablauf der gesetzlichen Laufzeit des Grundpatents für eine Dauer, die dem Zeitraum zwischen der Einreichung der Anmeldung für das Grundpatent und dem Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft entspricht, abzüglich eines Zeitraums von fünf Jahren. (2) Ungeachtet des Absatzes 1 beträgt die Laufzeit des Zertifikats höchstens fünf Jahre vom Zeitpunkt seines Wirksamwerdens an. [ ]
8 Arzneimittelgesetz (AMG) 24b Zulassung eines Generikums, Unterlagenschutz (1) Bei einem Generikum [ ] kann ohne Zustimmung des Vorantragstellers auf die Unterlagen [ ] des Arzneimittels des Vorantragstellers (Referenzarzneimittel) Bezug genommen werden, sofern das Referenzarzneimittel seit mindestens acht Jahren zugelassen ist [ ]; dies gilt auch für eine Zulassung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union. Ein Generikum, das gemäß dieser Bestimmung zugelassen wurde, darf frühestens nach Ablauf von zehn Jahren nach Erteilung der ersten Genehmigung für das Referenzarzneimittel in den Verkehr gebracht werden. [ ]
9 Anreiz, einen Vergleich zu schließen (siehe Nachweis auf S. 13): Annahmen: Wahrscheinlichkeit, dass Originalhersteller obsiegt, = x. Gewinn des Originalherstellers in diesem Fall = 1000 (0 für Generikahersteller). : Wahrscheinlichkeit, dass Generikahersteller obsiegt = y, mit y = 1-x. Gewinn des Originalherstellers und des Generikaherstellers in diesem Fall je 400. Prozesskosten = 100 (vom unterlegenen Unternehmen zu tragen). Erwartungswerte (= Durchschnitt d. Ergebnisse b. unbegr. Wiederholungen). Gewinne (g): Originalhersteller: go = x* y*( ). Generikahersteller: gg = x*(0-100) + y*400.
10 Anreiz, einen Vergleich zu schließen: Rechenbeispiel I Wahrscheinlichkeit, dass Originalhersteller obsiegt = 80 Prozent (x = 0,8). Gewinn des Originalherstellers : in diesem Fall = 1000, andernfalls für beide je 400 EUR, wobei noch 100 Prozesskosten anfallen. Erwartungswert Gewinne (g) Originalhersteller: 0,8* (1-0,8)*( ) = ,2*300 = = 860. Erwartungswert Gewinne (g) Generikahersteller: 0,8*(0-100) + (1-0,8)*400 = = 0 Ergebnis: Zahlung in Höhe von ist für beide attraktiv!
11 Anreiz, einen Vergleich zu schließen: Rechenbeispiel II Wahrscheinlichkeit, dass Originalhersteller obsiegt = 40 Prozent (x = 0,4). Gewinn des Originalherstellers : in diesem Fall = 1000, andernfalls für beide je 400 EUR, wobei noch 100 Prozesskosten anfallen. Erwartungswert Gewinne (g) Originalhersteller: 0,4* (1-0,4)*( ) = ,6*300 = = 580. Erwartungswert Gewinne (g) Generikahersteller: 0,4*(0-100) + (1-0,4)*400 = = 200 Ergebnis: Zahlung > 200 und < 420 ist für beide attraktiv!
12 Anreiz, einen Vergleich zu schließen: Rechenbeispiel III Generikahersteller obsiegt mit Sicherheit. Dann Wahrscheinlichkeit, : dass Originalhersteller obsiegt = 0 Prozent (x = 0,0). Beide erlösen je 400 EUR, wobei noch 100 Prozesskosten zulasten des Originalherstellers anfallen. Erwartungswert Gewinne (g) Originalhersteller: 0,0* (1-0,0)*( ) = 0 + 1*300 = 300. Erwartungswert Gewinne (g) Generikahersteller: 0,0*(0-100) + (1-0,0)*400 = = 400 Ergebnis: Zahlung > 400 und < 700 ist für beide attraktiv!
13 Anreiz, einen Vergleich zu schließen, im Überblick x 1 0,8 0,6 0,4 0,2 0 Erwartungswert d. Umsatzes Originalhersteller : Erwartungswert d. Umsatzes Generikahersteller Pay-for-Delay-Bereitschaft des Originalherstellers 0 < 140 < 280 < 420 < 560 < 700 Quelle: Juliane Langguth (Diss. Würzburg 2017), nach Bennet (Charles River Associates), Siehe außerdem Choi/Uyl/Hughes, JoECL&P 2014, 44, und Hemphill, NYU L. Rev. 2006, 1553
14 EU-Kommission, Lundbeck-Entscheidung ( , Case AT.39226) Lundbeck: Antidepressivum Citalopram, Erstes Patent 1977 Marktzulassung in Dänemark : im Januar 1989 Patent auch über zwei Herstellungsprozesse. Bis 1985: Patentschutz im ganzen EWR (fast) Bis 1986: Marktzulassung im ganzen EWR (fast) 1985: neues Herstellungsverfahren patentiert In der Folge: weitere Herstellungspatente und Gebrauchsmusterschutz Nachfolgeprodukt: Escitalopram
15 EU-Kommission, Lundbeck-Entscheidung ( , Case AT.39226) Verhaltensweisen: - Patent-Neu-Anmeldungen (Verunsicherung der Generikahersteller) : - Behinderungen von Marktzulassungen von Generikaherstellern - Einflussnahme auf API-Hersteller ( Verzögerungen bei der Marktzulassung) - Pay-for-Delay-Vereinbarungen API Active pharmaceutical ingredient (Arzneistoff)
16 EU-Kommission, Prüfungsschema Kartellverstoß Die beteiligten Unternehmen sind zumindest potentielle Wettbewerber, der Generikahersteller wurde in seiner Entscheidungsunabhängigkeit bezüglich seines Markteintrittes beschränkt und der Originalhersteller : machte einen Vermögenstransfer, der den Ansporn der Generikahersteller auf den Markt zu treten, reduzierte. Weitere Punkte: Das Zustandekommen der Höhe des Vermögenstransfers vom Originalhersteller an den Generikahersteller, die Frage, ob der Originalhersteller das gleiche Ergebnis vor Gericht hätte erreichen können und ob es eine Regelung für die Zeit nach der Vereinbarung gab bzw. ob die Beschränkung des Generikaherstellers über die gesamte Patentlaufzeit ging.
17 Danke für Ihr Interesse und Ihre Aufmerksamkeit! Prof. Dr. Florian Bien Lehrstuhl für globales Wirtschaftsrecht, internationale Schiedsgerichtsbarkeit und Bürgerliches Recht
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